Biologische Hochschulschriften (Goethe-Universität)
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Weltweit stellen die tropischen Tieflandregenwälder die Zentren der Artenvielfalt und Biodiversität dar. Sie sind das komplexeste aller terrestrischen Ökosysteme. Zu der Frage nach den Ursachen ihrer Artenvielfalt und deren Aufrechterhaltung gibt es neben theoretischen Erklärungsansätzen bisher kaum Studien, die versuchen, die Artenvielfalt eines Taxons bedingende ökologischen Faktoren kausal zu untersuchen. Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel, diese Thematik mit Hilfe eines neuen Forschungsansatzes aufzugreifen. Die Artenabnahme eines Taxons und die sie potentiell verursachenden Faktoren sollten entlang eines Höhengradienten aufgenommen werden, um im Umkehrschluß Hinweise zu finden, welche Bedingungen für die Aufrechterhaltung der Artenvielfalt entscheidend sind. Ameisen boten sich aufgrund ihrer starken Artenabnahme mit zunehmender Höhe besonders als Untersuchungsobjekt an. Sie nehmen zudem eine Schlüsselrolle im Ökosystem Tieflandregenwald ein, stellen unter den Invertebraten eine der taxonomisch mit am besten bearbeiteten Gruppen dar, und selbst einzelne Individuen können aufgrund ihrer eusozialen und seßhaften Lebensweise definitiv dem Fundort bzw. der Fundhöhe zugeordnet werden. Der grundlegende Versuchsansatz bestand darin, alle Untersuchungen vergleichend in Boden- und Vegetationsstratum durchzuführen. Dementsprechend wurden entlang des Höhengradienten in beiden Straten die Artenabnahme der Ameisen sowie abiotische und biotische Parameter aufgenommen. Weiterhin wurde eine Art (Diacamma sp.) exemplarisch herausgegriffen, um eventuelle Veränderungen ihrer Ökologie zu erfassen. Die Abnahme der Artenvielfalt von Ameisen am Boden und in der niederen Vegetation verläuft unterschiedlich. Dieser Unterschied ist jedoch nicht auf grundlegend unterschiedliche Faktoren zurückzuführen, sondern auf deren unterschiedliche Ausprägung entlang des Höhengradienten. Es handelt sich hier in beiden Straten zusammenfassend vor allem um vier Faktoren: Temperatur, Feuchtigkeit (umfaßt relative Luftfeuchtigkeit, Nebel, Regen und Staunässe), Nistraumverknappung und Nahrungsverknappung. Die in dieser Studie festgestellte signifikant positive Korrelation von Arten- und Temperaturabnahme betont die besondere Bedeutung des Parameters Temperatur. Diese wirkt einerseits durch eine Beeinträchtigung des Stoffwechsels direkt auf adulte Tiere und Brut und andererseits indirekt über die Veränderung abiotischer (Feuchtigkeit und Nistraum) und biotischer (Nahrung) Parameter. Die jeweiligen relativen Anteile von direktem und indirektem Temperatureinfluß, die mit zunehmender Höhe zur Artenabnahme führen, sind mit den vorliegenden Daten nicht quantifizierbar. Zudem verändern sich die Relationen entlang des Höhengradienten. Anhand ökologischer Überlegungen kann dennoch eine Einschätzung der jeweiligen Bedeutung der Einzelfaktoren vorgenommen werden. Der direkte Einfluß von Temperatur wird in der vorliegenden Studie mehrfach verdeutlicht. Diacamma sp. zeigt beispielsweise eine verminderte Leistungsfähigkeit durch eine signifikant geringere Bauaktivität mit steigender Höhe. Zudem scheint Diacamma sp. in der Lage zu sein, die Architektur ihrer Nester so zu verändern, daß sie thermoregulatorisch der Temperaturabnahme entgegenwirkt. Diese ethologische Flexibilität ermöglicht Diacamma sp., ihr Vorkommen über ihre physiologische Toleranz hinaus auszudehnen. Ein weiterer Hinweis auf einen direkten Temperatureinfluß ergibt sich aus der generellen Reduktion der Koloniegrößen mit zunehmender Höhe. Sie könnte unter anderem durch eine verringerte Fouragieraktivität begründet sein. Weiterhin nimmt die Nestdichte in beiden Straten in dem Höhenbereich signifikant ab, in dem die Durchschnittstemperaturen unter den ökologisch für Ameisen kritischen Schwellenwert von 20°C sinken. Der überwiegende Teil der Ameisen beider Straten nistet in thermoregulatorisch ungünstigem Nistraum (z.B. kleines Totholz, Laub, Humusschicht, Karton). Daher kann die Temperaturabnahme direkt zu einer Nistraumverknappung führen. Am Boden hat die temperaturinduzierte Zunahme von Staunässe mit steigender Höhe einen zusätzlichen negativen Effekt auf die Ressource Nistraum. Insbesondere die Schicht, in der die meisten Nester gefunden wurden (Humus-Wurzel-Schicht), ist davon betroffen. Zudem führt die signifikant an Höhe zunehmende Humus-Wurzel-Schicht dazu, daß der Oberboden im Übergang zwischen Tiefland- und unterem Bergregenwald immer weniger als Nistraum zur Verfügung steht. Im Bergregenwald hingegen treten durch vermehrten Epiphytenbewuchs für Bodenameisen neue Nistmöglichkeiten in der niederen Vegetation auf. In der Vegetation werden durch zunehmende Feuchtigkeit die Kartonnester instabil und damit in größeren Höhen unbrauchbar. Zudem trägt die temperaturabhängige Veränderung der Wuchsform des unteren Bergregenwaldes durch eine räumliche Verkleinerung des Gesamtlebensraumes zu einer Reduzierung der Nist- und Nahrungsressourcen bei. Die Nahrungsverfügbarkeit für Ameisen wird am Boden und in der niederen Vegetation ebenfalls negativ von Temperatur und Feuchtigkeit beeinflußt. Am Boden wird die Nahrungsverknappung z.B. durch den signifikant zunehmenden Nistabstand und den signifikant abnehmenden Beuteeintrag / Zeit von Diacamma sp. Kolonien deutlich. Es ist anzunehmen, daß Nahrungsmangel bei ihrer Verbreitungsgrenze von 1050 m eine wichtige Rolle spielt. Die Nahrungsverknappung für die räuberisch lebenden Bodenameisen wird vermutlich vor allem durch die Abnahme wichtiger Beutegruppen (z.B. Termiten) verursacht. Weiterhin hindert (Stau)Nässe kleine Ameisenarten (die große Mehrheit der hier gesammelten Arten) an der Nahrungssuche. In der niederen Vegetation verursacht der Wechsel des Florentyps auf Familienniveau zwischen Tieflandregenwald und Bergregenwald mit großer Wahrscheinlichkeit eine entscheidende Verknappung der Nahrungsressourcen über die Abnahme von Pflanzen mit extrafloralen Nektarien und der mit Ameisen assoziierten Trophobionten. Die Arten- und Abundanzabnahme der Ameisen verstärkt diese Tendenz wiederum durch negative Rückkopplung, da eine geringere Nachfrage das Angebot bzw. die Produktion der Nahrungssubstrate reduziert. Die vorliegenden Ergebnisse geben weiterhin Hinweise, welche Faktoren bei der Faunenverarmung in anthropogen veränderten Habitaten eine wichtige Rolle spielen können. Der größte Teil der Artenvielfalt des untersuchten primären Regenwaldes wird von kleinen Arten gestellt. Diese wiederum weisen in besonderem Maße eine Sensibilität gegenüber mikroklimatischen Veränderungen auf. Insbesondere abiotische Extreme wie Nässe und niedrige Temperaturen oder Trockenheit in Kombination mit hohen Temperaturen sind Faktoren, die sie am Fouragieren und Nisten hindern können. Daher trägt eine gut ausgebildete Laubstreu- bzw. Humusschicht grundsätzlich zur Artenvielfalt der Bodenameisen bei. Die Laubstreuschicht dient als Fouragierstratum, die Humusschicht als Hauptniststratum, und beide zusammen wiederum sind ein Schutz gegen die Austrocknung des Oberbodens. Ihre Bewahrung sowie die eines möglichst ausgewogenen Mikroklimas sind Grundvoraussetzung für die Vermeidung einer Artenverarmung. Für die niedrige Ausbreitungsgrenze von Ameisen an feucht-tropischen Höhengradienten (ca. 2300 m) scheinen spezielle Charakteristika ihrer eusozialen Lebensweise entscheidend zu sein. Hier sind insbesondere die ökologische Notwendigkeit geschützten Nistraums, energieaufwendiger Fouragierleistung und hoher Brut-Entwicklungstemperatur sowie die Unfähigkeit zur aktiven Nest- Temperaturerhöhung zu nennen. Historisch tiergeografische Gründe scheinen für die starke Abnahme der Ameisenvielfalt mit zunehmender Höhe bzw. für ihre Ausbreitungsgrenzen eine eher untergeordnete Rolle zu spielen. Temperaturabnahme allein bedingt jedoch nicht zwingend eine Artenabnahme, wie im unteren Bergregenwald an der gleichbleibenden Artenzahl des Bodenstratums deutlich wird. Die Bodenameisen müssen hier Lösungswege gefunden haben, dauerhaft mit weit unter 20°C liegenden Temperaturen, starker Nässe und geringer Sonneneinstrahlung zurecht zu kommen. Insofern können in den submontanen und montanen Bereichen der Regenwälder Höhenspezialisten vermutet werden, die jedoch nicht die subalpinen Regionen erreichen. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß für eine hohe Artenvielfalt von Ameisen eine relativ hohe Temperatur, ausgewogen hohe Feuchtigkeit, Nistraumvielfalt und Nahrungsmenge sowie -qualität von entscheidender Bedeutung sind. Eine nähere experimentelle Analyse ihres jeweiligen relativen Gewichtes und ihrer konkreten Wirkweise auf einzelne Arten bzw. Artengruppen wäre für die Zukunft wünschenswert.
Präklinische Untersuchungen zur Gentherapie der HIV-Infektion mit dem retroviralen Vektor M87o
(2007)
Mit der Einführung der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) 1995 wandelte sich die HIV-Infektion in den Industrieländern von einer akut lebensbedrohlichen zu einer chronisch verlaufenden und scheinbar gut kontrollierten Erkrankung. Das Virus wird allerdings nie vollständig aus dem Körper eliminiert, sodass die Betroffenen zeitlebens Medikamente einnehmen müssen. Die Langzeit-Medikation wird häufig von schweren Nebenwirkungen begleitet, führt zur Selektion resistenter Viren und muss häufig umgestellt werden. Gentherapeutische Verfahren, die die CD4+ Zielzellen durch die Expression antiviraler Gene vor der Infektion durch HIV schützen („intrazelluläre Immunisierung“), stellen viel versprechende Therapiealternativen dar. Der in der Arbeitsgruppe von Laer entwickelte retrovirale Vektor M87o (EGELHOFER et al. 2004, EGELHOFER 2004) exprimiert das 46 Aminosäuren lange membran-verankerte Peptid C46, das in der Lage ist, die gp41-vermittelte Fusion von Virus- und Zellmembran zu inhibieren. In Zelllinien und primären Lymphozyten konnte gezeigt werden, dass M87o die Infektion durch unterschiedliche HIV-Isolate sehr effektiv verhindert. Im Rahmen vorklinischer Untersuchungen konnte in vitro gezeigt werden, dass die retrovirale Transduktion mit M87o das Transformationsrisiko und damit das Risiko der Entstehung von Neoplasien nicht steigert. An primären peripheren T-Zellen konnte zeigt werden, dass M87o die Zielzellen weder phänotypische noch funktionelle verändert. Für die Untersuchung der retroviralen Gentherapie im Rhesusaffenmodell wurde zunächst ein Gentransferprotokoll für periphere Affenlymphozyten entwickelt, mit dem in Vorversuchen Gentransferraten von ca. 50% erreicht werden konnten. Das Transduktionsprotokoll wurde anschließend im Rahmen einer präklinischen Studie zur Toxizität und Immunogenität der M87o-Gentherapie, bei der Herstellung zweier Studientransplantate angewandt. Beide Zellpräparate wurden den Versuchstieren transplantiert. Während des Eingriffs traten keine akuttoxischen Reaktionen auf. M87o+-Zellen konnten bis 140 Tage nach der Transplantation mittels PCR nachgewiesen werden. Immunologische Untersuchungen (Cytokinfärbung, Proliferationsassay, ELISPOT) ergaben keine Hinweise auf zelluläre oder humorale Immunreaktionen. M87o-spezifische Antikörper waren im Serum nicht nachweisbar. Für die Durchführung einer klinischen Studie zur Toxizität und Wirksamkeit (Phase I/II) an HIV-infizierten Probanden wurde ein Protokoll zur Produktion M87o-modifizierter T-Zellen (mindestens 5 × 108 M87o+ CD4-T-Zellen pro Spender) entwickelt. In die klinische Prüfung wurden Patienten aufgenommen, die nach multiplem Therapieversagen durch das Auftreten multiresistenter HIV eine CD4-Zellzahl von 50 bis 200 µl-1 Blut, sowie eine Viruslast von >5.000 Kopien ml-1 Blut aufwiesen. Im Versuchsmaßstab konnte ein Transduktionsprotokoll erarbeitet werden, mit dem im Mittel 46% der CD4+ T-Zellen mit M87o transduziert werden konnten. Innerhalb von 10 Tagen expandierte die Zellzahl im Mittel um den Faktor 153, wobei die HIV-Replikation vollständig inhibiert wurde. Das Protokoll wurde erfolgreich vom Versuchsmaßstab in den klinisch relevanten Produktionsmaßstab übersetzt. In drei Versuchsläufen wurde im Mittel eine Transduktionsrate von 29% erreicht und die Zellzahl um den Faktor 44 vermehrt. Der Anteil an CD3+/CD4+ Zellen an der Gesamtpopulation lag im Mittel bei 91%. Insgesamt konnten mit dem etablierten Protokoll durchschnittlich 2,3 × 109 CD3+/CD4+/M87o+ Zellen, bei gleichzeitig vollständiger Inhibition der HIV-Replikation, generiert werden. Im Rahmen einer klinischen Studie zur Toxizität und Wirksamkeit der M87o-Gentherapie wurden 10 Studientransplantate gemäß dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Protokoll hergestellt. Alle Transplantate wurden am Universitäts-Krankenhaus Eppendorf in Hamburg transfundiert und von den Patienten sehr gut vertragen.
Die Zelle repliziert ihre DNA während der S-Phase und segregiert sie dann später in der M Phase des Zellzykluses. Kommt es während dieser Prozesse zu DNA Schädigungen, arretiert die Zelle den Zellzyklus mit Hilfe spezifischer Kontrollmechanismen und versucht den Schaden zu beheben. Der DNA Kontrollpunkt wird bei DNA Schädigungen aktiviert, um mit Hilfe der DNA Reparatur den Schaden zu beheben und somit dafür zu sorgen, dass die DNA fehlerfrei repliziert werden kann. Der zweite Zellzyklus Kontrollpunkt, der Spindel Kontrollpunkt, stellt sicher, dass die Chromosomen während der M Phase unter gleicher Spannung innerhalb der Äquatorialplatte der Metaphase Spindel angeordnet sind. Kann in der Zeit, in der der Zellzyklus Kontrollpunkt aktiv ist, der Schaden nicht behoben werden, so wird Apoptose ausgelöst und die Zelle wird aus dem Zellverband entfernt. Krebszellen haben Strategien entwickelt, Zellzyklus Kontrollpunkte zu umgehen und darüber hinaus normalen Mechanismen der Apoptose zu entkommen. Die genauen molekularen Vorgänge der Deregulierung der Apoptose sind weitestgehend unaufgeklärt. Procaspase 8 ist ein wichtiges Schlüsselenzym des extrinsischen Apoptose Signalweges. Der extrinsische Signalweg wird extrazellulär über die Bindung von Liganden an ihre korrespondierenden Rezeptoren ausgelöst. In dieser Studie wird gezeigt, dass Procaspase 8 an Ser-387 in vitro als auch in vivo von Cdk1/Cyclin B1 phosphoryliert wird. Darüber hinaus zeigt diese Phosphorylierungsstelle die typische Struktur einer Bindungsstelle für Plk1, einer weiteren mitotischen Kinase. Die Interaktion von Procaspase 8 mit Cdk1/Cyclin B1 wird über die DE Domäne („death-effector-domain“ DED) von Procaspase 8 vermittelt. Wird Procaspase 8 an Ser 387 zu Alanin (S387A) mutiert, so wird die Phosphorylierung durch Cdk1/Cyclin B1 fast vollständig verhindert. Wird zudem diese Mutante (S387A) in humanen Krebszellen überexprimiert, so hemmt dies die Apoptose nach Stimulation des Fas Rezeptors. Wird umgekehrt Cyclin B1 mittels RNA Interferenz depletiert und dadurch Cdk1 nicht aktiviert, wird extrinsische Apoptose verstärkt. Diese Studie zeigt erstmals eine gezielte Inhibierung des extrinsischen Apoptose Signalweges durch mitotische Kinasen und schlägt ein Modell vor, in dem Serin/Threonin Kinasen extrinsische Apoptose inhibieren und somit der Tumorzelle ermöglichen, der Apoptose zu entkommen. Darüber hinaus wird ein neuartiger Mechanismus der Inhibition der autokatalytischen Spaltung von Procaspase 8 durch eine mitotische Kinase gezeigt.
Lipophile, sedimentgebundene Substanzen sind für endobenthische Tiere in hohem Maße bioverfügbar und können von diesen aufgenommen und angereichert werden. Für benthivore Fische besteht damit das Risiko, diese Chemikalien mit der Nahrung aufzunehmen. Die Aufkonzentrierung sedimentgebundener Chemikalien über zwei oder mehr trophische Ebenen (Biomagnifikation) kann somit durch die Bestimmung der Biokonzentration von Chemikalien in Fischen nach der OECD-Richtlinie 305 (OECD 1996) nicht adäquat erfasst werden. Zur standardisierten Bestimmung der Bioakkumulation und Biomagnifikation wurde eine einfache, zwei trophische Stufen umfassende Labornahrungskette etabliert. Diese bestand aus dem endobenthischen Oligochaeten Tubifex tubifex (MÜLLER) als Beute und dem Dreistachligen Stichling (Gasterosteus aculeatus LINNÉ) als Prädator. Die Experimente wurden mit 14C-markiertem Hexachlorbenzol und Terbutryn in dotiertem künstlichem Sediment und rekonstituiertem Wasser durchgeführt. Um den Einfluss einzelner Expositionspfade an der Gesamtanreicherung der Modellchemikalien zu quantifizieren, wurden die Fische gegenüber dotiertem Wasser bzw. dotiertem Sediment (Biokonzentrationsszenario), vorexponierten Würmern (Biomagnifikationsszenario) und Kombinationen dieser Aufnahmepfade (Bioakkumulationsszenario) exponiert. Sedimentgebundenes HCB wurde im Bioakkumulationsszenario sowohl in den Tubificiden (BAFWurm/Sediment (FG/FG) = 7,8) als auch in den Fischen (AFFisch/Wasser (FG/FG) = 52500; AFFisch/Sediment (FG/FG) = 47; AFFisch/Wurm (FG/FG) = 3,2) deutlich angereichert. Da die Gewebekonzentration von HCB im Räuber, auch auf Basis lipidnormierter Konzentrationen, die Konzentration in seiner Beute überstieg (AFFisch/Wurm (lipidnormiert) = 1,3), kann von einer Aufkonzentrierung der Chemikalie entlang der Labornahrungskette ausgegangen werden (Biomagnifikation). Es konnte gezeigt werden, dass die Exposition gegenüber der Kombination sämtlicher Aufnahmepfade zu deutlich höherer Anreicherung in den Fischen führte als im Falle einzelner Expositionspfade. Ein Vergleich der Ergebnisse der einzelnen Expositionsszenarien erlaubt den Schluss, dass HCB von den Fischen im Bioakkumulationsszenario zu ungefähr gleichen Teilen über das Wasser (45%) und über die Nahrung (41%) aufgenommen wurde, während die Anwesenheit kontaminierten Sediments nur mit 14% zur Gesamtanreicherung beitrug. 14C-Terbutryn wurde im Bioakkumulationsszenario - auf Basis der Gesamtradioaktivität - sowohl in den Tubificiden (AF Wurm/Sediment (FG/FG) = 4,4) als auch in den Fischen (AFFisch/Wasser (FG/FG) = 323; AFFisch/Sediment (FG/FG) = 10; AFFisch/Wurm (FG/FG) = 1,4) angereichert. Allerdings wurde Terbutryn in den Stichlingen zum überwiegenden Teil zu einem polareren Metaboliten transformiert (84%). Daher müssen zur Abschätzung der Anreicherung von Terbutryn die auf den Gehalt an Ursubstanz korrigierten Gewebekonzentrationen und Anreicherungsfaktoren betrachtet werden. Hierbei wird deutlich, dass Terbutryn nicht entlang der Labornahrungskette aufkonzentriert wurde (AFFisch/Wurm = 0,09). Ein Vergleich der Ergebnisse der einzelnen Expositionsszenarien zeigt, dass der Hauptaufnahmepfad von 14C-Terbutryn in Stichlingen das umgebende Wasser ist, während die Anwesenheit kontaminierten Sediments und die Aufnahme über die Nahrung eine untergeordnete Rolle spielen. Da die Messung der Bioakkumulation und Biomagnifikation von sedimentassoziierten Substanzen sehr aufwendig ist, werden zur Abschätzung ihres Risikopotentials vermehrt mathematische Modelle entwickelt und eingesetzt, die eine Chemikalienanreicherung in Nahrungsketten vorhersagen sollen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Vorhersagen dreier Modelle mit den experimentell ermittelten Daten verglichen. Hierdurch sollte sowohl die Eignung des entwickelten Testsystems als auch der verwendeten Modelle als nützliche Instrumente des environmental risk assessment überprüft werden. Die Vorhersagen der drei Modelle bei Applikation auf die Daten der Labornahrungskette stimmen gut mit den experimentell bestimmten Konzentrationen von HCB und Terbutryn in den Tubificiden und Fischen überein. Für HCB sagen alle drei Modelle eine Biomagnifikation in der Labornahrungskette vorher. Die Modelle unterschätzen die gemessenen Konzentrationen in den Fischen mit einem Faktor von 1,1 - 1,7 nur geringfügig. Die Konzentration in den Tubificiden wird vom Gobas/Morrison-Modell sehr präzise vorhergesagt (Unterschätzung um Faktor 1,1), während sie im Campfens/Mackay-Modell (Faktor 2,1) und Gobas-Modell (Faktor 6,3) deutlicher unterschätzt wird. Speziell die dem Campfens/Mackay- und Gobas-Modell zugrunde liegenden Annahmen zur Anreicherung in benthischen Organismen erwiesen sich für HCB und Tubificiden als unzureichend zu sein, da die Modelle hierbei nur die Aufnahme aus dem Porenwasser berücksichtigen. Für Terbutryn sind die Modellvorhersagen sehr viel ungenauer als für HCB, da vor allem die starke Metabolisierung von Terbutryn in den Stichlingen unterschätzt wird. Dies resultiert in einer Überschätzung der Terbutryn-Konzentration in den Fischen (Faktor 5,8 - 6,4). Allerdings bleiben zwei Punkte festzuhalten: 1) Die Modelle sagen keine Biomagnifikation von Terbutryn in der Labornahrungskette vorher. 2) Die Modellvorhersagen bestärken die Annahme, dass die Anreicherung von Terbutryn in den Fischen dominiert ist von der Aufnahme aus dem umgebenden Wasser über die respiratorische Oberfläche. Die analysierten Modelle können bei entsprechender Weiterentwicklung als nützliche Instrumente für eine erste Abschätzung des Risikos der Bioakkumulation sedimentgebundener, hoch lipophiler Substanzen in aquatischen Nahrungsketten im Rahmen der Risikoabschätzung (environmental risk assessment) dienen. Zum gegenwärtigen Entwicklungsstand ist die Labornahrungskette jedoch den Modellen vorzuziehen, da sie die konservativeren Daten liefert. Für eine abschließende Beurteilung der vorgestellten Methoden bedarf es allerdings einer Verbreiterung der Datenbasis.
In der vorliegenden Arbeit werden funktionale Details der Okklusion während der Mastikation bei ausgewählten fossilen und rezenten Primaten quantitativ vergleichend untersucht. Dazu wurden die Okklusionsflächen von antagonistischen Molarenpaaren mit modernen virtuellen Verfahren eingescannt und anhand von 3D Kronenmodellen kartiert und funktional ausgewertet. Die in der Forschergruppe DFG FOR 771 entwickelte Software „Occlusal Fingerprint Analyser“ (OFA) kam erstmals bei einer großen Stichprobe von Primaten zum Einsatz.
Aus dem ursprünglichen tribosphenischen Molarentyp der frühen eozänen Primaten haben einige Nahrungsspezialisten im Laufe der Evolution Modifikationen entwickelt um ihre Nahrung mechanisch besser aufzubereiten. So sind neue Funktionselemente auf den Molaren entstanden, wie z.B. ein distolingualer Höcker (Hypoconus) auf den Oberkiefermolaren.
Die Auswertung der Parametermessungen, wie die Facettenlage und -größe, der Okklusale Kompass, der Mastikationskompass und die Messungen der Okklusionsreliefs ergaben, dass die basalen Primatenvertreter aus dem Eozän einen flachen Hypoconus als vergrößerte Fläche zum Quetschen der Nahrung genutzt haben. Das weist auf eine frugivore Nahrungspräferenz hin. Der distolinguale Höcker ist unter den rezenten Spezies mit insektivorer Nahrungspräferenz besonders häufig ausgebildet. Es konnte gezeigt werden, dass eine zweite Kauphase, die nach der maximalen Verzahnung mit der Öffnung des Kiefers eintritt, unter den rezenten Strepsirrhini mit Hypoconus nur sehr schwach ausgeprägt ist.
Eine weitere evolutionäre Modifikation sind buccolingual ausgerichtete komplementäre Kantenpaare auf den Molaren, die sogenannte Bilophodontie, die sich in der Familie der Cercopithecidae entwickelt hat. Die Unterfamilie der Colobinae zeigt eine besonders stark reliefgeführte Okklusion und hat deshalb während der Mastikation weniger Bewegungsspielraum als die der Cercopithecinae. Die zweite Kauphase der Cercopithecinae ist gegenüber den folivoren Colobinae zum Teil auffällig verlängert. Da die Colobinae Vormagenverdauer und die Cercopithecinae Monogastrier sind, kann vermutet werden, dass die Zahnmorphologie eng mit der entsprechenden chemischen Verdauungsweise verknüpft ist. Das dryopithecine Höckermuster der Hominoidea hat eine wesentlich flachere Höckermorphologie als die bilophodonten Molaren. Daher war ein höherer Bewegungsspielraum während der Mastikation beobachtbar. Es konnte gezeigt werden, dass steilere Facetten bei den folivoren Nahrungsspezialisten zu finden sind, wie den Colobinae bei den bilophodonten, oder den Gorillas unter dem dryopithecinen Molarentyp. Mit einem flacheren Molarenrelief kann auf ein breiteres Nahrungsspektrum zugegriffen werden.
Mit den OFA-Analysen und den Ergebnissen der Quantifizierung des Kronenreliefs von rezenten und fossilen Primatenzähnen konnte in der vorliegenden Untersuchung eine relevante Vergleichsbasis für ein funktionelles Verständnis der Evolution der vielfältigen Kronenformen bei Primaten erarbeitet werden. Für zukünftige Studien sollte die innerartliche Stichprobe erweitert werden um die Variabilität näher zu untersuchen.
Obligate Mutualismen gehören zu den bevorzugten Studienobjekten zur Erforschung der Mechanismen und Faktoren, welche Artenvielfalt hervorbringen und erhalten. Die Bestäubung der diözischen Pionierbaumgattung Macaranga (Euphorbiaceae) war bislang unbekannt, und Untersuchungen zur Myrmekophytie in Macaranga beschränkten sich in der Vergangenheit auf die Jugendphase der Assoziation mit Ameisen. Während als gesichert galt, dass die Partnerorganismen in Myrmekophytie- und Bestäubungssystemen voneinander profitieren, blieben Konflikte bzw. Konfliktlösungen in diesen Mutualismen weitgehend unerforscht. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, die Bestäubung der Ameisenpflanzengattung Macaranga aufzuklären und potentielle Konflikte der Fortpflanzung von Macaranga mit dem Myrmekophytiesystem zu analysieren. Die insgesamt 16-monatigen Freilanduntersuchungen in Malaysia und Indonesien wurden in 6 Aufenthalten (1998-2001) durchgeführt. Von 27 Macaranga-Arten wurden Daten zur Blütenbiologie erhoben. Die Hauptuntersuchungsart war M. hullettii. Zusätzlich fanden Untersuchungen der Infloreszenzmorphologie aller westmalesischen Macaranga-Arten in den Herbarien des Forest Research Institute Malaysia (FRIM) und des Nationaal Herbarium Nederland in Leiden statt. 1) Die Bestäubung von Macaranga Von 27 der 61 Macaranga-Arten, welche auf der Halbinsel Malaysia und den großen Sundainseln Borneo und Sumatra vorkommen, wurden insgesamt 28544 Blütenbesucher gesammelt und das Verhalten der dominierenden Blütenbesucher beobachtet. Bei 52% der Arten dominierte eine Thripsart der Gattung Neoheegeria (Phlaeothripinae; Thysanoptera), bei 15% Thripse der Gattung Mesothrips (Phlaeothripinae, Thysanoptera), bei 11% Wanzen (Miridae und Anthocoridae; Heteroptera), bei 4% Thripse der Tribus Terebrantia, bei 4% Rüsselkäfer, und bei 15% diverse andere Insekten der Ordnungen Coleoptera, Hymenoptera und Diptera. Für den dominierenden Blütenbesucher Neoheegeria spec. wird gezeigt, dass er als effektiver Bestäuber von M. hullettii fungiert. Der Pollentransfer von männlichen zu weiblichen Bäumen und der Samenansatz nach ausschließlichem Zugang von Thripsen zu den Blüten konnte nachgewiesen werden. Die Thripse durchlaufen ihre Larvalentwicklung in weiblichen und männlichen Blütenständen. Der Vergleich der Blühzeiten von M. hullettii und der Entwicklungsdauer von Neoheegeria spec. erbrachte, dass die Dauer der Anthese des Wirtes und die der Entwicklung der Thripse aufeinander abgestimmt ist. Männliche Blütenstände öffnen ihre Knospen zeitlich vor den weiblichen Blütenständen, sodass eine Vermehrung der Thrips-Bestäuber-Population in männlichen Bäumen vor dem Beginn der Blühzeiten beider Geschlechter stattfinden kann. Die Analyse der Bestäubungstypen zeigte, dass blütenbedeckende Hüllblättchen mit Trichomnektarien als Belohnung für bestäubende Thripse und Wanzen dienen. Dieses Merkmal wird für thrips- und wanzenbestäubte Macaranga-Arten als homolog angesehen. Die Blütendeckblättchen umschließen die Blüten so eng, dass nur kleinsten Insekten der Zugang zu den Blüten gewährt wird. Neoheegeria-bestäubte Macaranga-Arten zeichnen sich durch ein reduziertes Androeceum und ein wenig strukturiertes Tectum der Pollenkörner aus. Die Bestimmung der Blühzeiten von 7 sympatrischen Macaranga-Arten erbrachte, dass Arten mit den gleichen Bestäubern zeitlich isoliert sind. Dagegen weisen Arten, deren Blühzeiten sich überschneiden, verschiedene Bestäuber auf. 2) Interaktionen der Reproduktion von Macaranga mit der Myrmekophytie Konflikte zwischen den Bestäubern und den Partnerameisen von Macaranga konnten nicht beobachtet werden. Dafür trat ein anderer, schwerwiegender Konflikt in Erscheinung, der drastische, negative Auswirkungen auf die Fortpflanzung von Macaranga hatte. Die Partnerameisen zerstörten zeitweise die Blüten ihrer Wirte. Dieses Kastrations-Verhalten zeigte sich bei mehreren Crematogaster-Arten, die verschiedene Macaranga-Arten besiedeln. Im Gombaktal, ein Hauptuntersuchungsgebiet im Tieflandregenwald Westmalaysias, trat das Kastrationsphänomen am häufigsten bei M. hullettii auf. 56% der Population wurde von ihren Ameisenbesiedlern (hauptsächlich C. msp. 4) kastriert. Das Phänomen wies eine ungleichmäßige Verteilung auf: Blütenzerstörung korrelierte signifikant negativ mit der Baumgröße. Die Analyse verschiedener Kolonie- und WirtspflanzenParameter ergab Hinweise, dass nicht Nahrungs- bzw. Nistraumlimitierung sondern die Koloniegröße ein entscheidender Faktor für dieses Verhalten war. Ab einer bestimmten Koloniegröße setzte nicht nur das Kastrationsverhalten aus, sondern auch die Außenaktivität der Ameisen nahm stark ab. Gleichzeitig stieg die Brutzunahme deutlich an, und die regelmäßige Geschlechtstierproduktion setzte ein. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Crematogaster (Decacrema), welche noch nicht ihre reife Koloniegröße erreicht haben, die Blüten ihres Wirtsbaumes zerstören, wenn dieser vor den Ameisen mit der reproduktiven Phase einsetzt. Aufgrund der daraus resultierenden Kosten für die Wirtspflanze könnte die Crematogaster-Art (msp. 4) als "unpassender" Partner von M. hullettii angesehen werden. Während die Schutzwirkung gegen Herbivorie an jungen Blättern durch C. msp. 4 aus früheren Untersuchungen gut belegt ist, fungiert diese Ameisenart durch ihr Kastrationsverhalten teilweise als Parasit in der Assoziation mit M. hullettii. Es wird ein Modell vorgeschlagen, in dem die Kastration als ein Konflikt zwischen den Partnern über das Einsetzen der Reproduktionsphase angesehen wird. "Passende" Partner sind folglich daran erkennbar, dass sich das Einsetzen ihrer Reproduktionsphasen weitgehend synchronisiert hat. Aus dieser Hypothese ergibt sich, dass der dominierende Ameisenbesiedler C. msp. 4 von M. hullettii im Tiefland des Untersuchungsgebietes nicht als "echter" Mutualist anzusehen ist. In den submontanen Regionen ist M. hullettii ausschließlich mit C. msp. 3 assoziiert. Letztere Crematogaster-Art wird als der eigentliche "passende" Partner vorgeschlagen, während C. msp. 4 als "echter" Mutualist einer zweiten Macaranga-Art, M. bancana, diskutiert wird. Auf der Basis der gewonnenen Ergebnisse und der Grundlage von jüngsten phylogenetischen Analysen von Macaranga werden Überlegungen zur Evolution der Bestäubungs- und Myrmekophytiesysteme vorgestellt.
Die vorliegende Arbeit wurde partiell als Bestandteil eines von der EU geförderten TME-Projektes angefertigt. Das vorrangige Ziel war die Weiterentwicklung der Methodik, die Ring-Testung und die Freiland-Validierung eines offenen und ungestörten terrestrischen Modellökosystems (TMEs). Hierzu wurden die Auswirkungen der Modellchemikalie Carbendazim (fungizider Wirkstoff der Formulierung Derosal®) auf die Enchytraeidenzönose mit TMEs im Labor und in Freiland- Validierungsstudien untersucht. Die Familie Enchytraeidae (Annelida, Oligochaeta) unterlag auf Grund ihrer hohen ökologischen Wertigkeit und einer bekannten Sensitivität gegenüber Carbendazim, im Rahmen dieser Arbeit einer weitergehenden und vertiefenden Auswertung. Im Detail wurde analysiert, welcher der mittels TMEs für die Enchytraeen erhobenen Parameter gegenüber der Exposition von Carbendazim am sensitivsten reagiert und bei der statistischen Auswertung den niedrigsten NOEC- bzw. EC50-Wert liefert. Darüber hinaus wurde die Frage geklärt, welche der in einer TME-Studie generierten ökotoxikologischen Kenngrößen, NOEC oder EC50, am sinnvollsten in der Risikobeurteilung eingesetzt werden sollte. Die Versuche wurden in Amsterdam (Niederland), Bangor (Wales, England), Coimbra (Portugal) und Flörsheim (Deutschland) durchgeführt. An allen Standorten wurde mit dem gleichen Equipment gearbeitet. Die TMEs bestanden aus intakten Bodensäulen (Ø = 17.5 cm, Länge = 40 cm) mit ungestörter Schichtung, indigener Bodenfauna und natürlichem Pflanzenbewuchs. Die Entnahme der TMEs erfolgte auf den Flächen, auf denen auch die entsprechenden Freiland-Validierungsstudien durchgeführt wurden. Es handelte sich dabei um Grünland bzw. in einem Fall (Coimbra) um eine landwirtschaftliche Nutzfläche. Unabhängig von den jeweiligen Bodeneigenschaften konnten an allen Standorten mit den angewandten Methoden intakte Bodensäulen im Freiland entnommen und über eine dreimonatige Versuchsdauer als TMEs im Labor oder im Gewächshaus installiert werden. Zumindest für diesen Versuchszeitraum war die Aufrechterhaltung einer natürlichen Zönose der Enchytraeen in den TMEs unter den beschriebenen Versuchsbedingungen möglich. Untersucht wurden die Parameter Gesamtabundanz, Artenanzahl, Shannon-Wiener Index, Dominanzspektrum, Abundanz der Gattungen Fridericia und Enchytraeus, Anteil der Juvenilen an der Gesamtabundanz sowie die Vertikalverteilung der Enchytraeidae. Mittels einer multivariaten Statistik (PRC, Principal Response Curve) wurden die Auswirkungen auf den Endpunkt Enchytraeidae-Artengemeinschaft bestimmt. An allen Standorten kam es im TME-Vortest, im TME-Ringtest und in der Freiland-Validierungsstudie bei allen Probennahmezeitpunkten zu einer hohen Variabilität der Messwerte, die durch die heterogene räumliche Verteilung der Enchytraeidae bedingt ist. Traten Unterschiede zwischen den Kontrollen der verschiedenen Probennahmezeitpunkte im TME-Vortest und im TME-Ringtest auf, waren sie meist auf eine hohe Variabilität des jeweiligen Endpunktes zurückzuführen. Nur in wenigen Ausnahmefällen kam es zu einer kontinuierlichen Zunahme während der Versuchsdurchführung. In der Freiland-Validierungsstudie nahmen die jeweiligen Messwerte in den Kontrollen während der Versuchsdauer ab. Dies war die Folge der hohen Sommertemperaturen und der dadurch bedingten Austrocknung des Bodens, die in der Freiland-Validierungsstudie, wie alle Umweltbedingungen, nicht zu kontrollieren war. Beim Vergleich TME-Ringtest versus Freiland-Validierungsstudie lagen die Kontrollwerte der einzelnen Parameter in den beiden Studien in vergleichbaren Größenordnungen. Zwischen den Standorten konnten im TME-Vortest, im TME-Ringtest und in der Freiland- Validierungsstudie für alle Parameter keine prinzipiellen Differenzen bezüglich der Entwicklung der Kontrollen über die Probennahmezeitpunkte beobachtetet werden. An allen Standorten zeigten die untersuchten Parameter im TME-Vortest, im TME-Ringtest und in der Freiland-Validierungsstudie eine gute Übereinstimmung mit in der Literatur veröffentlichten Ergebnissen. Insgesamt lässt sich für die Entwicklung der Kontrollen über die Zeit ableiten, dass sich die Enchytraeenzönosen in den TMEs sowie am entsprechenden Freilandstandort hinsichtlich der untersuchten Parameter und ihrer räumlichen Heterogenität unabhängig von den Bodeneigenschaften nicht unterschieden. Aufgrund dieser Tatsache können systembedingte methodische Fehler bei der Erfassung von Chemikalienwirkungen auf die Enchytraeenzönosen unterschiedlicher Standorte mittels TMEs ausgeschlossen werden. Die grundlegenden Voraussetzungen für den Einsatz von TMEs als ökotoxikologisches Testsystem und Instrument in der Ökotoxikologie sind somit gegeben. An den unterschiedlichen Standorten waren die Auswirkungen von Carbendazim auf die untersuchten Parameter an den unterschiedlichen Probennahmezeitpunkten im TME-Ringtest ähnlich wie in der Freiland-Validierungsstudie. Zum Probennahmezeitpunkt w+16 waren die Effekte im TME-Ringtest und in der Freiland-Validierungsstudie vergleichbar denen im TME-Vortest. Die zwischen den Standorten festgestellten Unterschiede hinsichtlich des zeitlichen Verlaufs der Effekte sind auf die unterschiedlichen Bodeneigenschaften und die speziellen Substanzeigenschaften von Carbendazim zurückzuführen. Daher sollten bei der Planung einer TME-Studie neben den Charakteristika der zu testenden Substanz auch die standortspezifischen pedologischen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Dabei sollten die Versuchdauer und das Raster der Probennahmen so angelegt sein, dass die maximalen Auswirkungen einer Testsubstanz sowie eine eventuelle Regeneration festgestellt werden können. Zwischen dem TME-Vortest, dem TME-Ringtest und der Freiland-Validierungsstudie sowie zwischen den verschiedenen Standorten konnten bezüglich der Sensitivität der untersuchten Endpunkte keine Unterschiede beobachtet werden. Die niedrigsten NOEC-Werte wurden im TME-Vortest, im TME-Ringtest und in der Freiland-Validierungsstudie am häufigsten mit den Parametern Dominanzspektrum und Enchytraeidae-Artengemeinschaft bestimmt. Die niedrigsten EC50-Werte (inklusive enger 95 % Vertrauensbereiche) wurden für die mit Hilfe der PRC ermittelten sensitivsten Taxa berechnet. In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass multivariate statistische Verfahren wie die PRC am besten geeignet sind, um Multispezies-Testsysteme wie die TMEs auszuwerten. Darüber hinaus lassen sich mittels PRC die jeweils empfindlichsten Taxa ermitteln, für welche dann wiederum EC50-Werte mit sehr engen 95 % Vertrauensbereichen berechnet werden können. Eine einfachere Alternative ist die Auswertung des Parameters Dominanzspektrum. Mit diesem Endpunkt lassen sich sowohl NOEC-Werte bestimmen als auch sensitive Taxa ermitteln für die anschließend EC50-Werte zu berechnet werden können. EC50-Werte waren an allen Standorten sowohl im TME-Vortest und im TME-Ringtest als auch in der Freiland-Validierungsstudie häufiger bestimmbar als NOEC-Werte. Die EC50- Werte lagen meist unter den entsprechenden NOEC-Werten. Der Faktor zwischen den an den einzelnen Standorten ermittelten Minimum- bzw. Maximumwerten war für die EC50-Werte niedriger als für die NOEC-Werte. Die im TME-Ringtest ermittelten NOEC- und EC50-Werte entsprachen denen der Freiland-Validierungsstudie. Beim Vergleich der Standorte zeigten die EC50-Werte eine geringere Streuung als die NOEC-Werte. Der Variationskoeffizient der für den TME-Vortest und den TME-Ringtest berechneten EC50- Werte sowie der Faktor zwischen Minimum- und Maximumwert der unterschiedlichen Institute war denen anderer Ringtests, die mit Labormethoden durchgeführt wurden, vergleichbar, obwohl hier unterschiedliche Böden mit unterschiedlichen Enchytraeenzönosen verwendet wurden. Die im TME-Vortest und im TME-Ringtest festgestellten EC50-Werte sind mit den in der Literatur für Enchytraeen und Lumbriciden angegebenen LC/EC50-Werten sehr gut vergleichbar und liegen im unteren Bereich dieser Angaben. Damit konnte im Rahmen dieser Arbeit nachgewiesen werden, dass die mittels TME generierten Ergebnisse replizierbar und reproduzierbar sind, was eine wichtige Bedingung für die Verwendung als Testsystem in der Ökotoxikologie darstellt. Gleichzeitig wurde mittels der Freiland-Validierungsstudie die ökologische Relevanz der TME-Resultate belegt. TMEs können als sinnvolles Instrument zur Verbesserung der Risikobewertung für das Kompartiment Boden für neue/existierende Chemikalien, Biozide und Pflanzenschutzmittel betrachtet werden. Strukturelle Parameter wie z.B. die Enchytraeidae-Artengemeinschaft oder das Dominanzspektrum sollten in die Auswertung mit einbezogen und multivariate Verfahren wie die PRC verwendet werden. Damit ist es möglich, die sensitivsten Taxa zu identifizieren, Zusammenfasssung 178 für welche EC50-Werte berechnet werden können. Anstelle von NOEC-Werten sollten bei der Auswertung von TME-Studien bevorzugt EC50-Werte als ökotoxikologische Kenngröße in die Risikobewertung eingehen (z.B. zur Berechnung von TER-Werten). Die dabei zu verwendenden Sicherheitsfaktoren sind entsprechend anzupassen. Mit der Kombination Enchytraeidae und TME ist neben der Untersuchung von ökotoxikologischen Effekten zudem eine gute Möglichkeit gegeben, das Bioakkumulationspotential von Chemikalien zu bestimmen. Damit stehen für ökotoxikologische Untersuchungen auf den unterschiedlichsten Ebenen (Labor, Modellökosystem, Freiland, Bioakkumulation) standardisierte Testsysteme mit Enchytraeen zur Bestimmung der Wirkungen und des Verhaltens von Chemikalien zur Verfügung.
Das aktuell diskutierte Modell der lichtabhängigen Magnetrezeption bei Vögeln beschreibt, dass die Richtung des Erdmagnetfelds durch Radikalpaarprozesse in spezialisierten Photorezeptoren wahrgenommen wird. Dabei werden Cryptochrome, eine Klasse photoaktiver Flavoproteine, als potentielle Kandidaten für das Radikalpaarmodell und damit als mögliches Magnetrezeptormolekül diskutiert. Verhaltensbiologische Experimente mit Zugvögeln zeigen, dass der Magnetrezeptionsprozess offensichtlich stark lateralisiert im rechten Auge stattfindet und dass dieser Prozess Licht aus dem blau-grünen Teil des Spektrums benötigt. Cryptochrome absorbieren Licht in diesem Bereich und besitzen darüber hinaus biochemische Eigenschaften, die für die Funktion des Radikalpaarmodells entscheidend sind. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen habe ich untersucht, ob Cryptochrom (CRY) in der Retina des Rotkehlchens, Erithacus rubecula, einem nachtziehenden Singvogel, zu finden ist. Mit molekulargenetischen Methoden konnte ich erstmals drei individuell exprimierte Cryptochrome aus der Rotkehlchenretina isolieren: Erithacus (e)-CRY1a, -CRY1b und -CRY2. Während eCRY1a und eCRY2 fast vollständig homolog zu Cryptochrom 1 und 2 in der Retina des Haushuhns sind, besitzt eCRY1b eine noch unbeschriebene C-terminale Domäne, die auf neue Proteinbindungseigenschaften und Interaktionspartner hindeutet. Die Identifizierung eines Kernlokalisierungssignals bei eCRY2 weist auf dessen Lokalisierung im Zellkern hin und macht seine Funktion als sensorischer Lichtrezeptor eher unwahrscheinlich. Ein mit Hilfe der Aminosäurensequenz erstelltes Proteinmodell von eCRY1 zeigt, dass dieser Typus zwei Cofaktoren besitzt: das katalytische Chromophor Flavinadenindinukleotid (FAD) und das lichtsammelnde Pterin Methenyltetrahydrofolat (MTHF). eCRY1a und eCRY1b sind Spleißprodukte des gleichen Gens; ihre C-terminalen Domänen sind auf unterschiedlichen Exonen codiert. eCRY1a und eCRY1b besitzen beide keine Membranbindedomäne und liegen zytosolisch vor. Weil jedoch laut Radikalpaartheorie die magnetosensitiven Rezeptoren zumindest im Moment der Photonenabsorption in einer bestimmten Anordnung und Raumrichtung vorliegen müssen, benötigen beide eCRY1-Varianten daher mindestens einen sphärisch fixierten Interaktionspartner. In meiner Arbeit diskutiere ich Opsine als mögliche Partner, da diese in den Aussensegmenten der Photorezeptoren stark geordnet und in konstanter Raumrichtung vorliegen. Die Genexpression von eCRY1a und eCRY1b unterscheidet sich sowohl zwischen den Augen als auch zwischen den CRY-Varianten. Im Mittel waren die Expressionswerte von eCRY1a in der Rotkehlchenretina fünf- bis zehnmal höher als die von eCRY1b. In der Dämmerung und nachts ist eCRY1a im linken Auge signifikant höher exprimiert als im rechten Auge. Im Gegensatz dazu ist die Expression von eCRY1b in beiden Augen gleich, zeigt jedoch einen signifikanten Anstieg zu Beginn des Zuges in der Dämmerung. Durch die unterschiedlichen Expressionsraten von eCRY1a und eCRY1b verschiebt sich zum Zeitpunkt der Richtungsentscheidung des Vogels in der Dämmerung das Verhältnis zwischen den beiden Cryptochrom1-Varianten im rechten Auge zugunsten von eCRY1b. Die Ergebnisse meiner Expressionsstudie deuten darauf hin, dass die in Verhaltensversuchen nachgewiesene Lateralisation des Magnetkompass bereits auf Rezeptorebene in der Retina beginnen könnte. mRNA in situ- als auch immunohistochemische Untersuchungen dieser Arbeit zeigen, dass bei Zugvögeln sowohl die mRNA als auch die Proteine beider eCRY1-Typen in den Innensegmenten der retinalen Photorezeptoren lokalisiert sind. Die räumliche Nachbarschaft zu Opsinen unterstützt die Annahme einer möglichen Interaktion zwischen diesen und Cryptochrom. Darüber hinaus lässt dieser Befund Spekulationen zu, dass die neuronale Verarbeitung der aus den Photorezeptoren stammenden magnetischen Richtungsinformation analog zum bildverarbeitenden Sehen stattfinden könnte. Modelle für eine mögliche Verschaltung und Signalverarbeitung der Cryptochromsignale werden in dieser Arbeit diskutiert. Insgesamt unterstützen die Befunde meiner Arbeit die im Radikalpaarmodell diskutierte Annahme, dass Cryptochrome eine entscheidende Rolle bei der Perzeption von magnetischer Kompassinformation bei Zugvögeln spielen und möglicherweise als Magnetrezeptormoleküle fungieren. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse einen wichtigen Beitrag zu einem besseren Verständnis des Gesamtprozesses der Magnetrezeption bei Tieren leisten, und zwar von der Rezeptorzelle bis zur Verhaltensantwort. Meine Ergebnisse tragen möglicherweise auch dazu bei, die bekannten neurowissenschaftlichen und funktionell morphologischen mit den entsprechenden ethologischen Ergebnissen zu verknüpfen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn meine Arbeit zu weiterführender Forschung auf diesem spannenden Gebiet anregt und zu einem besseren Verständnis der noch unbekannten Aspekte der Magnetrezeption beitrüge.
Seit Jahrzehnten finden Kunststoffe aufgrund ihrer vorteilhaften Materialeigenschaften wie z. B. Formbarkeit und im Vergleich zu Glas oder Metall geringe Kosten und leichtes Gewicht, vermehrt Anwendung in allen Bereichen des täglichen Lebens. Einhergehend gelangen Kunststoffe zunehmend in die Umwelt, und reichern sich dort an. Besondere Aufmerksamkeit erfahren Partikel im Größenbereich von 1-1000 µm, sogenanntes Mikroplastik (MP), welches entweder direkt eingetragen wird oder in der Umwelt durch Fragmentierung größerer Plastikteile entsteht. Lange Zeit fokussierte sich die MP Forschung vorrangig auf aquatische Ökosysteme, obwohl Schätzungen davon ausgehen, dass die Kunststoffeinträge in terrestrischen Ökosystemen um ein Vielfaches höher sind. Besonders relevante Eintragspfade sind neben der unsachgemäßen Entsorgung von Abfällen, die landwirtschaftliche Klärschlamm- und Kompostdüngung und der zunehmende Einsatz von Mulchfolien, sowie der im Straßenverkehr generierte Reifenabrieb.
Für eine Abschätzung und Bewertung der MP-Belastung in Böden sind analytische Messungen von MP in Umweltproben essenziell, derzeit jedoch kaum existent, da MP im Boden partikulär und heterogen verteilt vorliegt und deshalb nur schwierig zu detektieren ist. Die für viele Analyseverfahren notwendige Isolation der Kunststoffpartikel, sowie die für repräsentative Messungen erforderliche Aufbereitung großer Probenvolumina stellen besondere analytische Herausforderungen mit großem Kosten- und Zeitaufwand dar. Chromatografische Verfahren finden wenig Anwendung, bieten aber vorteilhafte Voraussetzungen als Screeningverfahren für die Untersuchung von Böden, da sie nicht zwangsweise eine Partikelisolation verlangen, und zudem als Ergebnis einen Massegehalt liefern.
Diese Dissertation zeigt drei Anwendungen Chromatografie basierter Analyseverfahren zur Charakterisierung von MP im Boden. Erstmalig wurde die Thermo-Extraktion-Desorption-Gaschromatografie-Massenspektrometrie (TED-GC/MS) für die Analytik von Reifenabrieb in realen Umweltproben angewandt bei minimaler Probenaufbereitung. Dafür wurde ein Straßenrandboden umfangreich beprobt und analysiert, und es konnte neben der Eignung der analytischen Methode auch eine repräsentative Probenahmestrategie und räumliche Verteilungsmuster von Reifenabrieb im Boden demonstriert werden.
Der zweite Forschungsschwerpunkt lag auf der Methodenentwicklung und validierung eines neuartigen chemischen Extraktionsverfahrens für die Bestimmung von Polyestern in Bodenproben. Das Verfahren basiert auf der hydrolytischen Spaltung von Polyestern in ihre Monomere, deren flüssigchromatografische Abtrennung von Matrixbestandteilen und der Detektion mittels UV-Absorption. Das Verfahren verlangt neben der Extraktion keine weiteren Probenaufbereitungsschritte, ist für unterschiedliche Umweltmatrizes geeignet und ist damit z. B. prädestiniert für den Nachweis von Polyesterfasern auf gedüngten landwirtschaftlichen Flächen.
MP ist nicht nur aufgrund seiner Persistenz problematisch, sondern auch, weil es hydrophobe organische Schadstoffe aus dem Umweltmedium anreichern und transportieren kann. Maßgeblich für das Sorptionsverhalten sind die Materialeigenschaften des zugrunde liegenden Kunststoffes, welche Änderungen durch Alterungsprozessen unterliegen. Der Zusammenhang zwischen Materialalterung und Sorptionsverhalten wurde in früheren Studien kontrovers diskutiert und ist der dritte Teil dieser Arbeit. In einem Sorptionsexperiment konnte mittels Headspace-Gaschromatografie mit Flammenionisations-Detektion die Aufnahme von Aromaten an den Kunststoffen Polypropylen und Polystyrol quantifiziert werden. Die Kunststoffe wurden materialwissenschaftlich charakterisiert, teilweise künstlich gealtert und die daraus resultierende Änderungen der Materialeigenschaften sowie einhergehenden Änderungen des Sorptionsverhaltens erfasst. Dadurch war es möglich den Einfluss einzelner Materialeigenschaften auf das Sorptionsverhalten zu bewerten, Rückschlüsse auf zugrunde liegende Sorptionsmechanismen zu treffen und zu zeigen, dass in vorliegendem Experiment die Polymeralterung bei MP nicht zu einer erhöhten Schadstoffsorption führte.
Die frühe Entwicklung und Differenzierung der sympathischen Ganglien wird durch ein Netzwerk von proneuralen (Mash1/Cash1) und autonomen (Phox2a/b, dHand) Transkriptionsfaktoren kontrolliert. Diese Transkriptionsfaktoren induzieren direkt oder indirekt die Expression neuronaler (SCG10) und subtypspezifischer noradrenerger (TH, DBH) oder cholinerger (ChAT, VAChT) Gene. Die Analyse der frühen Genexpression im Ciliarganglion zeigte ein bemerkenswert ähnliches zeitliches Expressionsschema. Zwei bedeutende Unterschiede sind einerseits die nur transiente Expression noradrenerger Gene und andererseits die Abwesenheit des bHLH-Transkriptionsfaktors dHand, der selektiv in den sympathischen Ganglien exprimiert ist. Das Netzwerk der Transkriptionsfaktoren in den sympathischen Ganglien ist abhängig von einem BMP-Signal aus der dorsalen Aorta. BMPs sind notwendig und ausreichend für die Expression der genannten Transkriptionsfaktoren und damit für die Bildung der sympathischen Ganglien. Diese Arbeit zeigt, daß BMPs auch für die Entwicklung des Ciliarganglions notwendig und ausreichend sind. Fehlen BMPs, differenzieren die Vorläuferzellen nicht, wird BMP4 überexprimiert, differenzieren sie, anders als sympathische Vorläuferzellen im Brachialnerv, zu Zellen mit parasympathischem Phänotyp. Die vorliegenden Ergebnisse weisen auf eine Präspezifizierung von Ciliarvorläuferzellen und sympathischen Vorläuferzellen hin. Der bHLH-Transkriptionsfaktor dHand ist differentiell in sympathischen Vorläuferzellen exprimiert. Seine Expression ist notwendig für die noradrenerge Differenzierung, und die Überexpression im Ciliarganglion reicht aus, um in den Ciliarneuronen die Expression von TH/DBH zu erhalten. Verschiedene Arbeiten schlagen als möglichen Wirkmechanismus eine synergistische Interaktion von dHand und Phox2-Transkriptionsfaktoren vor. Ektopische BMP4-Expression induziert in einem Teil der generierten Neuronen die Expression von dHand. Interessanterweise reicht diese, durch BMP4 induzierte, dHand-Expression nicht aus, den relativen Anteil noradrenerger Neuronen innerhalb der ektopischen und der Ciliarneuronen zu erhöhen. Diese scheinbare Diskrepanz kann erklärt werden, wenn man annimmt, daß ein bestimmter Schwellenwert in der dHand-Funktion erreicht werden muß. Dieser Schwellenwert könnte durch unterschiedliche dHand-Expression, induziert durch BMPs, durch posttranskriptionelle Kontrolle der dHand-Funktion, oder durch unterschiedliche Expression von Cofaktoren in unterschiedlich präspezifizierten Vorläuferzellen reguliert werden. In Zellen, in denen die Konzentration an aktivem dHand einen gewissen Schwellenwert übersteigt, würde dann gemeinsam mit Phox2a/b die noradrenerge Genexpression induziert oder erhalten werden.
Inhibition des Stat3-Signalweges durch Peptid-Aptamere : ein neuer Ansatzpunkt für die Tumortherapie
(2004)
In der vorliegenden Arbeit konnten durch den Einsatz modifizierter Hefe-zwei-Hybrid-Screens erstmals Peptid-Aptamere isoliert werden, die spezifisch mit verschiedenen funktionellen Domänen von Stat3 interagieren und dadurch den Stat3-Signalweg auf unterschiedlichen Ebenen inhibieren. Als Zieldomänen im Hefe-zwei-Hybrid-System wurden die Dimerisierungs- bzw. die DNA-Bindedomäne von Stat3 verwendet. Nach der erfolgreichen Identifikation von Peptid-Aptameren im modifizierten Hefe-zwei-Hybrid-System war es zunächst notwendig, die spezifische Interaktion der isolierten Peptid-Aptamere mit Stat3 zu demonstrieren. Die in vitro Interaktion der isolierten Peptid-Aptamere mit dem gesamten Stat3-Molekül wurde in Ko-Immunopräzipitationsexperimenten gezeigt. Im Folgenden bestätigte sich die spezifische Interaktion der isolierten Peptid-Aptamere mit ihren jeweiligen funktionellen Domänen von Stat3 in Hefen mittels Mating-Experimenten. In den nächsten Schritten sollte die Bioaktivität der isolierten Peptid-Aptamere bei der Inhibition des Stat3-Signalweges in verschiedenen Zellsystemen validiert werden. Zunächst konnten in Herc-Zellen, die den Stat3-Signalweg nach exogenem Stimulus (EGF) aktivieren, die molekularen Wirkungs-mechanismen, die der Inhibition des Stat3-Signalweges durch die Peptid-Aptamere zugrunde liegen, aufgeklärt werden. Durch den Einsatz eines biochemisch-molekularbiologischen Methodenrepertoires (Western Blot Analysen, Reportergen-Analysen, und Gelretardierungsexperimente) zeigte sich, dass die verschiedenen selektionierten Peptid-Aptamere mit dem Aktivierungsszenario des Stat3-Signalweges auf zwei unterschiedlichen Ebenen, der Phosphorylierung bzw. der DNA-Bindung von Stat3, interferieren. Um die mögliche Anwendung der isolierten Peptid-Aptamere als potentielle Stat3-Inhibitoren in Tumorerkrankungen zu analysieren, wurden die Untersuchungen auf Tumorzelllinien mit konstitutiv-aktivem Stat3 (murine Melanomazelllinie B16 und humane Myelomazelllinie U266) ausgeweitet. Durch die zelluläre Applikation der für die isolierten Peptid-Aptamere codierenden DNA mittels Transfektion ergaben sich erste Einblicke über den Einfluss der isolierten Peptid-Aptamere auf die transkriptionelle Aktivität von Stat3. In weiteren Untersuchungen konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass durch die transiente Expression eines Peptid-Aptamers (DBD-1) Apoptose in murinen Melanomazellen induziert wird. Die biologische Aktivität des DBD-1 Peptid-Aptamers wurde dann mit Hilfe einer innovativen Methode zur zellulären Applikation von potentiell wirksamen Bio-Molekülen in eukaryotische Zellen studiert. Dabei konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Methode der Proteintransduktion für die Applikation von Peptid-Aptameren etabliert werden. Durch den Einsatz der Proteintransduktion ließ sich die Funktionalität des isolierten DBD-Peptid-Aptamers nicht nur in murinen, sondern auch in humanen Stat3-abhängigen Tumorzellen verifizieren. Dabei konnte auch eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen der Überlebensrate von Stat3-abhängigen Tumorzellen und der Menge an applizierten Peptid-Aptamer hergestellt werden. Darüber hinaus demonstrieren weitere Ergebnisse, dass das DBD-1 Peptid-Aptamer keinen Einfluss auf die Überlebensrate von nicht-Stat3-abhängigen Tumorzellen hat, wodurch die hohe Spezifität des DBD-1 Peptid-Aptamers bestätigt wird. Zusätzlich zu diesen funktionellen Analysen konnte der durch das Peptid-Aptamer induzierte Signalweg, der die Einleitung des programmierten Selbstmordes der Stat3-abhängigen Tumorzellen auslöst, charakterisiert werden. Die vorliegenden Daten zeigen zudem die Funktionalität der rekombinant exprimierten Peptid-Aptamere fusioniert mit einer Proteintransduktionsdomäne in einem in vivo Tumormodell in der Maus. Für diesen tierexperimentellen Ansatz fanden B16-Tumorzellen Verwendung, die nach subkutaner Injektion in Mäusen lokale Tumore bilden. In diesem Tumormodell wurde mittels intratumorale Injektion des transduzierbaren DBD-Peptid-Aptamers ein viel versprechender, wachstumshemmender Effekt auf Tumorzellen erzielt. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit belegen, dass Stat3 ein ideales Zielprotein für die Entwicklung neuer Tumortherapeutika ist. Dabei stellt nicht nur die Dimerisierungsdomäne, sondern auch die DNA-Bindungsdomäne ein attraktives Ziel für die Inhibition des Transkriptionsfaktors Stat3 dar. Die viel versprechenden Daten sowohl an Tumorzellen als auch im Gesamtorganismus des Maustumormodells, verbunden mit der hier herausgearbeiteten innovativen Applikationstechnik, lassen auf einen Einsatz der isolierten Peptid-Aptamere in der Tumortherapie hoffen. Zudem eröffnen die Daten zur Protein-transduktion von Peptid-Aptameren neue Perspektiven für die Applikation von Bio-Molekülen mittels „Protein-Therapie“ in der molekularen Bio-Medizin.
Primäre Tumore werden nach ihrem Entstehungsort benannt. Selbst Metastasen zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrem ursprünglichen Gewebe. Somit gehören alle Geschwülste, die ursprünglich der Harnblase entstammen, zu den Harnblasenkarzinomen.
Das Harnblasenkarzinom geht meist (90-95%) von der Schleimhaut der ableitenden Harnwege aus und wird als Urothel bezeichnet. Dementsprechend haben die meisten Patienten mit der Diagnose Blasenkarzinom ein Urothel-Blasenkarzinom. Die restlichen Blasenkarzinome entfallen auf Adenokarzinome, Plattenepithelkarzinome, kleinzellige Karzinome, Sarkome, Paragangliome, Melanome oder Lymphome (Humphrey A. et al. 2016, Moch H. et al 2016).
Die Urothel-Blasenkarzinome können sowohl flach, als auch warzenförmig wachsen. Je nach Diagnostik „oberflächlich“ oder „muskelinvasiv“ lassen sich die Urothel-Blasenkarzinome in zwei Hauptgruppen unterteilen;
Etwa 70% der Erkrankten haben dabei ein oberflächliches Urothel-Blasenkarzinom, das auf die Blasenschleimhaut begrenzt ist und durch eine Basistherapie, sog. Transurethrale Resektion (TUR-B) behandelt wird. Dabei werden die in der Schleimhaut gewachsenen Tumore getrennt reseziert. Therapieergänzend und/oder prophylaktisch wird die Blase danach mit einem Chemotherapeutikum gespült (intravesikale Instillation). Diese Zytostatika-Behandlung soll das Wiederauftreten eines Rezidivs verhindern bzw. eventuell verlangsamen (Iida K. et al. 2016, Celik O. et al. 2016).
1.) Zahlreiche Medikamente werden nach Einnahme nahezu unverändert wieder ausgeschieden und gelangen über Abwasser und Kläranlagen in die aquatische Umwelt. 2.) Die gemessenen Konzentrationen erscheinen gegenüber anderen Kontaminantengruppen vergleichsweise niedrig, sind jedoch angesichts der Tatsache, dass Medikamente biologisch hoch aktive Substanzen sind, besorgniserregend. Das Beispiel Ethinylöstradiol zeigt, dass bereits im ng/l-Bereich Effekte auftreten. Abgesehen vom Beispiel Ethinylöstradiol lagen bislang keine Erkenntnisse über chronische Effekte von Medikamenten bei umweltrelevanten Konzentrationen vor. 3.) Die in der Umwelt festgestellten Arzneimittelwirkstoffe werden fast ausschließlich in Ab-, Oberflächen- und Grundwasser detektiert. Angaben über Medikamentanreicherungen in Sedimenten liegen nur vereinzelt vor. 4.) Angaben über die Ökotoxizität von Medikamenten beruhen bislang fast ausschließlich auf bei sehr hohen Substanzkonzentrationen durchgeführten Akuttests. Die Übertragung auf umweltrelevante Verhältnisse erfolgte durch Einbeziehung hoher Sicherheitsfaktoren. 5.) Die vorliegende Arbeit zeigt, dass in komplexeren Tests bereits bei sehr viel niedrigeren Konzentrationen Effekte auftreten. Diese Effekte sind nicht unmittelbar toxisch, beeinträchtigen jedoch die Entwicklung und Fortpflanzung der Versuchsorganismen nachhaltig. 6.) Als Modellsubstanzen für die in Oberflächengewässern nachgewiesenen Pharmaka wurden das Antiepileptikum Carbamazepin, Clofibrinsäure als Metabolit zahlreicher Lipidsenker, das Antibiotikum Ciprofloxacin und das Antidepressivum Fluoxetin ausgewählt. Sämtliche Pharmaka werden in der Umwelt weit verbreitet nachgewiesen. 7.) Als Testorganismen dienten die Zuckmücke Chironomus riparius, die Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum und der aquatische Annelide Lumbriculus variegatus. C. riparius ist ein bereits standardisierter Versuchsorganismus, L. variegatus ist zur Zeit im Standardisierungsverfahren (OECD 2004B) und für ökotoxikologische Untersuchungen empfohlen (ASTM 1995). Außerdem wurde mit den Einzellern Blepharisma japonicum und Tetrahymena thermophila ein Destruentenmikrokosmos entwickelt. Beide Einzeller sind ebenfalls erprobte Versuchsorganismen (PAULI 1996, FOX & MORIN 2001). 8.) Von den vier untersuchten Pharmaka erwiesen sich im getesteten Konzentrationsbereich Carbamazepin und Fluoxetin für jeweils einen der Testorganismen als schädlich. Carbamazepin blockierte ab einer Sedimentkonzentration von 234 µg/kg Sediment (Trockengewicht) die Entwicklung von C. riparius. Fluoxetin führte ab einer Testkonzentration von 2 µg/l zu einer Reduzierung der Embryonenzahl bei P. antipodarum. Die EC10 für Carbamazepin wurde zu 113 µg/kg Sediment berechnet, die EC10 für Fluoxetin zu 0,81 µg/l. Beide Konzentrationen sind bei Berücksichtigung der im TGD vorgesehenen Sicherheitsfaktoren umweltrelevant (PEC/PNEC > 1). Als Grundlage dieser Berechnung dienten gemessene Umweltkonzentrationen im Sediment beziehungsweise Wasser. Ein negativer Effekt von Ciprofloxacin auf L. variegatus erschien anhand der Daten zwar möglich, konnte jedoch nicht statistisch belegt werden. Für Clofibrinsäure ergaben sich keine Hinweise auf negative Effekte im getesteten Konzentrationsbereich. 9.) Die vorliegenden Berechnungen sind weitaus tragfähiger als bisher vorliegende, da sie auf chronischen Toxizitätsdaten und gemessenen Umweltkonzentrationen beruhen, statt auf Akutdaten und geschätzten Umweltkonzentrationen. 10.) Die in den Versuchen festgestellten, sehr niedrigen Effektkonzentrationen lassen Effekte auch bei umweltrelevanten Konzentrationen als wahrscheinlich erscheinen. Indirekte Effekte wie vermindertes Futterangebot für Prädatoren oder Verschiebungen im Artenspektrum sind denkbar. 11.) Der Destruentenmikrokosmos erwies sich als prinzipiell geeignet, Effekte von Xenobiotika auf Einzeller zu untersuchen, da die Positivkontrolle funktionierte. Die Daten aus den Versuchsansätzen zeigen jedoch, dass Versuchsdesign und Haltung der Testorganismen weiter entwickelt werden müssen. 12.) Die vorliegenden Daten zeigen, dass Pharmaka bei umweltrelevanten Konzentrationen ein ökologisches Risiko darstellen können. Maßnahmen zur Risikominderung sind dringend erforderlich. Angesichts des therapeutischen Nutzens der Substanzen erscheinen Verbote nicht durchsetzbar.
Es gibt für die Orientierung von Vögel ein allgemeingültiges Konzept, das Karte-Kompass-Prinzip (Kramer 1953, 1957): Der Karten-Schritt besteht darin, den eigenen Standort zu ermitteln und mit dem Ziel in Beziehung zu setzten. Damit wird die geografische Richtung bestimmt, die im Kompass-Schritt in eine konkrete Richtung umgesetzt wird. Für Beides nutzen Vögel auch das Magnetfeld der Erde; in der Karte als einen Faktor den Verlauf der Intensität, im Magnetkompass die Achse der Feldlinien. Der Magnetrezeptor, der die Karte mit Informationen versorgt, ist im Schnabel lokalisiert, der des Kompasses im Auge. Ich habe mich in meiner Arbeit darauf konzentriert, die zwei potenziellen Magnetrezeptoren der Vögel feinstrukturell und immunhistologisch weiter zu charakterisieren.
Für den Magnetkompass wird auf Grund des Radikalpaar-Modells angenommen, dass Cryptochrome die Rezeptormoleküle sein könnten (Ritz et al. 2000). Bei Vögeln sind vier Cryptochrome bekannt, allerdings muss das Rezeptormolekül des Magnetkompasses auch in seiner Lokalisation bestimmte Kriterien erfüllen. Die für meine Arbeit bedeutsamen Kriterien sind: (1) die gleiche Ausrichtung der Proteine in einer Rezeptorzelle und (2), dass die einzelnen Rezeptorzellen alle Raumrichtungen abdecken. Ich habe in meiner Arbeit Cryptochrom 1a (Cry1a) und Cryptochrom 1b (Cry1b) auf ihr Vorkommen in der Retina von Rotkehlchen (Erithacus rubecula) und Hühnern (Gallus gallus) untersucht. Cry1b befindet sich bei Rotkehlchen während der Zugzeit in den Ganglienzellen, in denen es teilweise an Membranen gebunden vorliegt, die jedoch keine bevorzugte Richtung haben. Somit erscheint mir Cry1b als Rezeptormolekül für den Magnetkompass als eher ungeeignet. Cry1b könnte, wie viele Cryptochrome, an der Steuerung von circadianen Rhythmen beteiligt sein. Cry1a hingegen ist bei beiden untersuchten Vogelarten in den UV/V-Zapfen an die Diskmembranen gebunden, was eine Ausrichtung ermöglicht. Die UV/V-Zapfen sind über die gesamte Retina gleichmäßig verteilt, und durch die sphärische Form des Auges decken die einzelnen Rezeptoren jede Raumrichtung ab. Somit erfüllt Cry1a die Bedingungen des Radikalpaar-Modells, und ich schließe daraus, dass es sich hierbei um das Rezeptormolekül des Magnetkompasses handeln könnte. Cry1a ändert nach Lichtabsorption wie viele Cryptochrome seine Konformation. Der von mir verwendete Antikörper bindet nur die lichtaktivierte Form des Proteins. In Versuchen, in denen Hühner verschiedenen monochromatischen Lichtern ausgesetzt wurden, zeigt sich, dass sich Cry1a in UV bis Gelb in lichtaktiviertem Zustand befindet. Dies stimmt sowohl mit der spektralen Empfindlichkeit des Magnetkompasses der Vögel als auch mit der des Flavins, des lichtsensitiven Teils des Cryptochroms, überein. Versuche mit grünem Licht lassen vorsichtige Rückschlüsse auf das für den Magnetkompass relevante Radikalpaar zu: so ist das Flavin erst im zweiten Oxidationsschritt grünlicht-sensitiv, und Cry1a ist nur nachweisbar, also lichtaktiviert, wenn der erste Schritt bereits im Hellen abgelaufen ist. Versuche in denen die Tiere vorab im Dunkeln waren, führen nicht zur erneuten Lichtaktivierung unter grünem Licht. Dies macht nur eines der beiden im Flavinzyklus entstehenden Radikalpaare wahrscheinlich, nämlich das in der Reoxidation entstehende, da das Radikalpaar im ersten Schritt der Oxidation unter Grün nicht entsteht.
In Bezug auf den Magnetrezeptor im Schnabel konnte bereits bei Tauben eine detaillierte Struktur beschrieben werden, die als Magnetrezeptor geeignet ist, nämlich Magnetit- bzw. Maghemit-Teilchen in Dendriten der Nerven (Fleissner et al. 2003). Auch Hühner haben eisenhaltige Strukturen im Oberschnabel, die in ihrer Eisenoxid-Zusammensetzung denen der Tauben entsprechen (Falkenberg et al. 2010). Ich konnte in meiner Arbeit zeigen, dass die eisenhaltigen Strukturen im Oberschnabel der adulten Hühner an oder in Nervenfasern liegen. Elektronenoptisch bestehen diese eisenhaltigen Strukturen im Nervengewebe bei Hühnern, wie bei Tauben beschrieben, aus einem 3-5 µm großen Vesikel, der von eisenhaltigen ‘Schuppen’ besetzt ist, aus circa 1 µm langen Plättchen und Kugeln mit einem Durchmesser von etwa 1 µm. Sie sind in Feldern angeordnet, in denen diese Zellstrukturen gleich ausgerichtet sind. In der Anzahl und Lokalisation der Felder der eisenhaltigen Dendriten gibt es Unterschiede zwischen Hühnern und Tauben, allerdings ist unklar, inwie¬weit dies zu Unterschieden in der Verarbeitung im Gehirn führt. Die Entwicklung der eisenhaltigen Dendriten der Hühner beginnt erst nach dem Schlupf, am Tag des Schlupfes haben Küken noch keine eisenhaltigen Strukturen, abgesehen von roten Blutkörperchen. In den ersten 5 Tagen werden eisenhaltige Makrophagen im frontalen Bereich des Schnabels gebildet, die anschließend wieder reduziert werden. Bei 12 Tage alten Hühnern werden diese auch im lateralen Bereich des Oberschnabels angelegt und ebenfalls dort bis Tag 21 wieder reduziert. 21 Tage alte Hühner haben nur noch wenige eisenhaltige Makrophagen, allerdings ein erstes Feld von eisenhaltigen Dendriten. Die Röntgenabsorption zeigt einen Unterschied in der Eisenoxid-Zusammensetzung zwischen eisenhaltigen Makrophagen und eisenhaltigen Dendriten. Es könnte sein, dass die eisenhaltigen Makrophagen an der Synthese der eisenhaltigen Dendriten beteiligt sind, da sie Eisen aufnehmen, aber auch wieder abgeben können und in demselben Zeitraum reduziert werden, wie die eisenhaltigen Dendriten aufgebaut werden.
Sowohl Tauben als auch Rotkehlchen haben sich phylogenetisch bereits vor 95 Millionen Jahren von den Hühnern abgespalten. Es gibt sowohl in der Lokalisation von Cry1a als auch in der Struktur der einzelnen eisenhaltigen Dendriten keine Unterschiede, so dass es sich bei den beiden Magnetrezeptoren der Vögel vermutlich um sehr alte Mechanismen handelt, die sich in der Evolution kaum verändert haben. Vermutlich sind sie vogelspezifisch, da es in dieser Hinsicht keine erkennbare Gemeinsamkeit mit anderen Wirbeltieren gibt.
Riboswitche sind hoch strukturierte RNA‐Elemente, die durch direkte Bindung von kleinen Metaboliten die Expression vieler bakterieller Gene kontrollieren. Sie bestehen aus einer Ligand‐bindenden Aptamerdomäne und einer so genannten Expressionsplattform. Im Zuge der Metabolitbindung an die Aptamerdomäne ändert sich die Konformation der Expressionsplattform. Diese Konformationsänderung führt zu einem vorzeitigen Abbruch der mRNA‐Transkription oder zu einer Inhibierung der Translationsinitiation. In Bacillus subtilis wurden zwei Klassen von Riboswitchen gefunden, die trotz einer sehr hohen Homologie in ihrer Primär‐ und Sekundärstruktur spezifisch zwischen den Purinen Guanin und Adenin unterscheiden.
Durch den direkten NMR‐spektroskopischen Nachweis von Wasserstoffbrückenbindungen konnte der Bindungsmodus von Adenin, Guanin und von weiteren Purinliganden an diese beiden Klassen von Riboswitch‐RNAs beschrieben werden. Für beide Purin‐Riboswitche wurde ein gemeinsamer Bindungsmechanismus des Purinliganden an die RNA beobachtet. Hierbei bildet der Purinligand ein intermolekulares Basentripel mit der Riboswitch‐RNA aus. Die Spezifität der Metabolitbindung ist das Resultat eines intermolekularen Watson‐Crick Basenpaars zwischen dem gebundenen Liganden Guanin und einem Cytidin bzw. zwischen dem Liganden Adenin und einem Uridin der jeweiligen Riboswitch‐RNA. Zusätzlich wurde eine zweite Basenpaarung zwischen der Riboswitch‐RNA und dem gebundenen Liganden entdeckt, die in beiden Riboswitch‐Klassen identisch ist und ein weiteres Uridin der RNA und die N3/N9 Seite des Purinliganden einschließt. Diese Basenpaarung entsteht durch ein bislang unbeschriebenes Wasserstoffbrückenbindungsmuster, das zur Affinität der RNA‐Ligand‐ Wechselwirkung beiträgt. Die beobachteten intermolekularen Wasserstoffbrückenbindungen zwischen der RNA und dem gebundenen Purinliganden erklären die beobachtete Spezifitätsumkehrung einer C zu U Mutation in der Ligandbindungstasche der Riboswitch‐ RNA und die Unterschiede der Bindungsaffinitäten von verschiedenen Purinanaloga.
Weiterhin wurden die Ligand‐ und Kation‐induzierten konformationellen Änderungen der isolierten Aptamerdomänen beider Purin‐bindenden Riboswitche und des gesamten Guanin‐ Riboswitches mittels NMR‐Spektroskopie untersucht. Demnach ist die Ligandbindungstasche in der Ligand‐ungebundenen Form unstrukturiert und Ligandbindung verläuft nach einem induced fit‐Mechanismus. Die Untersuchung der freien und Mg2+‐gebundenen Form der Ligand‐ungebundenen Aptamerdomäne zeigte Unterschiede zwischen den beiden eng verwandten Purin‐bindenden Riboswitchen. Während die Wechselwirkung zwischen den hoch konservierten Sequenzen der apikalen Schlaufen der Helix II und III in der Mg2+‐freien Form des Guanin‐Riboswitches vorgeformt ist, ist sie in der Mg2+‐freien Form des Adenin‐ Riboswitches nicht ausgebildet, wird jedoch in Gegenwart von Mg2+ ausgebildet. Es konnte gezeigt werden, dass dieser konformationelle Unterschied zwischen den Ligand‐ ungebundenen Purin‐Riboswitchen durch die Stabilität der apikalen Basenpaare in Helix II festgelegt wird. Die im Guanin‐Riboswitch gefundene stabile Schlaufen‐Schlaufen‐ Wechselwirkung kann auch außerhalb der Riboswitchsequenz existieren. Durch Mg2+, Mn2+ und Co(NH3)63+ Titrationen der Ligand‐gebundenen Purin‐Riboswitch Aptamerdomänen konnten spezifische Kationbindungsstellen lokalisiert werden, die in beiden Komplexen übereinstimmen und eine Rolle in der Stabilisierung der RNA‐Struktur spielen.
Um die Sekundärstruktur des gesamten Guanin‐Riboswitches in seiner freien und Ligand‐ gebundenen Form zu untersuchen, wurden die NMR‐Spektren dieser RNA mit denen der freien und Ligand‐gebundenen isolierten Aptamerdomäne und der isolierten Terminator‐ und Antiterminatorelemente verglichen. Überaschenderweise bildet bereits die freie Form des gesamten Guanin‐Riboswitches das Terminatorelement und die Aptamerdomäne aus. Somit finden konformationelle Änderungen im Zuge der Ligandbindung einzig in der Aptamerdomäne statt. Weiterhin wurde die Struktur der freien und Ligand‐gebundenen Form einer verkürzten Guanin‐Riboswitch‐RNA untersucht. Diese RNA ist ein Modell für ein Transkriptionsintermediat, das durch eine der drei RNA‐Polymerase‐Ruhestellen induziert wird, die in der Riboswitch‐Sequenz aufzufinden sind. Interessanterweis schließen sich die Ligandbindung an die Aptamerdomäne und die Ausbildung des Antiterminators nicht gegenseitig aus, wie bisher angenommen. Die verkürzte RNA kann in Abhaengigkeit von verschiedenen experimentellen Bedingungen unterschiedliche Sekundärstrukturen annehmen. Das hat interessante Auswirkungen auf die Rolle der im Terminatorelement lokalisierten Transkriptionsruhestelle für den genregulatorischen Prozess und führt zu einem neuen Modell der Funktionsweise des Guanin‐Riboswitches.
Neuere Daten weisen p53 eine wichtige Rolle in der Verarbeitung von Mangelsignalen zu und deuten darauf hin, dass p53-abhängige molekulare Mediatoren des Warburg-Effektes Glukoseverbrauch und mitochondriale Funktion regulieren. Wir stellten deshalb die Hypothese auf, dass p53-wildtyp (p53wt) in Gliomzellen den metabolischen Bedarf reduzieren kann, der durch deregulierte Signaltransduktionsprozessen unter Mangelbedingungen zu Stande kommt. In der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass sowohl die shRNA-vermittelte p53-Gensuppression als auch die Temperatur-sensitive dominant-negative p53V135A Mutante in humanen p53wt-Gliomzellen Glukoseverbrauch und Laktatproduktion erhöht, den Sauerstoffverbrauch reduziert und den Hypoxie-induzierten Zelltod steigert. Überdies konnte beobachtet werden, dass eine zelluläre p53-Suppression die Expression von Synthesis of Cytochrome c Oxidase 2 (SCO2), eines Effektors, der in der Atmungskette benötigt wird, reprimiert. Die Restoration von SCO2 in p53wt-defizient-Zellen konnte Glukoseverbrauch, Laktatproduktion und Sauerstoffverbrauch wieder normalisieren, und vermittelte zugleich eine Resistenz gegenüber Hypoxie von Rotenone, einem Inhibitor des Komplex I der Atmungskette, abhängige Weise. Dies zeigte, dass die SCO2-vermittelten Effekte von einer intakten oxidativen Phosphorylierung abhängig waren. Schließlich vermittelte eine Gensuppression von SCO2 in p53wt-Gliomzellen eine Sensibilisierung dieser Zellen gegenüber moderater Hypoxie. Es konnte auch gezeigt werden, dass p53 und HIF-1alpha miteinander kooperieren, um SCO2 unter Hypoxie zu induzieren, was suggeriert, dass i) SCO2 ein neues HIF-1alpha Zielgen sein könnte und ii) SCO2 ein neues Zielprotein darstellen könnte, um Atmung und ROS-Prävention über HIF-alpha zu modulieren. Diese Befunde deuten darauf hin, dass Gliomzellen einen Nutzen aus dem Aufrechterhalten eines p53wt-Status erzielen können, da dies ihre Vulnerabilität gegenüber moderater Tumor-Hypoxie reduzieren kann, und dass dieser Effekt SCO2-vermittelt ist. Dennoch konnte die Sensitivität von p53wt-defizient-Zellen gegenüber hochgradiger Hypoxie-induziertem Zelltod nicht über die Effekte von SCO2 erklärt werden, da diese Oxidase ihre Funktionen nur unter ausreichend oxyschen Bedingungen erfüllen kann. Um die Mechanismen aufzuklären, die p53wt-Zellen vor hochgradiger Hypoxie Schutz verleihen, wurde die Rolle von TIGAR (Tp53 Induced Glycolysis and Apoptosis Regulator), eines weiteren kürzlich charakterizierten metabolischen p53-Zielgens, untersucht. TIGAR zeigt Ähnlichkeit mit der Fruktose-Bisphosphatase-2-Domäne des bifunktionalen Enzyms 6-Phosphofrukto-2-Kinase/Fruktose-2,6-Biphosphatase 2, und reduziert die intrazellulären Konzentrationen von Fruktose-2,6-Bisphosphat (FBP-2). FBP-2 ist ein Glykolyse-Regulator, der in höheren Konzentrationen die Glykolyse hemmt und den Pentose-Phosphat-Weg (PPP) induziert, was zu einer Verringerung der intrazellulären reaktiven Sauerstoffspezies-Konzentrationen (ROS) führt. Die Überexpression von TIGAR in p53wt-Zellen verstärkte die Glykolyse-Hemmung unter normoxischen Bedingungen und erlaubte oxidative Phosphorylierung als kompensatorischen metabolischen Mechanismus. Zudem förderte TIGAR die Expression von Lon, einer Protease, die Untereinheiten der Atmungskette modulieren kann, und zugleich als Radikalfänger fungiert. Jedoch reduzierte TIGAR die Expression von SCO2. Die Restoration von TIGAR in p53wt-defizient-Zellen konnte die Sensibilität gegenüber hochgradiger Hypoxie aufheben. TIGAR reduzierte auch die ROS-Menge und verringerte die Sensitivität gegenüber oxidativen Stress. Zugleich sensibilisierte die Gensuppression von TIGAR in p53wt-Gliomzellen diese Zellen vor hochgradiger Hypoxie. Zudem korrelierte die Expression von HIF-1alpha mit der TIGAR-Expression, was eine neue Rolle von HIF-1alpha in der Regulation des Hypoxie-induzierten Zelltodes und der Protektion vor ROS vermuten ließ. Die Expression der Transketolase-Like-1 (TKTL1), eines Isoenzym der Transketolase im Pentose-Phosphat-Weg, ist in vielen Tumoren hochreguliert. Es wurde spekuliert, dass TKTL1 Zellen Schutz vor oxidativem Zellstress vermitteln kann. Zugleich ist bekannt, dass TKTL1 mit hohen phospho-Akt-Mengen in Gliomen korreliert. Es konnte in dieser Arbeit gezeigt werden, dass TKTL1 ein indirektes p53-Zielgen ist, welches über TIGAR reguliert werden kann. Eine Suppression der TKTL1-Expression in TIGAR-exprimierenden Zellen konnte die über TIGAR vermittelten protektiven Effekte gegenüber endogenen ROS, oxidativem Stress und Hypoxie-induziertem Zelltod aufheben. Folglich wurde hier ein bis jetzt unbekannter Zusammenhang zwischen TIGAR, TKTL1 und HIF-1alpha entdeckt. Ebenso konnte eine TKTL1-Suppression mittels siRNA wie die TIGAR-Suppression die HIF1-alpha-Transaktivierungsfähigkeit reduzieren, was zu der Vermutung Anlass gab, dass TKTL1 HIF1-alpha unter Hypoxie reguliert.
Durch die Forschung der letzten Jahre wurde zunehmend deutlich, dass die Tumorumgebung einen starken Einfluss auf Wachstum und Progression eines Tumors ausübt. Ein Schlüsselereignis ist dabei die veränderte Expression von Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren im Tumor selbst oder im Tumor-Stroma und somit eine Veränderung in der Interaktion zwischen Tumor- und Stroma-Zellen. Eine solche de novo Expression der hämatopoetischen Wachstumsfaktoren G-CSF und GM-CSF konnte in der Tumorprogression humaner Plattenepithelkarzinome der Haut ausschließlich im Tumorgewebe hochgradig maligner, schnell und invasiv wachsender und metastasierender Tumore mit einer ausgeprägten Vaskularisierung nachgewiesen werden (Mueller & Fusenig 1999). Um die Wirkung von G-CSF und GM-CSF getrennt analysieren zu können, wurde eine benigne Keratinozyten-Zelllinie, die die Rezeptoren für G-CSF und GM-CSF exprimiert, nicht jedoch die Faktoren selbst, mit G-CSF oder GM-CSF transfiziert. Die Konsequenz der Faktorexpression wurde in je 2 transfizierten Zelllinien in vitro und in vivo analysiert. Beide Faktoren wirkten autokrin stimulierend auf die Tumorzell-Proliferation und Migration in vitro. Darüber hinaus induzierte GM-CSF die Expression von IL-6 in Tumorzellen, welches dann wiederum die Expression von GM-CSF verstärkte. Untersuchungen der transfizierten Zelllinien in vivo demonstrierten einen deutlichen Beitrag von G-CSF und GM-CSF zur Tumormalignisierung. So ergab die subkutane Injektion der G-CSF exprimierenden Zellen in die Nacktmaus nach einer Latenzzeit von 50 Tagen schnell und invasiv wachsende Tumore mit ausgeprägter Vaskularisierung, während GM-CSF exprimierende Zellen nur ein transientes Tumorwachstum zeigten. Subkutane Injektion von Gemischen der G-CSF mit den GM-CSF transfizierten Zellen demonstrierten eine frühere Häufung der Tumorbildung in Abhängigkeit von der Höhe der GM-CSF Produktion durch die eingesetzte Zelllinie. Die in vivo Progression mittels Rekultivierung von Tumorgewebe der mit G-CSF transfizierten Zellen resultierte in Zellen, die ein sehr schnelles und aggressives Tumorwachstum ohne Latenz zeigten. Diese Progression war assoziiert mit einer de novo Expression von GM-CSF, was auf einen synergistischen Effekt beider Faktoren hinweist. Für die Progressions fördernde Wirkung von G-CSF und GM-CSF spielt neben der autokrinen Stimulation der Tumorzellen vor allem die parakrine Beeinflussung des Tumor-Stromas eine Rolle. Die Analyse der Kinetik der Tumor-Stroma Interaktionen im Oberflächentransplantat ergab eine deutlich schnellere und stärkere, zum Tumor hin gerichtete permanente Angiogenese in den G-CSF exprimierenden Zellen. Diese setzte in den durch in vivo Passage entstandenen, G-CSF und GM-CSF positiven Zellen deutlich früher ein. Die Faktor negativen parentalen Zellen und die mit GM-CSF transfizierten Zellen wiesen dagegen nur eine transiente Angiogenese auf. Die Rekrutierung neutrophiler Granulozyten in die Tumorumgebung war bei allen transfizierten Zelllinien beschleunigt, blieb jedoch bei GM-CSF exprimierenden Zellen wie auch bei den parentalen und Kontroll transfizierten Zellen transient, während G-CSF exprimierende und G-CSF und GM-CSF ko-exprimierende Zellen eine anhaltende Rekrutierung zeigten. Die Analyse der Kinetik der Makrophagen-Rekrutierung ergab eine deutliche Beschleunigung nur in den GM-CSF exprimierenden und den G-CSF und GM-CSF ko-exprimierenden Zellen. Die sehr frühe Gegenwart von Makrophagen in Transplantaten der GM-CSF positiven Zellen ohne die Präsenz von Granulozyten deutet im Zusammenhang mit der sehr unregelmäßigen und blasigen Epithelbildung und dem nur transienten Tumorwachstum dieser Zellen nach subkutaner Injektion auf eine durch Makrophagen ausgeübte frühe Anti-Tumor Immunität hin. Als Schlüsselenzyme der Tumorinvasion und Angiogenese wurde weiterhin die Expression Matrix degradierender Enzyme, der Matrix Metalloproteinasen, in Tumor und Stroma untersucht. Dabei konnte mit zunehmender Tumorprogression eine ansteigende Expression von MMP-2 in Tumoren, von MMP-13 in Tumor und Stroma und von MMP-3 und MMP-9 im Tumor-Stroma in direkter Nähe zum Tumor festgestellt werden, wobei die Proteasen eine der Tumor-Invasion vorangehende Deposition am Rand invasiver Bereiche des Tumors zeigten. Ein Teil der stromalen (murinen) MMP-9 positiven Zellen konnte über Immunfluoreszenz-Färbungen als neutrophile Granulozyten identifiziert werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ko-Expression von G-CSF, GM-CSF und ihren Rezeptoren in humanen Plattenepithelkarzinomen der Haut einen wesentlichen Beitrag zur Tumorprogression zu einem hochmalignen Tumor-Phänotyp leistet. Dies geschieht zum einen durch eine autokrine Stimulation von Proliferation und Migration der Tumorzellen. Zum anderen stimulieren diese Faktoren parakrin die Induktion einer Tumor fördernden stromalen Umgebung und tragen so zu verstärktem Tumorwachstum und Invasion bei.
Die Endometriose ist eine gynäkologische Erkrankung, bei der epitheliale und stromale Zellen des Endometriums Läsionen außerhalb des Uterus bilden, die in ihrem Aufbau dem Endometrium gleichen. Diese Läsionen, sowie deren zyklische Proliferation, führen zu Schmerzen bei betroffenen Frauen. In isolierten, invasiven Epithelzellen (EEC145T) einer Endometriose-Läsion konnte die Expression von Shrew-1 gezeigt werden. Auch in anderen zellulären Zusammenhängen fördert die Expression von Shrew-1 den invasiven Phänotyp. Shrew-1 ist ein Transmembranprotein, das in Epithelzellen mit den Adhärenzverbindungen assoziiert ist und Interaktionen mit β-Catenin und E-Cadherin eingeht. In MCF7-Zellen fördert die Expression von Shrew-1 die EGF-induzierte Internalisierung von E-Cadherin, welche zur Verminderung der Zell-Zell-Adhäsion führt. In 12Z- und HT1080-Zellen konnte eine Interaktion mit CD147 gezeigt werden. CD147 fördert die Aktivität von MMPs und in Shrew-1-überexprimierenden HT1080-Zellen konnte eine erhöhte Aktivität der MMP9 gezeigt werden. Shrew-1 wirkt somit auf die Invasivität von Zellen und ist gleichzeitig Teil der Adhärenzverbindung. Aus diesem Grund wird Shrew-1 eine modulatorische Rolle in diesem Kontext zugeschrieben.
In immunhistologischen Färbungen von Shrew-1 und E-Cadherin konnte in Adenomyose-Läsionen eine inverse Expression der beiden Proteine in einigen epithelialen Zellen gezeigt werden, die im Endometrium nicht detektiert werden konnten. In den epithelialen Endometriose-Zelllinien 12Z und 49Z, die kein E-Cadherin exprimieren und äquivalent zu der Zelllinie EEC145T sind, führte die Herunterregulation von Shrew-1 (Shrew-1 KD) zur Reexpression von E-Cadherin. E-Cadherin ist in den 12Z Shrew-1 KD-Zellen an der Plasmamembran lokalisiert und interagiert mit β-Catenin, wodurch seine Assoziation mit den Adhärenzverbindungen wahrscheinlich ist. Die Herunterregulation von Shrew-1 führt zu einer verminderten Motilität und Invasivität der 12Z-Zellen, wobei die reduzierte Invasivität nicht alleine auf die Reexpression von E-Cadherin zurückgeführt werden kann. Es ist zu vermuten, dass das verminderte invasive Verhalten mit der ausbleibenden Interaktion von Shrew-1 mit CD147 zusammenhängt, welches die Aktivität von MMPs fördert.
Da Shrew-1 eine direkte Interaktion mit β-Catenin eingehen kann, ist es möglich, dass die Herunterregulation von Shrew-1 zu Veränderungen in der Lokalisation von β-Catenin und weiteren Proteinen, die mit den Adhärenzverbindungen assoziiert sind (p120 Catenin und Aktin), führen. Dies konnte jedoch nicht beobachtet werden. Eine verstärkte Lokalisation von Vinculin an den Enden von Aktin-Stressfasern sowohl in Zellausstülpungen als auch an Zell-Zell-Kontakten konnte in 12Z-Zellen nach der Herunterregulation von Shrew-1 beobachtet werden. Dies könnte eine Folge der E-Cadherin-Reexpression oder entscheidend für die Lokalisation von E-Cadherin an der Membran sein.
Die Reexpression von E-Cadherin, die in den 12Z Shrew-1 KD-Zellen auf mRNA- und Protein-Ebene nachgewiesen werden kann, erfolgt in den 12Z-Zellen vermutlich hauptsächlich über Veränderungen von Histon-Acetylierungen, da die Behandlung mit dem HDAC-Inhibitor TSA die Expression von E-Cadherin in den 12Z-Zellen induziert. Eine verstärkte H3K9-Acetylierung am CDH1-Promotor konnte in ChIP-Analysen in den 12Z Shrew-1 KD-Zellen gezeigt werden. Die gesteigerte Acetylierung resultiert vermutlich aus der verminderten Assoziation von HDAC1 und HDAC2 mit dem CDH1-Promotor in diesen Zellen. Eine Beteiligung der Repressoren Snail, Slug, Twist und ZEB1 an der Reexpression von E-Cadherin in den 12Z Shrew-1 KD-Zellen konnte nicht gezeigt werden. Ebenso scheinen Veränderungen am Methylierungsstatus des CDH1-Promotors nach der Herunterregulation von Shrew-1 nicht zu erfolgen.
TSA induziert auch in weiteren epithelialen Endometriose-Zelllinien (10Z und 49Z) die Expression von E-Cadherin. In stromalen Zellen führt hingegen weder TSA noch die Herunterregulation von Shrew-1 zur Expression von E-Cadherin (17B, 18B und 22B). Dies weist darauf hin, dass die Herunterregulation von Shrew-1 über die Veränderungen von Histon-Acetylierungen wirkt und dass dieser Mechanismus in epithelialen Endometriose-Zellen entscheidend ist. In den stromalen Zellen muss die Expression von E-Cadherin über einen anderen und/oder weitere Mechanismen blockiert sein.
Auch der Wnt-Signalweg scheint an der Reexpression von E-Cadherin in 12Z-Zellen beteiligt zu sein. Die Inhibierung der GSK3β (LiCl und SB216763) führt zur Expression von geringen Mengen an E-Cadherin. In 12Z Shrew-1 KD-Zellen führt die Stabilisierung von Axin (XAV939) zur verminderten Expression von E-Cadherin. Dies lässt darauf schließen, dass Shrew-1 auch einen Einfluss auf den Wnt-Signalweg hat, was vor allem durch dessen Interaktion mit β-Catenin wahrscheinlich ist.
In der vorliegenden Arbeit sollten mittels eines Hefe zweihybrid screens neue Interaktionspartner von ARVCF, einem cadherinbindenden armadillo repeat Protein, gefunden werden. Hierbei wurde aus einer cDNA-Bank differenzierender Myoblasten das Cytoskelettprotein Alpha-actinin als Bindungspartner des armadillo repeat Proteins identifiziert. Der Befund aus dem Hefesystem wurde durch Immunofluoreszenzaufahmen, in welchen gezeigt wurde dass die beiden Proteine kolokalisieren, bestätigt. Auch eine Coimmunopräzipitation bestätigte eine Interaktion der beiden Proteine. Weiterhin konnte eine direkte Interaktion von ARVCF mit Alpha-actinin in in vitro Pull-Down assays gezeigt werden, wobei eine Eingrenzung der Bindungsregion von ARVCF für Alpha-actinin jedoch nicht möglich war. Als nächstes wurde ARVCF im Rahmen dieser Arbeit mittels Computeranalysen auf potentielle Phosphorylierungsstellen hin untersucht. In in vitro Kinase assays wurde eine Phosphorylierung des Proteins durch die Proteinkinase C (PKC) festgestellt. Es konnte gezeigt werden, dass sich die subzelluläre Lokalisation von ARVCF nach Behandlung der Zellen mit den PKC stimulierenden Cytokinen TNF-alpha und EGF, sowie mit dem Phorbolester PMA ändert. Hierbei wurde ein Ablösen des Proteins von der Plasmamembran und eine Lokalisation in cytoplasmatischen Aggregaten beobachtet. Dieser Effekt erwies sich als Zelltypunabhängig und Spezies übergreifend. Es konnte gezeigt werden, dass der N-Terminus der Splicevariante 5'alt ARVCF notwendig und ausreichend für den beobachteten Effekt ist. p120(ctn), das dem ARVCF am nächsten verwandte Protein, zeigte bei einer Behandlung von Zellen mit PMA oder den oben genannten Cytokinen keinen Effekt in Bezug auf Lokalisationsänderung. Ebenso wenig konnte eine Änderung der Lokalisation nach Behandlung für die Proteine Beta-catenin sowie E-cadherin beobachtet werden. Der erhaltene Effekt nach Stimulation der Zellen war somit spezifisch für ARVCF und konnte nicht für ein anderes hier untersuchtes Catenin oder Cadherin gezeigt werden. Eine stark abgeschwächte Cadherinbindung von ARVCF nach Inkubation der Zellen mit den Cytokinen oder PMA konnte im MOM-recruitment assay beobachtet werden. Auch dieser Effekt erwies sich als ARVCF spezifisch und konnte nicht mit p120(ctn) gezeigt werden. Weiterhin wurden chimäre Moleküle mit dem N-Terminus von ARVCF und dem Rest von p120(ctn) und vice versus hergestellt. Hierbei konnte die abgeschwächte Cadherinbindung im MOM-recruitment assay durch den N-Terminus von ARVCF auf p120(ctn) übertragen werden. Die chimären Moleküle ARVCF/p120(ctn) fanden sich nach Behandlung von Zellen nicht mehr in Aggregaten wieder, waren aber über das Cytoplasma verteilt. Es konnte kein Effekt auf Stimulation der Zellen mit dem chimären Protein p120(ctn)/ARVCF gezeigt werden. Durch diese Art von "gain of function" Experiment konnte noch einmal die Wichtigkeit und Spezifität des N-Terminus von ARVCF in Bezug auf die Reaktion auf PMA- oder Cytokinstimulation gezeigt werden. Auch die Punktmutante T50A, bei welcher eine potentielle Phosphorylierungsstelle der PKC von Threonin nach Alanin mutiert war, löste sich nach Stimulation der Zellen von den Cadherinen, wie im MOM-recruitment assay gezeigt werden konnte. Allerdings lokalisierte diese Mutante nach Behandlung der Zellen nicht in Aggregaten, sondern, wie zuvor schon das chimäre Protein ARVCF/p120(ctn), über das Cytoplasma verteilt. So konnte gezeigt werden, dass es sich bei der abgeschwächten Cadherinbindung und bei der Aggregatbildung um zwei klar voneinander trennbare Eigenschaften des Moleküls handelt.
In dieser Arbeit wurde der Hefepilz Xanthophyllomyces dendrorhous als vielseitige biotechnologische Plattform für die Produktion von Carotinoiden verwendet. Durch genetische Modifikationen der Carotinoidbiosynthese wurde ein Astaxanthin-Hochproduzent zur Akkumulation des farblosen Phytoens, das die menschliche Haut vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlung schützt und des gelben Zeaxanthins, das zur Förderung und Erhalt der Sehfähigkeit beiträgt, befähigt. Zur Generierung eines Phytoen-Hochproduzenten wurde das Gen crtI (Phytoen-Desaturase) inaktiviert und der Phytoengehalt durch Überexpression der Gene HMGR, crtE und crtYB gesteigert. Die Generierung eines Zeaxanthin-Hochproduzenten beinhaltete die Inaktivierung des Gens asy (Astaxanthin-Synthase) und die heterologe Expression einer bakteriellen ß-Carotin-Hydroxylase CrtZoXd.
Die Inaktivierung der Gene erfolgte mit spezifischen Knock-Out-Konstrukten, die mittels homologer Rekombination in crtI oder asy integrierten. Nachdem die Transgene auf Vektoren mit verschiedenen Antibiotikaresistenzen kloniert wurden, wurde die Überexpression durch genomische Integration in die ribosomale DNA erreicht. Anschließend wurde die Carotinoidzusammensetzung der Zellextrakte durch Hochleistungsflüssigkeitschromatographie an einer C18-Trennsäule oder durch Dünnschichtchromatographie bestimmt. Der Knock-Out-Nachweis erfolgte mittels Polymerase-Kettenreaktion und Amplifikation der Genloci, während die Anzahl integrierter Carotinoidgene durch quantitative Real-Time-PCR bestimmt wurde. Die Kultivierungen von X. dendrorhous wurden sowohl in Schikanekolben als auch in einem 2L-Bioreaktor durchgeführt.
Im Zuge der genetischen Modifikationen konnte der Ploidiegrad des Wildtyps bestimmt werden, der bis dahin unbekannt war. Durch das Auftreten von instabilen heterozygoten Stämmen und deren Überführung zu stabilen Homozygoten wurde die Existenz eines diploiden Genoms nachgewiesen. Um die für die biotechnologische Anwendung notwendige Stabilität der Carotinoidbiosyntheseleistung zu erreichen, wurden zwei Strategien entwickelt. Hierbei erfolgte die Stabilisierung der Stämme als Folge mitotischer Rekombination nach Subkultivierung und anschließender Farbselektion oder durch Induktion des sexuellen Zyklus und Sporulation.
Der crtI-Knock-Out führte zur Akkumulation von 3,6 mg/g dw Phytoen. Anschließend wurde die Limitierung der Phytoensynthese durch crtYB-Überexpression aufgehoben und die Versorgung der Carotinoidbiosynthese mit Vorläufermolekülen durch HMGR- und crtE-Überexpression erhöht. Im Bioreaktor wurde durch die Anwendung eines dreistufigen Fed-Batch-Prozesses, der eine effiziente Glucoseverwertung sicherstellte, mit 10,4 mg/g dw die höchste bis dato publizierte zelluläre Phytoenkonzentration im stabilisierten Hochproduzenten erreicht.
Der asy-Knock-Out führte zur Akkumulation von 4,5 mg/g dw ß-Carotin, das anschließend durch heterologe Expression der codon-optimierten ß-3,3-ß-Hydroxylase crtZoXd im Hochproduzenten zu 3,5 mg/g dw Zeaxanthin umgesetzt wurde. Zur Optimierung des Vorgehens wurden Knock-In-Konstrukte entwickelt, mit denen beide Schritte (Knock-Out und Integration von Carotinoidgenen) in nur einem molekular-biologischen Schritt durchgeführt und 94 % des in einem Wildtypstamm vorhanden ß-Carotins zu Zeaxanthin umgesetzt wurden. Die Optimierung der Wachstumsbedingungen bei der Bioreaktor-Kultivierung des stabilisierten Zeaxanthinproduzenten führte mit 10,8 mg/L zu einem 5-fach höheren Zeaxanthingehalt im Vergleich zur Schikane-Kultivierung.
Durch den Einsatz der Pentosen Arabinose und Xylose als alternative Kohlenstoffquellen wurde der Carotinoidgehalt der Phytoen- und Zeaxanthin-Hochproduzenten um 70 bzw. 92 % im Vergleich zur Glucose-Kultivierung gesteigert, wobei die Gründe für diesen Effekt in einer stärkeren Kohlenstoffverwertung und der Hemmwirkung von Glucose vermutet wurden. Aus verschiedenen pflanzlichen Abfallstoffen kann Xylose durch Hydrolyse freigesetzt werden, deren Nutzung zum Aufbau einer nachhaltigen und kostengünstigen biotechnologischen Carotinoidproduktion beitragen kann.
Darüber hinaus wurden multioxigenierte Zeaxanthinderivate, von denen eine positive Wirkung auf die menschliche Gesundheit vermutet wird, durch kombinatorische Biosynthese erhalten. Durch die schrittweise Integration der Gene crtZoXd, crtG (ß-2,2-Hydroxylase) und bkt (ß-4,4-Ketolase) in eine ß-Carotinmutante wurde die Biosynthese von Zeaxanthin, Nostoxanthin und schließlich von 4-Keto-Nostoxanthin und 4,4-Diketo-Nostoxanthin erreicht. Anschließend erfolgte die chemische Reduktion zu den neuartigen Carotinoiden 4-Hydroxy-Nostoxanthin und 4,4-Dihydroxy-Nostoxanthin und der zweifelsfreie Nachweis aller vier Carotinoide anhand der mittels Massenspektrometrie bestimmten Molekülmassen und Fragmentierungsmuster.