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Wenn im Folgenden von Masken des Erzählens die Rede sein wird, dann geschieht dies durchaus absichtsvoll mit Blick auf das Verständnis von Maske als Verstellung und als einer Form des Verbergens. Hinter der (Gesichts-)Maske liegt das wahre Gesicht. Die Rhetorik der Maske ist mithin immer schon ein Spiel mit der Figur des wahren Antlitzes und des wahren Blickes, eine Szene des Sehens und des Gesehenwerdens. Als Spielform des literarischen Diskurses ist die Maske ein genuin theatrales Moment. Das lateinische 'persona' meint in diesem Kontext die Maske im Sinne der durch die Schauspieler dargestellten Figuren, die 'dramatis personae'. Im Drama wird die gegenständliche, leblose Maske zur personalen Identität, die durch den Schauspieler buchstäblich Stimme und Leben erhält. Aus dieser Perspektive mag es widersinnig erscheinen, von Masken des Erzählens zu sprechen, zeichnet sich doch gerade das narrative Moment durch die Diegese aus. Die Erzählung als solche bedarf gerade nicht der theatralen Maske als Vermittlungsinstanz. Der Erzähler übernimmt hier die Funktion, die im Drama die Maske einnimmt. Die 'persona' kommt dabei allenfalls in einer uneigentlichen Bedeutung zur Geltung, in der Figuren- oder Personenrede. In der narratologischen Textanalyse ist es üblich, die Form der Rede als dramatischen Modus zu bezeichnen. Insofern schreibt sich dann doch das theatrale Moment der Maske in den narrativen Text ein. Doch nur selten wird die Person als 'persona', die Maske als Maske gelesen. Der folgende Versuch, das Erzählen als ein Modell der Maske zu lesen, ist nicht einer spezifisch narratologischen Perspektive geschuldet, sondern einigen Textbeobachtungen anhand einer Lektüre von John von Düffels Roman 'Houwelandt'. Vergleichend wird außerdem die Schlusssequenz aus Thomas Manns 'Buddenbrooks' in den Blick genommen, in der von Düffels narratives Masken-Spiel schon vorgezeichnet ist.
Exil und Migration : minoritäres Schreiben auf Deutsch im 20. Jahrhundert - von Kafka bis Zaimoglu
(2012)
Die Begriffe 'Exil' und 'Migration' miteinander in Beziehung zu setzen erscheint zugleich zwingend und erklärungsbedürftig. Zwingend ist es aus systematischen Gründen, denn wer freiwillig oder gezwungenermaßen seine Heimat verlässt um ins Exil zu gehen, der wandert aus und wird zum Migranten. Für viele der nach 1933 vor den Nationalsozialisten Geflohenen begann mit der Flucht oder Vertreibung eine fundamental unsichere Zeit des Unterwegsseins, die in dem Maße wie sich der nationalsozialistische Herrschaftsbereich ausdehnte immer neue Ziele und Aufenthaltsorte bedeutete. Fast alle Migrantinnen und Migranten haben nach der Vertreibung, dem Verlust ihres bisherigen Daseins, extrem schwierige Arbeits- und Lebensbedingungen vorgefunden. Den Kunstschaffenden, vor allem den Schriftstellern, fehlte mit einem Schlag das muttersprachliche Umfeld und ein entsprechendes Publikum, was viele in ihrer intellektuellen und wirtschaftlichen Existenz bedrohte.
Das alles ist bekannt. Erklärungswürdig ist die Rede von 'Migration' gegenüber dem in der Forschungstradition häufigeren Begriff 'Emigration'. 'Migration' betont den Prozesscharakter des Auswanderns, was historisch plausibel ist und, darum soll es im Folgenden gehen, neue literaturgeschichtliche und literaturtheoretische Anschlussmöglichkeiten eröffnet. Die Beschäftigung mit den Texten, die unter den schwierigen Bedingungen des Exils entstanden sind, hat in der Nachfolge der Pionierarbeit von Walter A. Berendsohn innerhalb der Germanistik einen eigenständigen Forschungszweig hervorgebracht, dessen Institutionalisierung fortwährend von Methodendiskussionen begleitet worden ist.
Im Roman "Die undankbare Fremde" überschneiden sich zwei narrative Räume, die inhaltlich und graphisch voneinander unterschieden werden: Erstens geht es um die Situation der Protagonistin, die sich mit der Realität der Emigration in einem neuen Land und mit anderen kulturellen Kodierungen auseinandersetzt, zweitens um die von der Protagonistin vermittelten Geschichtsfragmente aus ihrer Dolmetschertätigkeit. Beide Kapiteltypen stellen die Sprache in den Vordergrund. Brežná befasst sich mit der Kommunikation und dem Dialog zwischen den Menschen, mit dem Dolmetschen, das durch die sprachliche Kommunikation ermöglicht wird, aber auch mit dem Schweigen und der Sprachlosigkeit. Die wichtigsten Topoi in Bezug auf die Sprache als Thema sind das Dolmetschen, die sprachlichen Konventionen in der Heimat bzw. dem Gastland und der eigentliche Zustand der Emigration. Die Sprache wird nicht nur zum Instrument der Verständigung, sondern vielmehr zum Symbol der Distanz bzw. der Annäherung und schließlich zum Mittel sowie zum Ort einer neuen Existenz.
Brežnás Werk Die beste aller Welten, das nur 158 Seiten umfasst, erschien 2008 als "Roman". Der Text ist aus 47 kürzeren oder längeren Abschnitten zusammengesetzt, in denen nicht chronologisch und auch nicht inhaltlich unmittelbar zusammenhängend erzählt wird. So entsteht der Eindruck eines mosaik- bzw. fragmentartigen Erzählens, wo erst das Textganze den nicht unkomplizierten inneren Zusammenhang bewusst und verständlich macht. Für Brežná ist diese Erzählform typisch. Es mag mit ihrem journalistischen Hintergrund zusammenhängen, wo es um ein Hin und Her zwischen ausgewählten Fakten der realen Welt und deren intellektueller Reflexion geht und nicht um durchgehend erzählte Fiktion. Worüber sie auch schreibt – es mit ihrem kritischen Geist durchleuchtend und es zugleich immer wieder verblüffend treffsicher poetisch umschreibend -, es hat immer in erster Linie mit ihrer eigenen realen Lebenszeit zu tun.
Die vorliegende Studie versteht sich als eine Einladung zu einer Reise in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Peter Stamm an seinem Erstlingsroman "Agnes" (1998) arbeitete. Es handelt sich zugleich um eine Reise bis in das Mittelalter und die Antike hinein, die uns geographisch und kulturell aus der Schweiz über Österreich nach Skandinavien und Übersee führt. Es wird eine Reise in eine Schriftstellerwerkstatt sein, aus deren Fenstern man in andere Werkstätten aus dem Bereich der Literatur, Musik und Malerei hineinblicken kann. In den Materialien zum Roman, die Peter Stamm im Februar 2012 in erster Linie für Schüler und Lehrer auf seiner Homepage zur Verfügung gestellt hat, ist zu lesen: "Die erste Notiz zu 'Agnes' machte ich mir am 12. Februar 1993. Damals datierte ich die wenigsten meiner Notizen und manche warf ich weg. Etliche mögen noch irgendwo in den Stapeln von Notizbüchern stecken, die ich leider ziemlich unsystematisch führe und aufbewahre. Ich habe keine Zeit, diese alten Papiere durchzusehen und mein Gedächtnis ist leider auch nicht das Beste. Kurz gesagt vieles über die Entstehung von 'Agnes' liegt im Dunkeln" (Stamm 2012a: o. S.). Daher wird unsere Reise eine Reise ins Ungewisse sein, eine virtuelle Reise mit einem Verkehrsmittel namens Textinterpretation. Ihr Ziel ist es, die Entstehungsgeschichte der Namensgebung der weiblichen Protagonistin und des Titels im Hinblick auf intertextuelle und intermediale Bezüge zu behandeln.
Die Loslösung Schweizer Autorinnen und Autoren von dem Thema "Schweiz als Heimat" (vgl. Reinacher 2003) hat neue Textwelten und neue Formen des Umgangs mit Textwelten für die Schweizer Literatur erschlossen. Eine herausragende Position kommt in dieser Hinsicht dem Autor Peter Stamm (Jahrgang 1963) zu. Sein Werk hat (wie der folgende Artikel zu zeigen sucht) sowohl bezüglich des Interesses für nicht schweizerische Schauplätze (z.B. Ungefähre Landschaft), aber auch bezüglich der selbstreflexiven Auseinandersetzung mit dem Funktionieren von Textwelten (z.B. Agnes) neue Wege beschritten.
Der vorliegende Beitrag untersucht die möglichen Auswirkungen der Globalisierung und der Beilegung des Ost-West-Konflikts nach dem "Mauerfall" auf die phantastische Gegenwartsliteratur, insbesondere hinsichtlich der traditionellen Gut-Böse-Dichotomie. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit ein merklicher Komplexitätsanstieg in der Konzeptualisierung der unterschiedlichen Kulturen der Weltgesellschaft seine Spuren in aktuellen Entwicklungstendenzen des phantastischen Genres hinterlassen hat. [...]
So geht es im Folgenden um eine literaturwissenschaftliche Betrachtung der neueren und neuesten literarischen Phantastik, die seit der oben skizzierten Umbruchszeit vielfältige Ausprägungen und Weiterentwicklungen erfahren hat. Während der Prototyp der phantastischen Literatur im 20. Jh., für den J.R.R. Tolkien exemplarisch genannt sei, auf einer deutlichen Dichotomisierung des Guten und des Bösen beruht, sind in den jüngsten phantastischen Romanwerken markante Abweichungen von dem genannten Schema zu beobachten. Die Vermutung liegt nahe, solche neueren Entwicklungstendenzen zu einer Auflösung der traditionellen Gut-Böse-Opposition innerhalb des phantastischen Genres mit den oben skizzierten geopolitischen und mentalitätsgeschichtlichen Veränderungen in Verbindung zu bringen. Die angenommene signifikante Verschiebung im Genrekonzept des Phantastischen soll im Folgenden exemplarisch anhand der Metropolen-Romane von Christoph Marzi, einem produktiven Vertreter der deutschsprachigen phantastischen Literatur, nachvollzogen werden. Anschließend werden die Erkenntnisse mit weiteren Texten der zeitgenössischen Phantastik in Verbindung gebracht, um so die Frage beantworten zu können, ob und inwieweit die gewonnenen Ergebnisse verallgemeinerungsfähig sind und eine deutliche gattungsrelevante Veränderung des Umgangs mit der Relation von "Gut" und "Böse" in der neueren Phantastik zu beobachten ist.
Dimitré Dinev schreibt seit den frühen 1990er Jahren Texte auf Deutsch, dennoch wurde er erst mit seinem Roman "Engelszungen" (2003) einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Mit Bezug auf Pierre Bourdieus Konzept des literarischen Feldes untersucht der folgende Beitrag die Gründe für diesen späten Erfolg, dokumentiert, wie Dimitré Dinev im literarischen Feld aufgenommen wurde und wie er von der Kritik, den LeserInnen, LiteraturwissenschaftlerInnen und anderen Protagonisten im Feld rezipiert wurde und wird. Veränderungen in der Rezeption und damit in der Position/Positionierung im literarischen Feld werden thematisiert. Hinterfragt werden soll, welche Rolle Dinevs (osteuropäische) Herkunft in der Rezeption seiner Texte spielt. Der vorgeschlagene Beitrag setzt sich sowohl mit Dinevs Prosatexten (auch den in Anthologien erschienenen) als auch mit seiner Tätigkeit als Dramatiker auseinander und sieht den Autor zudem als Mittler für bulgarische Literatur im deutschsprachigen Raum.
Ein gemeinsamer Nenner der "transkulturellen Literaturen" ist die Reflexion über die Sprache. Durch diese wird die Frage gestellt nach der Identität sowie nach der individuellen und kollektiven Verantwortung in der Gesellschaft, nach der Beziehung des Sprechers zur Außenwelt, nach der Verständigung des Selbst und des Anderen.
Für Terézia Mora ist die Sprache zugleich Mittel, Objekt und Allegorie dieser vielseitigen Reflexion. Infolgedessen bieten sich auch ihre Texte für eine Analyse auf verschiedenen Ebenen an. Dies reicht von der Mehrsprachigkeit der Autorin – d.h. von ihrer persönlichen Beziehung zu den beiden Sprachen Deutsch und Ungarisch – über die Art und Weise, wie diese Beziehung die stilistischen Entscheidungen im Deutschen als Schreibsprache mit ungarischem Substrat prägt, bis hin zur Betrachtung der Sprache selbst mit ihrem problematischen Charakter.
Der vorliegende Beitrag analysiert die Erzählungen von Maxim Biller aus der Perspektive eines idealen Lesers, der sowohl mit der tschechischen als auch mit der deutschen Sprache und Kultur vertraut ist. Zu einer solchen Lesart regt der hybride Charakter von Namen und Hauptfiguren in Billers auf Deutsch geschriebenen "tschechischen Erzählungen" an. Mit Blick auf Homi Bhabha zeigt der Beitrag, dass und wie der "dritte Raum" außerhalb des tschechischen und/oder deutschen referentiellen Zeitraums konstruiert wird. Der hybride Raum schließt auch eine jüdische Lesart von Billers Figuren ein. Ausgehend von der Unterscheidung von Umberto Eco zwischen dem naiven und kritischen Leser geht man in dem Beitrag davon aus, dass durch den sprachlich und kulturell hybriden dritten Raum ein Modellleser impliziert wird, der die mehrfache Hybridität integriert und als der "dritte Leser" verstanden werden kann.
Jan Faktors zweiter Roman "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" (2010) wird in vorliegendem Artikel als Resultat der kontinuierlichen Entwicklung seines Autors betrachtet und im Diskurs aktueller Tendenzen des Familien- und Erinnerungsromans unter Berücksichtigung seiner transkulturellen Eigenständigkeit gelesen. Es wird aufgezeigt, wie Faktor eine körperlich überzeichnete Adoleszenzgeschichte mit der multikulturellen Disposition einer matriarchalen Familienstruktur zusammenführt, um solcherart nationale Erinnerungsmuster doppelt zu unterlaufen. Auf dieser Basis diskutiert der Artikel erste Forschungsergebnisse und entwickelt weiterführende Fragen und Hypothesen.
Der Beitrag untersucht anhand der Romane "Wie der Soldat das Grammofon repariert" (2006) von Saša Stanišić und "Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder Im Reich des heiligen Hodensack-Bimbams von Prag" (2010) von Jan Faktor die erzählerische Darstellung der jüngsten Geschichte in "Mitteleuropa". Beide Romane dokumentieren wesentliche Phasen vor und nach der Öffnung des "Eisernen Vorhangs": kritische Jahre und Phasen der sozialistischen Tschechoslowakei sowie den kriegerischen Zerfall Jugoslawiens. Außer der Berücksichtigung der erzählerischen Mittel wird – zumal die Autoren nicht in der Muttersprache, sondern auf Deutsch schreiben – die bedeutende Funktion des literarischen Erzählens für ein funktionierendes "Mitteleuropa" betont.
Der Beitrag konzentriert sich auf Identitätskonzepte, die Artur Becker in seinen Romanen "Das Herz von Chopin" und "Wodka und Messer" für eine Migrantenexistenz vorschlägt. Das herkömmliche Modell (Überdruss an der neuen, Sehnsucht nach der verlassenen Heimat) wird von Becker verworfen. Stattdessen entwickelt er das Konzept der Parallelität der Intensität, des gleichzeitigen Einwirkens der Erfahrungen aus verschiedenen Zeitebenen, das weder eine volle Integration noch die Rückkehr möglich macht. Diese Gespaltenheit wird in den Texten poetologisch als Poetik der Verdoppelung inszeniert, wobei die Raumsemantik eine eminente Rolle spielt. Der Zustand der Krise, in der sich die Protagonisten befinden, wird im Beitrag als "vorhybrider Zustand" apostrophiert, wobei das Erreichen einer hybriden Identität von Becker angezweifelt wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine "Interferenzkrise", deren Überwindung zwar vom Autor in Aussicht gestellt, aber gleichzeitig als verdächtiges Idyll desavouiert wird.
Schriftsteller im Spagat : zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von Autoren polnischer Herkunft
(2012)
Im Beitrag wird das Schaffen von drei Autoren polnischer Herkunft – Artur Becker, Dariusz Muszer und Leszek Oświęcimski – skizzenhaft präsentiert, die in den späten 1980er Jahren nach Deutschland migrierten. In ihren Romanen und Erzählungen thematisieren sie die Unmöglichkeit der Rückkehr (Becker), die Erfahrung totaler Fremdheit (Muszer) und Dekonstruktion der nationalen Stereotype (Oświęcimski). Der geschärfte Blick auf das Fremde und das Eigene aus der Perspektive der Migranten im (mentalen, kulturellen, künstlerischen) Spagat zwischen Polen und Deutschland sowie ihre erzählerischen Strategien bilden den Gegenstand des Beitrags.
"Der Ewige Jude im Hamsterrad" : zur Literatur und zum Literaturverständnis von Vladimir Vertlib
(2012)
Der von Vladimir Vertlib in seinem letzten Roman "Schimons Schweigen" (2012) wortwörtlich ins Spiel gebrachte Topos des Ewigen Juden ist als eine motivische Konstante seit seinem Debüt greifbar. Vor dem Hintergrund dieser topischen Tradition fokussiert der Beitrag zum einen die Kernproblematik von Vertlibs Prosa – die Suche nach einer tragfähigen Identität der rastlos Umherirrenden, eine Suche, die stets in einer Sackgasse im Nirgendwo endet. Zum anderen dient der Topos als Folie für die Schilderung Vertlibs ästhetischer Selbstverortung, die ebenfalls durch die Suche nach einem sicheren Zufluchtsort gekennzeichnet ist.
Im vorliegenden Aufsatz geht es um die Frage, inwiefern sich Kategorien postkolonialer Theoriebildung und der Ansatz einer Universalisierung der Holocausterinnerung auf die deutsch-jüdische Gegenwartsliteratur übertragen lassen und welche Probleme mit diesem Theorietransfer und einem Verlust historischer Spezifizierung vor dem Hintergrund der deutsch-jüdischen Geschichte verbunden sind. In einem zweiten Schritt steht die Selbstpositionierung deutsch-jüdischer Autoren im Verhältnis zur Transkulturalität im Vordergrund. Skizziert werden die Position von Vladimir Vertlib, die er in seinen Chamisso-Poetikvorlesungen entfaltet, sowie die literarischen Ansätze von Maxim Biller und Doron Rabinovici.
Melinda Nadj Abonji hat als erste Schweizer Schriftstellerin sowohl den Deutschen wie den Schweizer Buchpreis gewonnen. Der Paradigmenwechsel in Bezug auf einen Umbruch in der bisherigen nationalkulturellen "Meistererzählung", der sich auch in der Schweiz schon länger angekündigt hat, ist damit deutlich eingetreten – und dies, während sich das Land in den letzten Jahren immer mehr vom restlichen Europa abschottet und seine Identität vermehrt in rückwärtsgewandten Kulturwerten sucht. Ausgehend von einer Analyse der narrativen Dramaturgie und des wiederkehrenden Erinnerungsmotivs wird die Verhandlung hybrider Kulturformen in dem Roman untersucht und das mnemografische Feld von "Tauben fliegen auf" – eine Art "dritter Ort" (Bhabha) – beschrieben. Untersucht wird, in welchem Spannungsverhältnis sich Erinnerung und Rekonstruktion zur Konstituierung neuer kultureller und sprachlicher Räume befinden und wie Abgrenzungen und Gegenüberstellungen vollzogen werden, um "Eigenes" oder "Fremdes" zu erkennen oder zu relativieren.
Die vorliegende Studie hat zum Ziel, literarische Konkretisierungen der Transkulturalität in den Prosawerken der deutschsprachigen Autoren rumänischer Herkunft zu untersuchen. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass Homi Bhabhas Konzept des dritten Raums auch als Produkt literarischer Verfremdungsverfahren betrachtet werden kann. Die Materialisierungen solcher Räume lassen sich anhand der untersuchten Romane von Aglaja Veteranyi, Cătălin Dorian Florescu und Carmen Francesca Banciu veranschaulichen. Dabei wird die Transkulturalitätsdynamik innerhalb der dritten Räume dank eines Leidens durch den Heimat- oder Herkunftsort ausgelöst. Dieses seelische Leiden wird durch das literarische Schreiben in körperlichen Schmerz verwandelt, das sich an Erscheinungen wie Krankheit und Missbrauch artikuliert.
The premise of this paper is that there is a special trait which authors writing in German – but having a different mother tongue – have in common: compared to authors whose mother tongue is German, they show a more distinct sensitivity for the peculiarities of language, a more intense preoccupation with language phenomena, and a habit of critically questioning linguistic conventions, i.e. overall they display a greater awareness of language. Using the examples of Libuše Moníková, Jiří Gruša and Michael Stavarič, the paper shows how their German texts become alienated through elements from their mother tongue and how these authors make use of their bilingualism in their creative way of handling the foreign language.
Wir können unter den Vorzeichen des nicht mehr ganz so jungen aktuellen Jahrhunderts von einem "Realismus der Globalisierung" sprechen. Doch scheint der Erzähltext, im speziellen der Roman als Leitmedium von alternativen Weltentwürfen, gegen die Dominanz der visuellen Narrative (z.B. TV-Serien wie "The Wire") im Sinne einer zeitgenössischen Ästhetik des Realen eine seiner letzten Domänen zu verlieren. Welche Rolle kann die Literatur angesichts dieser weit fortgeschrittenen Verschiebung des medialen Feldes noch spielen? Welche Eigenständigkeit kann sie darin behaupten?
Das Ziel einer in zwei Teilen konzipierten Untersuchung soll es sein, diese beiden Fragen am Beispiel der Romane "Alle Tage" (2004) und "Der einzige Mann auf dem Kontinent" (2009) von Terézia Mora exemplarisch und – mit Blick auf die Hauptthese auch experimentell für die Literatur – zu beantworten. Der erste Teil dieser Untersuchung, in welcher der Roman "Alle Tage" im Zentrum steht, liegt hiermit in einer ersten Fassung vor.
"Teil der Lösung" ist der jüngste Roman von Ulrich Peltzer, der 1956 in Krefeld, Nordrhein-Westfalen, geboren wurde und seit den 70er Jahren in Berlin lebt, wo er zwischen 1975 und 1982 Philosophie und Psychologie studierte und seither als freier Schriftsteller arbeitet. Sein Werk wurde mit mehreren Preisen, unter ihnen der Berliner Literaturpreis (1996, 2008), der Anna-Seghers-Preis (1997), der Niederrheinische Literaturpreis (2001) und der Heinrich-Böll-Preis (2011), ausgezeichnet. Peltzers Werke beschäftigen sich oft mit dem urbanen Raum, besonders mit Berlin, und der Roman "Teil der Lösung", der im Jahr 2007 erschien und von mehreren Rezensenten für einen der wichtigsten der Saison gehalten wurde, ist keine Ausnahme (vgl. Auer 2009). In diesem Roman, dessen Handlung im Berlin des beginnenden 21. Jahrhunderts spielt, werden unter anderen Themen die Antiglobalisierungsbewegung, der Streit gegen die Verbreitung der Überwachungsformen im Alltag und der Terrorismus diskutiert. Zu all diesen komplexen Motiven finden wir im Roman verschiedene Perspektiven, die sich gegenseitig bestätigen, ergänzen oder revidieren und den Leser von der Komplexität der behandelten Thematik überzeugen. Auch die für den Titel gewählte Anspielung auf den berühmten Satz von Holger Meins, der 1974 behauptete: "Entweder bist du Teil des Problems oder Teil der Lösung" (vgl. z.B. Merkel 2007), lädt zu einer erneuten Lektüre dieser Stellungnahme im Lichte von neuen politischen, sozialen und ökonomischen Bedingungen ein.
Im Rahmen dieser Arbeit werde ich über die fiktive Konstruktion von „Adoleszenz“ im modernen deutschen und portugiesischen Jugendroman anhand der Analyse der Bücher "Crazy" von Benjamin Lebert und "Rafa e as férias de Verão" von Fátima Pombo reflektieren. Es handelt sich um zwei Jugendromane, deren Hauptfiguren zwei Jungen sind, die in der ersten Person ihre intimsten individuellen Erfahrungen in der Interaktion mit sich selbst, mit den anderen und mit ihrer Umwelt erzählen. So machen die beiden Erzählungen uns nicht nur mit einigen stereotypen Verhaltensweisen Jugendlicher, sondern auch mit bestimmten Eigenschaften bekannt, die jeden der beiden Helden individualisieren und die uns zwei Persönlichkeiten in einem Entwicklungsprozess auf der Suche nach der eigenen Identität zeigen. Anhand einer vergleichenden Analyse einiger Darstellungsformen von Adoleszenz in den zwei obengenannten Büchern werde ich hier darüber reflektieren, wie diese zu der Konstruktion einer Adoleszenzidentität beitragen und inwiefern die Identitätskonstruktion von „Adoleszenz“ in Werken aus verschiedenen kulturellen Welten ähnlich oder unterschiedlich sind.
Nas eleições legislativas de 3 de Outubro de 1999, a Österreichische Volkspartei liderada por Wolfgang Schüssel forma governo com a terceira força partidária do país, a Freiheitliche Partei Österreichs, dirigida pelo controverso governador da Caríntia Jörg Haider que, com os seus discursos de cariz claramente xenófobo, lançou o olhar da Europa sobre a Áustria pelas piores razões. No rescaldo desta coligação, mediante um cenário que, em larga escala, parecia representar um retrocesso no passado, o escritor e ativista político austríaco de origem judaica Doron Rabinovici publica um texto no jornal israelita HaGalil, ao qual dá o curioso título “Doron R. und D. Rabinovici. Der nationale Doppler”. Trata-se, na verdade, de uma espécie de diálogo assumidamente esquizofrénico no qual Doron R., o israelita, interpela D. Rabinovici, o austríaco, e o desafia a repensarem a sua relação [...]. Em 2010, uma década após ter publicado este texto, Rabinovici regressa ao registo literário com Andernorts, romance onde parece retomar esse diálogo. Se, no final da década de noventa, D. Rabinovici, o austríaco, reconhece que se sente simultaneamente parte integrante da cidade de Viena, porém também um estranho, porque, no fundo, o seu país é responsável pela morte de milhões de membros do seu povo, o protagonista do romance aqui em apreço, Ethan Rosen, também ele um israelita que vive em Viena, tece considerações semelhantes, mas desta feita relativamente a Israel: “Er wusste sich zu Hause, fühlte sich so heimisch und fremd zugleich, da ihn die Sehnsucht erfaßte sofort wiederfortzufliegen”. (Rabinovici 2010, 80)