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Rezension zu: Heinrich Schlange-Schöningen, Hieronymus. Eine historische Biographie (Darmstadt 2018)
(2020)
In jüngeren geschichtswissenschaftlichen Arbeiten über die römische Kaiserzeit ist ein wiederentdecktes Interesse an den vermeintlich "schlechten" Kaisern unverkennbar. Zu den umstrittensten principes des 1. Jahrhunderts n.Chr. zählt auch Domitian, der letzte Flavier auf dem Herrscherthron, der von der zeitgenössischen Literatur zum Iuppiter-gleichen Idealherrscher stilisiert, in den nach seiner Ermordung erschienenen Schriften dagegen als Tyrann gebrandmarkt wurde. ...
Bange zeigt mit seiner Studie zum römischen Kreditgeldwesen auf, dass bereits lange vor dem 13. Jahrhundert – so die ‚klassische‘ Einschätzung für das Aufkommen eines modernen Bankwesens – ein Kreditgeldsystem verwendet wurde, und unterstützt eine modernistische Deutung der römischen Wirtschaftsgeschichte. In der Einleitung (S. 14) wendet er sich gegen die negativen Ansichten von Moses I. Finley und steht dabei in mancher Weise in einer Tradition mit anderen geldwirtschaftlichen Forschungsbeiträgen, so etwa mit Sitta von Redens wichtiger Monographie "Money in Classical Antiquity", wobei die schematische bipolare Wahrnehmung primitivistischer oder modernistischer Ansätze an sich in weiten Teilen der aktuellen Wirtschaftsgeschichte als überholt anzusehen ist. Ferner beklagt Bange, dass gerade die numismatische Forschung eine lediglich verengte, letztlich in Übereinstimmung mit Finley vereinfachte "Geld gleich Münze"-Perspektive eingenommen hätte (S. 15). Diese Einschätzung, die sich auf die positivistische Material- bzw. Grundlagenarbeit der Numismatik fokussiert und mit einem Zitat aus Francesco de Martinos Klassiker "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom" (1991) unterlegt wird, erscheint als Kritik an numismatischen Beiträgen zur antiken Wirtschaftsgeschichte zu absolut und verallgemeinernd formuliert. ...
Die Disposition des anzuzeigenden Buches lässt sich auf folgende Kurzformel bringen: drei antike Historiographen und zwei schlechte Kaiser. Indessen, wie schreibt man als antiker Autor über einen der damnatio memoriae verfallenen Kaiser, wenn ihn (1.) seine Zeitgenossen positiv oder zumindest neutral darstellten, man (2.) gleichzeitig auf eine panegyrische Überlieferung zurückgreifen musste, die von der Angst vor Sanktionen gekennzeichnet war, und (3.) man seinem eigenen Publikum gefallen mochte? Ziel des Buches ist nicht etwa die Rekonstruktion historischer Realität, oder die retrospektive Diagnose des vom Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde unterstellten Caesarenwahnsinns, sondern die Analyse der literarischen Strategien römischer Historiker und Biographen zur Konstruktion eines negativen (und bis heute wirksamen) Herrscherbildes von Nero und Domitian. Damit wird von Anfang an der Weg bezeichnet, auf dem vorangeschritten werden soll: Es ist eher der eines Hayden White und nicht der eines Ronald Syme. ...
"Auch der Verein für Hamburgische Geschichte (VHG) hat lange Zeit vermieden, sein größtes Versagen zu thematisieren", konstatiert der aktuelle Vereinsvorsitzende im Vorwort des Buches. Damit rückt er die Studie explizit in den Kontext der Bewältigungs- und Aufarbeitungsforschung zum Umgang von Ministerien und Parlamenten mit der NS-Vergangenheit, deren Konjunktur noch nicht vorüber ist. Auch von Verlagsseite wird das umfängliche Werk als "erste kritische Detailstudie zur NS-Geschichte eines deutschen Geschichtsvereins" beworben. ...
Die angespannte Lage am Wohnungsmarkt hat in vielen Städten eine neue Welle von Verdrängungsprozessen induziert und insbesondere die Situation einkommensschwacher Haushalte häufig prekär werden lassen. Angesichts dieser Entwicklungen haben sich vielerorts mietenpolitische Bewegungen konstituiert, die sich für eine Abkehr von einer neoliberalisierten und zunehmend finanzialisierten Wohnungsversorgung einsetzen. Lisa Vollmer nimmt in ihrer Forschungsarbeit zwei solcher Bewegungen in den Blick und fragt danach, wie sich politische Kollektivität in den alltäglichen Praktiken von Mieter*innen in Berlin bzw. New York formiert.
Dieser Band versammelt die Vorträge einer Tagung der Johannes- Althusius-Gesellschaft e. V., die vom 26.–29.5.2016 in Wittenberg stattfand.
Die umfassende Thematik wurde auf vier Aspekte konzentriert: 1) Religion und Konstitutionalisierung 2) die Bedeutung der Reformation für Rechts- und Staatslehren der frühen Neuzeit, 3) Völkerrecht, 4) Recht, Gehorsam und Religion. Dem folgt auch die Gliederung des Buches. Leider ist die Einleitung des Herausgebers sehr formal. Angesichts einiger sehr anregender neuer Forschungsthesen bzw. -ergebnisse wäre der inhaltliche Schwung der Tagung gleich als Eröffnung gut vermittelbar gewesen. ...
Im Verlauf einer Erkundungsexpedition des britischen Militärs in Ägypten wurde 1917 in der Westwüste zwischen der Oase Dachla und dem Gilf Kebir an der Grenze zu Libyen und dem Sudan von dem mitreisenden britischen Geologen und Geographen Jon Ball am Fuße einer von zwei weithin sichtbaren Geländeerhebungen aus Sandstein eine größere Anzahl von Gefäßen bzw. Gefäßresten aus Ton entdeckt. Ball bezeichnete die nördliche der beiden Erhebungen mit einer Höhe von ca. 39 m der vielen Gefäßfunde wegen als Pottery Hill. Die heutige Bezeichnung ist der arabische Name Abu Ballas. Die Entfernung zur Oase Dachla beträgt etwa 200 km. Die Geländeerhebungen waren zunächst nur als geographische Fixpunkte in der sonst ebenen Wüste von Interesse. ...
Die in der renommierten Reihe der Göttinger Orientforschungen erschienene Arbeit ist einem Thema gewidmet, das in der ägyptologischen Forschung trotz seiner offenkundig hohen Relevanz und Bedeutung lange Zeit ziemlich vernachlässigt wurde: dem vielschichtigen und facettenreichen Phänomen des Reisens im Alten Ägypten. Wie dem Untertitel zu entnehmen ist, werden dabei neben einer Vielzahl von relevanten, unter dem weiten Begriffsfeld "Reisekultur" subsumierten Aspekten insbesondere praktische Fragen nach den Fortbewegungs- und Transportmitteln in pharaonischer Zeit in den Vordergrund gestellt, doch kommt das Spektrum der textlich belegten individuellen Reisenden selbst und ihrer verschiedenen Motivationen und Destinationen keineswegs zu kurz. In der Tat kann das schmale Niltal als langgestreckte Flussoase mitsamt den unmittelbar angrenzenden Wüstengebieten in Ost und West einerseits und dem breiten, von zahlreichen Kanälen und Verbindungswegen durchzogenen Nildelta im Norden andererseits als eine naturräumlich besonders "verkehrsträchtige" Region gelten, die durch die landschaftlichen Gegebenheiten besondere Möglichkeiten bot, aber auch spezielle, nicht zuletzt verkehrstechnische und logistische Anforderungen an Reisen und Reisende in pharaonischer Zeit stellte – vor allem, wenn das Reiseziel außerhalb der eigenen kulturellen Grenzen lag. Zudem erlaubt das außerordentlich lange Bestehen der pharaonischen Hochkultur im Verbund mit einer relativ reichen Quellenlage kulturhistorisch aufschlussreiche diachrone Betrachtungen, etwa im Hinblick auf die Entwicklung von Reise- und Transportmitteln, den Ausbau des Verkehrs- und Wegesystems oder allgemeine sozio-ökonomische Prozesse, die mit Fragen der Mobilität zusammenhängen. ...
Rezension zu: Wer studiert Islamische Theologie? Ein Überblick über das Fach und seine Studierenden Lena Dreier und Constantin Wagner.
Eine Erhebung im Auftrag der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität bietet einen Einblick in das Fach Islamische Theologie und seine Studierenden: 80 Prozent der Studierenden sind weiblich. Fast drei Viertel der Studierenden stammen aus einem nichtakademischen Elternhaus. Viele geben an, sich aktiv in die Gesellschaft einbringen zu wollen. Klare Berufsperspektiven für die Absolventinnen und Absolventen fehlen indes.
Rezensionen [2020]
(2020)
Verzeichnis
Einzelrezensionen
148 Bäni Rigler, Petra: Bilderbuch – Lesebuch – Künstlerbuch. Elsa Beskows Ästhetik des Materiellen (Heinz-Jürgen Kliewer)
149 Barilaro, Christina/Oetken, Mareile(Hg.): Erzähl mir vom Tier. Tiere in der Kinderliteratur und in der Natur (Kurt Franz)
151 Bieker, Nadine: Erzählanfänge und Erzählschlüsse im Adoleszenzroman (Astrid Henning-Mohr)
153 Blumesberger, Susanne/Seibert, Ernst (Hg.): Kinderliteratur in Wien um 1800 (Michael Stierstorfer)
154 Brons, Patricia/Nickel, Artur /Nicolai, Matthias (Hg.): Kästneriaden zum 120. Geburtstag (Sabine Planka)
156 Dallmann, Christine/Hartung, Anja/Aigner, Alfons /Buchele, Kai-Thorsten (Hg.): Comics. Interdisziplinäre Perspektiven aus Theorie und Praxis auf ein Stiefkind der Medienpädagogik (Carolin Führer)
157 Darr, Yael: The Nation and the Child. Nation Building in Hebrew Children’s Literature, 1930–1970 (Susanne Blumesberger)
159 Dingelmaier, Theresia: Das Märchen vom Märchen. Eine kultur- und literaturwissenschaftliche Untersuchung des deutschsprachigen jüdischen Volks- und Kindermärchens (Kurt Franz)
161 Field, Hannah: Playing with the Book. Victorian Movable Picture Books and the Child Reader (Petra Bäni Rigler)
163 Gittinger, Kerstin/ Loidl, Sonja (Hg.): Unter Wölfen. Käthe Recheis – Literatur und Politik (Lena Hoffmann)
164 Giuriato, Davide/Hubmann, Philipp/Schildmann, Mareike (Hg.): Kindheit und Literatur. Konzepte – Poetik – Wissen (Ernst Seibert)
166 Glasenapp, Gabriele von/Pecher, Claudia Maria/Anker, Martin (Hg.): Martin Luther und die Reformation in der Kinder- und Jugendliteratur. Beiträge zur literarhistorischen und literarästhetischen Praxis (Roland Issler)
169 Gruner, Elizabeth Rose: Constructing the Adolescent Reader in Contemporary Young Adult Fiction (Thomas Kullmann)
171 Harde, Roxanne/Kokkola, Lydia (Hg.): The Embodied Child. Readings in Children’s Literature and Culture (Thomas Kullmann)
172 Holzen, Aleta-Amirée von: Maskierte Helden. Zur Doppelidentität in Pulp-Novels und Superheldencomics (Maike Paiska)
174 Hubli, Kathrin: Kunstprojekt (Mumin-)Buch. Tove Janssons prozessuale Ästhetik und materielle Transmission (Ben Dammers)
175 Jantzen, Christoph/ Josting, Petra/Ritter, Michael (Hg.): Ästhetik – Leserbezug – Wirkung. Ansprüche an Kinder- und Jugendliteratur im Wandel der Zeit (Nadine Bieker)
177 Jung, Britta C.: Komplexe Lebenswelten – multidirektionale Erinnerungsdiskurse. Jugendliteratur zum Nationalsozialismus, Zweiten Weltkrieg und Holocaust im Spiegel des postmemorialen Wandels (Susanne Blumesberger)
179 Meyer, Christina: Producing Mass Entertainment. The Serial Life of the Yellow Kid (Aleta-Amirée von Holzen)
181 Rox-Helmer, Monika: Der historische Jugendroman als geschichtskulturelle Gattung. Fiktionalisierung von Geschichte und ihr didaktisches Potential (Annette Kliewer)
182 Seidel, Nadine Maria: Adoleszenz, Geschlecht, Identität. Queere Konstruktionen in Romanen nach der Jahrtausendwende (Annette Kliewer)
184 Sonyem, Alain Belmond: Kinder- und Jugendliteratur als Gegendiskurs? Zu Afrikavorstellungen in neueren deutschen und deutschafrikanischen Kinder- und Jugendbüchern (Astrid Henning-Mohr)
186 Sprenger, Karoline: Bertolt Brechts Kinderlyrik. Hintergründe, Analysen und fachdidaktische Perspektiven (Kurt Franz)
188 Uhlig, Bettina/ Lieber, Gabriele/Pieper, Irene (Hg.): Erzählen zwischen Bild und Text (Heinz-Jürgen Kliewer) 190 Van Nahl, Ruth: Jugendkrimis im 21. Jahrhundert. Eine Typologie (Sabine Fuchs)
192 Wietersheim, Annegret von: »Später einmal werde ich es dir erzählen«. Leerstellen in der Kinder- und Jugendliteratur der 1950er Jahre (Susanne Blumesberger)