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Frühjahr 1934. Vorübergehend sieht es so aus, als kehrten im deutschen Reich wieder Ruhe und Ordnung ein: Hilfspolizei und "wilde" Konzentrationslager werden aufgelöst, mit der Wirtschaft geht es bergauf und ein Nichtangriffspakt mit Polen verheißt außenpolitische Stabilität. Das neue Regime hat sich konsolidiert; nun wird die revolutionäre "Bewegung" in rechtsstaatliche Bahnen gelenkt – so sieht es jedenfalls der "Reichsjuristenführer" Dr. Hans Frank. Am 20. März tönt seine Stimme landesweit durch die Volksempfänger: "Der Staat Adolf Hitlers … ist ein Rechtsstaat." Die Macht des Nationalsozialismus verwirkliche sich "ausschließlich in den Formen des Rechts"; sie strebe nach "Rechtssicherheit", "Rechtsschnelligkeit" und "Rechtsklarheit". Kurze Zeit später scheinen Frank Bedenken zu kommen: Im Sommer protestiert er gegen die verfahrenslose Erschießung Ernst Röhms und seiner Gefolgsleute. Die Hinrichtung von Parteigenossen der ersten Stunde passt nicht zum Bild eines völkischen Rechtsstaates. Roland Freisler sieht das anders. Selbstverständlich sei der nationalsozialistische Staat ein Rechtsstaat; man müsse diesen Begriff nur richtig deuten: nicht im Sinne eines Staates der "Shylockgerechtigkeit", in dem "das Formale… zur Zwangsjacke des Lebens" wird, sondern eines Staates des "richtigen", weil aus dem gesunden Volksempfinden geschöpften Rechts: "Ihm ist … Recht alles, was dem Volke dient und frommt" – auch Terror, Verfolgung und Mord. ...
Zeichen der Herrschaftsausübung, der Gerichtsbarkeit und der Marktfreiheit, öffentlich angebrachte Maße und Gewichte zur Kontrolle des Wirtschaftslebens, mittelalterliche und frühneuzeitliche Gerichtsstätten, Orte und Gegenstände des Strafvollzugs, die der Rechtshistoriker Karl Frölich in den dreißiger bis fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf große Glasplatten gebannt hat, berichten anschaulich von der Rechtsausübung vergangener Epochen, indem sie "Sachzeugen des Rechtslebens" abbilden. Die Platten dieser umfangreichen Fotosammlung werden derzeit durch die Bibliothek des Max- Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte eingescannt, um die Bilder der Forschung zu erhalten und zur Verfügung zu stellen. Ein Teil der "Sammlung Frölich" befindet sich heute in der Obhut von Prof. Dr. Gerhard Dilcher, Frankfurt am Main. Ein weiterer, größerer Teil, ist nach München ins Leopold-Wenger-Institut gelangt (Prof. Dr. Hermann Nehlsen); auch diese Bilder werden nun durch Scannen mit der "Frankfurter Partie" virtuell zusammengeführt. ...
Sommer 1789: Frankreich revoltiert, Preußen evaluiert. Staatsminister Johann Christoph von Wöllner, Chef des geistlichen Departements, entsendet einen bewährten Berliner Schulmann ins deutsche Reich, mit dem Auftrag, die außerpreußischen Lehranstalten zu begutachten, "teils überhaupt die Verfassung der fremden Universitäten kennen zu lernen, teils von dem Vortrag solcher Professoren, auf die einmal bei irgend einer preußischen Universität reflektiert werden könnte, zuverlässig Nachricht und Kenntnis einzuziehen". Es ist Friedrich Gedike, der durch ministeriale Order zum Headhunter für das Königreich ernannt wird. Seine Beobachtungen legt er in einem Bericht an den König nieder, der, 1905 ediert, 61 Blätter umfasst. ...
Die Frage nach Konflikten zwischen den Rechtskulturen der USA und Deutschlands wirft ein kürzlich erschienener zweisprachiger Sammelband auf. Wer aber so fragt, der fragt nach mehr als Differenz. Er sucht nach Differenz in Interaktion, in der unterschiedliche Geltungsansprüche gleichzeitig erhoben werden. Sonst ginge es um das weniger abenteuerliche Vergleichen eines Nebeneinander. Leider bleibt die Publikation der Bayerischen Amerika-Akademie aber hierbei stehen und streift die emphatische Frage ihres deutschen Titels nur in Einzelbeobachtungen. Der Einfluss des amerikanischen Rechts in vielen internationalen Verträgen – Ausdruck der politischen Hegemonialstellung der USA – und die Dominanz amerikanischer Juristen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Ausdruck der wirtschaftlichen Bedeutung der USA – hätten jedoch Anlass gegeben, immunologische Reaktionen an lebenden Rechtskörpern zu studieren. So aber bleibt es bei der In-vitro-Insemination des deutschen Lesers mit Hinweisen darauf, dass und warum die anderen es anders machen (etwa in Beiträgen zur Kriminalprävention von Streng und Kelling oder zum Jugendstrafrecht von Silverman). In letzterem, in kulturhistorischen Erklärungsversuchen des Warum, findet der Band freilich seinen gedanklichen Schwerpunkt und einige interessante Einsichten. Lamento also nach hinten und Lob nach vorne. ...
Eine Schlinge ist eine Schlinge. Zugleich ist sie ein markantes Symbol für den Tod durch Erhängen. Doch galt das Zeichen der Schlinge für diese grausame Tötungsart erst seit dem 18. Jahrhundert, als der spezifische Henkersknoten erfunden worden war. Zuvor wurden die zum Tode Verurteilten von einer Leiter aus mit einem Strick um den Hals an eine Leine gehängt und die Leiter dann weggestoßen. Entsprechend war das Symbol für die Strafe des Strangulierens eine Leiter. Der Kunstwissenschaftler Samuel Y. Edgerton, der in seinem wunderbaren Buch Pictures and Punishment von 1985 die Bestrafungsszenen auf Bildern als rechtshistorische Quelle erschlossen hat, schreibt in dem Sammelband Kunst als Strafe über den Nutzen, den Künstler lange Zeit aus der Todesstrafe zogen. Die Getöteten und anschließend Sezierten boten im Mittelalter und der Renaissance das beste anatomische Anschauungsmaterial für die Maler menschlicher Körper. So hat beispielsweise auch das bekannte Werk von Andreas Vesalius De fabrica corporis humani von 1543 von den Hingerichteten profitiert. ...
Vom Terror : [Szene aus einer Montage-Fassung des Dramenfragments "Moloch" von Friedrich Hebbel]
(2004)
Szene aus einer Montage-Fassung des Dramenfragments "Moloch" von Friedrich Hebbel. Die Szene steht als Einschub zwischen dem Ersten und Zweiten Akt der Tragödie, als eine Art Interludium. Im Laufe des Stückes wechselt die Perspektive mehrmals zwischen den Schauplätzen Germanischer Wald und Rom, dem Zentrum des Imperiums. Geplant ist eine Aufführung der Gesamtbearbeitung an der Volksbühne Berlin, voraussichtlich Ende 2004.
The article presents a brief overview of research and publication in the history of international law in Europe today. The upsurge of interest in historical studies is traced back to a sense of present transformation, with historical studies seeking to explore both aspects of continuity and change in the international legal system. The article outlines three tasks for the discipline in the future: to begin work for international law’s Ideengeschichte, to focus on the relationship between the West and its "Other", and to undertake studies in the historical sociology of international law.
Seit der Studie Otto Brunners ist der Fehde führende Adlige rechtshistorisch rehabilitiert. Anders steht es umdas Bild des seiner Herrschaft unterworfenen Bauern: Ihm als dem unter grundherrlichem "Schutz und Schirm" Stehenden war – wie auch dem Bürger – das "subsidiäre Rechtsmittel" angeblich nur in der Ausnahmeform von Blutrache und Totschlagsfehde erlaubt. Der "neutralere" Kontext einer regulären Interessenkollision zwischen Parteien, den die Konfliktforschung nahe legt, wird für bäuerliches Handeln nicht in Erwägung gezogen; einen aktiven Part bei der Durchsetzung eigener Ansprüche erkennt man dabei höchstens im kollektiven "Widerstand". Eindimensionale soziale Rollenzuschreibungen bestimmen den Forschungshorizont. Nie ist z. B. die Frage gestellt worden, ob ein mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Mensch tatsächlich der Waffenfähigkeit oder Waffen bedurfte, um eine Fehde zu führen. So weckt der "gemeine Mann" in der viel besprochenen Untersuchung von Gadi Algazi zwar erstmals überhaupt das nähere Interesse einer Untersuchung zum Fehdewesen, tritt jedoch auch da nur als Objekt einer sich sozial reproduzierenden "Herrengewalt" in Erscheinung. Algazis Ansatz hat allerdings Denkanstöße gegeben, ohne welche wohl gerade Christine Reinles Habilitationsschrift nicht jene konzeptionelle Konturschärfe gewonnen hätte, die sie kennzeichnet. Selbstredend setzt sich die Autorin darin nicht nur mit Algazi auseinander – auch wenn dieser mit Abstand ihrHauptgegner bleibt. Die zugegeben nicht sehr quellengesättigte These des Historikers steht auf einer Beobachtungslinie mit den Studien von Joseph Morsel und Hillay Zmora. Allen dreien geht es, grob gesagt, um die soziale statt die seit Brunner oft strapazierte rechtliche Funktion der Fehden – um die Beobachtung einer engen Verknüpfung dieser Konfliktpraxis mit sozialer Stratifikation und adliger Herrschaftsbildung. ...
Krieg, das haben wir von den Massenmedien gelernt, ist nur dort, wo jemand zusieht, das spectaculum bedarf des Mediums. Mediale Aufmerksamkeit bestimmt darüber, ob Kriege und ihre Folgen überhaupt noch von jemand anderem wahrgenommen werden als von den unmittelbar Betroffenen. Manipulationen über die Nachrichten vom Krieg sind so alt wie das Kriegswesen, nur tritt heute neben die Manipulation das Ringen um die knappe Währung Aufmerksamkeit. Längst haben wir uns an bizarre Mitteilungen wie die gewöhnt, der Afghanistan- Krieg sei der erste des neuen Jahrtausends gewesen, während dauerhaft schwelende Kriegsherde der Welt unbeachtet bleiben. Und längst ringen die Siegessicheren darum, dass sie ihren Krieg vor allem medial gewinnen – das andere ist gar nicht so wichtig. Um all dies geht es Thomas Scharff in seiner Habilitationsschrift eigentlich gar nicht. Eigentlich. Dennoch ist er mit seiner Analyse von Texten über den Krieg der Karolinger ganz nah dran am 21. Jahrhundert. Nicht warum Krieg geplant, geführt und wie er gewonnen wird, sondern das Schreiben der "Intellektuellen" über Krieg, der Krieg als Thema – das ist Scharffs erklärtes Vorhaben. Nach Politik und Sozialgeschichte soll nun die Historiographiegeschichte den Blick auf neue Facetten eröffnen. ...
Eine in Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft weit verbreitete Annahme lautet: "Europa muss, um eine Zukunft haben zu können, sich zu einer Geschichtsgemeinschaft entwickeln." Was man dabei übersieht: So wenig sich nationale Geschichtsgemeinschaften identifizieren lassen, so wenig wird sich eine europäische Geschichtsgemeinschaft konstituieren.
Am anderen Ende derWelt, in einem argentinischen Städtchen im Bundesstaat Buenos Aires, versetzten die epochalen Ereignisse in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den Bürger Dinko Šakić in Entzücken. Fünfzig Jahre nachdem er aus seiner Heimat geflüchtet war, führten die tektonischen Umwälzungen nach dem Ende des Kommunismus und der europäischen Teilung sogar zur staatlichen Verselbständigung seiner einstigen Heimat Kroatien – zu einer jahrzehntelang nicht einmal im Traum denkbaren Entwicklung. Dinko Šakić setzte sich daraufhin öffentlich für seine frühere Heimat ein. Es fiel ihm gar nicht ein, dass ihn seine Vergangenheit einholen könnte. Wahrscheinlich weil er "ein gutes Gewissen" hatte, ein von ihm gern benutzter Ausdruck, oder weil er in der jungen Republik Kroatien eine Art Fortsetzung jenes Staatsgebildes sah, dem er in seiner Jugend "gedient" hatte (auch ein beliebter Ausdruck Šakićs). In der größten lateinamerikanischen Kroatengemeinde in Argentinien gab es wahrscheinlich nichts, was ihn zur Vorsicht hätte mahnen können. Er schien die Öffentlichkeit geradezu gesucht, womöglich sogar eine Anerkennung erwartet zu haben. Bei einem Empfang zu Ehren des kroatischen Präsidenten während dessen Staatsbesuchs in Argentinien wurde Šakić von Journalisten beobachtet, wie er Tudjman nicht von der Seite weichen wollte, was diesen sichtlich irritierte und zu Hause für Empörung sorgte. Šakić, der sich selbst bei mehreren Gelegenheiten als glühenden kroatischen Nationalisten schilderte, weshalb er schon als Jugendlicher Anhänger der Ustascha-Organisation geworden sei, ahnte offensichtlich nicht, dass seine Art der Heimatliebe dort Entsetzen hervorrufen würde. ...
"Ein jegliches hat seine Zeit und alles Vornehmen unter dem Himmel hat seine Stunde". Wir wissen das. Wir wussten es vermutlich schon lange bevor der "Prediger" Salomo (3.1), der ein Philosoph war, uns vor nunmehr gut 2200 Jahren darüber belehrte. Aber wir handeln nur selten nach unseren Einsichten. Trennungen fallen schwer und Gewohnheiten verkleiden sich bereitwillig als Notwendigkeit. Verschwendung ist den Reichen keine Kategorie, und wer vom Verschwender lebt, erhebt keine Vorwürfe. Schließlich das Wichtigste: Wer außer Gott hat Kraft und Befugnis "Zeit" und "Stunde" zu bestimmen? ...
Nach Hause…
(2004)
Read only memory. Eine CD ROM ist ein Festwertspeicher. Die Daten kann man lesen, aber nicht verändern, ergänzen oder löschen. Man kann die Scheibe zertrümmern oder die Platte zerstören, aber die Daten manipulieren kann man nicht. Eine CD ROM schützt sich selbst vor Variation. Die Erfindung dieser Technik hat eine neue, kleine Gewissheit in der chronisch unsicheren Welt geschaffen. Was auf der CD ROM steht, steht fest. Und da viel auf ihr stehen kann – ganze Bibliotheken der Vergangenheit –, steht viel fest. Das macht Historiker glücklich. Drohen ihnen schon die Fakten abhanden zu kommen, verfügen sie immerhin noch über Festwerte, die aus einer zuverlässigen "Quelle" (Oexle, S. 165) fließen. ...
"Fortgeltung des Zwölftafelrechts" – unter diesem lieblos dahingeworfenen Titel ist jüngst eine Dissertation erschienen. "Geltung" ist das Symbol der Einheit des Rechtssystems: Recht "gilt", und wenn es nicht (mehr) gilt, ist es kein Recht, sondern Geschichte oder Literatur oder ein Märchen aus alten Zeiten. "Fortgeltung" besagt demnach, dass älteren Rechtssätzen in neueren Rechtssätzen weiterhin Geltung zugesprochen wird.
Wenn man im Fall der Rechtssätze der Zwölf Tafeln wissen will, ob sie "fortgalten", was sollte man dann tun? Es empfiehlt sich, eine CD-ROM des römischen Rechts zu starten, "duodecim" einzugeben und die knapp 200 Stellen zu betrachten, in denen die Zwölf Tafeln genannt sind. So kann man Stück für Stück prüfen, welche Sätze der Zwölf Tafeln in den Juristenschriften und den Kaiserkonstitutionen zitiert werden, welche dieser Sätze als "geltend" bestätigt und welche verworfen werden. Das ist eine etwas langwierige, aber für einen romanistisch ausgebildeten Doktoranden eine nicht allzu schwierige Aufgabe. Immerhin wüsste man am Ende, welche Sätze der Zwölf Tafeln sich in den juristischen Kommunikationen über etwa 500 Jahre als "geltend" gehalten haben. Und mit diesem Wissen wäre eine Leserin der "Fortgeltung des Zwölftafelrechts" schon deshalb sehr zufrieden, weil man bisher kaum weiß, welche Sätze der Zwölf Tafeln die römischen Juristen überhaupt kannten, und deshalb schon gar nicht, welche sie als geltend betrachteten.
Man weiß es auch nach Lektüre der "Fortgeltung des Zwölftafelrechts" nicht. Denn der Autor hat mitnichten getan, was nahe liegt ...
Anfang und Ende eines Telefonbuchs: Aalam, Simone – Zywica, Klaudia. Die beiden verbindet (vermutlich) nichts anderes als die Kadenz des Alphabets. Zwischen A und Z gibt es kein Ereignis, keine Begegnung, keine Geschichte. Die meisten Leute haben deshalb keine Freude an der Lektüre von Telefonbüchern. ...
Wohl kaum wird der amerikanische "Imperator" den gefangenen "Barbaren von Bagdad" im Triumphwagen durch die Straßen von Washington ziehen lassen, auch wenn sich die publizistische Rhetorik seit den Kriegen gegen Afghanistan und den Irak mit Vergleichen zwischen dem antiken Rom und dem neuen Amerika förmlich überschlägt. "Sind die Amerikaner die Römer unserer Zeit?", fragt sich als einer unter vielen der Publizist und Althistoriker Peter Bender. Expansionen der alten wie der neuen Imperatoren werden miteinander verglichen, Parallelen und Unterschiede in der geographischen Lage, in den Interessen und Willen der Akteure ausgemacht. So habe bei den Amerikanern der Sendungsglaube als universale Macht schon am Anfang des Imperiums und nicht erst an dessen Ende wie bei den Römern gestanden. Roms Ostkriege und der kalteOst-West-Krieg hingegen zeitigten dasselbe historische Ergebnis: "Davor waren Rom und Amerika die ersten Weltmächte ihrer Zeit, danach waren sie die einzigen." Von "Aufstiegen" ist die Rede, nicht aber von "Untergängen", wie es die zyklischen Zivilisationsgeschichten der Kulturmorphologen verkünden. Das hat seinen Grund. Hinter der Analyse kommt Normatives zum Vorschein, wenn es um den Schutz der "Zivilisation des Abendlandes" in "einer künftigen Welt" geht, "in der andere Kulturen sich gegen den 'Westen' behaupten, stärken und vordringen …" Bender lässt das imperium romanum nicht untergehen, weil er das amerikanische Imperium als Bollwerk westlicher Kultur braucht. ...
"Eines der schwierigsten geschichtlichen Probleme stellt sich mit der Frage, wie der Aufstieg Roms zu erklären ist und wie sein Untergang. Das Verständnis für diese weltgeschichtlichen Vorgänge wird erleichtert, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sie nicht eine, sondern viele Ursachen hatten. Der Untergang des Römischen Weltreiches war kein Ereignis, sondern ein Prozess, der sich über 300 Jahre erstreckte. Es gibt Nationen, die nicht so lange existiert haben, wie Rom allein brauchte, um unterzugehen." So die bedeutungsvollen Worte aus dem Off über dem Vorspann des fast dreistündigen Hollywood-Filmes "Der Untergang des Römischen Reiches" (1963) von Anthony Mann – in den Hauptrollen Alec Guinness als Marc Aurel und Sophia Loren als dessen Tochter Lucilla. ...
Im Niemandsland
(2004)
Dass die Regierungen westlicher Staaten eine offene oder verdeckte Tendenz haben, die ihnen in einem langen historischen Prozess auferlegten rechtsstaatlichen Bindungen aus politischen Gründen wenn nicht abzustreifen, so doch zu lockern, ist ein Thema, das Juristen, Ökonomen, Politologen und Soziologen gleichermaßen beschäftigt. Giorgio Agamben, italienischer Philosoph und Ästhetiker, spitzt die Thematik mit der These zu, die "Normalität" staatlichen Lebens existiere nicht mehr, es sei das "Niemandsland" des Ausnahmezustandes, "in dem wir leben" ("lo stato di eccezione 'in cui viviamo'"). Er sei die "fundamentale politische Struktur" unserer Zeit; er habe inzwischen die "größte planetarische Entfaltung" erreicht, die Menschen auf die "nuda vita", das nackte Leben, reduziert, das dem Kalkül der Macht unterworfen sei und in eine "beispiellose biopolitische Katastrophe" auszuarten drohe. Seine "Materialisierung" hat der Ausnahmezustand in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern wie in allen Lagern gefunden, in denen Menschen von der "normalen Ordnung" ausgeschlossen werden; Guantánamo ist für Agamben ein aktuelles Beispiel. Die "Lager" in allen ihren Erscheinungsformen sind die "verborgene Matrix der Politik". Der Ausnahmezustand ist ein arcanum imperii, dessen "Demaskierung" die einzige Möglichkeit ist, den durch ihn bewirkten "Bann" zu brechen. ...
Letzte Fragen
(2004)
Eine Debatte anzuzetteln ist immer ein Risiko. Wer von den – sorgsam, wenn auch letztlich arbiträr ausgewählten – Angeschriebenen und Angesprochenen wird auf die freundliche Einladung einen freundlichen Absagebrief schreiben oder gar nichts schreiben oder nur telephonieren? Wer aus der weiten Welt der Rechtsgeschichte-Leser wird sich beteiligen, ohne ermuntert worden zu sein? Wer wird sich auf die Sache, und das heißt hier die Frage, einlassen? Und wie? Wird es eine spannende Debatte werden oder eine langweilige Bestandsaufnahme? Phantasie oder Inventur? Fußnoten oder Thesen? ...