Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
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Die Verarbeitung während des Hörprozesses von Säugetieren verläuft von der Kochlea mit den inneren und äußeren Haarsinneszellen (äHZ) über afferente Nervenbahnen bis zum auditorischen Kortex (AK). Die daran beteiligten Schaltstationen und deren Funktion sind überwiegend aufgeklärt. Die Hörbahn ist zudem in besonderer Weise durch efferente Rückkopplungen gekennzeichnet, die interne Modulationen sowie sekundäre Reaktionen auf den Reiz ermöglichen. Anatomisch betrachtet verlaufen efferente Projektionen vom AK zu sämtlichen am Hörprozess beteiligten Kerngebieten. Vom Olivenkomplex erfolgt über mediale und laterale Fasern eine Innervation der äHZ bzw. des Hörnervs. Trotz der gut beschriebenen Anatomie ist die funktionelle Beziehung zwischen dem AK und der Peripherie weitgehend ungeklärt. In der vorliegenden Arbeit wurde der funktionelle Zusammenhang vom AK zu den äHZ in der mongolischen Wüstenrennmaus untersucht. Dafür wurde entweder eine pharmakologische Blockierung der Kortexaktivität durch den Natriumkanalblocker Lidocain erzeugt oder eine Aktivierung der Kortexaktivität durch die Anwendung elektrischer Reize ausgelöst. Der Einfluss der Manipulationen wurde in der Kochlea mittels Messungen von Distorsionsprodukt-otoakustischen Emissionen (DPOAE) erfasst. Diese entstehen durch die nichtlineare Verstärkung leiser Schallsignale durch die äHZ zur Erzielung hoher Sensitivität und Frequenzauflösung. Die DPOAE treten als kubische (z. B. 2f1-f2) und quadratische (z. B. f2-f1) Verzerrungen auf und geben Aufschluss über unterschiedliche Parameter der äHZ-Verstärkungsfunktion.
Die Lidocainversuche wurden entweder kontra- oder ipsilateral zur DPOAE-Messung durchgeführt. In beiden Konstellationen traten nach der Lidocaininjektion Erhöhungen und Verringerungen der DPOAE-Pegel im Vergleich zur Basismessung oder unveränderte DPOAE-Pegel auf. Im Mittel lagen die Pegeländerungen bei ca. 11 dB, in Einzelfällen betrugen sie bis zu 44,8 dB. In den Gesamtdaten waren die Effekte nach kontralateraler Injektion oft signifikant größer als nach ipsilateraler Injektion. Ebenso waren die Effekte in der 2f1-f2 Emission meist signifikant größer als in der f2-f1 Emission. Zudem wurde beobachtet, dass signifikant größere Effekte bei einer Stimulation mit Pegeln von 60/50 dB SPL im Vergleich zu 40/30 dB SPL erreicht wurden. Grundsätzlich trat in allen Datensätzen eine Reversibilität der DPOAE-Pegel mit zunehmender Versuchsdauer auf. Die Effekte waren direkt nach der Injektion am größten und erreichten je nach Stimuluspegel und Emissionstyp nach 28-100 min die Basispegel. In keinem der Datensätze lag eine Abhängigkeit der im Kortex gereizten charakteristischen Frequenz (CF) zum betroffenen Frequenzbereich in der Kochlea vor. Die Effekte waren über den gesamten gemessenen Frequenzbereich von 1-40 kHz nachweisbar. Allerdings waren die Frequenzbereiche von 1-10 kHz und 30,5-40 kHz besonders stark von der Lidocaininjektion betroffen.
Auch nach der elektrischen Reizung wurden die drei oben beschriebenen Effekttypen definiert. Mit 54,6 % war der Prozentsatz unveränderter DPOAE-Pegel allerdings sehr hoch. In den anderen beiden Kategorien konnten zusätzlich Differenzierungen im zeitlichen Verhalten der DPOAE-Pegel vorgenommen werden. In 21,6 % bzw. 16,5 % der Datensätze waren die Verringerungen bzw. Erhöhungen bis zum letzten gemessenen Zeitpunkt nach der elektrischen Reizung irreversibel und nur in jeweils 2,8 % der Datensätze war eine Reversibilität zu verzeichnen. In diesen Fällen war die Effektdauer mit im Mittel 31 bzw. 25 min kürzer als in den Lidocainversuchen. Auch die Effektstärken waren mit maximal 23,9 dB und je nach Effekttyp im Mittel 5,1-13,7 dB geringer als nach der Lidocaininjektion. Die größten Effekte traten in einem mittleren Stimuluspegelbereich von 45-55 dB SPL auf. Wiederum konnte keine Abhängigkeit des betroffenen Frequenzbereichs von der kortikal gereizten CF nachgewiesen werden. In Einzelfällen waren auf DPOAE-Ebene nur die Frequenzen ober- und unterhalb der kortikalen CF beeinflusst, wohingegen bei der CF selbst keine Effekte auftraten.
Durch Kontrollexperimente (Salineinjektion bzw. Einführen der Elektrode ohne elektrische Reizung) konnte nachgewiesen werden, dass die Effekte durch die Manipulation der Kortexaktivität hervorgerufen wurden. Somit liegt eine funktionelle Beziehung zwischen dem AK und der Peripherie vor, die langanhaltende massive Ausmaße annehmen kann. Die Effektrichtung ist vermutlich durch die exzitatorisch oder inhibitorisch wirkenden Neurone vom Colliculus inferior zum Olivenkomplex bedingt. Die größeren Effekte in der kontralateralen Konfiguration lassen sich durch die Diskrepanz in der Anzahl der gekreuzten (2/3) und ungekreuzten (1/3) medialen Efferenzen erklären. Die kubischen Komponenten der äHZ-Verstärkungsfunktion scheinen stärker beeinflusst zu sein als die quadratischen Komponenten, was in größeren Pegeländerungen in der 2f1-f2 Emission resultiert. Die teils großen Effektstärken sowie die nicht vorhandene Frequenzabhängigkeit zwischen AK und Kochlea sind vermutlich auf den großen Kortexbereich zurückzuführen, der von den gewählten Injektionsvolumina bzw. elektrischen Reizstärken betroffen war. Die großen Effekte im mittleren Stimuluspegelbereich lassen sich sowohl mit einer möglichen Schutzfunktion der Efferenzen vor zu lauten Schallereignissen als auch mit einer Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses zur erleichterten Detektion akustischer Signale in Einklang bringen. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Aktivität des AK einen starken Einfluss auf periphere auditorische Mechanismen hat, wodurch die kochleäre Verarbeitung akustischer Signale je nach kortikalem Verarbeitungsstatus massiv modifiziert werden kann.
Effekte von Neonikotinoiden auf die Aktivität des Muskels M17 und das Lernverhalten der Honigbiene
(2015)
Im Rahmen dieser Arbeit wurden Untersuchungen zur Auswirkung von Neonikotinoiden auf die Muskelspikeaktivität des Muskels M17 und auf das Lernvermögen in einer komplexen Aufgabe an der Honigbiene (Apis mellifera carnica) durchgeführt. Dabei wurden drei verschiedene Substanzen verwendet: Clothianidin, Thiacloprid und Imidacloprid. Neonikotinoide stehen häufig im Verdacht, für das Sterben von Bienenvölkern verantwortlich zu sein, da die Bienen bei ihrer Nahrungssuche an behandelten Pflanzen den Substanzen ausgesetzt sind und diese möglicherweise damit auch an ihr Volk weitergeben. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, diese mögliche Gefährdung der Honigbiene durch Neonikotinoide weiter aufzuklären und deren Risiken zu beurteilen. Der Hintergrund für die Versuche zur Muskelspikeaktivität waren vorangegangene Versuche, die Auswirkungen von Neonikotinoiden auf die Motorik von sich frei bewegenden Individuen dokumentierten. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob sich diese Effekte auch an der Spikeaktivität des Muskels M17 widerspiegeln. Dafür wurden Elektromyogramme des Muskels M17 zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Gabe der Substanzen erstellt und deren mediane Anzahl mit einer Kontrollgruppe verglichen.
In einem ersten Versuch wurden Clothianidin (1 µM), Thiacloprid (1 µM), Imidacloprid (1 µM) oder eine Kontrollsubstanz (PBS) in die Kopfkapsel appliziert. Beim Vergleich mit der Kontrollgruppe zeigten sich für Imidacloprid keine Auswirkungen. Clothianidin verursachte eine deutlich erhöhte mediane Spikerate des Muskels M17, während Thiacloprid diese absenkte, beides im Vergleich zur Kontrollgruppe. Auch bei einer um 30 Minuten versetzten Doppelapplikation von Clothianidin (1 µM) und Thiacloprid (10 µM) stellten sich diese Effekte ein, wobei Clothianidin eine dominante Rolle einzunehmen scheint. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit Untersuchungen zur Laufaktivität, welche sich ebenfalls durch Clothianidin erhöhte und durch Thiacloprid absenkte.
Ein weiteres Experiment untersuchte die Auswirkung einer akuten Fütterung mit Clothianidin (1 ng in 1 µl) bzw. Thiacloprid (250 ng in 1 µl) auf die Anzahl der Muskelaktionspotenziale. Auch hier zeigt sich eine deutliche Erhöhung der Spikeanzahl durch Clothianidin und eine Absenkung der Spikeanzahl durch Thiacloprid, was die Ergebnisse des ersten Versuchs nochmals bestätigt.
Des Weiteren wurden Untersuchungen zur Auswirkung einer chronischen Fütterung mit Clothianidin (50 ppb) bzw. Thiacloprid (5000 ppb) auf die Anzahl an Spikes durchgeführt. Die Bienen wurden dabei über mehrere Wochen im Volk mit den jeweiligen Substanzen gefüttert. Dabei zeigte sich, dass auch eine chronische Fütterung der Bienen mit Clothianidin ihre Anzahl an Muskelaktionspotenzialen deutlich erhöht, während eine chronische Fütterung mit Thiacloprid diese absenkt. In einer Kombination der chronischen Fütterung mit einer zusätzlichen akuten Fütterung des jeweils anderen Neonikotinoids zeigte sich, dass auch hier Clothianidin eine dominante Rolle gegenüber Thiacloprid einnimmt und auch keine synergistischen oder Gewöhnungseffekte der beiden Substanzen eintreten. Die chronisch eingefütterten Völker entwickelten sich dagegen wie die Kontrollvölker, sodass die hier beschriebenen Auswirkungen auf die Einzelbiene keine sichtbaren Effekte auf ganze Völker zu haben scheinen.
Zusätzlich wurden Versuche zum Duftlernen in einer komplexen Lernaufgabe, dem positiven Patterning, unter Einfluss von Clothianidin durchgeführt. Die Bienen müssen dabei zwischen unbelohnten Einzeldüften und einem belohnten Duftgemisch, bestehend aus den beiden Einzeldüften, unterscheiden. In verschiedenen Versuchsdurchläufen wurden 0,25 ng oder 1 ng Clothianidin (jeweils 1 µl) in den Thorax injiziert, entweder vor der Akquisitionsphase oder vor dem ersten Abruftest nach drei Stunden. In keinem der Versuchsdurchläufe zeigten sich Effekte des Clothianidins auf den Lernvorgang, weder in der Akquisitionsphase noch in den Abruftests. Somit wurden weder das Lernen an sich, noch die Konsolidierung und damit die Überführung des Gelernten in das Langzeitgedächtnis durch das Clothianidin beeinflusst. Allerdings könnte die Immunabwehr der Bienen nach längerer Einwirkung des Clothianidins (24 h) in der höheren Konzentration herabgesetzt sein, da viele Bienen starben.
Insgesamt ergaben sich Effekte von Clothianidin und Thiacloprid auf die Anzahl der Aktionspotenziale des Muskels M17, die sich aber im gesamten Volk nicht widerspiegeln. Der Lernvorgang in der hier durchgeführten komplexen Lernaufgabe wird durch Clothianidin nicht beeinflusst. Möglicherweise entsteht dieser Unterschied in den Ergebnissen durch eine Bindung der Substanzen an verschiedene Rezeptorsubtypen, die pharmakologisch unterschiedliche Eigenschaften besitzen und somit auch unterschiedliche Auswirkungen zeigen.
Pflanzenfunde aus archäologischen Ausgrabungen im Norden Burkina Fasos dokumentieren die regionale Geschichte der Pflanzennutzung und damit zusammenhängende Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt. Das untersuchte Material besteht überwiegend aus verkohlten Früchten und Samen, die durch das Schlämmen von Kultursedimenten aus mehr als 20 Fundplätzen gewonnen wurden. Sie decken einen Zeitraum von etwa 4000 Jahren ab, der von der Endsteinzeit bis in die jüngste Neuzeit reicht. Die Analysen der archäobotanischen Inventare ermöglichen es, mehrere Phasen der Pflanzennutzung auszuweisen, die mit spezifischen Lebens- und Siedlungsweisen der Bevölkerung assoziiert sind. Eine ausschließlich wildbeuterische Wirtschaftsform wird für die älteste der untersuchten Fundstellen, den Lagerplatz Corcoba, angenommen. Dort nutzten mobile Gesellschaften um 2000 BC reiche Fischressourcen und sammelten systematisch die Früchte von Gehölzen. Im Inventar des Fundplatzes Tin Akof ist um 1800 BC erstmals eine Kulturpflanze, die Perlhirse (Pennisetum glaucum) nachweisbar. Sie markiert den Beginn der produzierenden Wirtschaftsweise. Es wird ein Anbau in kleinem Maßstab rekonstruiert, wobei Feldbau nur eine von mehreren praktizierten Subsistenzstrategien war. Vermutlich handelte es sich bei den Bewohnern von Tin Akof um seminomadische Viehhalter, die aus dem Sahararaum einwanderten und das bereits domestizierte Getreide einführten. Ab der Zeitenwende tritt in der Eisenzeit eine neue, sesshafte Kultur in Erscheinung. Ihre Siedlungen befanden sich vorzugsweise auf sandigen, leicht kultivierbaren Böden in der Nähe permanenter Gewässer. Die Nahrungsproduktion basierte auf der Kultivierung von Perlhirse, daneben wurden Hibiscus cf. sabdariffa und die Hülsenfrüchte Vigna subterranea und V. unguiculata angebaut. Als Anbausysteme lassen sich Mischkulturen mit Perlhirse als Hauptfrucht und Kulturbaumparks, die vom Menschen geschätzte Gehölze (u.a. Vitellaria paradoxa) aus der ursprünglichen Savannenvegetation einbeziehen, rekonstruieren. Die gemischte Wirtschaftsweise umfasste Viehhaltung, aber auch wildbeuterische Praktiken wie das Sammeln von Wildpflanzen, insbesondere von Baumfrüchten. Hinweise auf Handelskontakte liegen aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends AD vor. Sie lassen sich zum Teil mit dem Ausbau transsaharischer Handelsnetze im Verlauf der Islamisierung Westafrikas verknüpfen. Sorghum bicolor und die Wassermelone (Citrullus lanatus) wurden möglicherweise auf diese Weise eingeführt. Die Eisenzeit erweist sich insgesamt als stabile Epoche mit langer Siedlungskontinuität. Gleichwohl zeigen die detailliert untersuchten Fundsequenzen sich wandelnde Nutzungsmuster und eine Intensivierung der Landwirtschaft. Im 14. Jahrhundert werden die für die Epoche typischen Siedlungshügel im gesamten Gebiet verlassen. Mögliche Ursachen sind politische Veränderungen in benachbarten Regionen. Erst aus der jüngsten Neuzeit liegen wieder archäobotanische Belege vor. Die Ergebnisse aus Burkina Faso bestätigen die archäobotanischen Forschungen in anderen Gebieten Westafrikas, nach denen Feldbau relativ spät um 2000 BC begann und Perlhirse die erste domestizierte Kulturpflanze darstellt. Die stabile Bedingungen in der Eisenzeit führten vielerorts zur Entstehung von Städten und Handelszentren. Diese Entwicklung ist im ländlichen Raum, zu der auch die Arbeitsregion zählt, weniger deutlich ausgeprägt, aber dennoch fassbar. Die archäobotanischen Inventare der Endsteinzeit und Eisenzeit dokumentieren ein, im Vergleich zu heute, niederschlagsreicheres Klima und einen geringeren anthropozoogenen Einfluss auf die natürliche Vegetation.
RNA-Interferenz (RNAi) erlangte eine herausragende Bedeutung zum Studium der Genfunktion, nachdem auch in Säugersystemen gezeigt wurde, daß durch Applikation von 21 nt langen siRNAs (small interfering RNAs) eine Sequenz-spezifische Degradierung der mRNA-Transkripte kognitiver Gene erreicht werden konnte. Im Gegensatz zur antisense-Technologie erwies sich die Wirkung von siRNA im Hinblick auf die Hemmung der Genexpression um ein Vielfaches potenter und hoch spezifisch. Für eine längerfristige Unterdrückung von Genen kristallisierte sich die Methode der Plasmid-Vektor-vermittelten intrazellulären Expression von shRNA (short hairpin RNA) heraus, welche transient oder stabil angewendet werden kann. Diese exprimierte shRNA wird intrazellulär enzymatisch zu wirksamer siRNA prozessiert, welche den eigentlichen Enzym-vermittelten RNAi-Mechanismus der Degradierung von mRNA-Transkripten kognitiver Gene auslöst. Die Anwendung von RNA-Polymerase III-abhängigen Promotoren für die stabile konstitutive Expression von shRNA stellte ein großes Problem für behandelte Zellen dar, wenn es sich bei dem zu unterdrückenden Zielgen um ein Gen mit essentiellen Funktionen für die Zelle handelte. Im Falle der Polo-like Kinase 1 (Plk1), einer in vielen Spezies hoch konservierten Serin/Threonin-Kinase mit essentiellen mitotischen Funktionen, bedeutete eine dauerhafte und stringente Unterdrückung einen veränderten Phänotyp beteiligter Zellen, welcher sich durch Defekte bei mitotischen Ereignissen bemerkbar machte. Plk1 ist in zahlreiche mitotische Prozesse, wie den Eintritt der Zellen in die Mitose, die Segregation der Chromosomen und die Aktivierung des APC/C (anaphase promoting complex / cyclosome), eingebunden. Darüber hinaus ist bekannt, daß Plk1 in nahezu allen Tumorarten überexprimiert vorliegt und die Prognose von Tumorwachstum und Metastasierungspotential über den Plk1-Gehalt definiert werden kann. Des weiteren bewirkte eine RNAi-vermittelte Unterdrückung der Plk1-Expression bei Tumorzellen eine Hemmung der Zellproliferation mit Auslösung der Apoptose. Hingegen konnte bei gesunden primären Zellen weder eine signifikante Hemmung der Proliferation noch die Auslösung der Apoptose beobachtet werden, was die große Bedeutung von Plk1 als Ansatzpunkt für eine Krebstherapie hervorhebt. Um die Funktion von Plk1 im Hinblick auf molekularbiologische Zusammenhänge besser studieren zu können, war es notwendig, den intrazellulären Plk1-Gehalt zu variieren. Im Rahmen dieser Promotionsarbeit wurden dazu induzierbare RNAi-Elemente entwickelt, mit deren Hilfe die intrazelluläre Plk1-Expression konditionell inhibiert werden konnte. Unter Verwendung des prokaryotischen Tet-Systems wurden auf Basis des RNA-Polymerase abhängigen H1-Promotors durch Insertion von einer oder zwei Operatorsequenzen (TetO) für den Tetrazyklin-Repressor (TetR) an verschiedene Orte innerhalb der Sequenz des H1-Promotors drei induzierbare Promotor-Derivate geschaffen. Die drei entwickelten H1-Promotor-Derivate wurden zur Expression von shRNA gegen Plk1 eingesetzt und in bezug auf die Auslösung der RNAi-Antwort getestet und untereinander verglichen. Zu diesem Zwecke wurde der endogene Plk1-Gehalt von HeLa-Tumorzellen auf Transkript- und auf Proteinebene bestimmt. Die Zellen wurden zuvor mit Plasmid-Vektoren für konstitutive TetR-Expression und jeweils einer der verschiedenen shRNA-Expressions-Kassetten ko-transfiziert. Als Kontrollen dienten dabei Wildtyp-H1-Promotoren, welche zur konstitutiven Expression von shRNA gegen Plk1 und einer unwirksamen Kontroll-shRNA eingesetzt wurden. Mit Hilfe des synthetischen Tetrazyklin-Analogons Doxyzyklin, welches einen potenten Aktivator für TetR darstellt, konnten die hergestellten Promotor-Derivate induziert werden, was durch einen reduzierten intrazellulären Plk1-Gehalt sichtbar wurde. Dabei fiel auf, daß alle drei Promotor-Typen unterschiedliche Eigenschaften im nichtinduzierten Zustand wie auch im induzierten Zustand unter Anwesenheit von Doxyzyklin aufwiesen. Für die Basalaktivität in Abwesenheit von Doxyzyklin (leakiness) war die relative Lage der TetO-Sequenz(en) innerhalb des Promotors verantwortlich. So veränderte die Insertion einer TetO-Sequenz in 3’-Richtung der TATA-Box die Eigenschaften des Wildtyp-H1-Promotors weniger als die Insertion einer TetO-Sequenz in 5’-Richtung der TATA-Box. Zum Studium von Plk1 als Zielgen in der Krebstherapie wurde das Proliferationsverhalten von HeLa-Tumorzellen als Antwort auf die Doxyzyklin-vermittelte Induktion der shRNAExpression unter Kontrolle eines der induzierbaren Promotoren ermittelt. Dabei konnte die Proliferation von Tumorzellen durch einen reduzierten Plk1-Gehalt, welcher durch die Doxyzyklin-induzierte Auslösung der RNAi-Antwort vermittelt wurde, erfolgreich inhibiert werden. Zur Überprüfung der Eignung entwickelter Systeme, Tumorwachstum in vivo inhibieren zu können, wurden die entwickelten RNAi-Kassetten in das Genom von TetRexprimierenden HeLa-Zellen integriert und so stabile Klone geschaffen. Stabile HeLa-Klone zur induzierbaren Expression von Plk1-spezifischer shRNA, wie auch zur induzierbaren Expression von einer Kontroll-shRNA, wurden in die gegenüberliegenden Flanken von immunsupprimierten Nacktmäusen inokuliert, um anhand von Xenograft-Modellen einen direkten Vergleich des Tumorwachstums unter gleichen äußeren Bedingungen zu ermöglichen. Einem Teil der Mäuse wurde Doxyzyklin ins Trinkwasser gegeben, während Kontrollmäuse kein Doxyzyklin verabreicht bekamen. Das Tumorwachstum von Xenograft-Tumoren, welche aus Klonen zur Expression von shRNA gegen Plk1 hervorgingen, konnte in Doxyzyklin-behandelten Mäusen um 53% auf 47% an Tag 51 nach Inokulierung der Zellen inhibiert werden. Tumoren nicht-induzierter Mäuse, sowie Tumoren aus induzierten Mäusen, welche Kontroll-shRNA exprimierten, wuchsen dagegen unverändert in gleichem Maße. Anhand der in dieser Arbeit entwickelten induzierbaren H1-Promotor-Derivate zur konditionellen Auslösung von RNAi wurden wertvolle genetische Werkzeuge geschaffen, welche für das Studium der Genfunktion eingesetzt werden können. Im Falle der Unterdrückung von Plk1 können mit ihrer Hilfe sowohl grundlegende molekularbiologische Zusammenhänge studiert als auch die Bewertung von Plk1 als Zielgen in der Krebstherapie bewertet werden. Im Gegensatz zu kürzlich entwickelten Kinase-Inhibitoren, welche auf Proteinebene gegen Plk1 gerichtet sind und aufgrund ihrer bislang nicht nachgewiesenen Spezifität verwandte Kinasen in ihrer Wirkungsweise beeinflussen könnten, ist eine RNAibasierte Strategie hoch spezifisch und verspricht eine große Relevanz für zukünftige therapeutische Ansätze. Vorraussetzung für erfolgversprechende RNAi-basierte Strategien ist eine hohe Konservierung der Sequenz beteiligter Zielgene. Im Falle von Plk1 konnte eine hohe Konservierung durch Sequenzanalyse der Plk1-Gene von 15 Mamma-Karzinomen, 11 Ovarial-Karzinomen und mehrerer Tumorzellinien bestätigt werden.
Durch Längenmessungen an Exuvien wurden die Größenverhältnisse von Beinlängen, Drehachsenlängen der Beingelenke und der Fläche des Carapax bei C. salei ermittelt. Für die hydraulisch gestreckten Femoro- Patellar- und Tibio-Metatarsalgelenke wurden die Volumen-Winkel-Kennlinien bestimmt. Das Sprungverhalten wurde durch Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen (Bildfrequenz 500 Hz) mit drei Kameras dokumentiert. Aus den volumetrischen, kinematischen und morphometrischen Daten wurden die Volumenverschiebungen berechnet, die bei Sprungbewegungen auftreten. Aus der prosomalen Volumenverschiebung konnte der korrespondierende Carapaxhub berechnet werden. Mit einer Miniatur- Kraftmeßplattform und einem mit Schrittmotoren getriebenen "x-y-z-Tisch" wurden Steifigkeiten des Prosomas von Perania nasuta Schwendinger, 1989 und ausgewählten anderen Taxa bestimmt. Bei Cupiennius salei gibt es zwei unterschiedliche Sprungtypen: Unvorbereitete Sprünge als Reaktion auf sehr plötzliche Störungen zeichnen sich durch eine große Vielfalt der Bewegungsmuster aus. Vorbereitete Sprünge zeigen charakteristische Beinstellungen und Kontaktphasenmuster: Zunächst erfolgt eine etwa 20 ms dauernde Ausholbewegung, anschließend beginnt die 22 - 42 ms dauernde Beschleunigungsphase. Die Körperlängsachse vollzieht während der Beschleunigungsphase eine Vorwärtsrotation um etwa 50°, die nach dem Verlust des Bodenkontaktes der Beine gestoppt und umgekehrt wird. Dies erfolgt wohl durch ein kontrolliertes Bremsen des Ausstoßes des Sicherheitsfadens. Bei vorbereiteten Sprüngen konnten Sprungweiten bis zu 0.43 m beobachtet werden, die maximalen vertikalen Geschwindigkeiten betrugen 0.07 - 0.82 ms-1, maximale horizontale Geschwindigkeiten lagen bei 0.65 - 1.25 ms-1. Bei vorbereiteten Sprüngen wurden vertikale Beschleunigungen von 0.74 – 33.70 ms-2 und horizontale Beschleunigungen von 20.5 – 68.4 ms-2 erreicht. Die Kontaktphasen der Beine enden in einer charakteristischen Reihenfolge: Die Vorderbeine haben meist keinen Bodenkontakt, die dritten Beine heben nach durchschnittlich 37 % und die vierten Beine nach durchschnittlich 69 % der Dauer der Beschleunigungsphase ab. Zuletzt verlieren die zweiten Beine den Bodenkontakt. Zu Beginn der Beschleunigungsphasen richten sich innerhalb von durchschnittlich 4.6 ms Stacheln auf der Oberfläche der Beine auf. Die Stachelaufrichtung erfolgt bei Drucken von etwa 35 bis etwa 65 kPa. Dies zeigt einen Druckanstieg in den Beinen auf Werte von ³ 65 kPa während der Beschleunigungsphase an. Der Hauptanteil der Volumenverschiebungen in den Beinen wird durch Bewegungen der Femoro-Patellargelenke verursacht. Die Bewegungen der Tibio-Metatarsalgelenke bewirken nur geringe Volumenverschiebungen. Aufgrund der anatomischen Struktur der Trochantero- Femoralgelenke sind die bei Bewegung dieser Gelenke verschobenen Volumina vernachlässigbar klein. Die Abschätzung der zur Beinstreckung bei Sprüngen erforderlichen Carapaxverschiebungen ergab sehr geringe Werte, es sind nur Verschiebungen um wenige 1/100 bis 1/10 mm erforderlich. Für die vollständige Streckung aller Beine muß der Carapax nur um 10% der aufgrund der anatomischen Gegebenheiten maximal möglichen Strecke verschoben werden. Bei den Untersuchungen an Perania nasuta wurden prosomale Steifigkeiten von mehr als 3500 Nm-1 für Weibchen und mehr als 6500 Nm-1 für Männchen ermittelt. Das Prosoma von Perania nasuta ist sehr viel rigider als bei anderen Spinnen (Pholcus: 131 Nm-1, Zelotes: 79 Nm-1, Pardosa: 72 Nm-1, Dysdera: 1900 Nm-1). Die Carapaxverschiebung, die den zur vollständigen Beinstreckung erforderlichen Volumentransport bewirkte, würde bei Perania eine Verformungsarbeit von bis zu 27.56 myJ erfordern, bei den anderen Spinnen nur maximal 1.67 myJ (Dysdera). Das Sprungverhalten von Cupiennius salei läßt sich keinem der bislang beschriebenen Sprungtypen zuordnen. Hinsichtlich der Sprungweite und Geschwindigkeiten sind die Sprungleistungen von Cupiennius mit denjenigen von Salticiden vergleichbar. Die geringen Carapaxverschiebungen beim Sprung lassen sich im Sinne einer Optimierung der Arbeit extrinsischer coxaler Muskeln interpretieren. Eine Minimierung von Carapaxverschiebungen sollte die Koordinierbarkeit der Bewegungen der Coxae erhöhen, weil ein stärker formkonstanter Bezugsrahmen gegeben ist. Dementsprechend lassen sich Bein- und Carapaxdimensionen bei verschiedenen Spinnentaxa im Hinblick auf die jeweiligen Lokomotionsstrategien interpretieren. Die Untersuchungen an Perania nasuta bestätigen die von Kropf (in Vorb.) aufgestellte Hypothese einer starken Versteifung des Prosoma. Die Druckpumpe scheint hier im Opisthosoma lokalisiert zu sein. Hinsichtlich der möglichen Vorteile einer solchen Entwicklung lassen sich einerseits die besseren Bedingungen der Arbeit extrinsischer coxaler Muskeln im vollständig steifen "Gestell" des Prosoma nennen, andererseits könnte aufgrund entsprechender Lokomotionsmodi bei Perania keine Notwendigkeit zur schnellen Verschiebung großer Haemolymphvolumina aus dem Prosoma bestehen, so daß eine leistungsfähige prosomale Druckpumpe wegfallen konnte.
An die Signalübertragung im ZNS werden in bestimmten Entwicklungsstadien sehr unterschiedliche Anforderungen gestellt. Im adulten Gehirn dient sie nicht nur der Nachrichtenübermittlung, sondern auch der aktivitätsbasierten Umgestaltung neuronaler Verbindungen bei Lernprozessen und der regenerativen Umgestaltung nach Verletzungen. Im sich entwickelnden Gehirn werden schon frühzeitig Nervenzellen elektrisch erregbar und spontan aktiv. Diese elektrische Aktivität und die dadurch verursachte Transmitterausschüttung spielen bei der selektiven Stabilisierung von Synapsen und damit bei der Ausgestaltung des neuronalen Netzwerks eine große Rolle. Im ZNS von Vertebraten beruht die Wirkung des Neurotransmitters und Neuromodulators Acetylcholin auf den nikotinischen und muskarinischen Acetylcholinrezeptoren. Muskarinische Acetylcholinrezeptoren (mAChRen) koppeln, abhängig von den fünf identifizierten Rezeptorsubtypen (M1- M5), an unterschiedliche intrazelluläre Signalketten an. Dabei interagieren für gewöhnlich die M1, M3 und M5 Rezeptoren mit einem G-Protein des Typs Gq/11, während M2 und M4 ein G-Protein des Typs Gi/o aktivieren. Der Colliculus inferior (IC) ist eine wichtige Verschaltungsstation im auditorischen Mittelhirn von Säugetieren. Inhibitorische und exzitatorische Eingänge werden dort während der Entwicklung mit großer Präzision angelegt und konvergieren auf einzelne ICNeurone. Die physiologische Bedeutung von mAChRen im IC ist weitgehend unerforscht und die Subtypen die im juvenilen IC eine Rolle spielen wurden noch nicht charakterisiert. Es war das Ziel der vorliegenden Arbeit mittels elektrophysiologischer Untersuchungen im IC der juvenilen Ratte (P5-P12) folgende Fragen zu klären: i) Gibt es im IC der jungen Ratte eine Modulation der GABAergen Transmission durch muskarinische Acetylcholinrezeptoren? ii) Welcher muskarinische Rezeptorsubtyp spielt dabei eine Rolle? iii) Welcher intrazelluläre Signalmechanismus ist der Aktivierung des muskarinischen Acetylcholinrezeptors nachgeschaltet? Unter Wirkung von Muskarin kam es bei 41,2% der untersuchten Neurone des Colliculus inferior zu einer Erhöhung der Frequenz der spontanen IPSCs. Die sIPSCs wurden durch Bicucullin blockiert, somit handelt es sich um GABAerge IPSCs. Die Wirkung von Muskarin nahm zu, wenn die Tiere älter als 9 Tage waren. Es wurde gezeigt, dass nAChRen keine Rolle spielen bei der Erhöhung der sIPSC-Frequenz, während eine selektive Blockade der M3-(M5-) mAChRen durch 4-DAMP die Muskarinwirkung blockierte. In der Regel sind die M3-Rezeptoren über folgende Signalkaskade aktiv: Phospholipase C, Kalzium-Calmodulin, NO-Synthase, Guanylatzyklase, die NO-Konzentration und cGMP. Alle Glieder dieser Kaskade wurden untersucht, sie hatten aber keinen Einfluss auf die Muskarinwirkung. Im Gegensatz dazu führte die Erhöhung des intrazellulären cAMP-Spiegels zu einer vergleichbaren Frequenzsteigerung der sIPSCs wie sie unter der Wirkung von Muskarin gemessen wurde. Weiterhin ließ sich die Erhöhung der sIPSC-Frequenz durch Muskarin vollständig aufheben, wenn die intrazelluläre Adenylatzyklase blockiert wurde. Es ist bekannt, dass der M3-(M5-) mAChR über verschiedenste Signalwege den intrazellulären cAMP-Spiegel verringern oder erhöhen kann und dass die Spezifizierung des Rezeptors vom Grad der Rezeptorexpression, dem Zelltyp und der Kombination der Effektormoleküle abhängig ist. Die Abweichung der juvenilen Kaskade vom im erwachsenen Tier üblichen Signalweg hat dabei den Vorteil, dass eine Aufgabentrennung zwischen Netzwerkbildung und Synapsenstabilisierung einerseits und Signalweiterleitung andererseits erfolgt. Beim juvenilen Tier steht die Netzwerkbildung im Vordergrund, beim erwachsenen Tier wird die Signalweiterleitung moduliert. Der sekundäre Botenstoff NO, der weit diffundieren kann, spielt beim juvenilen Signalweg keine Rolle und dies ermöglicht eine klare Trennung der aktivierten von den umgebenden Synapsen. Dadurch wird eine starke Selektion innerhalb der vorhandenen Synapsen ermöglicht und eine aktivitätsbasierte Netzwerkbildung vereinfacht. Die Etablierung funktioneller GABAerger Synapsen ist ausschlaggebend für die Entwicklung des neuronalen Netzwerks. Innerhalb der ersten postnatalen Wochen führt die Aktivierung von GABAA-Rezeptoren zur Depolarisierung der IC-Neurone und zu einer Erhöhung der intrazellulären Ca2+-Konzentration. Acetylcholin potenziert also letztlich den GABA-aktivierten Einstrom von Ca2+ und führt damit zur Erhöhung der intrazellulären Ca2+ Konzentration im postsynaptischen Neuron des IC. Diese modulatorische Wirkung von Acetylcholin könnten damit eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Stabilisierung von inhibitorischen Synapsen im sich entwickelnden IC der Ratte spielen.
Identifizierung und Charakterisierung von Liganden für Faktor VIII neutralisierende Antikörper
(2008)
Das Fehlen von funktionellem Blutgerinnungsfaktor VIII (FVIII) in Hämophilie A- (HA-) Patienten wird durch Substitution mit FVIII-Präparaten therapiert. Die wesentlichste gegenwärtige Komplikation der FVIII-Ersatz-Therapie besteht in dem Auftreten von FVIII neutralisierenden Antikörpern (Inhibitoren) gegenüber exogenem FVIII. Diese können mittels verschiedener, kostenintensiver Therapien zur Induktion einer Immuntoleranz (ITI) mit unterschiedlichem Erfolg eliminiert werden. Für Patienten mit persistierenden Inhibitoren bedeuten diese nicht nur eine drastische Verminderung der Lebensqualität sondern ein lebensbedrohliches Szenario. Eine Liganden-vermittelte Blockierung von neutralisierenden anti-FVIII Antikörpern sowie die zielgerichtete Ansteuerung des Rezeptors FVIII-spezifischer Gedächtnis-B-Zellen stellen mögliche Ansätze zur Verwirklichung antigenspezifischer ITI-Strategien für eine dauerhafte, vollständige Eliminierung von FVIII-Inhibitoren dar. Zu diesem Zweck wurden in dieser Arbeit durch Screening von phagenpräsentierten, randomisierten Peptidbibliotheken mit Inhibitor-positiven Patientenplasmen Peptidliganden selektioniert. Diese wiesen eine spezifische Bindung von anti-FVIII Antikörpern in den verwendten Plasmen auf. Durch den Einsatz entsprechender Software konnten AS-Konsensusmotive der Peptidsequenzen möglichen, konformationellen, funktionellen Inhibitorepitopen in der A2- sowie C2-Domäne von FVIII zugeordnet werden. Die von in silico-Analysen vorgegebene Domänenspezifität der anti-FVIII Antikörper wurde in Bindungsstudien mit rekombinant exprimierten FVIII-Domänen verfiziert. Die korrespondierenden, synthetischen Peptidliganden blockierten die IgG-Bindung an FVIII und regenerierten partiell dessen Aktivität im Plasma. Die Peptide stellten funktionelle Mimotope der möglichen Inhibitorepitope in der A2- und C2-Domäne dar. Da FVIII neutralisierende Antikörper zumeist Epitope in beiden Domänen erkennen, wurden die Mimotope kombiniert, was in einer noch effektiveren Blockierung von FVIII-Inhibitoren resultierte. Weiterhin wiesen Mimotopkombinationen Kreuzreaktivität mit anti-FVIII IgG in heterologen Patientenplasmen auf. Durch Fusion der Peptide an die Multimerisierungsdomäne der alpha-Kette des humanen C4-Bindeproteins konnten in Zellkultur heptamere Proteine generiert werden. Gegenüber den synthetischen Peptiden wiesen die Multimere aufgrund ihrer Multivalenz sowie der strukturellen Integrität eine deutlich verbesserte Blockierung von anti-FVIII IgG auf. Das Multimerisierungskonzept erlaubte ferner die Kombination unterschiedlicher Peptidliganden in einem Heteromultimer, was anhand der selektierten, funktionellen Mimotope für mögliche A2- und C2-Epitope getestet wurde. Weiterhin zeichneten sich die Inhibitor-spezifischen Multimere gegenüber den synthetischen Peptiden durch deutlich verlängerte Halbwerstzeiten aus. In Präparationen peripherer mononuklearer Zellen (PBMCs) von Patienten färbten synthetische Peptide sowie Fluoreszenz-markierter FVIII B-Zellsubpopulationen mit einem Gedächntis-B-Zell Phänotyp (CD19+IgG+). Gedächtnis-B-Zellen in PBMCs wurden polyklonal stimuliert. Im ELISPOT-Verfahren konnten Tetanusspezifische, jedoch keine FVIII-spezifischen Zellen, detektiert werden. Im Gegensatz zu den verwandten Kontrollen bewirkte eine Präinkubation der Zellen mit dem Peptid 12C6, welches an das toxische D-AS-Peptid (KLAKLAK)2 gekoppelt war, allerdings eine Reduktion von anti-FVIII IgG in den Überständen stimulierter Zellen.
Durch die Behandlung HIV-positiver Patienten mit einer Kombinationstherapie verschiedener antiviraler Substanzen (HAART = hochaktive antiretrovirale Therapie) kann die Virusreplikation über einen längeren Zeitraum unterdrückt werden. Allerdings hat diese Therapie Limitationen. Die Medikamente verursachen hohe Therapiekosten, haben zum Teil starke Nebenwirkungen und es entstehen mit der Zeit resistente Viren. Eine Alternative besteht in der somatischen Gentherapie der HIV-Infektion. Bei diesen Ansätzen werden Zellen der Patienten genetisch modifiziert, so dass sie ein antivirales Genprodukt exprimieren. In der vorliegenden Arbeit wurde ein membrangebundenes, antivirales C46 Peptid (maC46) sowohl in vitro in Zelllinien und primären humanen T-Zellen als auch in vivo in zwei humanisierten Mausmodellen getestet. Das C46 Peptid entstammt der C-terminalen "heptad repeat" Sequenz des HIV Hüllproteins gp41. C-Peptide wie C46 oder auch T20, welches bereits für die HAART Therapie zugelassen ist, binden während der Fusion des Virus mit der Zielzelle an gp41 und inhibieren so die Fusion. Werden T-Zelllinien oder primäre humane T-Zellen mit einem gammaretroviralen Vektor, der maC46 codiert, transduziert, können sie sehr effizient vor einer Infektion mit HIV geschützt werden [30]. Dieser Vektor wurde bereits in einer klinischen Studie mit T-Zellen von 10 HIV-positiven Patienten getestet [142]. Dabei konnte allerdings kein antiviraler Effekt der Gentherapie beobachtet werden. Hier wurde nun ein lentiviraler Vektor für maC46 (LV-maC46-GFP) verwendet. Lentivirale Vektoren transduzieren im Gegensatz zu gammaretroviralen auch ruhende Zellen, was ein kürzeres ex vivo Aktivierungs- und Transduktionsprotokoll ermöglicht. Außerdem ist für lentivirale Vektoren das Risiko der Transformation der Zelle niedriger als für gammaretrovirale. Für eine mögliche klinische Anwendung sollte es daher tolerierbar sein, für lentivirale Vektoren eine höhere MOI zu verwenden als für gammaretrovirale. Eine höhere Transduktionseffizienz sollte auf der anderen Seite auch eine effektive und langanhaltende Transgenexpression ermöglichen. Zunächst wurde gezeigt, dass sowohl die T-Zelllinie PM-1 als auch primäre humane T-Zellen nach Transduktion mit LV-maC46-GFP vor einer Infektion mit HIV geschützt waren und während der Infektion einer gemischten Kultur einen Selektionsvorteil gegenüber nicht-transduzierten Zellen hatten. Dabei konnte auch durch konfokale Mikroskopie gezeigt werden, dass das Virus die maC46-exprimierenden Zellen nicht injizieren konnte, sondern lediglich auf der Zelloberfläche gebunden wurde. Im Weiteren wurden zwei humanisierte Mausmodelle etabliert, um LV-maC46-GFP in vivo zu testen. Im humanen Immunsystem Mausmodell (HIS-Mausmodell) wurden immundefiziente Mäuse mit humanen Blutstammzellen repopuliert. In den Tieren kam es zu einer de novo Bildung von humanen, reifen T-Lymphozyten durch Thymopoese. Dabei wurden im Blut der Tiere humane, maC46- exprimierende CD4+ T-Zellen detektiert. Nach Infektion der Tiere mit HIV wurden diese T-Zellen depletiert. Es kam allerdings nicht zu einer Anreicherung oder einem selektiven Überleben der genmodifizierten T-Zellen. Eine Erklärung dafür könnte eine gestörte T-Zellhomeostase in den Tieren sein. Das zweite humanisierte Mausmodell (T-Zellmausmodell) verwendete immundefiziente Mäuse, die mit transduzierten humanen T-Zellen repopuliert wurden. Die Infektion mit HIV erfolgte entweder in vitro vor Transplantation der Zellen oder in vivo nach Repopulierung der Tiere. In beiden Fällen konnte ein selektives Überleben maC46-exprimierender CD4+ T-Zellen nach HIV-Infektion beobachtet werden. Im letzten Teil der vorliegenden Arbeit wurde die Weiterentwicklung von maC46, eine sekretierte Variante des C46-Peptids (iSAVE), im T-Zellmausmodell getestet. Ein sekretierter Fusionsinhibitor stellt insofern eine Weiterentwicklung des membrangebundenen dar, als nicht nur die genmodifizierten Zellen, sondern zusätzlich auch nicht-modifizierte Nachbarzellen vor einer Infektion mit HIV geschützt werden könnten. Dadurch erhöht sich auch das Spektrum an möglichen Produzentenzellen für den Fusionsinhibitor. In den hier beschriebenen Experimenten wurden humane T-Zellen entweder mit einem gammaretroviralen (RV-iSAVE) oder einem lentiviralen Vektor (LV-iSAVE) transduziert und die Experssion das iSAVE-Peptids wurde im Serum der Tiere gemessen. In beiden Ansätzen konnte iSAVE Peptid im Serum der Tiere detektiert werden. In weiteren Experimenten sollte nun untersucht werden, ob dieses in vivo sekretierte iSAVE Peptid antiviral aktiv ist und die humanisierten Mäuse vor einer Infektion mit HIV schützen kann.
Die Onkogenese geht mit einer Deregulation des Zellzyklus einher. Dabei spielt unter anderem die Regulation verschiedener krebsrelevanter Transkriptionsfaktoren eine wichtige Rolle. Ein Interaktionspartner und Regulator vieler dieser Faktoren ist das LIM-only Protein FHL2. Es ist bereits bekannt, dass sich der FHL2-Status zwischen normalen und entarteten Zellen in allen bisher untersuchten Geweben unterscheidet. Im Rahmen dieser Arbeit konnte erstmals gezeigt werden, dass dies auch im Brustgewebe der Fall ist. FHL2 wird in fast allen aggressiven Mammakarzinomen überexprimiert, nicht aber im Normalgewebe und nur schwach in nicht-invasiven "DCIS". Dies weist darauf hin, dass die FHL2-Menge mit der Aggressivität des Tumors korreliert. Weiterhin konnte hier zum ersten Mal nachgewiesen werden, dass FHL2 in die Zellzyklusregulation involviert ist. Am G1/S-Übergang kann FHL2 die Cyclin D1-Expression induzieren, was letztendlich zu einer Phosphorylierung des RB-Proteins und zum Eintreten der Zelle in die S-Phase führt. Wichtiger aber ist die hier gezeigte FHL2-abhängige Induktion von p21CIP/WAF, ein Zellzyklusinhibitor, der unter anderem auch in der G2/M-Kontrollpunkregulation involviert ist und normalerweise über p53 reguliert wird. Diese Induktion resultiert dort in einem verlangsamten Kontrollpunktübergang, wogegen eine Reduktion des FHL2-Gehalts einen beschleunigten G2/M-Übergang zur Folge hat. Zusätzlich zeigten Expressionsanalysen mit synchronisierten Brustkrebszellextrakten dass FHL2 zellzyklusabhängig exprimiert wird, mit einem Maximum am G2/M-Kontrollpunkt. Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die p21-Expression in den hier verwendeten Brustkrebszelllinien p53-unabhängig ist und ausschließlich von FHL2 abhängt. Hierbei wird die FHL2-abhängige p21 Expression wahrscheinlich über die Aktivierung des c-jun-Transkriptionsfaktors im MAPK-Signaltransduktionsweg induziert. In vivo und in vitro Interaktionsstudien haben eine Interaktion von FHL2 mit c-jun gezeigt, wobei die Interaktion über die ersten beiden LIM-Domänen vermittelt wird. Der FHL2-c-jun-Komplex bindet an die AP-1-Sequenz innerhalb des p21-Promotors und induziert dadurch p21. Dies führt zu einer Inhibition verschiedener CDE/CHR-regulierter Proteine wie CDC25C oder Plk1 und zu einer verzögerten Zellzyklusprogression. In diesem Zusammenhang konnte im Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden, dass die FHL2-Expression nicht nur zu einer verlangsamten Proliferation führt, sondern auch zur Fähigkeit der Zelle zum zellmatrixunabhängigen Wachstum beisteuert. Es scheint auf den ersten Blick widersprüchlich, dass FHL2 für einen intakten G2/M-Kontrollpunkt und eine geringere Proliferationsrate sorgt, gleichzeitig aber zur Tumorentwicklung beiträgt. Es ist allerdings bekannt, dass Tumore ihr Wachstum verlangsamen bevor sie metastasieren. Auch führt ein erhöhter p21-Gehalt im Cytosol zu einer Inhibition der Apoptose, einer weiteren Eigenschaft von Tumoren. FHL2 ist daher ein signifikanter Faktor in der Onkogenese des Mammakarzinoms und aufgrund der differentiellen Expression in vielen Tumoren ein interessantes Ziel für Krebstherapien.
Die Zellwand von Arabidopsis thaliana enthält große Menge an Hemicellulosen und Pektinen, deren Bestandteile sich hauptsächlich von UDP-Glucuronsäure ableiten. Die Bildung von UDP-Glucuronsäure wird in Pflanzen überwiegend durch die UDP-Glucose Dehydrogenase (UGD) katalysiert, die UDP-Glucose unter der Bildung von NADH in UDP-Glucuronsäure umwandelt. Arabidopsis thaliana besitzt vier UGD-Gene und ein Pseudogen, welche starke Homologien zu Genen anderer bekannter pflanzlicher UDP-Glucose Dehydrogenasen zeigen. Mit Hilfe von Promotor::GUS-Reportergenpflanzen und real time-PCR-Analysen konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass die vier UGD-Gene nicht nur in verschiedenen Geweben und zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Morphogenese exprimiert werden, sondern auch in unterschiedlicher Stärke. Dabei scheint jedoch zu jedem Zeitpunkt der Morphogenese, bis auf die Samenentwicklung, eine der vier UGD-Isoformen in Arabidopsis thaliana exprimiert zu werden. Eine biochemische Charakterisierung der verschiedenen Isoformen zeigte einen sehr ähnlichen Km-Wert von ca. 43 µM für NAD+, während sich die Km-Werte für UDP-Glucose deutlich voneinander unterschieden (123 - 335µM). Alle Isoformen unterlagen einer feedback-Hemmung durch UDP-Xylose. Dabei war eine starke Hemmung durch UDP-Xylose korreliert mit einer hohen Affinität zu UDP-Glucose. Neben NAD+ konnten alle untersuchten Isoformen in geringem Maße auch NADP+ als Cofaktor verwenden. Allerdings verringerte sich die Enzymaktivität dadurch um etwa 80%. Alternative Zuckersubstrate konnten dagegen nicht umgesetzt werden. Die biochemischen Unterschiede zwischen den UGD-Isoformen und die differentielle Expression ihrer entsprechenden Genekönnten eine wichtige Rolle bei der Regulation der Zellwandbiosynthese spielen. Denn die irreversible Oxidation von UDP-Glucose zu UDP-Glucuronsäure durch UGD fungiert als eine der Schaltstellen, an welcher der Kohlenstofffluss derpflanzlichen Zelle in Richtung Zellwandbiosynthese gesteuert werden kann. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Analysen von Einfach-oder Doppel-knock out-Mutanten, bei denen durch eine T-DNA-Insertion ein oder zwei UGD-Gene ausgeschaltet waren, zeigte dementsprechend auch eine veränderte Zellwandzusammensetzung bei den Mutanten deltaUGD2, deltaUGD3 und deltaUGD1x deltaUGD4 und eine veränderte Funktion der Stomata bei deltaUGD1x deltaUGD4. Insgesamt waren die Phänotypänderungen gegenüber dem Wildtyp bei der Doppelmutante deltaUGD1x deltaUGD4 wesentlich ausgeprägter als bei den Einfachmutanten, was daran liegen könnte, dass der Ausfall eines UGD-Gens durch ein anderes kompensiert wird. Dafür sprechen auch die Ergebnisse der real time-PCR-Analyse, in der die Expression von UGD1, 2, 3 und 4 in sechs Tage alten Keimlingen des Wildtyps und der knock out-Mutanten untersucht wurde. Dort konnte nachgewiesen werden, dass sich das Ausschalten eines oder mehrerer UGD-Gene auf die Expression der übrigen UGD-Gene auswirkt.
Der suprachiasmatische Nucleus (SCN) des Hypothalamus enthält die zentrale innere Uhr der Säugetiere. Diese innere Uhr besteht aus einem Verbund von untereinander gekoppelten Neuronen, die durch ein intrinsisches molekulares Uhrenwerk eine selbsterhaltende Oszillation mit einer Periode von circa einem Tag (circadian) aufrechterhalten. Diese Oszillation dient dem Organismus als innere Uhr und muss, da ihre Periode nicht exakt 24 Stunden beträgt, durch Zeitgeber mit der Umwelt synchronisiert werden. Der wichtigste circadiane Zeitgeber ist das Licht. Die Lichtsignale gelangen von der Retina über den retinohypothalamischen Trakt (RHT) direkt zum SCN. Von dort werden circadiane Informationen an zentrale und periphere Effektoren weitergeleitet, unter anderem an das Pinealorgan, welches zyklisch das Hormon Melatonin als Dunkelheitssignal ausschüttet. Melatonin kann wiederum auf die circadiane Uhr zurückkoppeln und in einem engen, sensitiven Zeitfenster die Phasen des SCN verschieben. Neben diesem Regelkreis gibt es direkte Verbindungen vom SCN zum lateralen Hypothalamus (LH), der eine zentrale Rolle bei der Regulation des Schlafes und der Energiehomöostase innehat. Ein spezieller Neuronentyp des LH schüttet das Neuropeptid Orexin aus, das große Bedeutung bei der Schlafregulation und der Appetitbildung besitzt. Diese orexinergen Neurone projizieren in weite Teile des Gehirns, unter anderem in die Region des SCN, was aufgrund der bekannten Wechselbeziehungen zwischen circadianer Aktivität, Schlaf und Appetit auf eine Rückkoppelung auf das circadiane System schließen lässt. In der vorliegenden Arbeit wurden mit Hilfe von Multielektroden-Ableitungen (MEAs) die neuronalen Signale einzelner Zellen des SCN, die zusammen ein komplexes Netz für die Steuerung der Effektormechanismen bilden, analysiert. Es standen dabei folgende Fragestellungen im Vordergrund: Bieten primäre Zellkulturen von SCN-Neuronen ein ausreichendes Modell für die Untersuchung der zellulären Kommunikation und der neuronalen Ausgangssignale der circadianen Uhr? Wirken Zeitgebersignale direkt auf die primären Oszillatoren oder sind Phasenverschiebungen eine Eigenschaft des gesamten Netzwerkes im SCN? Besteht ein Einfluss der orexinergen Neurone des lateralen Hypothalamus auf die Uhren-Neurone im SCN? Auf Multielektrodenplatten kultivierte SCN Neurone sind spontanaktiv und zeigen über Tage und Wochen ausgeprägte circadiane Rhythmen in ihrer Spikerate. In der Regel sind diese Aktivitäts-Rhythmen einzelner Neurone nicht synchronisiert, obwohl die Zellkulturen zahlreiche synaptische Verbindungen und korrelierte Aktivität aufweisen Um die Interaktion der verschiedenen Neuronen innerhalb des Uhrennetzwerkes aufzuklären, wurde eine Methode basierend auf Kreuzkorrelationen entwickelt. Mit dieser Methode konnte gezeigt werden, dass korrelierte Aktivität in SCN-Zellkulturen verbreitet ist, die stabilen Oszillatoren davon jedoch immer ausgenommen waren, obwohl eine durchgehende Vernetzung innerhalb der Kulturen bestand. Somit bilden Zellkulturen von SCN Neuronen ein sehr heterogenes Netzwerk mit stabilen Oszillatoren, schwachen Oszillatoren und nicht rhythmischen Neuronen, das viele einzelne Uhren elastisch miteinander koppelt und mit verarbeiteten Informationen über äußere und innere Zustände versorgt. Stabile Oszillatoren können direkt durch Zeitgeber-Stimuli, wie zum Beispiel Melatonin, beeinflusst und in ihren Aktivitäts-Phasen verschoben werden. Die Phasen-Antwortkurven sind im Vergleich zu in vivo Untersuchungen jedoch variabler, was für eine starke Beteiligung des neuronalen Netzwerkes bei der Verarbeitung und Stabilisierung der Antworten auf die Zeitgeber-Stimuli spricht. Phasenverschiebungen als Reaktion auf einen Zeitgeber-Stimulus sind demnach eine Eigenschaft der einzelnen Oszillatorzelle, die aber durch die Interaktion der verschiedenen Uhren-Neurone in ein stabiles Ausgangssignal umgesetzt werden müssen. Kultivierte SCN-Neurone reagieren auf Applikation von Orexin A mit kurzzeitigen Änderungen der Spikerate, sowie mit deutlichen Phasenverschiebungen, die in Zellkulturen sehr variabel ausfallen, während sie in Ableitungen von organotypischen Hirnschnitten stabil und reproduzierbar sind. Dies unterstreicht wiederum die Bedeutung des neuronalen Netzwerkes im SCN. Orexin A scheint zwar direkt auf stabile Oszillatorzellen einzuwirken, aber auch auf die synaptische Übertragung zwischen den SCN-Neuronen. Sein Wirkungsmechanismus könnte dabei in einer Hemmung der GABAergen und in einer Verstärkung der glutamatergen synaptischen Übertragung liegen. Die Wirkung von Orexin A im SCN spricht für eine vielfältige Rückkoppelung des orexinergen Systems auf den circadianen Schrittmacher.
Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen führten zu folgenden Ergebnissen: 1. Eindimensionale Gelelektrophoresen Die Analyse mitochondrialer Proteine aus juvenilen und seneszenten P. anserina-Wildstämmen mit Hilfe von eindimensionalen SDS- und eindimensionalen Blau-Nativen-Gelelektrophoresen zeigt keine deutlichen, seneszenzspezifischen Unterschiede. Im Gegensatz dazu werden in initialen Versuchen der nicht-radioaktiven 2D-PAGE differentiell gebildete Proteine visualisiert. 2. 2D-PAGE mit radioaktiv-markierten, mitochondrialen Proteinen aus jungen und alten P. anserina-Wildstämmen In der ungerichteten Proteomanalyse wurden 29 differentiell-gebildete Proteine identifiziert und zusätzlich zahlreiche Isoformen einiger Proteine gezeigt. Von der ß-ATPase wurden modifizierte Isoformen gefunden. Außerdem wurde eine seneszenspezifisch verringerte Bildung von ROS-Abwehr-Proteinen in den Mitochondrien detektiert. Im Gegensatz dazu wurde eine größere Menge eines Chaperons gefunden, das bei der Proteinsynthese eine Rolle spielt: eine Protein-Disulfid-Isomerase, die die Umlagerung und Neubildung von Di-Sulfid-Brücken bei der Faltung von Proteinen katalysiert. Zusätzlich wurde eine erhöhte Menge des Proteins SSC1 identifiziert. Dieses gehört zur Hsp70-Hitzeschock-Proteinfamilie. Es wurde ebenfalls eine erhöhte Menge des Apoptosefaktors Cyclophilin D in den mitochondrialen Proben aus den seneszenten Wildstämmen identifiziert. Die Identifizierung dieses Proteins in Mitochondrien von P. anserina stellt neben der Charakterisierung der Metacaspasen (Hamann et al., 2007) einen weiteren Ansatzpunkt für die Apoptoseforschung in P. anserina dar. Die molekularbiologische Analyse dieses Proteins wurde aufgrund dieser Proteomanalyse im Arbeitskreis aufgenommen (Dissertation D. Brust). Ein weiteres Protein, das in stark erhöhter Menge in den Proteinisolaten identifiziert wurde, ist PaMTH1. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Struktur und die Funktion dieser neu identifizierten differentiell-gebildeten Methyltransferase während der Alterung in P. anserina mit Hilfe molekularbiologischer, biochemischer und physiologischen Analysen untersucht. 3. Charakterisierung von PaMTH1 Im Rahmen von Northernblot-Analysen wurde gezeigt, dass die PaMth1-Transkriptmenge in drei unabhängigen alten Wildstämmen im Vergleich zu den entsprechenden jungen Wildtsämmen deutlich erhöht ist. In einer Westernblot-Analyse von Gesamtproteinen und Mitochondrien aus jungen und seneszenten Wildstämmen wird der seneszenzspezifische Anstieg der Proteinmenge verifiziert. Die genauere Einordnung von PaMTH1 in die Klasse I der Methyltransferasen und die Ergebnisse der Analyse der Substratspezifizität geben einen Hinweis auf eine Schutzfunktion durch die Verhinderung einer ROS-Entstehung unter der Beteiligung von Substanzen mit einer Catecholgruppe. Die Ergebnisse der Analyse der Modulation der PaMth1-Expression in P. anserina deuten ebenfalls auf eine Schutzwirkung von PaMTH1 hin: PaMth1-Überexpressionsstämme zeigen eine verbesserte Wuchsrate auf stress-induzierenden Medien, weniger carbonylierte Proteine und vor allem eine verlängerte Lebensspanne ohne physiologische Nachteile im Vergleich zum Wildstamm. Dagegen lebt die PaMth1-Deletionsmutante kürzer und wächst schlechter auf ROS-induzierenden Medien, sie zeigt allerdings keine erhöhte Menge von carbonylierten Proteinen im eindimensionalen „Oxyblot“. Die beobachtete Lebensspannenverkürzung der PaMth1-Deletionsmutante wird jedoch durch die Reversion dieser Stämme wieder aufgehoben, sodass die Hypothese des Schutzes vor der ROS-Generierung durch die Methylierung von Dihydroxylgruppen anhand der erhaltenen Daten unterstützt wird.
Die mechanische Streckung hat einen großen Einfluss auf Keratinozyten und bei der Transduktion dieses Reizes nehmen ßl-integrine, E-Cadherine und EGF-Rezeptoren eine zentrale Rolle ein: Eine einfache mechanische Dehnung von HaCaT-Zellen um 10% fuhrt innerhalb von 5min zu einer schnellen Umorientierung der ßl-Integrine auf der Zellmembran, ohne dass sich dabei die Menge dieser Oberflächenrezeptoren ändert. Die Integrine sammeln sich in der basalen Membran zu größeren Adhäsionskomplexen. Dies hat Auswirkungen auf das Adhäsionsverhalten der Zellen. Eine Streckung bewirkt, dass die mechanisch stimulierten Zellen gegenüber den Kontrollzellen sowohl schneller an das Substrat anheften als auch eine stärkere Zell-Matrix-Adhäsion aufweisen. Das unterschiedliche Adhäsionsverhalten auf den verschiedenen Substraten (Arginin+Serum, Fibronektin, Kollagen) und Experimente mit funktionsblockierenden Antikörpern gegen ßl-Integrine sind Beweise für die Beteiligung dieser Oberflächenrezeptoren an diesem Vorgang. Da adhärente Zellen, wie Keratinozyten. neben Wachstumsfaktoren den Zell-Matrix-Kontakt benötigen, um in die S-Phase eintreten zu können, hat das unterschiedliche Adhäsionsverhalten von gestreckten und ungestreckten Zellen wiederum Einfluss auf die Proliferation. Diese ist bei den mechanisch gereizten Zellen im Vergleich zu den Kontrollzellen gesteigert und zwar im direkten Verhältnis zu der mechanisch induzierten Steigerung der Adhäsion. Im Rahmen einer Rezeptor-Transaktivierung (siehe vorne) kooperieren ßl-Integrine und E- Cadherine sowohl räumlich als auch funktionell mit dem EGF-Rezeptor bei der Übermittlung des Dehnungsreizes: Räumliche Interaktionen: Eine Koclusterung von ßl-Integrinen mit dem EGF-Rezeptor tritt bereits nach 5minütiger mechanischer Reizung an den Zell-Zell-Grenzen und den Fokalkontakten auf. Eine Kolokalisation zwischen E-Cadherinen und EGF-Rezeptoren besteht ebenfalls, wobei sich allerdings Kontrolle und Streckung nicht unterscheiden. Funktionelle Interaktionen: Eine mechanische Stimulation führt zu einer transienten Aktivierung des EGF-Rezeptors (Aktivitätsmaximum: 5min) und der MAP-Kinase ERK1/2 (Aktivitätsmaximum: 15min). Diese streckungsinduzierte Aktivierung von ERK1/2 wird sowohl durch die Blockierung der ßl-Integrine und E-Cadherine als auch durch die Inhibition des EGF-Rezeptors unterbunden. Weiterhin hemmt die Blockierung der Adhäsionsmoleküle die Aktivierung des EGF-Rezeptors. Dies spricht für die Transaktivierungs-Theorie des EGF- Rezeptors durch die ß1-Integrine und E-Cadherine. Die Zellstrukturen und viele zelluläre Prozesse werden durch eine zellintern erzeugte Grundspannung im Zytoskelett aufrechterhalten. Ohne eine Verankerung der Zelle an der ECM oder den Nachbarzellen, was durch die Blockierung der ßl-Integrine und E-Cadherine erreicht wird, bricht dieses fein ausbalancierte System zusammen; die Zytoskelett-Elemente F-Aktin, Intermediär-Filamente und Mikrotubuli zerfallen. Anhand der Ergebnisse dieser Arbeit wird ersichtlich, welche enorme Bedeutung den Adhäsionsrezerptoren - ßl-Integrine und E-Cadherine - für die Formstabilität und die funktionellen Eigenschaften der Zelle zukommt. Ein Ausfall dieser Adhäsionsmoleküle beeinträchtigt sowohl die Form der Zelle (Adhäsionsvorgänge und Tensigrity-Modell) als auch die Transduktion von Umweltreizen durch die Plasmamembran, z.B. einer mechanischen Stimulation, die letztendlich das Überleben der Zelle und die Proliferation bestimmt. Daher wäre denkbar, das die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung in Zukunft zur Behandlung von Hautkrankheiten herangezogen werden können.
Arten von Aschersonia Mont. (Anamorphe von Hypocrella spp., Clavicipitaceae, Hypocreales, Sordariomycetidae, Askomycota) parasitieren Weiße Fliegen und Schildläuse. Petch (1921) stellte eine Monographie über Hypocrella und Aschersonia vor. Seit dieser Zeit wurden einige Arten neu beschrieben und vereinzelte Artkomplexe revidiert. Die vorgestellte Arbeit ist seit rund 80 Jahren das umfassendste Werk über die Gattung Aschersonia. Hierfür wurden Proben in Kuba, Malaysia, Mexico, Panama, Taiwan und Thailand gesammelt und z.T. kultiviert. Es werden 20 Arten detailliert vorgestellt und illustriert. Die Arten sind: A. acutispora, A. aurantiaca, A. australiensis, A. badia, A. basicystis, A. blumenaviensis, A. caespiticia [A. insperata, syn. nov.], A. columnifera, A. crenulata, A. duplex, A. hypocreoidea [A. goldiana, syn. nov.; A. confluens, syn. nov.], A. marginata, A. oxystoma, A. philippinensis, die Anamorphe von H. rhombispora, A. samoensis, A. taitensis [A. aleyrodis, syn. nov.; A. placenta, syn. nov.; A. tamurai, syn. nov.], die Anamorphe von H. tubulata, A. turbinata [A. coffeae, syn. nov.] und A. viridans. Hierzu wurden auch wichtige Merkmale wie Stromataform und Konidiengröße in situ und in vitro charakterisiert. Mit anderen gültigen Beschreibungen von Arten, die nicht untersucht werden konnten, gibt es 32 Arten. Zum ersten Mal wurden ausführliche Daten über die Wirtsinsekten sowie die Trägerpflanzen berücksichtigt. Erstmals wurde die Verbreitung der Aschersonia-Arten kritisch beleuchtet. Die Funde von A. acutispora, A. basicystis, A. hypocreoidea, A. oxystoma, A. turbinata und A. viridans sind Erstnachweise für Panama. Die Funde von A. australiensis, A. hypocreoidea, A. marginata und A. tubulata sind Erstnachweise für Taiwan. Zum ersten Mal wird für Arten der Gattung Aschersonia ein dichotomer Bestimmungsschlüssel vorgestellt. Es werden drei Hypothesen zur Phylogenie der Aschersonia spp. vorgestellt: 1. Die Stellung der Aschersonia spp. innerhalb der Clavicipitaceae basierend auf Sequenzdaten des LSU-Gens: Aschersonia bildet eine schwach unterstützte Paraphylie, dabei steht A. badia basaler als die übrigen Aschersonia-Arten. 2. Die Beziehung der Aschersonia spp. zueinander: A. badia und eng verwandte Arten parasitieren ausschließlich Weiße Fliegen und stehen basal. Arten einer zweiten Gruppe parasitieren Arten der Aleurodidae und Coccidae und Arten einer dritten Gruppe parasitieren ausschließlich Arten der Coccidae. 3. Eine phylogenetische Hypothese basierend auf Sequenzdaten der ITS: Es gibt noch zu wenig Sequenzen um eine eindeutige Aussage treffen zu können.
Eine überlebenswichtige Eigenschaft von Mensch und Tier ist es, sich bei Gefahr durch eine Schreckreaktion in Sicherheit zu bringen. Doch woran erkennt ein Organismus, in welcher Situation es „sinnvoll“ wäre, sich zu erschrecken und welche Eigenschaften sensorischer Stimuli tragen zu dem Gefahreneindruck bei? Bei plötzlich eintretenden, lauten auditorischen Reizen kann es zur Auslösung der akustischen Schreckreaktion kommen. Dies führt bei Menschen, aber auch bei kleineren Säugetieren zu einer reflexartigen Kontraktion der Nacken-, Gesichts- und Skelettmuskulatur. Die Erforschung der akustisch evozierten Schreckreaktion (ASR) dient dem besseren Verständnis der neurobiologischen Grundlagen sensorischer Verarbeitung. Modulationen der ASR mithilfe von Präpulsen (Präpulsinhibition) ermöglichen Einblicke in die Funktion der Kochlea, des Hörnervs, der Hirnstammstrukturen und anderer beteiligter Gehirnregionen.
In dieser Arbeit wurden kurzzeitige Änderungen von Frequenz oder Intensität des akustischen Hintergrundes als neuartige Präpulse untersucht. Die Bedeutung verschiedener Reizparameter dieser Präpulse wurde in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal systematisch erforscht. Um zu prüfen, welche Präpulsstimulationen eine Inhibition der ASR auslösen können, wurde eine Reihe von Parametern umfassend getestet. In einem weiteren Schritt wurde analysiert, ob es mithilfe von gezielten Änderungen von Frequenz oder Intensität möglich sein könnte, Unterscheidungsschwellen, oder gar Hörschwellen von Versuchstieren zu bestimmen.
Die Experimente zur Modulation der ASR wurden mit weiblichen Sprague Dawley-Ratten durchgeführt. Dabei wurde eine Vielzahl von Verhaltensparadigmen untersucht. Dazu zählten Präpulse mit unterschiedlichem Frequenzgehalt und variabler Dauer. Zusätzlich wurden neuartige Paradigmen etabliert, um die Fähigkeit zur Frequenz- und Intensitätsdiskriminierung zu untersuchen. Hierbei wurde der Frequenzgehalt oder die Intensität einer kontinuierlichen Hintergrundstimulation verändert, um eine Präpulswirkung zu erzeugen. Um die Möglichkeiten der Bestimmung von Hörschwellen mittels der Präpulsinhibition (PPI) zu ergründen, wurde die Intensität von Präpulsen systematisch verändert. Die so generierten Schwellenwerte wurden durch die Messung früher akustisch evozierter Hirnstammpotenziale verifiziert. Schließlich sollten, unter Zuhilfenahme der Signaldetektionstheorie, aus den erhobenen Daten diverse Schwellen bestimmt werden: Für die Intensitätsänderungen der Präpulse in Stille wurden Hörschwellen bestimmt, während bei Änderungen der Frequenz und Intensität Unterscheidungsschwellen bestimmt werden sollten.
Mit steigender Größe eines Frequenzsprungs in einer kontinuierlichen Hintergrundstimulation war eine stärkere Inhibition der ASR feststellbar; ein Effekt, der stark von der Hintergrundfrequenz abhängig war. Bei einer Stimulation mit 8 kHz konnten signifikant höhere Inhibitionswerte erzielt werden als mit 16 kHz. Bei der Untersuchung des Zeitablaufs der Stimulation ergab sich, dass eine abgesetzte Stimulation mit einer Abweichung von 80 ms Dauer bis 50 ms vor dem Schreckreiz für die höchsten Inhibitionen sorgte.
Die durch eine Intensitätsänderung einer kontinuierlichen Hintergrundstimulation ausgelöste PPI hing primär von der Größe und Richtung des Intensitätssprungs ab. Mit zunehmender Sprunggröße stiegen die Inhibitionswerte an. Eine Erhöhung der Hintergrundintensität um 10 dB hatte einen signifikanten Einfluss auf die Inhibitionswerte. Auch hier zeigte sich eine höhere Sensitivität in Form von höheren Inhibitionen für Stimuli mit einer Hintergrundfrequenz von 8 kHz als für alle anderen getesteten Hintergrundfrequenzen.
Die Bestimmung von Hörschwellen mittels intensitätsabhängiger PPI wies im Vergleich mit den elektrophysiologisch bestimmten Hörschwellen ein heterogenes Bild mit starken individuellen Schwankungen auf: Bei etwa der Hälfte der Tiere waren die Hörschwellen beider Messungen sehr vergleichbar, bei den übrigen Tieren konnten mittels PPI für eine oder mehrere Frequenzen keine aussagekräftigen Hörschwellen erzielt werden. Die elektrophysiologisch bestimmten Hörschwellen waren am sensitivsten, während PPI-Stimulationen signifikant höher waren. Außerdem bewirkten PPI-Stimulationen mit Reintönen signifikant sensitivere Hörschwellen im Vergleich zu einem Schmalbandrauschen.
Für die Bestimmung der Unterscheidungsschwellen von Frequenzänderungen konnte beobachtet werden, dass die Tiere auf Frequenzsprünge hin zu niedrigeren Frequenzen signifikant sensibler reagierten, als hin zu Aufwärtssprüngen (-1.2 bzw. +4.5%). Bei der Intensitätsunterscheidung hingegen konnte beobachtet werden, dass die Tiere signifikant sensitiver auf Intensitätserhöhungen als auf Erniedrigungen reagierten (-5.9 bzw. +2.7 dB).
Zusammenfassend konnte in der vorliegenden Arbeit festgestellt werden, dass die PPI zur Bestimmung von absoluten Hörschwellen starken Schwankungen unterlag, sodass diese Methode nur eingeschränkt als Alternative zu operanter Konditionierung oder elektrophysiologischen Ableitungen in Frage kommt. Des Weiteren erzeugten bereits kleine Änderungen des Frequenzgehalts oder der Intensität einer Hintergrundstimulation eine robuste PPI. Somit können reflexbasierte Messungen mit überschwelligen Stimuli genutzt werden, um Unterscheidungsschwellen in Versuchstieren zu bestimmen. Diese Herangehensweise stellt also eine vielversprechende Methode dar, um Hörstörungen zu untersuchen, die nach einem Schalltrauma auftreten können. In einem nächsten Schritt könnte sie zur weiteren Charakterisierung von verstecktem Hörverlust beitragen.
Modellierung der klimatischen Habitateignung verschiedener krankheitsübertragender Vektorarten
(2018)
Der Klimawandel hat einen starken Einfluss auf die Verbreitungsgebiete von Arten. Infolgedessen kann sich das Verbreitungsgebiet von Arten verschieben, einschränken oder ausweiten. Bei thermophilen Arten wird vermutet, dass sie von den klimatischen Änderungen profitieren und sie sich wahrscheinlich ausbreiten werden. Eine solche Ausbreitung, wozu auch die Einwanderung von gebietsfremden Arten zählt, hätte nicht nur zahlreiche Konsequenzen für diese Ökosysteme, sondern könnte sich auch zu einem ernsten Gesundheitsrisiko entwickeln, wenn es sich bei den einwandernden Neobiota um Vektorarten handelt.
Stechmücken und Sandmücken, als blutsaugende Insekten, zählen zu den bekanntesten Vektorarten. Sie sind in der Lage, eine Vielzahl von Infektionskrankheiten wie das Denguefieber oder das Gelbfieber, aber auch protozoische Parasiten wie "Leishmania"-Arten zu übertragen. Als thermophile Arten sind viele dieser Vektoren aktuell in ihrer Verbreitung weitgehend auf tropische und subtropische Gebiete beschränkt. Eine Einwanderung in gemäßigtere Gebiete kann zu einer Einschleppung der durch sie übertragenden Erreger führen und damit zum Ausbruch von Infektionskrankheiten. Aufgrund der medizinischen Relevanz dieser Arten ist es essentiell, die räumliche Verbreitung, sowie die abiotischen Ansprüche der Vektorarten zu kennen, um deren mögliche Ausbreitung nachzuvollziehen.
Vor diesem Hintergrund beschäftigte sich die vorliegende kumulative Dissertation mit den klimawandelinduzierten Änderungen der Habitateignung verschiedener medizinisch relevanter Vektorarten. Dabei wurden die zwei invasiven Stechmückenarten "Aedes albopictus" (I-III) und "Aedes japonicus" (III), sowie zehn in Europa bereits vorkommende Sandmückenarten der Gattung "Phlebotomus" (IV), untersucht. Die Arbeit basiert auf vier (ISI-) Publikationen. Unter Verwendung ökologischer Nischenmodellierung wurden geeignete Gebiete unter aktuellen und zukünftigen Klimabedingungen bestimmt. Um dabei sowohl räumliche als auch zeitliche Aspekte zu berücksichtigen, wurden mehrere räumliche Skalen (Deutschland und Europa), sowie Zeitperioden (2030, 2050 und 2070) betrachtet. Des Weiteren wurden verschiedene Ansätze (einzelne Algorithmen und Ensemble-Modelle) zur Modellierung der Habitateignung verwendet.
Die Ergebnisse dieser Dissertation zeigen eine zukünftige klimawandelbedingte Ausweitung der geeigneten Gebiete für viele der betrachteten Vektorarten. So konnte gezeigt werden, dass die Habitateignung für "Aedes albopictus" in Deutschland (I) und in Europa (III) zukünftig deutlich zunimmt. Auch für die Sandmückenarten "Phlebotomus alexandri", "Phlebotomus neglectus", "Phlebotomus papatasi", "Phlebotomus perfiliewi" und "Phlebotomus tobbi" konnte eine deutliche Zunahme der klimatisch geeigneten Gebieten projiziert werden (IV).
Lediglich Arten, wie die Asiatische Buschmücke "Aedes japonicus" (III) und auch kältetolerantere Sandmücken, wie "Phlebotomus ariasi" und "Phlebotomus mascittii" (IV) scheinen weniger von diesen klimatischen Veränderungen zu profitieren und könnten in Zukunft sogar aktuell geeignete Gebiete verlieren (klimawandelinduzierte Arealverkleinerung). Bei "Aedes japonicus" konnte dies auf eine engeren Nische mit einem Optimum bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen zurückgeführt werden (III).
Am Beispiel von "Aedes albopictus" wurden ferner Umweltfaktoren identifiziert, die die Verbreitung der Art limitieren (II). Als wärmeliebende Art spielen bei "Aedes albopictus" in Mitteleuropa insbesondere die niedrigen Temperaturen eine Rolle, während in Zukunft die Sommertrockenheit in Südeuropa zunehmend eine Rolle spielen könnte.
Nischenmodellierung stellt trotz ihrer vereinfachenden Annahmen und Unsicherheiten, eine hilfreiche Methode zur Untersuchung klimawandelinduzierter Arealverschiebungen dar. Mit Hilfe der Modellierungsergebnisse konnten Gebiete mit einem hohen Etablierungsrisiko für die Vektorarten identifiziert werden, welche daher im Fokus künftiger Überwachungsprogramme stehen sollten. In Zukunft könnten mehr Vektorarten geeignete Bedingungen in Mitteleuropa finden, wodurch die Vektordiversität zunehmen wird. Dadurch könnte auch das Risiko für einen Ausbruch der durch die Vektoren übertragenen Krankheiten steigen.
Auch wenn das Vorhandensein eines kompetenten Vektors eine unerlässliche Voraussetzung für den Ausbruch einer Infektionskrankheit darstellt, gibt es noch weitere Faktoren, wie das Vorhandensein des Erregers. In Bezug auf die Risikoabschätzung vektorassoziierter Krankheiten sollten neben der Verbreitung des Vektors und des Erregers auch die abiotischen Bedingungen für die Entwicklung des Erregers berücksichtigt werden. Neben neu eingewanderten Arten sollten zudem auch die heimischen Arten in Bezug auf ihre Vektorkompetenz untersucht werden, da diese ebenfalls als potentielle Vektoren dienen und somit das Gesundheitsrisiko weiter erhöhen könnten.
Der tägliche und jahreszeitliche Wechsel in den Lichtverhältnissen bedeutet für alle Lebewesen eine regelmäßige und fundamentale Veränderung ihrer Lebensbedingungen. Mit Hilfe einer Inneren Uhr können Lebewesen regelmäßige Veränderungen ihrer Umwelt antizipieren. Diese Innere Uhr gewährleistet die Generierung eines endogenen, zirkadianen Rhythmus und dessen Synchronisation mit der Umwelt. Bei Wirbeltieren werden diese Funktionen durch einen spezifischen neuronalen Schaltkreis im Gehirn, dem photoneuroendokrinen System (PNS), erfüllt. Das Pinealorgan ist ein essenzieller Bestandteil des PNS. Dort werden photoperiodische Reize und Signale vom endogenen Oszillator in die Synthese des Neurohormons Melatonin umgesetzt. Die vom zentralen Oszillator im SCN gesteuerte Freisetzung von Noradrenalin (NA) aus sympathischen-postganglionären Nervenfasern in das Pinealorgan ist der entscheidende Reiz zur nächtlichen Ankurbelung der Melatoninbiosynthese. Melatonin wird ausschließlich in der Nacht gebildet und fungiert daher als ein Zeithormon. Unmittelbar nach der Synthese wird das Melatonin in die Blutbahn abgegeben und liefert allen Zellen, die mit spezifischen Melatoninrezeptoren ausgestattet sind, die entsprechenden Licht- und Zeitinformationen. NA bewirkt in allen untersuchten Säugetierarten die Aktivierung des Schlüsselenzyms der Melatoninbiosynthese, der AANAT. Die zellulären und molekularen Regulationsmechanismen für die AANAT unterscheiden sich jedoch artspezifisch. So ruft NA in Pinealozyten der Ratte die cAMP/PKA/pCREB-vermittelte Aktivierung der Transkription des Aanat Gens hervor, wogegen in Pinealozyten des Rindes NA die Regulation der proteasomalen Proteolyse des AANAT Proteins kontrolliert. Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit war es, zelluläre und molekulare Mechanismen der noradrenergen Signaltransduktionskaskade zu identifizieren, welche für die Steuerung der Melatoninbiosynthese im Pinealorgan von Säugetieren verantwortlich sind. Deshalb wurden in kultivierten Pinealozyten der Ratte und des Rindes sowohl transkriptionale als auch posttranslationale Regulationsmechanismen untersucht, welche durch NA gesteuert und an der Regulation des Schlüsselenzyms der Melatoninbiosynthese, der AANAT, beteiligt sind. Mit Hilfe der Immunzytochemie konnte erstmalig das subzelluläre Verteilungsmuster sämtlicher bekannter regulatorischer (R)-Untereinheiten der PKA Typ I und II in Pinealozyten der Ratte nachgewiesen werden. Ebenso wurden die A Kinase Anker Proteine (AKAP) 95 und 150 immunzytochemisch dargestellt, wobei zwischen der AKAP 150-Immunreaktivität (IR) und der IR von RII alpha bzw. RII beta eine weitgehende Kolokalisation in der Nähe der Zellmembran der Pinealozyten vorlag. Diese Kolokalisationen deuten eine funktionelle Interaktion der PKA Typ II mit AKAP 150 in Pinealozyten der Ratte an. Keine Funktion bei der Steuerung der Melatoninbiosynthese scheinen der cAMPregulierte Austauschfaktor EPAC und die monomere GTPase Rap zu besitzen. So konnte eine Stimulation kultivierter Pinealorgane mit 8-CPT-2'-O-Me-cAMP, einem EPAC-spezifischen cAMP-Analog, einzeln oder in Kombination mit Noradrenalin (NA) weder den AANAT Proteingehalt noch die Freisetzung von Melatonin beeinflussen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegen, dass die cAMP-vermittelte Aktivierung der Melatoninbiosynthese ausschließlich auf die PKA zurückzuführen ist. Ebenso beeinflussten weder NA noch 8- CPT-2'-O-Me-cAMP den Aktivitätszustand von ERK 1 und 2. Eine Erhöhung des cAMP-Spiegels in Pinealozyten der Ratte scheint somit keinen Einfluss auf den Aktivitätszustand von ERK 1 und 2 im Pinealorgan der Ratte auszuüben. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass die schnelle Dephoshorylierung von pCREB eine entscheidende Funktion bei der akuten Herabregulation des CRE-tragenden Aanat Gens darstellt und somit eine wichtige Rolle für die Beendigung der Melatoninbiosynthese im Pinealorgan der Ratte spielt. Nach Entzug des NA-Stimulus kam es innerhalb von 30 Minuten zu einer fast vollständigen pCREB Dephosphorylierung, die mit einer Abnahme der Aanat mRNA, des AANAT Proteingehalts und der Melatoninbiosynthese einherging. Die pCREB Dephosphorylierung und die Abnahme der Melatoninbiosynthese konnten durch PSP-Inhibitoren verhindert werden. Aufgrund der pharmakologischen Untersuchungen und des intrazellulären Verteilungsmusters scheint die PSP 1 die pCREB Dephosphorylierung im Zellkern der Rattenpinealozyten zu steuern. Mit Hilfe eines Ko-Immunpräzipitationsansatzes wurde erstmalig eine NA-abhängige Komplexbildung von AANAT und Protein 14-3-3 in Pinealozyten der Ratte und des Rindes dargestellt. Die vorliegenden Untersuchungen belegen somit, dass Tierarten, welche generell eine unterschiedliche molekulare Strategie zur Regulation der Melatoninbiosynthese entwickelt haben, mit der NA-abhängigen Ausbildung des AANAT/Protein 14-3-3 Komplexes jedoch einen gemeinsamen Mechanismus zur Regulation des AANAT Proteins besitzen. Ferner wurde die funktionelle Bedeutung des Cannabinoidsystems für die Steuerung der Melatoninbiosynthese im Pinealorgan der Ratte untersucht. Mit Hilfe der Immunhistochemie und des Immunoblotverfahrens konnten erstmalig CB 1- und 2 Rezeptorproteine im Pinealorgan der Ratte dargestellt werden. Die Stimulation kultivierter Pinealorgane der Ratte mit THC hatte keinen Einfluss auf den pCREB- und AANAT Proteingehalt, konnte jedoch die NA-induzierte Aktivierung des AANAT Proteins und die Melatoninfreisetzung hemmen. Das Pinealorgan der Ratte und des Rindes dient als ein gut geeignetes Modellsystem zum Studium von Signalskaskaden, da hier Noradrenalinreize in ein definiertes, einfach messbares Endprodukt, die Biosynthese und Sekretion des Neurohormons Melatonin, umgewandelt werden. Die in dieser Arbeit aufgedeckten Signaltransduktionsprozesse liefern daher nicht nur neue Einblicke in die Regulationsprozesse der Melatoninbiosynthese, sondern dienen ebenso dem besseren Verständnis von Signalübertragungs- und Signalverarbeitungsprozessen in komplexeren neuronalen und neuroendokrinen Systemen.
In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals die Interaktion von A. baumannii mit humanem Plasminogen untersucht. Mit dem Translations-Elongationsfaktor TufAb, dem äußeren Membranprotein OmpW sowie dem Lipoprotein p41 konnten insgesamt drei Plasminogen-bindende Proteine von A. baumannii identifiziert werden. Außerdem wurde ein grundlegender Beitrag zur funktionellen Charakterisierung von TufAb sowie p41 von A. baumannii erbracht.
Es konnte nachgewiesen werden, dass gereinigtes TufAb humanes Plasminogen bindet und diese Interaktion teilweise durch Lysin-Reste vermittelt und von der Ionenstärke beeinflusst ist. An TufAb-gebundenes Plasminogen war für den Plasminogen-Aktivator u-PA zugänglich und konnte zu Plasmin aktiviert werden, welches das chromogene Substrat S-2251, das physiologische Substrat Fibrinogen und die zentrale Komplementkomponente C3b proteolytisch spaltete. Schließlich konnte TufAb als „Moonlighting“-Protein auf der Zelloberfläche von A. baumannii identifiziert werden.
Für das Lipoprotein p41 konnte ebenfalls gezeigt werden, dass dieses an Plasminogen bindet. Die Bindung von Plasminogen an p41 erfolgte ebenfalls über Lysin-Reste, zeigte sich allerdings von der Ionenstärke unbeeinflusst. Im Fall von p41 konnte mit Hilfe von C-terminal verkürzten p41-Konstrukten gezeigt werden, dass C-terminale Lysin-Reste an der Bindung von Plasminogen beteiligt sind. Weitere Versuche mit p41-Proteinen, bei welchen vier C-terminale Lysin-Reste durch Alanin-Reste substituiert wurden, ergaben, dass die beiden Lysin-Reste K368 und K369 essentiell für die Bindung von Plasminogen an p41 sind. Zudem konnte gezeigt werden, dass sowohl Kringle-Domäne 1 als auch Kringle-Domäne 4 von Plasminogen bei der Interaktion mit p41 involviert sind. An p41 gebundenes Plasminogen ließ sich durch u-PA zu Plasmin aktivieren, welches Fibrinogen sowie die zentrale Komplementkomponente C3b degradierte. p41 ist außerdem in der Lage, die Komplementkomponenten C3, C3b und C5 zu binden und den alternativen Weg zu inhibieren. Zudem ergaben Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit erste Hinweise darauf, dass zumindest die Plasminogen-bindende Region auf der Zelloberfläche von A. baumannii lokalisiert ist.
Die Inaktivierung des p41-kodierenden Gens führte zu einer signifikanten Abnahme im Überleben von A. baumannii-Zellen in der Gegenwart von NHS. Zudem zeigte die Mutante Δp41 einen Defekt in der Plasmin-abhängigen Transmigration durch einen Endothelzell-Monolayer. Beide Versuche untermauern die physiologische Relevanz für die Interaktion von A. baumannii mit Plasminogen.
Das humane Genom besteht zu etwa 8% aus retroviralen Sequenzen. Davon sind ca. 1-2% dem humanen endogenen Retrovirus K (HERV-K) zuzuordnen. Das Virus ist mit ca. 30-50 Proviren und ca. 10.000 sLTRs im humanen Genom vertreten. HERV-K besitzt intakte ORFs für alle retroviralen Proteine und zusätzlich ein ORF für das akzessorische Protein Rec. Obwohl eine basale Transkription in verschiedenen Geweben nachgewiesen werden konnte, ist eine Expression von HERV-K Proteinen und Viruspartikeln nur in Keimzelltumoren nachgewiesen worden. In dieser Arbeit wurde die transkriptionelle Regulation des gewebespezifischen Promotors von HERV-K näher charakterisiert. Hierbei wurden regulatorisch wichtige Sequenzen mit Hilfe des Luziferase-Assays eingegrenzt. Transkriptionell sensitive Regionen wurden daraufhin im EMSA auf die Bindung von Transkriptionsfaktoren untersucht. Durch transiente Transfektionen von Luziferasereporterkonstrukten in verschiedenen Zelllinien stellte sich heraus, dass HERV-K LTRs in Keimzelltumorzellen aktiv sind, dass es aber auch inaktive LTRs gibt, die im Zuge der Evolution durch Punktmutationen ihre transkriptionelle Aktivität verloren haben. Aktive und inaktive LTRs unterscheiden sich durch Punktmutationen, die sich in verschiedenen Sequenzabschnitten häufen. Chimäre Konstrukte aus aktiven und inaktiven Sequenzabschnitten und gezielte Mutationen und Deletionen in aktiven HERV-K LTRs enthüllten verschiedene DNA-Bereiche, die transkriptionelle Sensitivität aufweisen. Die LTR-Bereiche bps 572-578, bps 757-798 und bps 809-823 waren im Aktivitäts-Assay besonders empfindlich gegenüber Mutation. In diesen Bereichen liegen zum einen GC/GT-Boxen, also Konsensussequenzen für die Transkriptionsfaktoren Sp1 und Sp3, zum anderen Konsensussequenzen für ein Inr und ein DPE. Das Binden von Sp1 und Sp3 auf den GC/GT-Boxen der bps 757-798 konnte durch eine EMSA-Analyse bewiesen werden. Der transkriptionell sensitive Bereich der bps 572-578 weist eine weitere putative GC/GT-Box auf. Die TATA-Box bei bp 532 zeigte sich unempfindlich gegenüber Mutation. Eine Beteiligung dieser Konsensussequenz am basalen Promotor wurde deshalb ausgeschlossen. Unterstützt durch die Ergebnisse einer 5’-RACE, ein Verfahren, dass den Transkriptionsstart eines bestimmten Gens bestimmen kann, konnte gezeigt werden, dass der basale HERV-K Promotor aus Konsensusequenzen für die Transkriptionsfaktoren Sp1 und Sp3 , einem Inr und einem DPE besteht. Sp1 und Sp3 sind ubiquitäre Transkriptionsfaktoren, die durch ihr Mengenverhältnis in einem bestimmten Gewebe oder durch posttranslationale Modifikationen unterschiedliche Auswirkungen auf die Transkription haben können. Diese Eigenschaften könnten zur Gewebespezifität von HERV-K beitragen. Die Core Promotor Komponenten Inr und DPE sind für die korrekte Positionierung von TFIID und damit der PolII verantwortlich. Des weiteren wurde eine starke Beteiligung des Testis-spezifischen Transkriptionsfaktors SRY an der Transkription von HERV-K belegt. Im Luziferase-Assay konnte ein SRY-Expressionsplasmid die Transkription eines aktiven LTRs in GH- wie auch in HeLa-Zellen steigern. Ein Indiz dafür, dass es sich um einen für die Transkription von HERV-K essentiellen Faktor handelt. Verschiedene SRY-Konsensussequenzen auf der HERV-K LTR machen eine Wirkung in cis wahrscheinlich, doch könnte auch in trans ein für die Transkription wichtiger Transkriptionsfaktor in seiner Expression verstärkt werden. Ebenfalls konnte bewiesen werden, dass epigenetische Mechanismen eine starke Rolle bei der Transkription von HERV-K spielen. Die Methylierung eines LTR-haltigen Luziferase-Reportervektors führte zum fast vollständigen Verlust der transkriptionellen Aktivität. Es bleibt abzuwarten, in welcher Weise die Schlüsselkomponenten Sp1, Sp3, SRY und Hypermethylierung des HERV-K Genoms zur Gewebespezifität von HERV-K beitragen.
Daphnien sind ein wichtiger Bestandteil des Süßwasserzooplanktons und in einer Vielzahl von biologischen Disziplinen als Modellorganismus etabliert. Ihr zyklisch parthenogenetischer Lebenszyklus und die hohen Raten von interspezischer Hybridisierung mancher Artkomplexe machen sie zu einem interessanten Forschungsobjekt. Die vorliegende Arbeit bietet Einblicke in die Populationsstruktur einer dieser Komplexe, des D. longispina-Artkomplexes, und testete ein neu entwickeltes Markersystem bei diesen Tieren auf gesamteuropäischer Ebene (33 Sammelorte, 1155 Individuen). Es wurden dazu molekulare Analysetechniken mit zwölf polymorphen Mikrosatelliten-Markern mit etablierten ITS-RFLP-Analysen verglichen.
Durch statistische Auswertemethoden mit den Programmen NewHybrids und Structure konnten Elternarten gut zugeordnet werden. Die Betrachtung der Kullback-Leibler Divergenzen in den Analysen durch NewHybrids deuten sogar darauf hin, dass die Anzahl der Mikrosatellitenmarker auf wenige besoders informative Loci reduziert werden kann, was bei Fragestellungen zur Art- und Hybrididentifizierung Zeit und Kosten spart. Ein Protokoll zur Vorgehensweise bei der Art- und Hybrididentifizierung wurde entwickelt.
Die Arten und Populationen selbst waren hoch differenziert. Zwischen den drei untersuchten Arten wurde ein FST von 0,29 gefunden. Ergebnisse aus einer AMOVA zeigten sogar, dass die Differenzierung zwischen den Populationen innerhalb der Arten leicht über dieser interspezifischen Differenzierung liegt (D galeata 0,40; D. longispina 0,52 und D. cucullata 0,42). Da auch keine isolation by distance gefunden wurde, lassen die Ergebnisse meiner Analysen auf „Provinzialismus“ schließen – ein Konzept, das genau dieses Muster voraussagt. Erklärt wird dieser Provinzialismus durch die Monopolisierungshypothese. Die Beobachtung, dass in der Regel in den untersuchten Populationen ein Heterozygotendefizit vorliegt, obwohl klonale Vermehrung oft zu einem Heterozygotenüberschuss führt (Meselson-Effekt), zeigt häufig vorkommende sexuelle Vermehrung an. Das Heterozygotendefizit deutet ebenfalls auf einen Wahlund-Effekt hin.
Es wurde weiterhin getestet, ob das Vorkommen von introgressiver, interspezifischer Hybridisierung in bestimmten Lokalitäten im Vergleich mit Lokalitäten, in denen ein Taxon allopatrisch lebt, einen Einfluss auf die Populationsstruktur hat. Die klonale Diversität sowie die beobachtete Heterozygotie standen dabei im Mittelpunkt der Analysen. Es wurde kein statistisch signifikanter Einfluss der Hybridisierung auf die Diversität gefunden.