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Rezension zu: Claudia Bruns: Politik des Eros. Der Männerbund in Wissenschaft, Politik und Jugendkultur (1880–1934). Köln u.a.: Böhlau Verlag 2008. 546 Seiten, ISBN 978-3-412-14806-5, € 44,90
Abstract: Quer zur Standardrezeption analysiert Claudia Bruns in ihrer Dissertation Blühers Konzeption von Mann, Männlichkeit und mann-männlicher Beziehung unter besonderer Berücksichtigung damit einhergehender Ausschlüsse. Zentral legt sie das Konzept des Männerbundes zugrunde, das den Dreh- und Angelpunkt der vorliegenden Untersuchung bildet, und zieht die Theorien Blühers als paradigmatisches Beispiel dafür heran. Dieses Vorgehen ist aus verschiedenen Gründen klug gewählt und vorteilhaft. Bislang ist kaum der ideologisch vielschichtige Gehalt von Diskussionen, wie sie Blüher führte und führen konnte, in die Geschichts- und Gesellschaftswissenschaften eingegangen. Zudem gab es bislang kein Gesamtverzeichnis der Schriften Blühers, wodurch die Rezeption erschwert wurde, und das sich nun im Anhang der Arbeit dankenswerterweise findet.
Der Soziologe Johannes TWARDELLA analysiert in seinem Buch "Pädagogischer Pessimismus" den vollständigen Verlauf einer Unterrichtsstunde im Fach Deutsch in der 10. Jahrgangsstufe einer Hauptschule. Aus einem "wunderschönen guten Morgen" – so beginnt das Transkript – wird eine kleine Katastrophe. Wie konnte das passieren? Die detaillierte Analyse TWARDELLAs zeigt eindrücklich, dass das Verhältnis der Lehrkraft zu den Schülerinnen und Schülern sowie zu ihrer Profession gestört und widersprüchlich ist. Auf der einen Seite ist der Unterricht geprägt von einer negativen Anthropologie des Schülers bzw. der Schülerin, dem pädagogischen Pessimismus. Auf der anderen Seite besteht aus Sicht der Lehrkraft der optimistische Glaube an die didaktische Lösung des handlungsorientierten Unterrichts. Letztlich wird erkennbar, dass sich durch eine Self-Fulfilling Prophecy diese abgründige Kombination zu einer veränderungsresistenten Ideologie verhärtet und am Ende nur noch die Aufrechterhaltung des Betriebs steht – so sinnfrei er auch geworden sein mag. Das vorliegende Buch wird in den Kontext der derzeitigen bildungspolitischen und bildungswissenschaftlichen Diskussion gesetzt.
Wird die Welt friedlicher? Welche Brettspiele spielen US-Amerikanische Geheimdienstler? Wie sieht die Weltkarte der Korruption aus und wie wird sie bekämpft? Mit welchen Schwierigkeiten kämpfen Blogger in Kuba, Iran und China? Und was bedeutet es eigentlich ein open-access Journal zu gründen? All das in dieser Netzschau – viel Spaß!
Das Recht nimmt keine zentrale Stellung ein in diesem Band zu "Asian Perspectives on the Paris Peace Conference and the Interwar Order, 1919–33", dies sei gleich zu Beginn dieser Rezension in einer rechtshistorischen Fachzeitschrift angemerkt. Was dieser Band allerdings bietet, sind äußerst vielschichtige und differenzierende Perspektiven auf einen Gegenstand, der in der Rechtsgeschichte bislang nicht nur, aber vor allem auf seine Bedeutung im europäischen Kontext hin erforscht wurde. ...
Humanitarismus und humanitäre Intervention müssen sich gleichermaßen die Frage nach Motivation und Rechtfertigung gefallen lassen. Sind Motive einer Intervention hinreichend humanitär, um von einer humanitären Intervention zu sprechen? Und im Rahmen welcher normativen Muster erscheinen sie als legitim? Zwei neue Bücher nähern sich dem Themenkomplex auf unterschiedliche Weise. ...
Jed Kronckes The Futility of Law and Development – China and the Dangers of Exporting American Law ist ein Buch über das rechtliche Sendungsbewusstsein der Vereinigten Staaten vom neunzehnten bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Jürgen Osterhammel verwendete den Begriff des Sendungsbewusstseins, um den Kern der Zivilisierungsmissionen in dieser Zeit zu beschreiben. Der bestehe in der "Selbstbeauftragung damit, die eigenen Normen und Institutionen an andere heranzutragen oder gar ihre Übernahme mit mehr oder weniger sanftem Druck zu erzwingen". ...
In der gegenwärtigen Forschung zu Recht und Kolonialismus zeigt sich ein interessanter Gegensatz: Während das Recht vor allem als ein Instrument kolonialer Machtausübung verstanden wird, erscheinen Juristen, die nach einer Ausbildung an europäischen oder amerikanischen Universitäten in ihre Herkunftsländer zurückkehrten, als zentrale Akteure lokaler Unabhängigkeitsbewegungen, aus denen heraus neue Nationalstaaten entstanden. Dieser Gegensatz wird beispielhaft illustriert durch aktuelle Arbeiten von Turan Kayaoglu zum Legal Imperialism sowie Arnulf Becker-Lorca und seine Figur des Semi-Peripheral Jurist. Das Buch Asian Legal Revivals – Lawyers in the Shadow of Empire erschien 2010 und geht daher nicht direkt auf diese Arbeiten ein, dennoch ist es ein Beitrag dazu, beide Beobachtungen miteinander zu verbinden. Die Rechtssoziologen Yves Dezalay und Bryant G. Garth, die gemeinsam bereits sechs Bücher verfasst oder herausgegeben haben, untersuchen die Rolle von Juristen in der Herausbildung und Legitimation politischer Herrschaft in sieben asiatischen Ländern im 19. und 20. Jahrhundert. ...
Die geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen haben ihr Spektrum in der jüngeren Vergangenheit um globale Perspektiven erweitert. Auch für das Feld der Intellectual History liegt nun ein Sammelband von Samuel Moyn und Andrew Sartori vor, der die Frage des Globalen diskutiert und dabei viele Beobachtungen enthält, die über das Feld der Ideen- und Geistesgeschichte hinaus Beachtung verdienen. Von rechtshistorischem Interesse sind vor allem die Abschnitte zur Konzeption des Globalen und zur Übersetzung und Verankerung globaler normativer Muster. ...
The study of civilization is one of the core subjects of international legal history. This is no recent development. Jörg Fisch published his seminal work "Die Europäische Expansion und das Völkerrecht" in 1984, the same year in which Gerrit W. Gong presented his renowned "Standard of Civilization". Today, the more recent works by Martti Koskenniemi and Antony Anghie probably represent the most influential research in this field. What all these path breaking works have in common is that they discuss concepts of civilization in international law especially with regard to its function as providing justification narratives for the European/non-European unequal relations, in particular in the 19th century. ...
The relationship between past and present has been the subject of controversial debates in historical research time and again. In 2013, to give a prominent example, Philip Alston in a review essay discussed the issue of "Does the past matter?" with regard to a debate on the origins of human rights. The debate was dedicated to the controversial question of "[h]ow far back can we trace the genealogy of today’s international human rights system". In this review, I would like to rephrase this question to ask instead to what degree the present matters for historical writing. Other than in the work of Alston, this is not meant as a question on the contingency and path-dependence of history, but rather as a reflection on how historians describe and evaluate the past and what role knowledge of the present may have in this context. ...
Neuere Geschichten des Völkerrechts zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Recht und dessen Wirksamkeit nicht losgelöst von sozialen und historischen Kontexten betrachten. In seinem beeindruckenden Buch "Frieden durch Recht?" über den Friedensschluss nach dem ersten Weltkrieg zeigt Marcus M. Payk (vgl. die Rezension in diesem Band), dass das Recht zwar über eine eigene Form und Logik verfügt, dessen Bindungswirkung aber nicht ohne dessen Kontexte verstanden werden kann. ...
In China war das europäische Völkerrecht bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend unbekannt. Abgesehen von einzelnen Verträgen aus dem 17. und 18. Jahrhundert gab es weder Vertragspraxis noch Völkerrechtswissenschaft. Dies änderte sich erst durch Chinas Kriege mit westlichen Mächten. Die »Barbaren« nutzten ihre militärische Überlegenheit gegenüber China, um durch erzwungene völkerrechtliche Friedensverträge Handelsinteressen zu verwirklichen und halbkoloniale Strukturen zu etablieren. Diese Friedensübereinkommen wurden und werden, als "ungleiche Verträge" überschrieben, vielfach in der wissenschaftlichen Literatur besprochen. ...
Im ersten Teil (Die Strafverfolgung von NSVerbrechen in der SBZ/DDR 1945–1966) gibt Christian Dirks auf der Grundlage der neuesten Forschungen (z. B. von K.W. Fricke, A. Weinke, H.Wentker, F. Werkentin u. a.) einen zusammenfassenden Überblick über die sowjetischen Militärtribunale, deren flächendeckende Urteils- und Strafpraxis vor allem ab 1947 NS-Verbrecher in gleicher Weise wie Gegner und Oppositionelle des Regimes in der SBZ/DDR erfasste. Mit dem Befehl Nr. 201 der sowjetischen Militäradministration (August 1947) gingen die meisten Strafverfahren dann an ostdeutsche Gerichte über. Diese Verfahren widersprachen in der Regel eklatant rechtsstaatlichen Grundsätzen, zumal da nun die vielfach absolut grundlose Unterstellung "NS- und Kriegsverbrecher" mit der Enteignung von Oppositionellen oder auch, wie gerade an einem Fallbeispiel gezeigt wurde, von einem bereits in der Nazizeit "arisierten" deutsch-jüdischen Industriellen amalgamiert wurde. ...
Die aktuelle Debatte um Pornographie stellt sich andere Fragen als in den kämpferischen 70er Jahren. In den interdisziplinären Beiträgen des Sammelbandes wird Pornographie als kulturelles Artefakt behandelt, als Begriff, der in Diskurse über Sexualität und Moderne, über Identität und Jugend verwoben ist. Die Autor_innen arbeiten mit empirisch-sozialwissenschaftlichen Methoden Fragen nach dem Nutzer_innenverhalten von Onlinepornographie und jugendlichem Pornokonsum auf, bieten theoriegeleitete Zugänge zur Unbestimmbarkeit von Pornographie, zu ihrer notwendigen Einbettung in andere gesellschaftliche Kontexte sowie künstlerische Interventionen zu ihrem emanzipatorischen Potential. Die Beiträge bieten einen gelungenen Einblick in den aktuellen Stand der Debatte dieses noch jungen Feldes.
I first encountered the work of Miriam Hansen as a graduate student in the mid-1990s when her book Babel and Babylon was the talk of the (at that time still fairly modest) film studies town – even though it was sitting somewhat uneasily on the fence. In fact, it was this position beyond the canonical that made the book so attractive in the first place. It did not fit into the raging debate of that time between psychosemiotics and neo-formalism, nor did it offer the (often too schematic and naive) way out within the cultural studies paradigm of empowering the individual or sub-culturally constituted groups.
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Internationale Beziehungen analysieren Christopher Daase und Nicole Deitelhoff (Uni Frankfurt) den Ist-Zustand in der deutschen Disziplin der Internationalen Beziehungen (Fazit: nicht so gut & viel Käse) und rufen zu mehr Beteiligung auf, v.a. beim anstehenden DVPW-Kongress in Duisburg.
Human rights for liberals
(2010)
Rezension von: Rainer Forst (2007) Das Recht auf Rechtfertigung. Elemente einer konstruktivistischer Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 413 pp.
Do deserto de gelo da abstração ao filosofar concreto: correspondência Adorno-Benjamin (1928-1940)
(2013)
Trata-se de uma resenha crítica da controvertida correspondência entre Theodor W. Adorno e Walter Benjamin – dois dos mais expressivos representantes da chamada primeira geração de teóricos críticos associados ao Instituto de Pesquisa Social. Além de remeter suas cartas à respectiva experiência intelectual de cada um deles, este artigo busca oferecer uma análise fundamentada dessa instigante interlocução filosófica, para além da rígida bipolarização entre "adornianos" e "benjaminianos", que, via de regra, tem predominado em sua recepção especializada, dentro e fora do Brasil. Para isso, procura-se enfatizar o contraponto produtivo entre a Dialética negativa de Adorno e o projeto das Passagens de Benjamin, tomando como centro gravitacional o processo construtivo deste último trabalho – cerne tanto das afinidades, quanto das insolúveis dissonâncias entre os dois autores. Esta pesquisa tem o apoio da FAPESP.
In this review, I argue that this textbook edited by BENNETT and CHECKEL is exceptionally valuable in at least four aspects. First, with regards to form, the editors provide a paragon of how an edited volume should look: well-connected articles "speak to" and build on each other. The contributors refer to and grapple with the theoretical framework of the editors who, in turn, give heed to the conclusions of the contributors. Second, the book is packed with examples from research practice. These are not only named but thoroughly discussed and evaluated for their methodological potential in all chapters. Third, the book aims at improving and popularizing process tracing, but does not shy away from systematically considering the potential weaknesses of the approach. Fourth, the book combines and bridges various approaches to (mostly) qualitative methods and still manages to provide abstract and easily accessible standards for making "good" process tracing. As such, it is a must-read for scholars working with qualitative methods. However, BENNETT and CHECKEL struggle with fulfilling their promise of bridging positivist and interpretive approaches, for while they do indeed take the latter into account, their general research framework remains largely unchanged by these considerations. On these grounds, I argue that, especially for scholars in the positivist camp, the book can function as a "how-to" guide for designing and implementing research. Although this may not apply equally to interpretive researchers, the book is still a treasure chest for them, providing countless conceptual clarifications and potential pitfalls of process tracing practice.
"Gewalt erzeugt Gegengewalt, hat man dir das nicht erklärt?" So heißt es im Refrain eines bekannten Punkrock-Songs. Diese Aussage mag für die affektive Interaktion im unmittelbaren Kontext gewaltsamer Handlungen bisweilen zutreffen. Vor der zeitverzögert einsetzenden Gegengewalt steht indessen die Verarbeitung der ersten Handlung: das Sprechen über den Konflikt und vor allem die Frage nach der Ursache, nach der Intention und der Legitimität des Gewaltaktes. Die daraus resultierenden Deutungen können langfristige Folgen nach sich ziehen. Nicht nur Stunden und Tage, sondern Jahrhunderte, ja Jahrtausende kann ein einziges Gewaltereignis immer wieder im Fokus von Erzählungen stehen und prägend für Generationen und Nationen sein. ...
Radikalisierung als individuelles und gesellschaftliches Phänomen Extreme politische Ansichten haben Konjunktur. Auf beiden Seiten des politischen Spektrums, aber auch in religiösen Milieus radikalisieren sich Positionen und stellen demokratische Werte und Institutionen infrage. Mit diesen Phänomenen hat sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt "Gesellschaft Extrem. Radikalisierung und Deradikalisierung in Deutschland" befasst. ...