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Eine finalisierte Fassung des Beitrags wird 2024 in einem von Burchard/Schmitt-Leonardy/Singelnstein/Zabel herausgegebenen Sammelband („Alternativen zum Strafrecht“) erscheinen.
Im Zentrum des Beitrags steht jedoch nicht der Versuch, positiv Alternativen zum oder im Strafrecht zu formulieren. Vielmehr ist der Begriff der Alternativlosigkeit erkenntnisleitend, konkret die Identifizierung gesellschaftlich-politischer Wirkmächte und innerstrafrechtlicher Deutungsmuster, die eine (auch) strafrechtliche Bewältigung der durch den menschengemachten Klimawandel aufgeworfenen Konflikte alternativlos erscheinen lassen können.
Dazu wird die jüngst aufgekommene Debatte um ein Klimaschutzstrafrecht aus einer zukunftssoziologischen und strafrechtswissenschaftlichen Perspektive analysiert. Im Zentrum des Beitrags steht die These, dass sich gerade die Verbindung von katastrophischen Zukunftsvorstellungen – hier erschlossen über den zukunftssoziologischen Schlüsselbegriff der Imagination und deskriptiv-analytisch als „Klimakatastrophismus“ bezeichnet – und Exzeptionalisierungen des Strafrechts als Treiber in die imaginative Sackgasse der Alternativlosigkeit erweist.
Die verdichtete Imagination, das die Zukunfts eine Katastrophe sei („Klimakatastrophismus“), befördert als ein an Boden gewinnendes kollektives Deutungsmuster eine intensivierte Sozialkontrolle und Punitivität.
Der kriminalpolitisch expansive Kurs einer mit radikalisierten Selbsterhaltungsfragen konfrontierten Gesellschaft scheint in gesellschaftlich wie dogmatisch tief verankerten Exzeptionalisierungen des Strafrechts – wie der Zuschreibung, (nur) strafwürdige Sozialschädlichkeit adressieren zu dürfen, dies aufgrund einer regulativen und expressiven Ausnahmestellung aber auch in besonderer Weise zu können (oder zu müssen) – durchaus Widerhall zu finden. Dadurch entsteht ein strafrechtsexpansives (weil rechtfertigendes) Momentum, das der ohnehin in der Herausbildung begriffenen Legalisierung eines Klimaschutzstrafrechts Vorschub leistet.
Es entspricht den vornehmen Aufgaben der Strafrechtswissenschaft, diesen Entwicklungen prospektiv vorauszugreifen, sie aufzuklären und kritisch zu wenden – gerade im Hinblick auf die Gegenläufigkeit und Brüchigkeit gesellschaftlicher Entwicklungen oder die Kontingenz eines als politisch gelesenen Strafrechts. Eine kritische Strafrechtswissenschaft darf sich dabei nicht allein, allemal nicht unreflektiert auf tradierte Formen der Strafrechtsbegrenzung zurückziehen.
Zwei nennenswerte Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts sind Heinrich Brunner sowie Rudolf His. Beiden gelang es durch intensive Quellenauswertung Licht in das vielmals als düster betrachtete Mittelalter zu bringen. Der Beitrag geht der Frage nach, wie Brunner und His die mittelalterlichen Quellen am Beispiel der Strafen zu Haut und Haar deuteten und was wir anhand der gezogenen Erkenntnisse über die Zeit, in der beide lebten, lernen können. Brunner und His waren Teil der germanistischen Strömung und lebten in einem Zeitalter, in dem neue Kodifikationen wie Unkraut aus der Erde schossen. Zudem war das 19. Jahrhundert von vielen gesellschaftlichen Umbrüchen geprägt. All diese Umstände sind in die Quellenanalyse der Autoren eingeflossen und führten stellenweise zu Kategorisierungsversuchen, Verallgemeinerungen und einer Rekonstruktion eines Systems, welches es so nicht gegeben haben kann.
Die Anwendung des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots auf marktbeherrschende Intermediäre
(2024)
Nach deutschem und europäischem Wettbewerbsrecht ist marktbeherrschenden Unternehmen eine ungerechtfertigte Diskriminierung ihrer Geschäftspartner versagt, § 19 Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB. Dieses kartellrechtliche Diskriminierungsverbot bietet mit seiner auf die Marktoffenheit gerichteten Zielsetzung einen konzeptionellen Anknupfungspunkt fur die wettbewerblichen Gefahren konzentrationsgeneigter mehrseitiger Markte mit marktbeherrschenden Intermediaren, insbesondere in der Digitalokonomie. Der Zugang zu Vermittlungsleistungen kann hier von sachgerechten, angemessenen und diskriminierungsfrei gehandhabten Kriterien abhängig gemacht werden. Sind die Vermittler zudem vertikal integriert, kann aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB auch ein Selbstbevorzugungsverbot abgeleitet werden. Trotz neuer Instrumente behält das klassische kartellrechtliche Diskriminierungsverbot auch in solchen Fällen Bedeutung.
Mit dem am 22. September 2021 neu in Kraft getretenen § 126a StGB, der nun explizit das Anlegen von Feindeslisten unter Strafe stellt, sollen Menschen (noch) besser gegen Hass und Hetze im Internet geschützt werden. So legitim diese Intention auch ist, drängt sich gleichsam die Frage auf, ob diesem Phänomen wirkungsvoll mit dem Strafrecht entgegnet werden kann und aus rechtsstaatlicher Perspektive überhaupt werden darf. Unter dieser Prämisse wird kritisch eruiert, ob und inwiefern sich § 126a StGB in das dogmatische Gerüst des Strafrechts einordnen lässt. Dabei ist § 126a StGB dem modernen Präventionsstrafrecht zuzuordnen. Dieses verfolgt den Ansatz, durch eine Vorverlagerung der Strafbarkeit das Strafrecht als funktionales Mittel zur Erhöhung des Sicherheitsgefühls zu instrumentalisieren. Nach der Bewertung der tatsächlichen Bedrohungslage wird der Handlungsunwert der Verbreitung von Feindeslisten analysiert. Daneben werden weitere Grenzen der strafrechtlichen Vorverlagerung beleuchtet, namentlich die fundamentalen Prinzipien des Tatstrafrechts, des Bestimmtheitsgebots und des Ultima-Ratio-Grundsatzes, an denen sich § 126a StGB messen lassen muss.
Der Beitrag knüpft an die vergangenes Jahr intensiv geführte Debatte um die strafrechtliche Bewertung von Klima-Protesten an und lenkt die Aufmerksamkeit auf einen bislang kaum beachteten Aspekt, nämlich die Frage, ob sich Klima-Aktivistinnen und Aktivisten dem Unrecht ihres Verhaltens im Rahmen von Protestaktionen mit Blick auf die mögliche „Klimakatastrophe“ (stets) bewusst sind und entfaltet erste Überlegungen im Hinblick auf mögliche Verbotsirrtümer. In diesem Zusammenhang geht der Beitrag auch auf die Frage ein, ob eine Rechtfertigung von Protestaktionen wegen eines rechtfertigenden (Klima-)Notstands oder eines möglichen verfassungswidrigen Staatshandelns im Zusammenhang mit der Klimaschutzpolitik denkbar ist.
Die Privatautonomie ist ein zentrales Strukturmerkmal des deutschen Zivilrechts und eng mit der Vertragsfreiheit verwoben. Doch was macht die Privatautonomie konkret aus, in welchem Verhältnis steht sie zur Vertragsfreiheit und können beide losgelöst voneinander in einer Rechtsordnung verwirklicht sein? All diese Fragen, welche die grundlegenden Merkmale unseres geltenden Zivilrechts betreffen, stellen sich, wenn man sich der Frage widmet, ob es im Zivilrecht der DDR Privatautonomie gab. Der Blick zurück lohnt, auch um das geltende Zivilrecht und seine Strukturmerkmale noch besser zu verstehen.
Im November durfte er seinen 77. Geburtstag feiern, von Ruhestand ist aber noch keine Spur. Gerade bereitet er sich in seinem Büro über der Neuen Mensa am alten Campus in Bockenheim mit großem Elan auf die nächste Seminarsitzung vor. »Die Lehre an der Universität wie an Fachhochschulen war mir nie eine Last. Ich habe versucht, die Studierenden zu motivieren oder bei Bedarf gar zu provozieren, um zu kommunizieren, weil wir alle viel mehr von gegenseitigem Austausch haben«, sagt Ludwig Salgo. Zahlreiche Studierende der Sozialen Arbeit, aus der Rechtswissenschaft, aber auch aus der Erziehungswissenschaft haben seine Veranstaltungen besucht; etliche Juristinnen und Juristen haben bei ihm promoviert, sich für die pädagogische oder juristische Laufbahn qualifiziert. Sein zentrales Thema in Forschung und Lehre: das Verhältnis Eltern-Kind-Staat. Anfang 2012 ging er in den Ruhestand, doch die Lehre blieb vorerst seine große Passion. Jetzt beendet er seine Seniorprofessur an der Goethe-Universität zum Semesterende nach zehn Jahren: »Nun ist es genug«, sagt er. In der Fortbildung für Jugendämter, Verfahrensbeistände und Juristen, auch in Stiftungen und Verbänden, hier vor allem im Kinderschutzbund in Frankfurt, möchte er weiterhin aktiv bleiben, auch um für das Thema Kindeswohl zu sensibilisieren. Dass er dann mehr Zeit für seine große Leidenschaft haben wird, freut ihn: »Ich leide an der Melomanie«, sagt der passionierte Freund klassischer Musik. »Wie Nietzsche treffenderweise einmal bemerkt hat, wäre das Leben ohne Musik ein Irrtum.«
Seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts findet sich die Gesetzgebung im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts aufgrund der Komplizierung der Regelungsmaterie zunehmend in Sackgassen wieder. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Justiz als Regulierungsakteur erheblich an Bedeutung. Gerade der weit und unbestimmt gefasste Untreuetatbestand – die Allzweckwaffe des Wirtschaftsstrafrechts – bietet dabei gerichtlicher Regulierung ein Einfallstor. Die justizielle Aufarbeitung der Siemens- Korruptionsaffäre kann dies eindrücklich illustrieren. Dabei befindet sich die Justiz, so wie auch die Legislative, in einem Spannungsfeld zwischen Dogmatik und Rechtspolitik.
Der Umgang mit Geflüchteten aus der Ukraine unterscheidet sich in vielen Aspekten von dem mit anderen Geflüchteten – auch im Aufenthalts- und Sozialrecht. Insbesondere erhält dieser Personenkreis aktuell exklusiv einen Aufenthaltsstatus nach § 24 AufenthG. Über diese scheinbar formale Änderung hinaus unterscheiden sich auch die praktischen Sozialleistungen der Geflüchteten immens, da ihnen ein Anspruch auf (das heutige) Bürgergeld zusteht. Im folgenden Aufsatz wird untersucht, welche nationalen rechtlichen Auswirkungen der Rechtskreiswechsel hat und welche Rolle dabei das am 01. Januar 2023 geänderte SGB II unter Einführung des Bürgergeldes einnimmt. Des Weiteren wird untersucht, welche verfassungsrechtlichen Probleme mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz dabei entstanden sind und ob weiterer Handlungsbedarf besteht.
Die Frage nach dem immateriellen Schadensersatz gem. Art. 82 DS-GVO beschäftigt seit Mai 2023 die Rechtsprechung des EuGH, der nun erstmals wesentliche Eckpfeiler für den datenschutzrechtlichen Schadensersatzanspruch setzt. Es gilt, die konkretisierten Vorgaben kritisch einzuordnen und deren Auswirkungen auf die europäische Rechtspraxis zu untersuchen. Gegenstand dieser Überlegungen sind insbesondere Fragen nach Tatbestand und Beweislast für einen kausalen Schaden, die Ablehnung einer Sanktionswirkung des Art. 82 DS-GVO sowie die Risiken möglicher Bündelungen gleichartiger Ersatzbegehren. Der EuGH schafft in diesen Fragen zunächst Rechtssicherheit, wenngleich einige Punkte offenbleiben. Die fortschreitende Konkretisierung der Anforderungen an Art. 82 DS-GVO bleibt insofern auch künftig mit Spannung zu verfolgen.
Das Notariat ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Systems der vorsorgenden Rechtspflege, welches wiederum essenziell für Rechtssicherheit ist. Es unterliegt einem zunehmenden Einsatz digitaler Mittel, wodurch sich die Frage stellt, ob auf notarielle Mitwirkung dank technologischer Entwicklungen in Zukunft verzichtet werden kann. In diesem Beitrag wird sich mit dieser Fragestellung speziell für das Recht der GmbH auseinandergesetzt und aufgezeigt, warum Notare auch in einem digitalisierten Rechtsumfeld nicht hinwegzudenken sind.
„Contract as Promise“ ist ein klassisches Werk zum Vertragsrecht im Common Law. Anlässlich des Versterbens von Charles Fried Anfang des Jahres 2024 wird seine für den angloamerikanischen Rechtsraum prägende Theorie zunächst in ihren Kernaussagen nachgezeichnet, sodann in die zeitgenössische Debatte eingeordnet und schließlich aus aktuellem Blickwinkel neu beurteilt werden. Aus deutscher Perspektive auf das Common Law blickend will der Artikel einen Eindruck davon vermitteln, wie sich Frieds Ansatz bereits zu Lebzeiten des Autors zu einem Klassiker entwickeln konnte.
Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz stellt ein fundamentales Prinzip bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und damit des öffentlichen Vergaberechts dar. Ausgangspunkt des Grundsatzes ist das öffentliche Haushaltsrecht, indem es als Leitlinie für einen effizienten Einsatz öffentlicher Ressourcen, die überwiegend aus Steuergeldern bestehen, fungiert. Mit der Einbeziehung des EU-Vergaberechts erlangt der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zusätzlich die Rolle der Marktstabilisierung, -stärkung und Integration. Der Beitrag widmet sich der Herleitung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes sowie seiner Relevanz innerhalb des Vergabeverfahrens bis hin zur Aufhebung von Vergabeverfahren.
Dieser Aufsatz untersucht die Wirksamkeit und wirkliche Sinnhaftigkeit von langen und kurzen Jugendstrafen im deutschen Rechtssystem. Dies wird insbesondere hinsichtlich der tatsächlichen Verwirklichung des im JGG und HessJStVollzG festgesetzten Erziehungsgedanken betrachtet. Soziale Isolation, gesellschaftliche Stigmatisierung, eine langjährige Anpassung an ein vollkommen lebensfremdes Umfeld und zwischenmenschliche Stressfaktoren wie die Bildung problematischer Subkulturen innerhalb der Anstalt sind dabei nur einige der Störfaktoren, die sich auf die Entwicklung der jugendlichen und heranwachsenden Straftäterinnen und Straftäter auswirken. Eine Chance auf Resozialisierung wird damit nicht etwa bewirkt, sondern eher erschwert oder sogar verhindert. Da bei der Bestrafung aber auch bspw. die öffentliche Sicherheit bedacht werden muss, wird im Fazit die kritische Überprüfung und Anpassung der momentanen Praxis gefordert.
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage nach der Politisierung der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Goethe-Universität Frankfurt am Main in der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur von 1933-1945 anhand der in dieser Zeit durchgeführten Promotionsverfahren. Zu diesem Zweck wurden die originalen Promotionsakten aus dem Universitätsarchiv ausgewertet und analysiert. Dabei wird gezeigt, dass (nicht unerwartet) erhebliche Einflüsse der nationalsozialistischen Politik ihren Weg in das als neutral und wissenschaftlich konzipierte Verfahren gefunden haben. Dabei wurden systematisch wissenschaftliche Standards der Bewertung für parteinahe Doktoranden gesenkt und politisch unliebsame Kandidaten vom Fachbereich ausgeschlossen. Diese Politisierung ging dabei sowohl unmittelbar von der Politik als auch selbstständig vom Fachbereich aus.