Neuere Philologien
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Die Überzeugung, dass der Computer nicht als Werkzeug, sondern als Medium zu denken sei, hat in den zurückliegenden Jahren die Debatte zu einer Medientheorie des Computers wesentlich geprägt. Damit war insbesondere eine bestimmte Auffassung des Technischen verbunden. Die Effekte der technischen Medien lassen sich, so der Gedanke, nicht über die Aktivierung anthropologischer Schemata begreifen, vielmehr müssen die Medien in ihrer Technizität ernst genommen werden. Dies heißt aber nichts anderes, als dass der Technik ein Eigenwert zuzugestehen sei, der sich gerade nicht vom Menschen her konturieren lässt. Hierüber diskreditiere sich dann letztlich eine Rede von den Medien als werkzeughaften Extensionen des Menschen. Demgegenüber soll in dieser Arbeit der Vorschlag unterbreitet werden, den Computer eben doch wieder vom Werkzeug her zu denken. Damit soll jedoch keinesfalls über den erreichten Stand medientheoretischer Positionen hinweggesehen werden. Mit dem Medienbegriff umzugehen bedeutet nicht zuletzt, den epistemischen Status mitzureflektieren, den die Medien inne haben. Sie geben den Rahmen vor, in dem sich die Subjekte äußern können. Die Medien strukturieren diese Äußerungen bereits vorab bzw. ermöglichen überhaupt erst bestimmte Äußerungsformen. Sich hierüber Rechenschaft abzulegen bedeutet aber nicht notwendig, die Metapher einer werkzeughaften Nutzung des hoch technischen neuen Mediums als trügerisch verwerfen zu müssen. Gerade diese Nutzungsweise unterscheidet den Computer vom vorherrschenden Medienparadigma des 20. Jahrhunderts, von Film und Fernsehen und dem daraus abzuleitenden Status des Rezipienten als Rezipienten. Die vorliegende Arbeit betreibt also Werbung für einen produktiven Gebrauch des neuen Mediums, wobei es jedoch nicht darum geht, den Computer als eine Art Befreiung von den "Zwängen" der anderen technischen Medien zu positionieren. Sofern Medien überhaupt -- im strengen Sinne – Zwänge ausüben, so wäre doch nicht einzusehen, warum dies beim Computer anders sein sollte. Dennoch: Dass es so etwas wie eine "Creative Commons" gibt, dass es immer selbstverständlicher wird, wenn Nutzer ihre kreativen Produkte nicht nur mit anderen Nutzern teilen, sondern sie es darüber hinaus ermöglichen, dass auf Basis ihrer Produkte weitergearbeitet werden kann, nährt die Vermutung eines sich ändernden Verhältnisses zwischen den Nutzern und den Medien. Zentrales Ziel dieser Arbeit ist daher zunächst, die sich in der Medienwissenschaft bereits etablierte Perspektive auf den Computer als eines Textmediums zu kritisieren, da hierüber allzu leichtfertig eine bestimmte Nutzungsweise des Computers verabsolutiert werden kann: Einzig der programmierende Zugriff gilt als emanzipativ. Daran anschließend möchte ich nach einer kurzen Diskussion des Medienbegriffes das in der Softwareentwicklung lange Zeit bestimmende Gestaltungskonzept der Werkzeugnutzung für eine neuerliche Verwendung in der Medienwissenschaft vorschlagen. Vorteil ist, dass hiermit auch Nutzerpraxen adäquat einbezogen werden können, die sich auf den "Oberflächen" der Software abspielen. Betrachtet man Medien nicht als bloße Übertragungskanäle und versucht man, die produktive Seite von Medientechnologien in den Blick zu nehmen, dann weist die "Botschaft" des neuen Mediums in die Richtung eines Wechsels vom Rezipienten zum Produzenten. In dieser Perspektive erscheinen die Nutzer nicht mehr nur als Anhängsel der Technik. Sie sind nicht von ihr aus zu bestimmen, ebenso wenig wie die Medientechnik rein vom Menschen her zu bestimmen wäre. Um die These einer werkzeughaften Verwendbarkeit des Computers auszuführen, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf bestimmte Texte, die genauer diskutiert und in die Argumentation integriert werden. Dies erscheint mir fruchtbarer als der Versuch, das gesamte Spektrum der neueren Diskussion um den Computer als Medium aufgreifen und synthetisieren zu wollen. Die Gliederung verläuft dementsprechend weitgehend entlang dieser (theoretischen) Referenzen.
In der heutigen Zeit sieht sich das kulturelle Erbe der Völkergemeinschaft der Gefahr ausgesetzt, von der rasanten Entwicklung der Medientechnologien in den Hintergrund gedrängt und zerstört zu werden. Die Globalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft führt auch zu einer kulturellen Globalisierung und damit zur Dominanz des von der westlichen Welt gelebten Kulturimperialismus. Einzelne Kulturformen verlieren ihren Platz in der Kulturweltgemeinschaft und wichtige Kulturgüter wie Literatur, Sprache, Mythen, Darstellungen oder Riten werden nach und nach verdrängt. Aus diesen Gründen ist es notwendig, dass sich die Theater- und Medienwissenschaftler mit diesen Kulturformen auseinandersetzen, sie erforschen und im Bewusstsein der Menschen erhalten. Diese Arbeit stellt eine unabhängige Untersuchung dar, die in dieser Form innerhalb eines geschlossenen gesellschaftlichen Systems nicht möglich gewesen wäre. Die letzte deutschsprachige Dissertation über den Stand der For-schung zu diesem Thema wurde vor knapp vierzig Jahren verfasst. Seitdem ist auch keine Untersuchung der Rezeption dieser Kunstform in Theater, Film und Medien in Europa erfolgt. Meiner Kenntnis nach existiert auch im Iran keine ver-gleichbare wissenschaftliche Arbeit, die sich mit dem untersuchten Themengebiet beschäftigt. Die Ta¬ziyeh ist eine sakrale Theaterform aus dem Iran, die sich über lange Zeit großer Beliebtheit in der eigenen Bevölkerung und Anerkennung durch westliche Reisende erfreute. Obwohl der Vormarsch der Medientechnologien, insbesondere die Verbreitung des Fernsehens und des Kinos im letzten Jahrhun-dert auch dazu geführt hat, dass das Ta¬ziyehritual zurückgedrängt wurde, ist es bemerkenswert, dass modernes Theater, Film und Fernsehen im Iran ihrerseits durch die Ta¬ziyehkultur und –praxis bis heute beeinflusst werden. Ich untersuche in meiner Promotionsarbeit die Geschichte und Auffüh-rung der Ta¬ziyeh, sowie ihre Rezeption im Theater, Film und Fernsehen im Iran. Die Ta¬ziyeh ist ein auf religiösen Riten beruhendes Passionsspiel, welches durch die Ideale und den Glauben der Schiiten begründet wurde und seinen Ursprung im Mythos des  hat. Für das Verständnis der Ta¬ziyeh ist über die Begriffsklärung hinaus sowohl ein grundlegender Überblick über die schiitische Glaubensrichtung, als auch ein Abriss der altiranischen Geschichte und Kultur im ersten Teil dieser Ar-beit unerlässlich. Außerdem werde ich auf die konkrete Ausgestaltung des schiiti-schen Passionsspiels eingehen. Besonders wichtig erscheinen mir hierbei der Ort der Aufführung des Schauspiels, die Dekoration und Requisiten, sowie die Art der Aufführung, zu der eine genaue Beschreibung der Schauspieler, ihrer Rollen, ihrer Kostüme, der begleitenden Musik und der für die Vorstellung benötigten Tiere gehört. Im weiteren Verlauf der Arbeit soll dann detailliert auf die theatralische Entwicklung der Ta¬ziyeh in der Zeit des 15.– 20. Jahrhunderts anhand von Be-richten berühmter Iranreisender eingegangen und eine Rezeption des letzten Jahr-hunderts im Hinblick auf die Ta¬ziyeh besprochen werden. Im dritten Teil der Arbeit analysiere ich nach der Klärung der Ta¬ziyehhistorie und -ästhetik in den ersten beiden Teilen schließlich ausführlich die Rezeption und Praxis der Ta¬ziyeh im modernen Theater, Film und anderen Medien im Iran. Diese Untersuchung bildet aus Sicht der Theater- und Medien-wissenschaften den wesentlichen Kern der Arbeit, in dem die im Untersuchungs-gegenstand beschriebene Synthese herausgearbeitet wird. Dafür werden exempla-risch zwanzig Werke bedeutender Künstler des Irans herangezogen, die den Ein-fluss des sakralen Rituals in einem säkularen Medium eindeutig aufzeigen. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Synopsis der Untersuchungen, so-wie ein Ausblick auf die gegenwärtige Entwicklung der Ta¬ziyeh.
Die Rolle des Kulturbildes im interkulturell motivierten Deutschunterricht am Beispiel des Iran
(2006)
Der Vortrag basiert auf meiner Dissertation über die "Interkulturelle Kommunikation an iranischen Sprachinstituten und Universitäten". Er setzt sich zunächst mit den Vorstellungen über die Kultur des deutschsprachigen Raums im Iran und dessen Reflexion in Unterrichtsprozessen auseinander. In diesem Zusammenhang wird die Rolle der Beziehung zwischen Kultur und Sprache im Fremdsprachenunterricht herausgearbeitet. Daher steht die Beschäftigung mit Kulturfragen im Mittelpunkt. Es handelt sich dabei vor allem um zwei typische Beispiele für "interkulturelle Missverständnisse", die bei iranischen Deutschlernenden in ihrem Verständnis der deutschen Kultur sehr häufig vorkommen. Zwei weitere Beispiele werden gezeigt, in denen die kontrastierten Kulturen miteinander übereinstimmen und somit eine feste und unproblematische Grundlage für den Umgang miteinander darstellen. Im Folgenden soll die Rolle der Deutschlehrer und der institutionellen Bedingungen im Unterricht analysiert werden. Gerade der Deutschunterricht in islamischen Ländern ist darauf angewiesen, dass der Lehrer Sprachsituationen bereitstellt, anhand derer er versucht, die von der Ausgangsgesellschaft stammenden interkulturellen Konflikte aufzugreifen und letztlich zu bewältigen. Meine Unterrichtsanalysen zeigen, dass diese Vorgehensweise der Lehrer ohne Steuerung der Institution nicht möglich ist. Da die interkulturell motivierte Deutschvermittlung institutionelle Voraussetzungen verlangt, stellt der Vortrag auch die Frage, ob eine regionale von den beiden Regierungen unabhängige Institution für die Beschäftigung mit den möglichen interkulturellen Konflikten notwendig ist und warum sie bis jetzt nicht zustande gekommen ist. Trotz der neusten politischen Bemühungen um die kulturellen Annäherungen zwischen beiden Ländern gelten immer noch beide Kulturen als "kontrastiert". Der Deutschunterricht in der iranischen Gesellschaft kann diese Kluft nur dann schmälern, wenn die Deutsch anbietenden Institutionen inter- und transkulturelle Aspekte stärker berücksichtigen.
Ausgangspunkt der Überlegungen war die Beobachtung, daß die Germanistik nach 1966/68 als „disziplinäre Einheit“ in die „Krise“ geriet. Erklärt werden kann dies mit dem Verlust ihrer bis dato unhinterfragten einheitsstiftenden Fundamente: Plötzlich wurden der Nationenbegriff, der bürgerliche Literaturbegriff und der Bildungsbegriff zur Zielscheibe der Kritik und Forderungen nach Aktualität oder gesellschaftlicher Relevanz bestimmten das Denken. Die „Dichtersterne“ und Geistesgrößen am „Bildungshimmel“, die die Götter abgelöst hatten, wurden entthront; die Hochsprache wurde als Machtinstrument enttarnt. Ob es sich bei der „Krise“ tatsächlich um eine „Krise“ handelt oder um einen „Segen“, hängt vom Betrachterstandpunkt ab. In dieser Hinsicht spaltete sich denn auch die disziplinäre Gemeinschaft in zwei Hälften. Lediglich die Lehrerbildung blieb als „Klammer“ für das Fach erhalten. Diese beiden „Hälften“ entfalteten in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche Strategien, wie mit der Situation umzugehen sei: Stiegen die einen aus der Germanistik aus („Die Ratten verlassen das sinkende Schiff.“), versuchten die anderen das Schiff wieder flott zu bekommen, also der Germanistik wieder zu der gesellschaftlichen Bedeutung zu verhelfen, die ihr historisch und faktisch zusteht – als Wissenschaft von der deutschen Sprache, Literatur und Kultur – und dies gegen alle Widerstände. Zu diesen Widerständen gehört erstens ab Mitte der 60er Jahre die Szientifizierung1, die zwei Funktionen erfüllt: Sie verschafft wissenschaftliches Renommee (Professionalisierungsstrategie) für ein Fach bzw. dessen Teilfächer, die als soft sciences traditionell dem Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit ausgesetzt sind – so v.a. die subjektiv operierende Literaturwissenschaft –, und sie demonstriert Distanz zur Politik bzw. Ideologiefreiheit. Zu diesen Widerständen gehört zweitens – wenn man den wissenschaftspolitischen Prognosen der Systemtheorie folgt – die subdisziplinäre Ausdifferenzierung, die quasi natürlich und unaufhaltsam von statten geht und zwei Folgen zeitigt: die Auflösung in Teildisziplinen und die Distanzierung von außerhalb des Wissenschaftssystems liegenden Funktionen und Leistungen. Auch das Nichtüberschreiten der (Wissenschafts-)Systemgrenze demonstriert Ideologiefreiheit. Gesellschaftliche Diskussionen („Zuwanderung“; „deutsche Leitkultur“ etc.) als außerhalb des Wissenschaftssystems liegend dürfen von der Germanistik nicht aufgegriffen werden – auch dies ist eine Frage des wissenschaftlichen Ansehens im Elfenbeinturme. Dabei verwandeln sich merkwürdigerweise Leistungen für das politische System (Sprachen-, Kultur- bzw. Bildungspolitik) zum schlechten, Leistungen für das ökonomische System oder das „Beschäftigungssystem“ zum guten Ton...
In der Arbeit wurde der Deutschunterricht im Iran in Bezug auf seine Gegenstände, Ziele, Methoden und die ihn anbietenden Institutionen auf diskurstheoretischer Grundlage besonders im Hinblick auf Aspekte interkultureller Kommunikation beschrieben und untersucht. Wenn gerade die kommunikativen Aspekte des Deutschunterrichts in den Blick genommen werden, darf nicht übersehen werden, dass dabei nicht nur rein sprachliche, sondern auch kulturelle Aspekte des Lehrens und Lernens zu berücksichtigen sind. Die Ziele der Arbeit in Fragen der Deutschdidaktik ergeben sich aus besonderer Beachtung dieser Aspekte und sind auf Forschung, Lehre und Analysemethoden bezogen. Die einzelnen Kapitel sind explorativ und vermitteln insgesamt einen Eindruck von der Vielfalt der Fragestellungen und so auch von den neueren Entwicklungen und Fragestellungen, die sich in der unterrichtlichen Kommunikation bei iranischen Deutschlernern und –lehrern aufgetan haben. Das umfangreiche Material, das hier erstmals in einer bearbeitungsfähigen Form zur Verfügung gestellt wurde, bietet den Lesern reiche Möglichkeiten, weitere Phänomene interkultureller Kommunikation selbst zu entdecken und zu untersuchen. Darüber hinaus wird sprachliches Handeln im DaF-Unterricht im Hinblick auf „interkulturelle Kommunikation“ und auf die Möglichkeit, die „Diskursanalyse“ als Untersuchungsmethode darauf anzuwenden, beleuchtet.
This paper is intended to show how Latinos in general and Mexican Americans, Cuban Americans, and Puerto Ricans in particular, engage politically in the United States. Latinos execute their influence by voting or in non-electoral activities like campaign work or financial contributions. As an individual, one participates as a member of society and possibly as a member of an interest group, i.e. a party. Thus, to be successful, it is necessary to combine one’s personal interest with that of others in order to form an alliance that, due to its size, may have an impact on the political stage. This study will show which factors are necessary and which steps were taken to gain and enhance Latino political influence. In doing so, it will become clear that Mexican Americans, Cuban Americans, and Puerto Ricans all started their struggle from diverse backgrounds and possess significantly different goals. Although common language unites these three national-origin groups, they do not have the same political and economic resources at their disposal. Decisive differences in immigration politics, naturalization, and economic opportunities become visible and will prove a distinct heterogeneity of Latinos concerning political behavior and goals. Political activities of Mexican Americans, Cuban Americans, and Puerto Ricans will be outlined as well as how they differ from each other. In doing so, it is necessary to take notice of their specific histories and legal experiences upon arrival in the United States. Furthermore, different demographic factors of the three national-origin groups additionally affect political participation. An understanding of Latino political participation should be in the interest of the U.S. public as well as scholars engaging in American Studies. This biggest minority increasingly makes its presence felt in the electoral arena, especially at the state level. In states such as California, Texas, Florida and New Mexico Latinos constitute decisive voting blocs. But also, Latinos nationwide enlarge their political clout, due to cumulative numbers and a more developed political consciousness. With this national and state level significance of the Latino electorate, examining their policy preferences and goals has become progressively more important to the understanding of the U.S. political scene. The approach here is twofold. First, political participation of the Latino population as a whole will be researched; using numbers and results from the presidential election 2004. In this part of the paper, the concept of pan-ethnicity using the label Latino will be used to sum up Spanish-speaking nationalities and their political efforts. In order to be eligible to vote, certain legal requirements are to be met, so factors that account for voting will be outlined first. In accordance with the large share of non-citizens among the Latino population, it is also necessary to examine their non-electoral political activities. The second part will portray Latinos in more detail, examining the three largest national-origin groups. By demonstrating their specific histories and varied experiences and opportunities in U.S. politics, it will become clear that when talking about Latino Politics, it is indispensable to bear in mind the heterogeneity of America’s biggest minority and the side effects this has.
Am Streit zwischen Bund und Ländern über die Zuständigkeit in der Bildungspolitik ist im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 die Föderalismuskommission gescheitert. Alles, was der Bund nach PISA 2000 unternahm, um länderübergreifende Reformen des leistungsschwachen deutschen Schulsystems anzuregen, wurde von den Ländern, insbesondere den unionsregierten, mit Argwohn bedacht oder als unzulässige Einmischung zurückgewiesen. Selbst beim Vier-Milliarden-Programm der Bundesregierung für den verstärkten Ausbau von Ganztagsschulen war die Ländermehrheit in der KMK nicht bereit, mit dem Bund ein Konzept für die materielle und personelle Grundausstattung solcher Schulen zu vereinbaren. Der Streit ist in der Großen Koalition rasch beigelegt worden – zur vollen Zufriedenheit der Länder und der KMK, die nun ihre Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners weiterbetreiben und die Tabuisierung der Strukturfrage aufrechterhalten könnte, wenn nicht ausgerechnet die Ländervergleichsstudie PISA 2003 - deutlicher als bislang wahrgenommen - zu dem Ergebnis käme: Es gibt trotz des Tabus der Strukturfrage gravierende strukturelle Unterschiede zwischen den Bundesländern, den Süd- und Nordländern und vor allem den West- und Ostländern - mit offensichtlich günstigen, weniger günstigen und ungünstigen Voraussetzung für die seit PISA 2000 in der Öffentlichkeit geforderten Reformen des deutschen Schulsystems. Dabei zeigen die Länder besondere Schwächen und kaum signifikante Fortschritte in ihren Reformbemühungen, die neben dem dreigliedrigen System die Gesamtschule eingeführt haben. Besonders erfolgreich sind hingegen seit PISA 2000 Länder, die neben dem Gymnasium nur noch eine Schulart in der Sekundarstufe I anbieten (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt). (V.Merkelbach: Die Strukturfrage ist längst gestellt. http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/) Wie günstig sind im Ländervergleich Hessens Voraussetzungen für eine nachhaltige Reform seiner Schulen und wie werden sie von den beiden großen Parteien eingeschätzt?
Die schulpolitische Forderung, die seit PISA 2000 wieder auf der gesellschaftlichen und zunehmend auch auf der politischen Tagesordnung steht, ist, dass das so oft beschworene Grundrecht auf Bildung nach allem, was wir inzwischen aus der internationalen Schulforschung wissen, das gemeinsame Lernen über die Grundschule hinaus bis zum Ende der Schulpflicht sein sollte. Doch auch diese Schule gemeinsamen Lernen trägt schwer an dem, was sich in der besonders bildsamen Zeit vor Schulbeginn in unterschiedlichen sozialen Milieus als „kultureller Habitus“ entwickelt hat und das Lernen in der Schule nachhaltig beeinflusst. Das ist zwar auch in einer intakten demokratischen Gesellschaft nicht zu vermeiden, möglich aber ist unter dem Postulat von Bildungsgerechtigkeit, dass es für alle Kinder einen gebührenfreien Platz in einer Kindertagesstätte gibt. Das ist unter dem Betreuungsaspekt und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine neue Forderung; sie wird aber bislang zu wenig unter dem Aspekt von Bildung gesehen und diskutiert. (V.Merkelbach: Bildungsgerechtigkeit beim Erwerb von Lesekompetenz. http://user.uni-frankfurt.de/~merkelba/) Wenn nach der Veröffentlichung von PISA 2000 ein regelrechter Bildungstourismus zu den so erfolgreichen Schulen in Skandinavien einsetzte und viele die integrierten Systeme dort mit ihrer Philosophie, kein Kind zurückzulassen, kein Kind zu beschämen, bewunderten, so war dabei kaum ein Thema, auf welch solidem Fundament vorschulischer Bildungseinrichtungen diese Systeme im Norden Europas aufbauen können. Das ist für den dänischen Soziologen Gösta Esping-Andersen ein entscheidender Grund, warum es in skandinavischen Ländern soviel besser als bei uns gelingt, mit dem Problem der „sozialen Vererbung“ und ihrer Verstärkung durch die Schule fertig zu werden, - besser auch als in England und in den USA, wo es auch lange schon kein gegliedertes Schulsystem mehr gibt. Dass die Lebenschancen von Kindern nicht nur durch ihre genetische Mitgift determiniert sind, sondern durch das, was sie, bevor sie in die Schule kommen, erfahren und lernen, ist für Esping-Andersen auch ein Grund, warum ein ganzes Jahrhundert der Schulreform in Deutschland es nicht vermocht hat, die Wirkung „sozialer Vererbung“ nachhaltig zu mindern. Dafür seien, wie zahlreiche empirische Studien zeigten, nicht nur familiäre Armut und das Fehlen materieller Mittel schuld, um in die Zukunft der Kinder zu investieren, vielmehr spreche viel dafür, dass kulturelle Faktoren ebenfalls die kognitive, emotionale und sprachliche Entwicklung stark beeinflussten. Wenn das so ist, wenn auch „kulturelles Kapital“ einen großen Einfluss hat, müsse der Kampf um soziale Gerechtigkeit „zugleich die Ungleichheit der kulturellen Ressourcen angreifen“. Gefragt sei eine Politik, „die den Einfluss ungleicher kultureller und kognitiver Ressourcen selbst beeinflusst“. Dass die skandinavischen Länder im Vergleich zu Deutschland, Großbritannien oder den USA einen erheblichen Rückgang in Sozialvererbung verbuchten, liege zum einen in der offensichtlich erfolgreichen Anstrengung zur Reduzierung von Kinderarmut, ein anderer wichtiger Grund sei das langfristig entwickelte Angebot von Bildungseinrichtungen für Kinder im Vorschulalter. Bei nahezu ausgeschöpften weiblichen Erwerbsquoten quer durch alle Bildungsgruppen profitierten „die Kinder aus wirtschaftlich und/oder kulturell schwächeren Haushalten grundsätzlich von denselben pädagogischen Standards und kognitiven Impulsen wie Kinder mit privilegiertem Hintergrund“. (G.Esping-Andersen: Aus reichen Kindern werden reiche Eltern. Vorschläge, wie die Politik dem Phänomen der sozialen Vererbung entgegensteuern kann. In: Frankfurter Rundschau, 20.12.04, S.7)....
Die vorliegende Magisterarbeit untersucht verschiedene Formen der Darstellung von Geschichte im Film mit Hilfe der Filmphilosophie von Gilles Deleuze. Ausgangspunkt der Betrachtung sind zunächst die vielfältigen Ansätze der Regisseure des Neuen Deutschen Films, auch und gerade bei der Thematisierung von (deutscher) Geschichte die klassische Unterscheidung zwischen dokumentarischen und fiktionalen filmästhetischen Strategien aufzubrechen. Inwiefern sich diese Vorgehensweise und die dabei entstehenden neuen “Deutschlandbilder” (Anton Kaes) mit Deleuze’ Konzept des Zeit-Bildes (l‘image-temps) in Beziehung setzen lassen, wird hier am Beispiel der Filmtheorie Alexander Kluges und dem unter dessen maßgeblichen Einfluss kollektiv produzierten Film “Deutschland im Herbst” von 1978 diskutiert. Knapp zwanzig Jahre später beschäftigte sich Heinrich Breloers als Fernseh-Großereignis konzipierter Zweiteiler “Todesspiel” erneut mit den Ereignissen des Deutschen Herbstes. Auch hier mischen sich dokumentarische und fiktionale Elemente im Rahmen des “Doku-Fiktion”-Formates, das in seinen Erzählstrategien jedoch umso stärker auf das klassische Modell des Bewegungs-Bildes zurückgreift. Andres Veiels “Black Box BRD” von 2001 und Christopher Roths “Baader” von 2002 knüpfen dagegen - nicht zuletzt in expliziter Ablehnung einer konventionalisierten Fernsehästhetik - erneut an das von Deleuze vor allem für das europäische Nachkriegskino mit dem Begriff des Zeit-Bildes beschriebene Modell einer aufgebrochenen Narration und einer Sinn-Resistenz der visuellen Bilder an: Kontraste und Widersprüche fordern den Zuschauer zur Reflexion über das Dargestellte auf; “Wahrheit” wird hier entweder als von subjektiven Interessen geleitete Sichtweise (“Black Box BRD“) oder als gesellschaftlich konstruierter Mythos (“Baader“) gezeigt. Mit Hilfe der von Nietzsche inspirierten Thesen Deleuze’ zum Wahrheitsmodell des Bewegungs-Bildes einerseits, den “Mächten des Falschen” im Zeit-Bild andererseits versucht die vorliegende Arbeit so zugleich zu zeigen, inwiefern den verschiedenen Bildarten im Hinblick auf die Darstellung von Geschichte notwendig eine politische Komponente innewohnt: Während die verschiedenen Formen des Bewegungsbildes eine bereits konstituierte Gemeinschaft vorgeben, der sich anzuschließen die Filme durch Identifikation ermöglichen, scheint das Zeit-Bild eine wesentlich demokratischere Form des “Wir” zu eröffnen: Es emanzipiert den Zuschauer durch das Miteinander des Aufzeigens der in einer bestimmten Sichtweise versteckten Interessen und der im gleichen Atemzug vorgenommenen, als solche jedoch stets kenntlich gemachten "Parteiergreifung" der Filme zu einem an deren Herausbildung und steten Neuerschaffung gleichberechtigt beteiligten Mitglied dieser Gemeinschaft.
Seit PISA 2000 den Begriff der Risikogruppe in die wissenschaftliche und politische Debatte einführte, sind die leistungsschwachen, lernbehinderten oder einfach langsamen Schülerinnen und Schüler auch solche, die mit einem besonderen Risiko leben. Bezogen auf den in der Studie zentral getesteten Kompetenzbereich Lesen sind es Jugendliche, die am Ende ihrer allgemeinbildenden Schulzeit nicht in der Lage sind, einfache Texte zu lesen und zu verstehen. Im fünfstufigen Kompetenzmodell, das PISA den Testaufgaben zugrunde legt, geht es auf der niedrigsten Stufe, der Kompetenzstufe I, um einfache informatorische Texte, in denen „eine oder mehrere unabhängige, aber ausdrücklich angegebene Informationen zu lokalisieren“ sind und es geht um „das Erkennen des Hauptgedankens des Textes oder der Intention des Autors bei Texten über bekannte Themen“, wobei der Hauptgedanke „entweder durch Wiederholung oder durch früheres Erscheinen im Text auffallend formuliert“ ist; es geht z.B. darum, „eine einfache Verbindung zwischen Information aus dem Text und weit verbreitetem Alltagswissen herzustellen“. ...
Das Ziel dieser Arbeit ist es, Chronologie und Erscheinungsform volkssprachlicher Schriftzeugnisse zwischen ca. 750 und 1250 im fränkischen Gesamtreich, im ostfränkischen Reich, im entstehenden ‚Deutschen Reich‘, als Folge geistesgeschichtlichen und politischen Wandels in dieser Zeitspanne darzustellen. Explizite soll die disparate Erscheinungsform ‚deutscher‘, volkssprachlicher Texte als Folge sich wandelnder Ziele der Herrscher dargestellt werden: Zielsetzungen, die sich aus dem sich verändernden Weltbild und der sich verändernden politischen Lage ergeben und die das Handeln des Herrschers bestimmen. Anders gefragt: Welche politischen Gründe können fränkische und sächsische Könige und Kaiser im Mittelalter bewogen haben, die ‚deutsche‘ Volkssprache zu fördern und – steht das in Zusammenhang mit der jeweils gültigen Reichsideologie?
Rezension zu: Gisela Engel / Friederike Hassauer / Brita Rang / Heide Wunder (Hrsg.) : Geschlechterstreit am Beginn der europäischen Moderne, Die Querelle des Femmes, Kulturwissenschaftliche Gender Studies, Band 6, Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus, 2004, ISBN 3-89741-170-9, 353 Seiten, 34,95 Euro.
Im Jahr 2003 innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. Sabine Nessel eröffnete die Vortragsreihe mit Beobachtungen zum Lektürebegriff hinsichtlich des Phänomens Film: am Beispiel von Otto Premingers "Bonjour Tristesse" zeigt sie, wie die seit den späten 1960er Jahren übliche Übertragung des Textparadigmas auf den Film im Folgenden eine Erfassung des „Erlebnis Kino“ als Ereignis verstellte. Im Durchgang durch verschiedene Filmtheorien zeigt sie auf, dass Filme zwar "gelesen" aber auch auf einer Ebene jenseits des Kino-Texts somatisch rezipiert – "genossen" – werden, dass also die Begriffe Film, Text und Lesen auf die Bereiche Kino, Ereignis und Erleben hin zu erweitern sind.
Innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. Irene Pieper beschäftigt sich aus literaturdidaktischer und lesesoziologischer Perspektive mit der kulturellen Praxis des Lesens. Ihr Beitrag entwickelt systematisch, worin die "Kunst" des literarischen Lesens im Einzelnen besteht und wie diese Kompetenz methodisch in der Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Literatur zu erwerben bzw. zu vermitteln ist. Ein kompetenter Leser zu werden heißt, ein breites Spektrum von Fähigkeiten zu erwerben, das vom Realisieren der poetischen Funktion der Literatur über die Empathiefähigkeit bis hin zur Lust am Text reicht. Der Beitrag lotet aus, in welcher Weise vor allem die Schule, die außerhalb der Familie Begegnungen mit und Kommunikationen über Literatur herbeiführt und anregt, an der Bildung solcher Leser und Leserinnen mitwirken kann.
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(2005)
Innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. Gegenstand von Harald Hillgärtners Untersuchung ist die Frage nach der Lesbarkeit des Computers, vielmehr seiner System- und Programmcodes. Gilt der Computer einerseits als "Textmaschine", die endlose Schreib- und Leseakte prozessiert, so finden jene Programmabläufe doch zumeist jenseits der für alle zugänglichen Benutzeroberflächen statt, die ihrerseits in immer stärkerem Maß mit Icons – Bildern – arbeiten. Und selbst im Falle von frei zugänglichen Software-Codes ist zu fragen, um welche Art Text es sich hier handelt – ob in diesen Fällen gar von Literatur die Rede sein kann. Insofern ist die Frage nach der Lesbarkeit des Computers nicht nur eine Frage nach der Zukunft des Lesens (geht es um Sinn oder um Information?) sondern vielmehr nach dem (Zu-)Stand unserer Schriftkultur selbst.
Der vorliegende Beitrag - die stark überarbeitete Fassung des Vortrages "Lektüren des Unausdeutbaren ", den der Verfasser im Januar 2004 im Rahmen der kulturwissenschaftlichen Vortragsreihe GrenzBereiche des Lesens hielt - ist auch erschienen in: literatur für leser 27 (2004), Heft 4, S. 181-199. Ein Beispiel für die Schwierigkeit der literarischen Lektüre gibt Friedrich Schmidt. Er untersucht Lektüremöglichkeiten für das formale wie semantische "Abgebrochensein" des literarischen Kunstwerks der Moderne, wie es in den Fragmenten Kafkas seinen exponierten Ausdruck findet. In diesen Texten tritt zur äußeren Unabgeschlossenheit des Textkorpus ein brüchiges Sinngefüge: die Endlosigkeit der Reflexionen und Handlungszüge, die Heterogenität der Erzählfiguren, die Inkonsistenz jeder Bedeutungskonstruktion von Seiten des Lesers. Indem überdies der Abbruch, als verlorene Schrift oder verschwiegene Botschaft, in Kafkas Fragmenten explizit zum Thema wird, erhebt sich der Text gleichzeitig zum metareflexiven Kommentar: er vollzieht selbst, wovon er spricht. Insofern handelt er – sprachskeptisch – vom Defizit seines eigenen Ausdrucks, das letztlich auch von Lektüren nie vollständig eingeholt werden kann.
Am 3 Februar 2004 innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. Die potentielle Unabschließbarkeit literarischer Lektüren ist oft mit der Metapher vom Text als Gewebe umschrieben worden. Uwe Wirth widmet sich ihr mit Blick auf den Grenzbereich eines anderen Mediums: des Computers. Findet sich im Hypertext die digitale Einlösung der Metapher vom Textgewebe, so stellt sich aufs Neue die Frage nach den Rollen von Autor und Leser: Der Hypertextleser wird zum editorialen "Spinner" eines Netzes aus semantischem und medialem Gewebe.
Innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. Ein weiterer medialer Wechsel vollzieht sich im Beitrag von Annette Becker, der dem Fernsehen, genauer: dem Fernsehinterview gilt. Anhand verschiedener Fernsehinterviews zum gleichen politischen Anlass wird gezeigt, dass und wie verschiedene Lesarten solcher Interviews mit linguistischen Mitteln greif- und analysierbar gemacht werden können.
Innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. Thomas Küpper nimmt in seinem Beitrag das Kriterium der Wiederholungslektüre, das als Qualitäts- und Differenzmerkmal ästhetisch anspruchsvoller Literatur gilt, zum Anlass, die Grenzziehung zwischen Kitsch und Kunst genauer zu überdenken. Nicht die Wiederholungslektüre an sich macht bereits den Unterschied, vielmehr muss eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Formen der Wiederholungslektüre getroffen werden. In systemtheoretischer Perspektive lässt sich eine solche typologische Differenzierung anhand des je spezifischen Verhältnisses von Medium, d.h. hier: der Gattungen, und der Form, d.h. der Texte, präzise vornehmen. Trivialliteratur unterscheidet sich dann von der Kunst, insofern ihre Medien der eigentlichen Formrealisierung nur wenig Spielraum lassen: Nicht die Abweichung, sondern die Bestätigung der gegebenen Schemata wird honoriert. Auch der Kitsch bietet Variationen des Bekannten, doch – und hier nähert er sich der Kunst an – die vertrauten und wiederholten Muster werden als einmalige und besondere Formen von bleibendem Wert inszeniert. Am Beispiel des Kultfilms "Pretty Woman" spielt Thomas Küpper diese unterschiedlichen Lektüren durch und zeigt an diesem vermeintlich eindeutig trivialen Fall, dass sich die Faszination des Films den vielen Wiederholungen verdankt.
Sechzig Jahre nach Kriegsende melden sich die Jahrgänge verstärkt zu Wort, die ihre Kindheit, teils auch ihre Jugendzeit, während der NS-Diktatur, der Kriegs- und der ersten Nachkriegszeit verbracht haben. Zahlreiche deutsche Schriftsteller – auch solche, die für Kinder und Jugendliche geschrieben haben – gehören dieser Generation der Kriegskinder an. Viele von ihnen wenden sich wiederholt ihren teilweise sehr belastenden Kindheitserlebnissen zu. Wie diese Erfahrungen literarisch verarbeitet werden, untersucht der Kinder- und Jugendbuchforscher Hans-Heino Ewers am Beispiel von Peter Härtling.
Mit Iain Lawrence’ "Die Tochter des Leuchtturmwärters" schließe ich meine Liste "Romane für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene", die ich seit meiner Verabschiedung in den Ruhestand geführt habe. Das eingeschränkte Arbeitsprogramm, das ich mir noch gönne, enthält inzwischen andere Prioritäten. Mit Befriedigung stelle ich fest, dass das Interesse, spannende und motivierende Gegenwartsliteratur für Kinder, Jungendliche und junge Erwachsene im breiten Angebot der Verlage ausfindig zu machen, unter denen, die in lesepädagogischen und literaturdidaktischen Institutionen arbeiten und publizieren, in den letzten Jahren sehr stark gewachsen ist. Gewachsen sind damit auch die Möglichkeiten, den eingeschränkten Kanon an Schullektüre zu erweitern und ein Fundament an Lesebereitschaft und Leselust zu sichern, das auch für die Entwicklung einer allgemeinen Lesekompetenz besonders wirksam zu sein scheint.
Ist die Welt sichtbarer geworden? Der Blick in die Bücher am Rande der Gutenberggalaxis bestätigt die Zunahme des Visuellen. Da ist vom photographischen und televisionären Vordringen der Bilder in unserer Alltagswelt die Rede, von der Wiederkehr der Bilder – auch im Recht. Das Recht und das Bild scheinen nach einer Zeit des bildscheuen Logozentrismus zunehmend Allianzen einzugehen. Die Indizien reichen von dem Skandal um Abu Ghraib bis hin zu den Schwierigkeiten, die wir mit Begriffen wie Person, Staat und Verfassung haben und die mit zunehmender Unschärfe vermehrt als Bild für etwas anderes rezipiert werden. Sollen wir also an die These von der Bilderflut glauben? ...
Einmal zu einer Zeit, als der Krieg sich in Bosnien-Herzegowina fortzusetzen begann, bekam ich von einer deutschenWochenzeitung den Auftrag, einen Beitrag über das Profil des Krieg führenden jugoslawischen Personals zu schreiben. Was sind das für Offiziere, die auf Zivilbevölkerung, Städte, Kirchen, Moscheen schießen lassen, ganze Dörfer platt machen und Gegenden entvölkern – muss man sich gefragt haben. Während meiner Jugend war ich vielen Kindern und Jugendlichen begegnet, die aus Offiziersfamilien kamen, und kannte so auch eine Menge Geschichten mit Elementen, die mir als charakteristisch für diese besondere Mentalität erschienen. Aber die Idee, aus solchen erinnerten Erfahrungen so etwas wie ein Täterprofil zu skizzieren, gab ich bald auf. Obwohl es dabei eindeutige Hinweise gab – so war ich mit der Leidenserfahrung einer Schulkameradin vertraut, deren brutaler Vater nach dem Kasernenregiment zu Hause herrschte –, stand keine brauchbare Mentalitätsforschung zusätzlich zur Verfügung, die die eigene Beobachtung hätte untermauern können. Das andere unüberwindbare Problem war, dass es sich bei dieser Gruppe fast ausnahmslos um Serben handelte und eine Generalisierung Gefahr gelaufen wäre, als ethnizistisch einseitig missverstanden zu werden. ...
Rezensionen zu: Michael Stolleis : Der menschenfreundliche Ton. Zwei Dutzend Geschichten von Johann Peter Hebel mit kleinem Kommentar, Insel Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-458-17178-9, 105 Seiten, 14,90 Euro. Michael Stolleis : Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher, Verlag C. H. Beck, München, 2004, ISBN 3-406-51679-3, 88 Seiten, 12 Euro.
Innerhalb der Reihe "GrenzBereiche des Lesens" gehaltener Vortrag. "GrenzBereiche des Lesens" ist eine kulturwissenschaftliche Vortragsreihe, die 2003 und 2004 an der Universität Frankfurt stattfand. In ihrem Beitrag zu Spannungsliteratur und Lesepraxen um 1800 entwirft Ute Dettmar aus kultursoziologischer Perspektive ein Bild von der Vielfalt und Dynamik der kulturellen, literarischen und diskursiven Praxen des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Die Gleichzeitigkeit von ästhetisch-normierender Auseinandersetzung um die Faszination des Schrecklichen, von aufgeklärter Lesekritik und einer unbefangenen bürgerlichen Lese- und Theaterpraxis, die sich nicht an das vorgegebene Maß und die Grenzen eines autonomieästhetisch konstituierten Kunstbegriffs hält, charakterisiert das spannungsreiche Mit- und Gegeneinander dieser Umbruchzeit. Anhand der Lektüre populärer Räuberromane erweist sich, dass Grenzziehungen zwischen hoch- und unterhaltungskulturellen Textverwendungsweisen weder in Hinblick auf Stoffe und Gattungen, noch in Hinblick auf die lesende Öffentlichkeit hier bereits rigide gezogen sind.
Im Jahre 1787 sendet Katharina die Große dem spanischen König Karl III. ein Schreiben, in dem sie darum bittet, dem Hof in Sankt Petersburg sämtliche verfügbaren Materialien bezüglich der Eingeborenensprachen in Amerika zur Verfügung zu stellen. Die Zarin, eine glühende Verfechterin der Wissenschaften und persönliche Freundin Voltaires, beabsichtigte, dieses Material den Gelehrten ihres Hofes für die Erstellung einer vergleichenden Studie über alle bis dato bekannten Sprachen der Welt zu übergeben. Wie Michel Foucault (1974) gezeigt hat, waren die aufgeklärten Europäer jener Zeit überzeugt, die allen sprachlichen Systemen gemeinsamen grammatischen Strukturen entziffern zu können, von denen man annahm, sie stellten die Grundstruktur jeder möglichen Sprache dar. Der Entwurf einer "Allgemeinen Grammatik" setzte die vergleichende Gegenüberstellung verschiedener Sprachen voraus. Hierbei ging es jedoch nicht darum, deren gemeinsamen historischen Ursprung aufzudecken – eine bis zu diesem Zeitpunkt gängige Hypothese (das Hebräische als "Muttersprache" vor der babylonischen Sprachverwirrung) –; Ziel der Untersuchung war es vielmehr, eine universelle, sämtlichen Sprachen zugrunde liegende Sprachstruktur zu Tage zu fördern. Jede Einzelsprache würde demzufolge eine spezifische Ausformung dieser universellen Struktur darstellen. Den Aufklärern am russischen Hof, angeführt von einem Gelehrten namens Pallas, war bekannt, dass die Jesuiten eine ganze Reihe von Werken über die indigenen amerikanischen Sprachen veröffentlicht hatten, und sie baten die Zarin, sie bei der Beschaffung dieses für die Arbeit an ihrem Projekt so wertvollen Materials zu unterstützen. ...
British literature since world war II : a selected bibliography of secundary sources with special reference to drama/theatre and narrative prose (period covered : mid-1940 to 2000). Part I: Integrated alphabetical index. Part II: Specific bibliographies (as to author and subject)
Das Projekt zum Thema - literarisch-essayistische Reisen zu Beginn der 70er Jahre bei Rolf Dieter Brinkmann, Rom, Blicke und Bernward Vesper, Die Reise stellt ein Experiment dar. Es geht um die wissenschaftliche Bestandsaufnahme des Phänomens 1968 und um das Motiv "Resignation". Die Annäherung erfolgt im Teil A auf wissenschaftlicher Basis, die sich im Teil B in eine literarische Herangehensweise wandelt.
Das überlieferte Bild einer unglücklichen Ehe, die Therese und Georg Forster geführt haben, ist korrekturbedürftig. Ihre Ehe ist nicht nur die Geschichte einer gescheiterten Liebe, ihre Ehe ist auch die Geschichte wechselseitiger Anerkennung und einer darauf gründenden außergewöhnlichen Freundschaft. Was 1784/85 als mehr oder weniger konventionelle Paarbeziehung beginnt, verwandelt sich seit 1788/89 zu einer mehr oder weniger offenen Dreierbeziehung mit Ludwig Ferdinand Huber, einem sächsischen Legationsrat, den Therese Forster später heiratet, kurz nach dem frühen, überraschenden Tod ihres Mannes im Januar 1794 in Paris. Als Therese Huber ist die Tochter des berühmten Göttinger Altphilologen Christian Gottlob Heyne in die Literaturgeschichte eingegangen. (Magdalene Heuser, die sich um die Edition und Rezeption Therese Hubers sehr verdient gemacht hat, publiziert deren Briefe – auch die Mädchenbriefe – unter dem Autorennamen Therese Huber. Auch ich werde, wenn ich von der Autorin spreche, Therese Huber sagen: Es ist allerdings nicht immer leicht, den richtigen Namen zu finden. Zum Thema Das literarische Paar. Intertextualität der Geschlechterdiskurse sind Therese und Georg Forster in dreifacher Hinsicht von Interesse: 1) bezüglich der literarischen Produktivität der Ehegatten; 2) wegen der kulturwissenschaftlichen und mentalitätsgeschichtlichen Relevanz ihrer Briefe, wobei das literarisch geprägte Selbstverständnis der Briefschreiberin besonders hervorzuheben ist; und schließlich 3) im Hinblick auf die Asymmetrie der Überlieferung ihrer Korrespondenz, die – erstaunlicherweise – eine auf die Werke hin orientierte Lektüre impliziert.
Bildungsgerechtigkeit beim Erwerb von Lesekompetenz : eine neue "Bestandsaufname Deutschunterricht"
(2004)
Schulstruktur und Gewalt in der Schule : PISA-Ratschlag bei "schuldistanzierten" Jugendlichen
(2004)
Am anderen Ende derWelt, in einem argentinischen Städtchen im Bundesstaat Buenos Aires, versetzten die epochalen Ereignisse in Europa nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den Bürger Dinko Šakić in Entzücken. Fünfzig Jahre nachdem er aus seiner Heimat geflüchtet war, führten die tektonischen Umwälzungen nach dem Ende des Kommunismus und der europäischen Teilung sogar zur staatlichen Verselbständigung seiner einstigen Heimat Kroatien – zu einer jahrzehntelang nicht einmal im Traum denkbaren Entwicklung. Dinko Šakić setzte sich daraufhin öffentlich für seine frühere Heimat ein. Es fiel ihm gar nicht ein, dass ihn seine Vergangenheit einholen könnte. Wahrscheinlich weil er "ein gutes Gewissen" hatte, ein von ihm gern benutzter Ausdruck, oder weil er in der jungen Republik Kroatien eine Art Fortsetzung jenes Staatsgebildes sah, dem er in seiner Jugend "gedient" hatte (auch ein beliebter Ausdruck Šakićs). In der größten lateinamerikanischen Kroatengemeinde in Argentinien gab es wahrscheinlich nichts, was ihn zur Vorsicht hätte mahnen können. Er schien die Öffentlichkeit geradezu gesucht, womöglich sogar eine Anerkennung erwartet zu haben. Bei einem Empfang zu Ehren des kroatischen Präsidenten während dessen Staatsbesuchs in Argentinien wurde Šakić von Journalisten beobachtet, wie er Tudjman nicht von der Seite weichen wollte, was diesen sichtlich irritierte und zu Hause für Empörung sorgte. Šakić, der sich selbst bei mehreren Gelegenheiten als glühenden kroatischen Nationalisten schilderte, weshalb er schon als Jugendlicher Anhänger der Ustascha-Organisation geworden sei, ahnte offensichtlich nicht, dass seine Art der Heimatliebe dort Entsetzen hervorrufen würde. ...
Vom Terror : [Szene aus einer Montage-Fassung des Dramenfragments "Moloch" von Friedrich Hebbel]
(2004)
Szene aus einer Montage-Fassung des Dramenfragments "Moloch" von Friedrich Hebbel. Die Szene steht als Einschub zwischen dem Ersten und Zweiten Akt der Tragödie, als eine Art Interludium. Im Laufe des Stückes wechselt die Perspektive mehrmals zwischen den Schauplätzen Germanischer Wald und Rom, dem Zentrum des Imperiums. Geplant ist eine Aufführung der Gesamtbearbeitung an der Volksbühne Berlin, voraussichtlich Ende 2004.