BDSL-Klassifikation: 19.00.00 1990 bis zur Gegenwart >19.13.00 Zu einzelnen Autoren
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (170)
- Part of a Book (84)
- Review (38)
- Part of Periodical (14)
- Report (11)
- Book (4)
- Conference Proceeding (1)
- Other (1)
- Preprint (1)
- Working Paper (1)
Language
- German (288)
- Portuguese (25)
- English (8)
- Turkish (2)
- Multiple languages (1)
- Spanish (1)
Has Fulltext
- yes (325)
Keywords
- Literatur (29)
- Rezension (29)
- Erzähltheorie (21)
- Hoppe, Felicitas (21)
- Interkulturalität (19)
- Roman (17)
- Intertextualität (16)
- Deutsch (14)
- Migrantenliteratur (12)
- Deutschland <DDR> (10)
Institute
- Extern (44)
Der Beitrag widmet sich der Figurenanalyse als Bestandteil der Texterschließung im intersektional ausgerichteten Deutschunterricht und konzipiert ein konkretes methodisches Analyseverfahren, das intersektionale Fragestellungen bei der Figurenanalyse zu erarbeiten und darzustellen vermag. Über eine erste literaturdidaktische Fundierung der Figurenanalyse als Texterschließungsverfahren werden Anknüpfungspunkte zum Intersektionalitätsparadigma aufgezeigt Der Beitrag versteht sich als Vorschlag für eine mögliche kulturtheoretische Fundierung der Figurenanalyse durch das Intersektionalitätsparadigma, welches mit dem Kollektivansatz von Klaus P. Hansen und dessen Fortführung durch Jürgen Bolten zum fuzzy culture-Ansatz in Bezug gesetzt wird. Aus dieser theoretischen Verbindung wird ein konkretes Instrumentarium zur intersektional orientierten Figurenanalyse in literaturdidaktischen Settings entwickelt, das sich durch eine strukturierte visuelle Aufarbeitung intersektionaler Fragestellungen in Bezug auf literarische Figuren auszeichnet. Die folgenden Ausführungen bieten zunächst einen kurzen Überblick über die literarische Figur allgemein und ihre Merkmale sowie die Bedeutung der Figurenanalyse im Deutschunterricht, bevor letztere unter intersektionalen Gesichtspunkten beleuchtet und in ein konkretes Analyseinstrumentarium überführt wird. Dieses wird abschließend an Eleonora Hummels Roman "Die Fische von Berlin" beispielhaft erprobt.
Der Beitrag konzentriert sich auf Identitätskonzepte, die Artur Becker in seinen Romanen "Das Herz von Chopin" und "Wodka und Messer" für eine Migrantenexistenz vorschlägt. Das herkömmliche Modell (Überdruss an der neuen, Sehnsucht nach der verlassenen Heimat) wird von Becker verworfen. Stattdessen entwickelt er das Konzept der Parallelität der Intensität, des gleichzeitigen Einwirkens der Erfahrungen aus verschiedenen Zeitebenen, das weder eine volle Integration noch die Rückkehr möglich macht. Diese Gespaltenheit wird in den Texten poetologisch als Poetik der Verdoppelung inszeniert, wobei die Raumsemantik eine eminente Rolle spielt. Der Zustand der Krise, in der sich die Protagonisten befinden, wird im Beitrag als "vorhybrider Zustand" apostrophiert, wobei das Erreichen einer hybriden Identität von Becker angezweifelt wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine "Interferenzkrise", deren Überwindung zwar vom Autor in Aussicht gestellt, aber gleichzeitig als verdächtiges Idyll desavouiert wird.
Einfach (.) raffiniert : Friedrich Achleitners 'einschlafgeschichten' und 'und oder oder und'
(2019)
In Friedrich Achleitners Miniaturen 'einschlafgeschichten' (2003) und 'und oder oder und' (2006) schlägt sich das Multitalent eines Analytikers, eines genauen Beobachters und eines (neo-)avantgardistischen Künstlers nieder. Die Überschneidungen zwischen dem Beruf eines Architekturtheoretikers und der Rolle des Autors prägen auch die thematische und strukturelle Ebene der Texte. Im Einklang mit der Poetik der Wiener Gruppe ist das Grundelement im Baukasten der Sprache nicht die Metapher, sondern das Wort. Das stark reduzierte Textformat sowie die Ausweitung des Sprachexperimentes auf alle Sprachebenen und deren gezielte Vermischung lassen allerdings den konstruktivistischen Eifer und Ernst der Konkreten Poesie hinter sich.
Die letzte Geschichte des Erzählbands "Die Stadt Ys" trägt nicht nur dessen Titel. Von einigen Unterschieden abgesehen, beginnt sie ebenfalls mit dem Text, der dem Prosaband als Prolog vorhergeht. Er knüpft an die bretonische Sage von der Stadt Ys-Ker an, die das Motiv der versunkenen Stadt variiert.
Die Sage erzählt von einer an der Bucht von Douarnenez in der Normandie gelegenen Stadt Ker-Ys. Sie war einst zu großem Reichtum gelangt, wurde aber wegen verbotener Liebe der Königstochter zum Untergang verurteilt und versank in einer Sturmnacht in den Meeresfluten. Bei Sonnenaufgang soll sie seither als mahnendes Beispiel aus dem Meer ragen, und an klaren, windstillen Tagen wollen Fischer ihre Glocken hören können. Der prologartige Text übernimmt zwar das Motiv des Untergangs und des Wiederauftauchens, jedoch mit der surrealistischen Pointe, dass die Stadt, Paradigma des Festgebaut-Statischen, sich auf Wanderschaft begibt. Formale Entsprechung dieser Paradigmen-Verkehrung ist die Namensinversion. Aus Ker-Ys wird im Prolog Ys-Ker. Titelgebend für den Erzählband ist dann die Reduktion dieses Doppelnamens auf dessen erste Hälfte.
Bernhard Hennens zeitgenössischer Roman "Nebenan" erzählt über einen Zeitraum von einigen Monaten hinweg die Geschichte einer Gruppe von Studenten der Universität zu Köln, die – nach der Öffnung eines Tors in die als "Nebenan" bezeichnete Anderswelt – im Mittelpunkt des Konfliktes zwischen "guten" fantastischen Wesen – Heinzelmännchen, die unter der Universität wohnen, und deren Verbündeten, die die reale Welt vor negativen Einflüssen aus der fantastisch-magischen Sphäre "Nebenans" schützen – und "bösen" fantastischen Wesen wie den aus "Nebenan" nach Köln entrückten Erlkönig und Grafen Cagliostro stehen. Dieser Konflikt kulminiert in einem Krieg in der realen Welt, der von den Studenten gemeinsam mit den Heinzelmännchen und anderen Parteien gewonnen wird, wodurch die reale Welt vor einer Invasion von Wesen – von Drachen bis hin zu Riesen – aus der Anderswelt und deren Machtübernahme bewahrt wird.
Der Roman zeichnet sich unter anderem durch einen mehrfachen parallelen Diskurs aus, der die beiden Ebenen des realen und fantastischen Raumes kontinuierlich miteinander kombiniert. Im Zentrum der narrativen Struktur steht das räumliche und zeitliche Nebeneinander von Fantasie und Realität, deren Ebenen nicht zu trennen sind und die nicht ohne einander existieren können. Der Wegfall der einen Ebene würde den Zusammenbruch der Handlung, der Ästhetik, der tieferen Bedeutung der Fiktion etc. bedeuten – kurzum: Der Wegfall einer Ebene würde dem Wegfall der epischen Relevanz des Textes gleichkommen.
Dieser Paralleldiskurs äußert sich in einem Verschwimmen der Grenzen, denn solche werden im Roman auf primärer Ebene kaum gezogen. So ist beispielsweise der Technisierungsgrad der Heinzelmännchen bemerkenswert, die sich als mahnende Quälgeister mit magischen Fähigkeiten und Gegenständen in die Realität einmischen, wenn esgeboten erscheint – das heißt, dass sich fantastische Wesen ganz unproblematisch, fast "natürlich", realer Technologien bedienen können, und andersherum ist nicht nur die Existenz realen Lebens in der märchenhaften Anderswelt denkbar, sondern eindeutig möglich: Die Studentengruppe rund um den Träumer Till bewegt sich ohne physische Einschränkungen oder dauerhaft Schaden zu nehmen in der völlig anders organisierten und strukturierten Welt von "Nebenan".
Em seu último romance, "Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens" ("Os pavorosos dias do Espantoso Horror"), Roman Ehrlich apresenta a trajetória de um grupo de pessoas que almeja produzir um filme de terror inovador que retrate todos os medos da atualidade. Ao mesmo tempo que não rejeitam a inspiração dos mais diversos filmes do gênero, incluindo o trash, os envolvidos acreditam poder produzir uma obra vanguardista de destacada qualidade artística. Tão claro quanto o futuro fracasso do projeto, está o jogo de vaidades e inseguranças que movimenta o grupo, assim como a completa ausência das pretensas qualidades artísticas. Com base nas teorias de Andreas Huyssen sobre o pós-moderno, Bourdieu sobre o valor da arte, e Boris Groys sobre o novo, este artigo visa discutir como ambições artísticas mal fundamentadas produzem o efeito de vazio trabalhado no romance de Roman Ehrlich.
Utopia ou distopia? : A ansiedade e o vazio em "Schimmernder Dunst über CobyCounty" de Leif Randt
(2014)
Em "Schimmernder Dunst über CobyCounty" (2011), Leif Randt apresenta um condado que seria a mais perfeita representação de uma utopia consumista: localizado à beira-mar, CobyCounty é um lugar de festas abundantes, consumo e bem-estar. O livro, contudo, é narrado por um jovem atormentado pela possibilidade de uma catástrofe que se aproxima, desde que seu melhor amigo abandonou a cidade, ouvindo os conselhos da mãe que se afiliou a uma religião esotérica. Se a perfeição do funcionamento dessa sociedade se aproxima muito de uma utopia, o temor de uma catástrofe anunciada aproxima a obra de uma distopia. Deve-se notar, no entanto, que, ao contrário de utopias e distopias, a obra não apresenta uma força centralizadora de poder – mesmo que a menção ao consumismo e às propagandas seja frequente. Neste artigo, "Schimmernder Dunst über CobyCounty" será apresentado à luz dos estudos da utopia e distopia, enfatizando seus laços com o tempo atual, marcado pela dicotomia entre a sociedade de conforto produzida pelo alto desenvolvimento tecnológico e a necessidade de se evitar os excessos produzidos por essa mesma sociedade em nome de uma possível catástrofe ecológica, anunciada por cientistas e ativistas, mas da qual não se percebe o impacto diretamente.
Experiências migrantes, embora distintas, são geralmente acompanhadas de uma sensação de exílio e ainda que seja comum pensar o exílio como uma condição político-geográfica, na qual o sujeito é ou se vê obrigado a permanecer distante do seu lar e das suas origens, ele pode, na verdade, assumir outras formas. Entre estas, é possível citar o exílio físico - quando o sujeito, independente da sua localização espacial, sente-se exilado em função do seu gênero ou da sua etnia, por exemplo. Outra forma de exílio é o exílio linguístico - quando o sujeito se encontra em uma situação na qual escolhe - ou, por alguma razão, precisa - produzir e se comunicar em uma língua que não a sua primeira. Comum a todas as formas de exílio está a estreita ligação que estabelecem com a noção de hospitalidade e também com a noção de exofonia, que se relaciona à escrita de autores que vêm de todas as partes do mundo e, ao mesmo tempo, não pertencem a lugar nenhum e que são levados a escrever em outras línguas, além da sua primeira. A escrita exofônica evidencia um deslocamento que é sim político e geográfico, mas é ainda ‒ ou ainda mais que isso ‒ linguístico, textual, identitário, inserindo esses autores no que Ottmar Ette (2005) denomina literatura sem morada fixa ['Literatur ohne festen Wohnsitz']. A partir da análise do conto "Ein Gast" ["Um hóspede"] - obra de Yoko Tawada, na qual a protagonista japonesa vivencia uma série de estranhamentos em relação ao outro alemão, evidenciando o caráter central das noções de exílio e hospitalidade -, serão analisadas e discutidas a íntima relação entre essas noções bem como a centralidade do papel que a exofonia desempenha nessa dinâmica. Essa análise será realizada com base as reflexões teóricas de Jacques Derrida e da própria Yoko Tawada, entre outras.
Die Gegenwart des Vergangenen : Stephan Wackwitz’ "Ein unsichtbares Land" als postkolonialer Roman
(2005)
Viele Publikationen jüngeren Datums beschäftigen sich erneut mit der deutschen Vergangenheit, die wieder einmal dem Vergessen entrissen werden soll, jetzt aber aus anderer Perspektive, indem sie nämlich in vielerlei Einzelheiten dokumentiert und so festgehalten werden soll. Zu der Kategorie von Texten, die die deutsche Vergangenheit aus den Brüchen wie der Kontinuität der Familiengeschichte betrachten, verdienen drei besondere Erwähnung: „Am Beispiel meines Bruders“ (2003) von Uwe Timm, das 2004 erschienene „Meines Vaters Land“, die „Geschichte einer deutschen Familie“, von Wibke Bruhns und der im Untertitel als „Familienroman“ bezeichnete Text von Stephan Wackwitz, „Ein unsichtbares Land“. Diese drei Texte stehen im Kräftefeld unterschiedlicher familiärer Beziehungen: zum Bruder bei Timm, zum Vater bei Wibke Bruhns, schließlich im Verhältnis Enkel-Großvater bei Wackwitz. Darüber hinaus geben die drei Werke einen Blick auf die deutsche Familie aus drei unterschiedlichen soziologischen Perspektiven: Bei Bruhns handelt es sich um die großbürgerliche Unternehmerfamilie, Uwe Timm beschreibt eine kleinbürgerliche Familie. Als dritte Variante tritt bei Stephan Wackwitz das Bildungsbürgertum in der Person des evangelischen Pfarrers und seiner Angehörigen auf. Allen dreien ist jenes unbestimmbare ‚echt Deutsche‘ gemeinsam, das auf verhängnisvolle Weise dem faulen Zauber des Nationalsozialismus zum Opfer fallen sollte.
Die Formel vom chinesischen 21. Jahrhundert scheint ihre betörende Wirkung zunehmend auch in der Sphäre der Literatur zu entfalten. Indem deutschsprachige Schriftsteller vermehrt China als literarisches Thema entdecken, bahnt sich nach der wirtschaftlichen nun auch eine kulturelle Globalisierung an.
In ihrem Buch "Verzeichnis einiger Verluste" (2018) experimentiert die 1980 in Greifswald geborene Autorin und Buchgestalterin Judith Schalansky mit einer Reihe unterschiedlicher Schreibweisen und Textsorten, darunter auch, in dem Kapitel "Hafen von Greifswald", mit dem sogenannten Nature Writing, das heißt der nichtfiktionalen, literarisch anspruchsvollen Repräsentation von Natur. Da Schalansky das Verfahren in ihrem Prosastück gleichsam in Reinform vorführt, möchte ich ihren Text zum Anlass nehmen und als Bezugspunkt verwenden, um einige Aspekte des Nature Writings aufzuzeigen und zu diskutieren. Diese betreffen sowohl die formale Bestimmung wie die historische Kontextualisierung naturmimetischer Literatur nach der Romantik. Im ersten Abschnitt werde ich zunächst, noch ohne Bezug auf Schalansky, in groben Zügen die Vorgeschichte des Nature Writings, und zwar mit Blick auf das ästhetische Konzept von Landschaft, skizzieren. Im zweiten Abschnitt beschreibe ich anhand des Beispieltextes zentrale Schreiboperationen, Stilmittel und Vertextungsmuster, die in einem Nature-Writing-Text Naturpräsenz suggerieren. Im dritten Abschnitt möchte ich zeigen, wie sich das initiale Motiv des Nature Writings in Schalanskys Text darin abbildet und verdichtet, dass sich die Verfasserin auf eine bestimmte Weise an die Tradition der romantischen Landschaftsmalerei, verkörpert durch das Werk Caspar David Friedrichs, anschließt und zugleich von dieser abgrenzt. Hierbei rekurriere ich auf den, allerdings mehrdeutigen Begriff der Ekphrasis. Abschließend möchte ich noch kurz auf Einwände eingehen, die gegen das Nature Writing erhoben werden, und Hoffnungen ansprechen, die an das Genre anknüpfen.
In diesem Artikel wird argumentiert, dass sich Kernideen des Afropolitanismus in afrodeutscher Gegenwartslyrik wiederfinden, da die Stimmen in den Gedichten aus einem gesellschaftlich zugewiesenen 'Dazwischen' heraustreten, sich mehrfach verorten und Räume, Zugehörigkeit sowie Heimat neu verhandeln. Durch die Gedichtanalyse werden Bewegungen innerhalb der lyrischen Texte "heimatlos [versuch 984]" von Chantal-Fleur Sandjon, Oluminde Popoolas "travelling" und "Dein Land" von Philipp Khabo Koepsell sichtbar, die auf multiple Selbstverortungen der Stimmen verweisen. Die lyrischen Stimmen in den Gedichten bewegen sich aus einem 'Dazwischen' heraus, einem gesellschaftlich konstruierten Raum, der Afrodeutsche als Außenseiter festschreibt. Die Bewegungen in den lyrischen Texten führen zu Grenzüberschreitungen der Stimmen - starre Vorstellungen von Zugehörigkeit werden herausgefordert. In Hinblick auf den Heimatbegriff stellt sich die Frage, was Heimat und Zugehörigkeit für ein vielfältiges Ich in Bewegung bedeutet, das räumliche Grenzen überschreitet, sich mehrfach verortet und sich nicht mehr klar nur einem Raum zuordnen lässt. In Hinblick auf die Wissenschaften in Deutschland fällt auf, dass der Afropolitanismus bisher noch nicht mit lyrischen Texten afrodeutscher Poet*innen in Verbindung gebracht wurde. Der Artikel leistet somit gleich mehreres: Zum einen wird aufgezeigt, wie sich Kernideen des Afropolitanismus in afrodeutscher Gegenwartslyrik wiederfinden. Afrodeutsche lyrische Texte werden dadurch in den internationalen Afropolitanismus-Diskurs mit eingebracht, zum anderen wird jedoch auch die Germanistik 'internationalisiert'. Der Afropolitanismus wird dabei für eine innovative Analyse der literarischen Texte genutzt, die sowohl Teil Deutschlands als auch der afrikanischen Diaspora und der Welt sind. Marginalisierte literarische Texte rücken somit in das Zentrum der Germanistik und zeigen, dass die afrodeutsche Gegenwartslyrik einen vielfältigen und gesellschaftsrelevanten Forschungsbereich darstellt, der dazu beiträgt, die germanistischen Literaturwissenschaften im Sinne einer 'postkolonialen Germanistik' um bisher wenig sichtbare Stimmen, Perspektiven und Geschichten zu erweitern.
Das Merkmal der Vielstimmigkeit mag für Rühmkorfs auf Rede und Gegenrede angelegtes essayistisches, kritisches und polemisches Schreiben, das sich mitunter als sprechendes Fechten im literarischen Handgemenge zeigt, unstrittig sein; zu Anfang seines lyrischen Schaffens jedoch war für die Lyrik Dialogizität ein mehr als ungewöhnliches Ansinnen; es war geradezu provokant. Denn Lyrik, vornehmlich moderne Lyrik, war festgelegt auf "poetische Monologizität".
Der Beitrag beschäftigt sich im Umriss mit den wenig bekannten Hörspiel-Partituren Ferdinand Kriwets. Damit soll skizzenhaft ein spezifischer Einblick in die eigenartige radiophone Werkstatt des Autors geboten werden, dies mithilfe der bisher nirgendwo veröffentlichten Partiturausschnitte. Das experimentelle Hörspiel sowie auch die Fragen nach dessen Notation gehören im Bereich des literarischen Diskurses, und zwar keineswegs zu Recht, zu den wenig beachteten Forschungsfeldern, zur eigentlichen Peripherie.
Armut erscheint – zumindest seit der Spät-Moderne, die dem 'armen Poeten' der Romantik einen ausdifferenzierten Literatur- und Kulturbetrieb entgegengesetzt hat – in ihrer medialen Repräsentation oftmals als ein defizitärer Zustand: Im Sinne einer quantifizierbaren kapitalistischen Logik wird der Mangel an ökonomischen Kapital als ein generelles Lebensdefizit verbucht, aus dem eine affektive Reaktion des Rezipienten, die von Mitleid bis Abscheu reichen kann, generiert werden kann. Die Konzentration auf das ökonomische Kapital – im Sinne Bourdieus – scheint aber zu kurz gegriffen, da durch die Abblendung des kulturellen und symbolischen Kapitals zwei für die Identitätsbildung eben so bedeutsame Kapitalarten nicht berücksichtigt werden und Lebensentwürfe, die nicht auf eine Konzentration des ökonomischen Kapitals ausgelegt sind und ihren Fokus auf die Generierung des kulturellen oder symbolischen Kapitals setzen, im Sinne der ökonomischen Logik fälschlicherweise als defizitär verbucht werden müssen.
Im Folgenden soll anhand der Texte von Clemens Meyer gezeigt werden, dass Armut nicht nur als ökonomischer Mangel definiert werden kann, der die Lebensentwürfe der Protagonisten bestimmt, sondern auch als Ausweis einer authentischen, avantgardistischen und antibürgerlichen Gegenströmung umcodiert werden kann. Nach einem kontrastierenden Einstieg, der die Erzählung der Armut bzw. des Reichtums in der Literatur ab 1968 und in der Pop-Literatur skizziert, soll ausgehend von der spezifischen 'Ästhetik der Straße' eine Poetologie der Armut und eine Poetologie des Wartens entwickelt werden; Clemens Meyers Erzählung "Warten auf Südamerika" wird hier den Schwerpunkt der Überlegungen darstellen.
Abschließend stellt Solvejg Nitzke in ihrem Aufsatz 'Apokalypse von innen' dar, wie traditionelle Narrative vom Ende der Menschheit in Debatten um das Verhältnis von Mensch und Natur aktualisiert und verschärft werden. Natur wird in diesen Narrativen (wieder) zum Subjekt, das sich gegen die sie bedrohende Menschheit zur Wehr setzt. Diese Umkehrung des (Natur-)Katastrophenbegriffs zurück zu einer intentional agierenden Kraft als ihrer Ursache, stellt die Frage wer die Macht besitzt zu entscheiden, wann und vor allem für wen Gefahr und Zerstörung zur Katastrophe werden.
Der Artikel soll am Beispiel der Autorin Marlene Streeruwitz untersuchen, ob ihre Werke als spezifisch österreichische Literatur nach linguistischen Kriterien zu identifizieren sind. Dabei soll aufgezeigt werden, dass alle sprachlichen Ebenen österreichische Varianten der nationalen Varietäten des Deutschen aufweisen.
Der vorliegende Beitrag analysiert die Erzählungen von Maxim Biller aus der Perspektive eines idealen Lesers, der sowohl mit der tschechischen als auch mit der deutschen Sprache und Kultur vertraut ist. Zu einer solchen Lesart regt der hybride Charakter von Namen und Hauptfiguren in Billers auf Deutsch geschriebenen "tschechischen Erzählungen" an. Mit Blick auf Homi Bhabha zeigt der Beitrag, dass und wie der "dritte Raum" außerhalb des tschechischen und/oder deutschen referentiellen Zeitraums konstruiert wird. Der hybride Raum schließt auch eine jüdische Lesart von Billers Figuren ein. Ausgehend von der Unterscheidung von Umberto Eco zwischen dem naiven und kritischen Leser geht man in dem Beitrag davon aus, dass durch den sprachlich und kulturell hybriden dritten Raum ein Modellleser impliziert wird, der die mehrfache Hybridität integriert und als der "dritte Leser" verstanden werden kann.
Hans Joachim Schädlich ist einer der renommiertesten, literarisch bedeutendsten Autoren aus dem Kreis derer, die seit 1976 die DDR verließen. Er war ein Schriftsteller, den man nicht veröffentlichen ließ, und ein bekennender Demokrat, der alle Vorstellungen seiner Intellektuellen-Kollegen, den "realen Sozialismus" vielleicht doch noch reformieren und zum "wahren Sozialismus" machen zu können, für illusionär hielt. Der Gang der deutschen Dinge seit 1989 hat ihn ohne Einschränkung bestätigt. Zur DDR-Literatur wollte und will Schädlich eigentlich nicht gehören - und muß es doch hinnehmen, wenn er zumindest partiell in Kontexten von DDR-Literatur gesehen und analysiert wird, ohne daß jemand auf die Idee käme, seine Texte mit denen von Hermann Kant und Erik Neutsch, ja, nicht einmal mit denen von Christa Wolf und Volker Braun in eins zu setzen.
Die Loslösung Schweizer Autorinnen und Autoren von dem Thema "Schweiz als Heimat" (vgl. Reinacher 2003) hat neue Textwelten und neue Formen des Umgangs mit Textwelten für die Schweizer Literatur erschlossen. Eine herausragende Position kommt in dieser Hinsicht dem Autor Peter Stamm (Jahrgang 1963) zu. Sein Werk hat (wie der folgende Artikel zu zeigen sucht) sowohl bezüglich des Interesses für nicht schweizerische Schauplätze (z.B. Ungefähre Landschaft), aber auch bezüglich der selbstreflexiven Auseinandersetzung mit dem Funktionieren von Textwelten (z.B. Agnes) neue Wege beschritten.
Utopisch-dystopische Romane der deutschen Gegenwartsliteratur widmen sich vermehrt dem Thema Digitalisierung und damit verbundenen Themenkomplexe, Fragestellungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Besondere Relevanz kommt dabei der Bewertung und Kategorisierung von Individuen auf Basis von Datenanalysen zu, welche das Leben der Figuren bis ins kleinste Detail lenken und prägen. Die vorliegende Arbeit widmet sich zunächst der Frage, wie die Texte soziale Kategorisierungs- und Bewertungsmechanismen innerhalb digitalisierter Gesellschaften darstellen und inwiefern sich hier grundlegende kritische Kommentierungen herauslesen lassen. Zudem soll analysiert werden,inwiefern die Texte diese sozialen Positionierungen auch räumlich realisieren, ausgehend von der These, dass die Texte raumsemantische Strukturen nutzen, um Gefahrenpotenziale für die Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten des Einzelnen herauszustellen. Als theoretische Basis fungieren dabei Michel Foucaults Theorie der Gouvernementalität, sowie die von Gilles Deleuze und Felix Guattari entwickelte Theorie des glatten und gekerbten Raumes. Literarische Beispiele sind den Romanen "Qualityland" (2017) von Marc-Uwe Kling, "Die Hochhausspringerin" (2018) von Julia von Lucadou und "Technophoria" (2020) von Niklas Maak entnommen.
Im Roman "Die undankbare Fremde" überschneiden sich zwei narrative Räume, die inhaltlich und graphisch voneinander unterschieden werden: Erstens geht es um die Situation der Protagonistin, die sich mit der Realität der Emigration in einem neuen Land und mit anderen kulturellen Kodierungen auseinandersetzt, zweitens um die von der Protagonistin vermittelten Geschichtsfragmente aus ihrer Dolmetschertätigkeit. Beide Kapiteltypen stellen die Sprache in den Vordergrund. Brežná befasst sich mit der Kommunikation und dem Dialog zwischen den Menschen, mit dem Dolmetschen, das durch die sprachliche Kommunikation ermöglicht wird, aber auch mit dem Schweigen und der Sprachlosigkeit. Die wichtigsten Topoi in Bezug auf die Sprache als Thema sind das Dolmetschen, die sprachlichen Konventionen in der Heimat bzw. dem Gastland und der eigentliche Zustand der Emigration. Die Sprache wird nicht nur zum Instrument der Verständigung, sondern vielmehr zum Symbol der Distanz bzw. der Annäherung und schließlich zum Mittel sowie zum Ort einer neuen Existenz.
Dea Loher (1964-), dramaturga contemporânea alemã, propõe ao seu leitor/espectador
histórias que retratam a sociedade, conduzindo seu público a uma reflexão acerca de temas
inerentes à realidade na qual eles se encontram inseridos. Através de um estilo próprio e
peculiar, de uma estética que combina elementos vários, Loher retoma o teatro político
enfocando os menos favorecidos, com o objetivo de criar espaços para que seu interlocutor
encontre possibilidades de mudança. A escritora dá vida a personagens que, livres de uma
utopia salvadora, têm a opção da rebeldia ou da resignação até o aniquilamento total, garantindo
uma vertente trágica à escrita da dramaturga. Dea Loher compila histórias diversas que, embora
retratem figuras descaracterizadas e tristes, não as coloca em posição de vítimas, mas enfatizam
as múltiplas perspectivas que as levaram à ação ou ao ostracismo. Uma abordagem que
privilegia as micronarrativas e as relações de poder que as circundam, além de um
questionamento acerca do tênue limite que há entre realidade e ficção.
Obwohl der Autor und Künstler Andreas Neumeister mit zu den bekanntesten deutschen Popliterat*innen zählt, setzt sich dieser Band erstmals umfassend wissenschaftlich mit seinen collagenartigen Texten auseinander. Unter dem 'Deckmantel' des Romans verschmelzen bei Neumeister zahlreiche mediale Versatzstücke zu einem dichten Abbild gesellschaftlicher Gegenwart und stellen die politische Dimension alltäglicher und/oder urbaner Kulissen aus. Seine Texte arbeiten dabei mit popästhetischen Methoden - wie Montagen, Wiederholungen oder Listen -, die die vorliegende Studie definiert und als Analyseschema fruchtbar macht. Dabei nimmt die Autorin auch die Überforderung der Leser*innen durch die dichte, 'anarchische' Romanform Neumeisters in den Blick und entwickelt ein Rezeptionskonzept, das der unkonventionellen Textform adäquat begegnet. Inwiefern sich Städte und Architekturen mittels dieser popästhetischen Poetik darstellen lassen, wird exemplarisch an Neumeisters Text "Könnte Köln sein" (2008) untersucht: Die profunde, aber fragmentarisch inszenierte Auseinandersetzung des Erzählers mit den Bauwerken, die er während seiner Reisen in Städte wie München, Berlin, Moskau, New York und Los Angeles besucht, verschränkt literarische wie architektonische Expertise eng miteinander. Anarchitext zeigt, wie bei Neumeister auf literarischer Ebene Raum geschaffen wird, ohne diesen zu bauen - und folgt dabei dem Begriff der "Anarchitektur" von Gordon Matta-Clark, der eine Verbindung von Anarchie und Architektur bezeichnet.
Zirkusartisten und Varietékünstler, Gaukler und Jahrmarktschausteller galten und gelten bis heute in der literarischen Rezeption nicht als verehrenswerte Künstlerfiguren, sondern fungieren vielmehr durch ihren Status abseits der Norm, den sie gleich im doppelten Sinne innehaben, als literarisches Sujet: Sie verbinden Mobilität und Mittellosigkeit und verweigern sich damit gesellschaftlich normierten Grenzziehungen. Hierin zeigen sie deutliche Überschneidungen mit einer anderen Personengruppe, die in der Literaturwissenschaft in den letzten Jahrzehnten intensiv beforscht worden ist: die der "Zigeuner_innen". Allerdings beschränken sich die Forschungsergebnisse weitestgehend auf Darstellungen von der Frühen Neuzeit bis zur Romantik (Solms 2008; Breger 1998), eine Ausnahme bildet ein Sammelband von Susan Tebbutt (1998), der auch zeitgenössische "Zigeuner"-Repräsentationen mit in seinen Untersuchungsfokus einschließt. Direkte Sekundärliteratur zum Zirkus- und Jahrmarktroman ist dagegen nur vereinzelt zu finden und fokussiert sich in der Regel ebenso auf einen begrenzten Zeitausschnitt, spart also gegenwärtige Repräsentationen des Motivs aus (Bernecker 1990; Jones 1985; Laun 2007). An dieser Stelle sollen nun aber gerade zwei Werke aus der Gegenwartsliteratur näher untersucht werden. Sie unterscheiden sich von literaturgeschichtlich weiter zurückliegenden Schaustellerdarstellungen insofern, als sie weder einen distanziert wertenden Blick von außen wählen noch sich auf den metaphorischen Gehalt der Figur des fahrenden Künstlers beschränken: "Warum das Kind in der Polenta kocht" (1999) aus der Feder der rumänisch-stämmigen Schriftstellerin Aglaja Veteranyi sowie Franco Biondis "Karussellkinder" (2007) sind Schaustellernarrative aus der Binnenperspektive, sie schildern eine Kindheit im Schoß einer Zirkus- bzw. Jahrmarktfamilie am Rande der Normgesellschaft. Obgleich die beiden Texte völlig unterschiedlich erzählen, weisen sie doch frappante Ähnlichkeiten in ihrer Motivwahl auf: Sie hinterfragen tradierte Konzepte von Besitz, Reichtum und Armut sowie sozialer Zugehörigkeit mithilfe einer artifiziellen, hoch ästhetischen Bildsprache und greifen dafür auf interkulturelle Topoi zurück, die im Folgenden aus einer kulturwissenschaftlich-hermeneutischen Perspektive untersucht werden sollen.
Dietmar Dath steht als Autor deutschsprachiger Science Fiction Literatur spätestens seit der Aufnahme von Die Abschaffung der Arten auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2008 im Fokus der germanistischen Forschung. Dieser Beitrag widmet sich einer wiederkehrenden Korrelation in Daths Erzählwerk: Der zwischen einer unzuverlässigen Erzählweise und der Thematisierung von Körpern und Identitäten, die einen Transformationsprozess durchlaufen oder durchlaufen haben. In Daths Romanen schaffen diese Identitäten sowohl fiktionsintern als auch für den Rezipienten immer wieder Irritationsmomente. Das vorliegende Sonderheft versammelt eine Reihe von Überlegungen, die Unschärfe bzw. Irritation als typische Kennzeichen von Metamorphosen und Übergangsphänomenen beschreiben. Diesen Ansatz soll der Beitrag weiterverfolgen und im Zuge einer Analyse von Daths Erzählungen "Pulsarnacht" (2012) und "Feldeváye. Roman der letzten Künste" (2014) auf die aktuelle Debatte über technologische Eingriffe bzw. Manipulationen des humanen Körpers beziehen.
A encenação autoral de Christian Kracht: o caso d' "Os Mortos" de Kracht, de Joyce e de Huston
(2019)
Partimos do pressuposto que os escritores, ao longo da história, sempre se utilizaram de estratégias encenatórias tanto em relação às suas obras como às suas figuras públicas, e de que o fazem não só para se estabelecer no campo literário, mas para o fazê-lo de um modo específico (JÜRGENSEN; KAYSER, 2011; BOURDIEU, 2000). Tendo em vista o último romance de Christian Kracht, "Die Toten" (2016), cujo título pode ser livremente traduzido como "Os Mortos", e as relações intertextuais que podem ser estabelecidas com o conto homônimo de James Joyce (1914) e sua adaptação para o cinema dirigida por John Huston (1987), temos por objetivo investigar de que modo essas relações contribuem para a encenação de Christian Kracht e para seu posicionamento no campo literário.
O objetivo deste artigo é analisar o último romance de Christian Kracht, "Die Toten" ("Os Mortos", 2016), a partir da ótica da encenação textual e autoral, ou seja, examinando o texto em suas configurações linguísticas e relações intertextuais; e o autor em sua presença midiática - através da qual se encena de modo ambíguo e estabelece relações entre sua figura autoral e o personagem principal de sua obra. O conceito de campo literário de Bourdieu (1996) e de paratexto de Genette (1989) oferecem subsídios teóricos para a abordagem feita. Percebe-se que Kracht, em "Die Toten", utiliza várias estratégias para refletir sobre a própria obra.
Durs Grünbein’s cycle of poems “Nach den Satieren” is a tense combination of Roman satire and modern urban poetry. One hears a wise moralist who presents himself as a part of the insane visionary of the evil, which he accuses. Grünbein’s satirist persona is a hybrid: half moralist and half flaneur.
Publicada em alemão no ano de 2000, a coletânea "Post Bellum" de Dragica Rajčić trata das memórias da guerra nos Bálcãs e do princípio de alteridade experimentado pela voz lírica. Este artigo tem por objetivo discutir três poemas dessa coletânea: "suisse like home", "Hunderste gedicht ohne trenen" e "Ein Haus, nirgends". Com foco na figuração da casa, o artigo inicia com uma discussão teórica do conceito de casa e passa a discutir os poemas e as imagens da casa, com interesse, sobretudo, na questão do pertencimento.
Feridun Zaimoglu é um dos principais autores de língua alemã que introduzem a história e as experiências dos imigrantes e seus antepassados em seus textos literários. O romance Leyla, publicado em 2006, é um exemplo paradigmático disso, pois seu universo ficcional apresenta uma configuração temporal que antecede a chegada da protagonista turca à Alemanha. O presente artigo tem por objetivo discutir o romance em dois aspectos: a gênese da voz em espaços com desequilíbrio de poder e por outro lado a gênese da imagem do outro no universo pessoal dos personagens
Denkmäler sind eigentlich Manifestationen des kulturellen Gedächtnisses, das immer auch ein kollektives Gedächtnis ist. Gerz versucht hingegen in seinen unsichtbaren Mahnmalen, Orte des individuellen Gedächtnisses zu schaffen. Gegen die traditionellen Denkmäler mit ihrer positiven Materialität stellt Gerz seine Mahnmale, die, in Harburg und im Berliner Projekt, den Besucher zum Mitautor machen und, in Harburg und Saarbrücken, genau in dem Moment unsichtbar werden, wenn die Besucher sich nicht mehr selber mit ihrer Unterschrift am Denkmal beteiligen können.
Während "Der blaue Himmel" (1994) in der traditionellen Form des Imperfekt, der raunenden Beschwörung der Vergangenheit, erzählt wird, erscheint "Die graue Erde" (1999), als sei sie eine Zeitstufe weiter, in der Gegenwart. Tatsächlich hat sich das am Ende des Blauen Himmels bockende Kind weiterentwickelt zu einem Neunjährigen; es ist jetzt ein Schamanenkind mit ungeahnten Kräften und Fähigkeiten. Der frühere Roman, der "Meiner Großmutter – der wärmenden Sonne am Anfang meines Lebens" gewidmet ist, gipfelt in der Verfluchung eben des blauen Himmels, "Gök deeri", der ohnmächtigist angesichts des an Gift elend zu Grunde gehenden Hundes Arsylang. Für den Jungen sind Traum und Wirklichkeit noch kaum trennbar. Auch der Schüler hat damit noch Mühe, doch nimmt dieTrennschärfe zu. "Die graue Erde" setzt die Lebensgeschichte fort. Es ist nicht Autobiografie, sondern es sind folgerichtig Romane, deren poetologische Differenz eigene Einheiten bildet, abgeschlossene Werke, die zu ihrem Verstehen ein eigenes Innenleben entfalten. Und dieser Roman ist nun nicht der Großmutter, sondern dem Bruder gewidmet: "Für Dshokonaj, meinen Bruder und Lehrer, der wohl gehen musste, damit ich blieb." Mit seinem Ende schließt auch der Roman. Es sind Lebensstationen einer Nomadensaga, die allerdings über das Aufeinanderstoßen verschiedener Kulturen hinaus zugleich die Prallzone einer gewaltigen Umstrukturierung abzubilden verspricht, diesen "Schwanengesang" des gehenden, nicht untergehenden, aber sich verändernden Volkes. Soweit die Dichter und Sänger solche Umbrüche reflektieren und gestalten, so weit ist auch Galsan Tschinag der Sänger der in die Moderne hineinwachsenden Tuwa – auch wenn das so in den beiden ersten damit befassten Romanen nur erst in Ansätzen sichtbar wird.
1932 erscheint Clemens Lugowskis Arbeit über die Romane Jörg Wickrams, in der er die Spezifika des vormodernen Romans herausarbeitet: er ist nach Lugowski durch eine sogenannte "Motivation von hinten" charakterisiert, die über die sich in Kausalketten vollziehende "Motivation von vorne" dominiert. Was sich im Vordergrund der Handlung innerhalb der Zeit ereignet und auf ein vorherbestimmtes Resultat zuläuft, wird weniger aus den Ereignisketten selbst als aus der im Hintergrund wirkenden göttlichen Vorsehung entwickelt [...] Es liegt nahe zu fragen, inwiefern sich der Ansatz von Martinez von der Theorie phantastischer Literatur unterscheidet, die ja (etwa nach Tzvetan Todorov) mit dem Moment der Unschlüssigkeit des Lesers, ob er die Ereignisfolge der innerliterarischen Realität oder aber den Vorstellungen eines Protagonisten zurechnen soll, eine ganz ähnlich strukturierte "doppelte Welt" wie auch Martinez behauptet. Den knappen Erläuterungen zufolge ist der Begriff der "doppelten Welten" insofern enger als der der phantastischen Literatur, als er "mit der paradoxen Koexistenz von kausaler und finaler Motivation nur einen speziellen Fall übernatürlichen Geschehens darstellt"; er ist aber andererseits auch weiter, insofern "die finale Motivation der doppelten Welt nicht notwendig als übernatürlich markiert sein muß".
In den letzten Jahrzehnten haben Deutschlands Teilung und die darauf folgende Wiedervereinigung die Art und Weise beeinflusst, wie die Geschichte des Landes verstanden wird, wobei östlich und westlich geprägte Erzählungen zu einer neuen Geschichtsschreibung verschmolzen. Die verschiedenen Sichtweisen auf das Leben und den Tod der jüdisch-deutschen Kommunistin Olga Benario, der Lebensgefährtin des brasilianischen Freiheitskämpfers Luis Carlos Prestes, dienen der deutschen Autorin Dea Loher in diesem Zusammenhang als aussagekräftige Fallstudie. In ihrem Theaterstück Olgas Raum (1994) werden die leeren Wände der Bühne genutzt, um auf ihnen Geschichte, Geschichten und Mythen zu projizieren, bevor die Figuren durch ihre eigenen tragischen Fehler diese Entwürfe dekonstruieren. Dabei werden die Konstruktionsmechanismen, die hinter der Entstehung von Geschichte und Geschichten liegen, enthüllt. Das Publikum wird so in eine aktive Rezipientenrolle gedrängt, nicht zuletzt wenn es mit dem leeren Raum, den Olga und die anderen Akteure nach einander verlassen, alleingelassen wird. Eine Flucht in den Mythos ist nicht mehr möglich in Anbetracht der Erkenntnis, dass Gewalt und allgemeine Fehlbarkeit zutiefst menschlich sind.
Uwe Timms Erzählung ist die Novelle einer Novelle, analog zu den in der Neuzeit zahlreichen Ansätzen zu Romanen eines Romans. Die gattungspoetologische Selbstreflexivität wird in der Verschachtelung der Sujets von Rahmen- und Binnenhandlung ausdrücklich verbalisiert. Mittels intertextueller literarischer Referenzen wird sie direkt evident, indem in einem Kreuzworträtsel, das der "gefangene" Bremer zum Zeitvertreib löst, die Frage nach einer griechischen Zauberin mit fünf Buchstaben ("Kirke") und die nach einer literarischen Gattung mit märchenhaften sieben Buchstaben ("Novelle") gestellt wird. Die logogriphische Siebenzahl verweist auf Kirkes Komplementärfigur "Kalypso" bei Homer, innertextuell auf die "vermittelnde" Protagonistin Lena "Brücker" bei Timm; metatextuell figuriert sie die gattungspoetologisch gestellte und aufgelöste Rätselfigur als gleitende Übergänglichkeit von "Novelle" und "Märchen".
Felicitas Hoppes fiktionale Biografie 'Hoppe' (2012) soll [...] im Folgenden als Text vorgestellt werden, der das Spiel mit gesellschaftlichen und literarischen frames zu einem zentralen Gestaltungselement erhebt [...]. Die Kompromittierungen sozialer Erwartungsrahmen gegenüber Autorschaft und Autorperson, literarischer Fiktionalität und außerliterarischer Realität sowie zwischen Roman und Biografie lassen sich dabei als 'Sprünge' zwischen verschiedenen 'Rahmungen' beschreiben. Die zentrale Frage, ob moderne Ästhetik Einfluss auf die 'wirkliche Welt' nehmen kann, beantwortet Hoppe somit einerseits durch eine Art Rückeroberung und Wiederverrätselung der allzu 'öffentlich' gewordenen Autorinstanz und -biografie und andererseits durch ein Lektüreangebot, das den Leser in produktive Distanz zu gängigen Rahmungen setzen soll. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Formen der literarischen Selbstthematisierung. Zunächst sollen zu diesem Ziel einige Aspekte der Goffman'schen Soziologie kurz rekapituliert werden.
Der Fokus der Studie liegt auf der Analyse des Fiktionalitätsstatus von Erzählwerken in der literaturwissenschaftlichen Praxis. Im Zentrum steht die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Fiktionalität, der Vorstellungskraft und dem Handeln von Autorinnen und Autoren sowie Leserinnen und Lesern. Dabei wird eine wechselseitige Erhellung zweier Fragen unternommen: Was ist Fiktionalität und Nichtfiktionalität? Und: Welchen Fiktionalitätsstatus haben Max Frischs "Montauk" (1975) und Lukas Bärfuss' "Koala" (2014)? So werden Vorschläge erarbeitet und auf die Probe gestellt: eine literaturwissenschaftlich operationalisierte Definition von Fiktionalität und Nichtfiktionalität einerseits - eine Klassifikation der notorisch umstrittenen Fälle "Montauk" und "Koala" andererseits.
Der sensationelle internationale Erfolg von Bernhard Schlinks Roman 'Der Vorleser', der im fünften Jahr der deutschen Einheit erschien, wird in der kritischen Rezeption des Werks selten nachdrücklich der skandalösen und leicht schlüpfrigen Liebesgeschichte zugeschrieben, die im Mittelpunkt des Buchs steht. Dennoch scheinen, wie William Donohue bemerkt hat, Leser die pubertäre Liebesaffäre zwischen dem fünfzehnjährigen Jungen Michael Berg und der sechsunddreißigjährigen Hanna "einfach zu lieben". Wenige haben sich in der Folge mit der eng damit verbundenen Frage auseinandergesetzt, was eine Liebesgeschichte dieser Art in einem durchaus ernst zu nehmenden Werk der Holocaustliteratur zu suchen hat. War die Rezeption der ersten Jahre sowohl im englisch- wie deutschsprachigen Raum durch eine seriöse Behandlung der Thematik der Schuld, beziehungsweise der entschuldigenden Darstellung von Hannas Schuld und des Problems des Analphabetismus gekennzeichnet, so haben sich bislang die Liebeserzählung und ihre Verbindung zum restlichen Geschehen einer nachhaltigen kritischen Behandlung entzogen. Die beißende Kritik etwa von Jeremy Adler, der in der Ausgabe vom 22. März 2002 des 'Times Literary Supplement' den Roman als Beispiel für "Kulturpornographie" abgetan hat, und in Deutschland das verdammende Urteil von Willi Winkler in der 'Süddeutschen Zeitung', der den Roman als "Holo-Kitsch" bezeichnet hat, haben an der positiven Resonanz des Werks erstaunlich wenig ändern können.
Ende der 90er Jahre diskutiert die germanistische Literaturwissenschaft über eine "neue deutsche Popliteratur". Der Autor Christian Kracht wird als ein Begründer dieser literarischen Strömung gesehen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit Krachts Romanen "Faserland" (1995) und "1979" (2001). Während "Faserland" oft als Prototyp der Popliteratur angesehen wird, scheint "1979" eher einen Ausstieg aus diesem noch schwer zu definierenden Genre anzudeuten. Beide Romane werden in diesem Beitrag interpretiert und hinsichtlich ihrer popliterarischen Elemente diskutiert.
Im Folgenden soll daher, mit Schwerpunkt auf dem Roman 'Paradiese, Übersee', die Struktur von Hoppes Texten vor dem Hintergrund ihrer literaturhistorischen Kontexte aufgeschlüsselt werden. Diese, von der Kritik als irritierend wahrgenommene Struktur basiert auf der Abkehr von üblichen chronologischen und kausallogischen Ordnungsschemata und der gleichzeitigen Hinwendung zu einer Erzählstruktur, die ihren Sinn über variierende Verbindungen einzelner Elemente generiert. In der vorliegenden Untersuchung wird dieses Narrationsschema auf seine historischen Vorbilder hin untersucht, um das schöpferisch 'Neue', die innovative Formensprache des Hoppe'schen Erzählens fassbar zu machen.
The representation of music in literature is often conceived in terms of a 'paragone', a debate over which of the arts ranks highest. In this context, literature is commonly spoken of as imitative or emulative of the music it is trying to represent. This premise informs even the most recent terminologies of literary scholars describing the intermedial relationship of music and literature systematically. Using the narratological concepts of 'showing vs. telling' to describe musical representation in literature, as proposed by the "Handbuch Literatur & Musik", this article argues that such a view is based on a misleading assumption about literary imitation and leads to constrained possibilities of hermeneutical interpretation. After a systematic reconstruction of the proposed terminology and a proposal for its modification, an exemplary analysis of Helmut Krausser's novel "Melodien" ["Melodies", 1993] will serve to demonstrate how a refined conception of the terminology can help to bring about more precise interpretations.
Die Reihe wurde im Rahmen des Forschungsprojekts TIMA Transtextuality, Intermediality and Metafictionality in Peter Stamms „Agnes“ von der SCIEX-NMS.CH möglich gemacht, einem Programm für die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und den neuen Mitgliedstaaten der EU.ndet.
Die Slowakei und die Schweiz – zwei in der Mitte Europas gelegene Staaten, deren Geschichte und gegenwärtige Situation so gut wie keine Gemeinsamkeiten aufzuweisen scheinen. Für die deutschsprachige Schweizer Gegenwartsliteratur sind die Interkulturalität und die Transkulturalität typisch. Literarisch gesehen ergeben sich so überraschende Verbindungen, wie die Veranstaltungsreihe zu zeigen vermochte, die am 18. 9. und 20. 9. 2012 an der Universität Fribourg/CH stattfand.
Ekel wird im breiten Sinne als eine Abwehrreaktion, eine Ablehnung definiert. Das Ekelgefühl ist jedem Menschen angeboren und Disziplinen, wie die Psychologie und die Anthropologie, einigen sich darüber, dass Ekel ein menschliches Gefühl ist. Obwohl Ekel eine bedeutende Komponente des Gefühlslebens darstellt, ist die Forschung in diesem Bereich äußerst gering. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Gründen sowie den Folgen des Ekels auf Grundlage der Erzählung "Mit Messer und Gabel" von Doris Dörrie. In komprimierter Form thematisiert der Text die vier Sinne – Geräusch, Geruch, Tastsinn und Sehsinn –, die mit Ekel verbunden sind, und stellt deren Auswirkung dar. Im Hintergrund dieser Überlegungen beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit folgenden Fragen: Wie wird Ekel von Doris Dörrie dargestellt? Wie versucht die Protagonistin der Erzählung das Ekelempfinden zu bewältigen? Was sind weitere Gefühlszustande, die der Ekel bei der Protagonistin evoziert? Methodisch lehnt sich die Arbeit an die Phänomenologie an. In seinem Werk "Ekel. Hochmut, Haß. Zur Phänomenologie feindlicher Gefühle" beschäftigt sich Aurel Kolnai ausschließlich mit Ekel und vergleicht diesen mit anderen feindlichen Gefühlen. Für eine ausführliche Analyse der Erzählung sollen Kolnais Überlegungen und Differenzierungen zu Ekel und anderen antagonistischen Gefühle herangezogen werden.
Wer im 21. Jahrhundert von 'Epos' spricht, meint selten die Gattung im Sinne eines ausgreifenden Erzählentwurfs in Versform, als vielmehr das, was von ihr übrigblieb: die 'epische Breite'. Allerdings ist das einst gattungskonstitutive und heute meist alltagssprachlich gebrauchte Kriterium der epischen Breite längst gegen die erzählende Großform im Einsatz: Allzu ausladend und weitschweifig, stünden Anliegen und Thema - so der Vorwurf - in einem Missverhältnis zu Ausführung und Umfang. Ein solches Missverhältnis kann für Raoul Schrotts "Erste Erde. Epos" sicher nicht gelten, erzählt der Autor hier doch auf 846 Seiten und in sieben Büchern plus Anhang von nichts Geringerem als der Genesis des Universums auf der Grundlage moderner Naturerkenntnis, Astrophysik und Kosmologie. Mit der Frage nach dem Anfang schließt Schrott auf kühne Weise an das Epos als Weltgenre par excellence an, das laut Hegel nicht nur 'das Ganze der Welt', der Natur und des Kosmos darzustellen suchte, sondern diese Totalität zuallererst zu erschaffen beanspruchte, um den Einzelnen und das Persönliche in das große Ganze einzuhegen.
Básnictví Kurta Drawerta je neustálé zúčtovávání s epochou totalitarismu a se zotročením člověka socialistickým státem. Spisovatel jako očitý svědek východoněmecké situace pečlivě zaznamenává skutečnosti a snaţí se představit poměry panující v DDR. Mechanismy fungování socialistického státu líčí Drawert v románu 'Spiegelland. Ein deutscher Monolog' na příkladu své vlastní rodiny. V našem příspěvku se pokoušíme důkladně ukázat translatologické problémy při reprodukci jazyka a emocí v Drawertových textech do polštiny. Naše pozorování vyplývají z naší práce na německo-polském vydání textů Kurta Drawerta ve městě Częstochowa pod názvem 'Monolog Niemca'.
Laborsituationen, Sinnbewegungen : Poetologie des Experiments bei Ann Cotten und Oswald Egger
(2019)
Der Beitrag ist eine Annäherung an die Poetologie des Experiments im Werk von Ann Cotten und Oswald Egger. Drei Aspekte der Poetologie - Definition von Dichtung, Anschaulichkeit des Gedichteten, Ich-Verdichtung – stehen dabei im Vordergrund; die Analyse wird durch Bezüge zu poetologischen Aussagen von Ernst Jandl, Monika Rinck und Ferdinand Schmatz begleitet.
Selbstverständlich wird für die Verwirklichung der posthumanen Welt vorausgesetzt, dass der humanistisch-anthropozentrische Menschenbegriff bzw. seine Geschichte zu einem Ende gelangt sind. Denn die Idee des Posthumanen beinhaltet im wörtlichen Sinne eine Vorstellung des Menschen, der nach dem humanistischen Menschen kommt. Daher muss der posthumane Diskurs nicht im Kontext der apokalyptischen Weltanschauung als das Verschwinden der Menschheit oder als eine 'Auslöschungsfantasie' betrachtet werden, sondern in der kommenden historischen Phase als ein neues Ethos, wodurch man den neuen Menschen definieren kann.
Diese Ansicht wird im dritten Roman von Christian Kracht, Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten (2008), verdeutlicht: Der Roman wurde seit seinem Erscheinen zwar hauptsächlich als ein dystopischer Roman, eine Geschichte von der Endzeit aller Zivilisation gelesen, kann aber ebenso dahingehend verstanden werden, dass das Verschwinden der humanistischen Welt, die in Europa entwickelt worden ist, die Voraussetzung für den Anbruch eines neuen Zeitalters bzw. Menschen bildet. Im Folgenden werde ich mich zuerst den neuen Menschenbildern, die mit der Technik verbessert und zusammengeschlossen werden, annähern und einen Überblick über verschiedene Ausprägungen des Posthumanismus geben.
"So rezensieren ist viel schwerer als man - das heißt als ich - es gedacht habe", heißt es im Brief Fanny Lewalds an Adolf Stahr vom 15. Februar 1849 aus Berlin nach Oldenburg, wobei sie sich auf ihre Beschäftigung mit Bettina von Arnims, ihrer Berliner guten Bekannten, Briefroman "Ilius Pamphilius und die Ambrosia" bezieht und munter gegen die Geisteswissenschaft zu Felde zieht: "Mir, die eigentlich so plastisch produktiv ist, dass aus jeder Rezension bei mir eine Novelle wird, wenn ich mich nicht in Acht nehme, mir kann es gewiss nur eine nützliche Übung sein, weil es zu konkretem Denken zwingt. Sieh, solchen physischen Ekel habe ich vor Philosophie als Wissenschaft und vor ihrer Schulsprache, dass - ich gebe Dir mein Wort darauf - mir die Haut schauert bei dem preziösen Wort 'konkretes Denken'." (S. 498) Eine gesprächige, keineswegs redselige Schreiberin äußert sich hier beim Bericht über ihr Tagewerk en passant zum Lobe einer nützlichen "Übung" von Buchbesprechungen, die hoffentlich als Echo auf die literarische Produktivität im feuilletonistischen wie akademischen Raum auch in Zukunft zum Wohle einer breiten Information und als kritische Reaktion auf die Produktivität des Buchmarktes noch vielen zugutekommen möge.
Den 668 Seiten des ersten, vom Rezensenten ebenso dankbar wie anerkennend besprochenen Bandes des Briefwechsels von 1846/47 zwischen Fanny Lewald und Adolf Stahr aus dem Jahre 20141 ist der zweite Band für die wahrlich brisanten Jahre 1848/49 just 2015 auf dem Fuße gefolgt. Auch dieser soll hier freudig begrüßt und anteilnehmend bedacht sein
Wir können unter den Vorzeichen des nicht mehr ganz so jungen aktuellen Jahrhunderts von einem "Realismus der Globalisierung" sprechen. Doch scheint der Erzähltext, im speziellen der Roman als Leitmedium von alternativen Weltentwürfen, gegen die Dominanz der visuellen Narrative (z.B. TV-Serien wie "The Wire") im Sinne einer zeitgenössischen Ästhetik des Realen eine seiner letzten Domänen zu verlieren. Welche Rolle kann die Literatur angesichts dieser weit fortgeschrittenen Verschiebung des medialen Feldes noch spielen? Welche Eigenständigkeit kann sie darin behaupten?
Das Ziel einer in zwei Teilen konzipierten Untersuchung soll es sein, diese beiden Fragen am Beispiel der Romane "Alle Tage" (2004) und "Der einzige Mann auf dem Kontinent" (2009) von Terézia Mora exemplarisch und – mit Blick auf die Hauptthese auch experimentell für die Literatur – zu beantworten. Der erste Teil dieser Untersuchung, in welcher der Roman "Alle Tage" im Zentrum steht, liegt hiermit in einer ersten Fassung vor.
Brežnás Werk Die beste aller Welten, das nur 158 Seiten umfasst, erschien 2008 als "Roman". Der Text ist aus 47 kürzeren oder längeren Abschnitten zusammengesetzt, in denen nicht chronologisch und auch nicht inhaltlich unmittelbar zusammenhängend erzählt wird. So entsteht der Eindruck eines mosaik- bzw. fragmentartigen Erzählens, wo erst das Textganze den nicht unkomplizierten inneren Zusammenhang bewusst und verständlich macht. Für Brežná ist diese Erzählform typisch. Es mag mit ihrem journalistischen Hintergrund zusammenhängen, wo es um ein Hin und Her zwischen ausgewählten Fakten der realen Welt und deren intellektueller Reflexion geht und nicht um durchgehend erzählte Fiktion. Worüber sie auch schreibt – es mit ihrem kritischen Geist durchleuchtend und es zugleich immer wieder verblüffend treffsicher poetisch umschreibend -, es hat immer in erster Linie mit ihrer eigenen realen Lebenszeit zu tun.
Este artigo reavalia a fase literária pop do escritor suíço Christian Kracht em relação aos seus últimos dois romances históricos. A superfície, ou até a superficialidade, talvez explique a ênfase da literatura pop dos anos 1990 em labels, servindo apenas como enumeração de elementos concretos, sem jamais entrar no abstrato. Argumentamos, quando nos referimos a Christian Kracht, que ele abandona tais tendências com seus últimos dois romances, "Imperium", de 2012, e "Os mortos", de 2017, sem, entretanto, renunciar à ambivalência entre o superficial e o profundo, pois ele foge habilmente de qualquer posição unívoca, tanto na forma narrativa em seus romances, quanto na forma extraliterária em entrevistas ou informações biográficas. Em virtude disso, há incertezas e ambiguidades quanto a um suposto "núcleo" autêntico ou verdadeiro de sua obra, sendo impossível distinguir claramente entre a teatralidade ficcional e a não-ficcional.
O artigo objetiva abordar o romance "Imperium" de Christian Kracht (2012) dentro da longa tradição estética de autoencenações de escritores e artistas em geral. No caso de Kracht, isso é feito inicialmente a partir do próprio texto narrativo como encenação literária em todas as suas facetas e, em seguida, a partir de suas desconcertantes aparições mediáticas, em que seus escritos literários, já de per si dúbios, são rearranjados, questionados ou enriquecidos. Geram-se assim incertezas, ambiguidades e desfigurações que são a marca registrada de Kracht no universo literário atual.
Als Forschungsfeld der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft ist die Karibik aufgrund ihrer Sprach- und Kulturvielfalt eigentlich prädestiniert, doch wird sie aus komparatistischer Perspektive eher stiefmütterlich behandelt. Je nach Sprachraum scheint sie dagegen entweder aus anglistisch-amerikanistischer oder romanistischer Perspektive eingenommen zu werden. Komparatistische innerarchipelische als auch transatlantische Studien, die auch nicht-romanischsprachige Literaturen berücksichtigen, sind im Vergleich zu einzelphilologischen Studien rar. [...] In Europa zu verortende Autor*innen verhandeln Transkulturationsprozesse nicht nur in fiktionalen, sondern - wie ihre karibischen Kolleg*innen - auch in poetologischen Texten, in denen sie sich mit transkulturellen Prozessen als kaum zu ignorierende Voraussetzung für ihr Schreiben beschäftigen, über diese transkulturelle Prozesse reflektieren und eine transkulturelle Schreibweise als Konsequenz diagnostizieren. Tatsächlich lässt sich eine Tendenz zu einer poetologischen Reflexion über transkulturelle Phänomene als auch transkulturelle Schreibweisen bei europäischen Autor*innen erkennen. Fraglich ist vor diesem Hintergrund also, ob Europa von karibischen Ideen zur Transkulturalität profitieren kann. Damit werden die europäisch-karibischen Beziehungen aus einer neuen Perspektive beleuchtet: Nicht der Einfluss europäischer Literatur auf die karibische steht im Sinne eines postkolonialen 'writing back' im Mittelpunkt, sondern die Karibik wird zum Modell für Reflexionen über europäische (literarische) Transkulturationsprozesse. Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit karibische Poetiken - und gemeint sind damit vor allem poetologische Reflexionen in Form von Manifesten, aber auch Schreibweisen - nicht nur als Modell für eine transkulturelle Poetik in Europa fungieren können, sondern inwieweit transkulturelle Poetiken als neue weltweit aktuelle und über ein neues Weltbewusstsein reflektierende Poetik - als Weltpoetik - betrachtet werden können. Diese Fragen können im Folgenden noch nicht beantwortet werden, vielmehr skizziert der Beitrag einem Problemaufriss. In einem ersten Schritt möchte ich verdeutlichen, inwieweit sich in theoretischen Ansätzen zur Transkulturalität, vor allem den neueren Studien zur Postmigration die Tendenz beobachten lässt, Transkulturalität nicht mehr als Ausnahmezustand, sondern als Normalfall zu begreifen. Darauf folgt ein exemplarischer Blick auf drei Gegenwartsautor*innen, Salman Rushdie, Yoko Tawada und Ilija Trojanow, die in poetologischen Texten - 'transkulturellen Poetiken' - kulturellen Austausch nicht nur als Kulturphänomen beschreiben und sich damit als Kulturpoetolog*innen zeigen, sondern auch über die Konsequenzen dieser transkulturellen Prozesse für das eigene transkulturelle Schreiben reflektieren. Vergleichend werden diesen Reflexionen Überlegungen aus karibischen transkulturellen Poetiken gegenübergestellt und die Frage wird aufgeworfen, ob sie als Modell nicht nur für einen europäischen, sondern für einen weltweiten Kontext betrachtet werden können, sodass sich abschließend die Frage nach einer neuen Weltpoetik nach karibischem Vorbild stellt.
Este artigo tem como objetivo apresentar e discutir a tradução do texto "Die Lesung" (In: HELMINGER, Guy, 2001, p. 84 a 95), que esteve dentre os contos traduzidos pela autora na prática de "Estágio Supervisionado do Alemão I". Guy Helminger, o escritor traduzido, é luxemburguês de nascença e cosmopolita de profissão. De suas viagens e estadas pelo mundo, publicou, entre outras obras, "Die Allee der Zähne: Aufzeichnungen und Fotos aus Iran" (2018) e "Die Lehmbauten des Lichts: Aufzeichnungen und Fotos aus dem Jemen" (2019). "Rost", um de seus livros de contos, teve a primeira edição publicada em 2001, agraciada pelo Prix Servais em 2002, e a reedição publicada em 2016 (CAPYBARABOOKS e CONTER E JACOBY (200[2?])). "Die Lesung" ("A sessão de leitura") compõe a segunda parte do livro, que é dividido em três. O conto narra em onze agoniantes páginas as peripécias enfrentadas por Robert Fritzen em uma sessão de 'leitura de obra pelo próprio autor'. Impressionado pelo estofamento das cadeiras ou distraído por tossidas e fios de cabelo, Fritzen é engolido por neuras. Se o texto deve qualquer parte do seu valor estético à irritação que pode/tenta causar no leitor, traduzi-lo esteve, pelo contrário, longe de ser irritante: Helminger apresenta um texto desfrutável, mesmo sem contar com nenhum acontecimento trágico (como nos demais textos do livro). Dentre as dificuldades de tradução, se destaca o desfio de manter a linguagem realista, como caracteriza Weidner (2002), na descrição de eventos que beiram o surrealismo - ou a loucura.
Ingeborg Rapoports Autobiografie geht über eine Autofiktion hinaus und greift auf ihre interkulturellen Erfahrungen auf. Ihr autobiografisches Schreiben konzentriert sich insofern auf ihre unterschiedlichen Erfahrungen in den verschiedenen Heimaten (Kamerun, USA und Deutschland). Der vorliegende Beitrag untersucht Dimensionen ihres interkulturellen Lebenslaufs. Ausgegangen wird davon, dass die postmoderne Autobiographie zum Medium der Interkulturalität geworden ist.
Rapoport versteht sich besonders als Zeugin ihres Jahrhunderts und stellt die Kolonisierung in ihrer Heimat Kamerun, den deutschen Nazismus sowie den Holocaust, die unkritische Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd als die einen fruchtbaren interkulturellen Austausch hindernden Faktoren dar.
Exemplarisch wird an Rapoports Äußerungen nachgewiesen, inwiefern Interkulturalität und Engagement Hand in Hand gehen. In ihrem interkulturellen Engagement tritt Rapoport auf als Antikolonialistin, Nazismus- und Holocaustkritikerin und besonders aber auch als eine den Frieden suchende Autorin, deren Denkweise in die Nähe des Levinasschen Humanismus gerückt werden dürfte.
Biller präsentiert seinen Text als Wette. Gewettet wird darum, eine Kolumne zu schreiben, in der so viele Wörter vorkommen, die vom Adjektiv „deutsch” abgeleitet sind, daß man sie nicht mehr zählen kann. Auf die Präsentationsform ‚Wette’ werden wir später noch zurückkommen; hier soll zunächst festgehalten werden, daß bei einer solchen Wette für Biller „nur ein Thema in Frage” kommt: „die neue Hauptstadt der Deutschen, die deutscheste aller deutschen Städte, Deutschlands Zukunft, Teutonias Hoffnung und Stolz, Cheruskiens großkotziger Neubeginn!”, Berlin also. Aus der thematischen Bindung von „deutsch” und Berlin” ergibt sich der inhaltliche Brennpunkt des Textes: Welche Bedeutung wird Berlin für einen neuen deutschen Nationalismus haben? Welche symbolischen Funktionen wird nicht nur die konkrete Stadt, sondern der Mythos „Berlin” innerhalb eines drohenden deutschen Chauvinismus übernehmen? Welche kulturellen, sozialen oder politischen Aberrationen lassen sich vielleicht an der Entwicklung dieser Stadt jetzt schon ablesen? Um diese Fragen zu beantworten, entwirft der Text eine Zweiteilung, die sich moralisch als Opposition zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ Deutschen, rhetorisch als Gegenüberstellung einer ‚wir-Gruppe‘ und einer ‚Gruppe der Gegner‘ sowie zeitlich als das ‚geteilte‘ und das ‚vereinigte‘ Berlin manifestiert.
The paper engages with the works of Thomas Kling (1957-2005) and elaborates on the specific incorporation of history in Klings poetics. Kling was both known for his wild style of lyrical performance as well as for his vast knowledge of history. Kling aptly puts the style of his lectures in the tradition of the "histrion", the actor in ancient Rome. The paper argues that the connection of history and the theatricality of the histrion becomes fundamental to his poetics. History is for Kling a material that combines linguistic, cultural and literary references that need a performative elaboration. The paper traces this constellation of performativity and history within Klings early poems and essays. It then turns towards a reading of his poems "Manhattan Mundraum" and "Manhattan Mundraum Zwei". In these poems Kling intertwines the performative aspects of his poetics with an inquiry into the history that has shaped the island of Manhattan and the language of its "Mundraum".
Klaus Modicks im Februar 2015 erschienener Worpswede-Roman "Konzert ohne Dichter" wurde vom Feuilleton begeistert aufgenommen, in der Rilke-Philologie sorgte er hingegen für hitzige Diskussionen. Doch neben einer recht oberflächlich ausagierten Häme gegen den im Titel ausgeschlossenen Dichter entwickelt der Roman eine komplexe Verflechtung von Bildern der bildenden Kunst und Bildern im Sinne von Images. Der folgende Beitrag führt Modicks biografischen Zugang in diesem höchst unterschiedlich rezipierten Text mit einem ekphrastischen Sonett Rilkes eng, das ebenso ein bestimmtes Image transportieren will.
Der vorliegende Beitrag untersucht die möglichen Auswirkungen der Globalisierung und der Beilegung des Ost-West-Konflikts nach dem "Mauerfall" auf die phantastische Gegenwartsliteratur, insbesondere hinsichtlich der traditionellen Gut-Böse-Dichotomie. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit ein merklicher Komplexitätsanstieg in der Konzeptualisierung der unterschiedlichen Kulturen der Weltgesellschaft seine Spuren in aktuellen Entwicklungstendenzen des phantastischen Genres hinterlassen hat. [...]
So geht es im Folgenden um eine literaturwissenschaftliche Betrachtung der neueren und neuesten literarischen Phantastik, die seit der oben skizzierten Umbruchszeit vielfältige Ausprägungen und Weiterentwicklungen erfahren hat. Während der Prototyp der phantastischen Literatur im 20. Jh., für den J.R.R. Tolkien exemplarisch genannt sei, auf einer deutlichen Dichotomisierung des Guten und des Bösen beruht, sind in den jüngsten phantastischen Romanwerken markante Abweichungen von dem genannten Schema zu beobachten. Die Vermutung liegt nahe, solche neueren Entwicklungstendenzen zu einer Auflösung der traditionellen Gut-Böse-Opposition innerhalb des phantastischen Genres mit den oben skizzierten geopolitischen und mentalitätsgeschichtlichen Veränderungen in Verbindung zu bringen. Die angenommene signifikante Verschiebung im Genrekonzept des Phantastischen soll im Folgenden exemplarisch anhand der Metropolen-Romane von Christoph Marzi, einem produktiven Vertreter der deutschsprachigen phantastischen Literatur, nachvollzogen werden. Anschließend werden die Erkenntnisse mit weiteren Texten der zeitgenössischen Phantastik in Verbindung gebracht, um so die Frage beantworten zu können, ob und inwieweit die gewonnenen Ergebnisse verallgemeinerungsfähig sind und eine deutliche gattungsrelevante Veränderung des Umgangs mit der Relation von "Gut" und "Böse" in der neueren Phantastik zu beobachten ist.
Der Aufsatz stellt die Frage nach dem Zusammenhang von Topografien und experimentellen sprachlichen Verfahren bei Gert Jonke mit Blick auf seine Textsammlung 'Himmelstraße - Erdbrustplatz oder das System Wien' (1990) und interpretiert die Topografie Wiens beziehungsweise die Raumsemantiken, wie sie in dem aus Fragmenten eines Wien-Romans entstandenden Band Jonkes auftauchen, als Modelle. Die Topografie und der Raum haben, so die These, für Jonkes eigentümliche Bedeutungserweiterungen, -verschiebungen und Gegenüberstellungen eine modellierende Funktion und geben seine semantischen 'Experimente' gleichsam methodisch genau vor. Anhand verschiedener Begriffe von 'experimenteller Literatur' wird gezeigt, dass Jonkes Texte sich trotz ihrer widersprüchlichen Zuordnungen zur (post-)experimentellen Literatur mit Fragmenten einer wissenschaftlichen Sprache und Denkweise auseinandersetzen.
Ich habe das Buch mit Interesse an den historischen Vorgängen gelesen, gegen Ende auch mit einer gewissen Spannung hinsichtlich des Ausganges der Aufarbeitungsgeschichte, aber „packend“ fand ich den Krebsgang nicht. Grass arbeitet sich langsam an das heran, was im Zentrum der Novelle stehen sollte, die Torpedierung der „Wilhelm Gustloff“, und umgibt die lange aufgesparte Vergegenwärtigung dieses Ereignisses zugleich mit zwei intermittierend sich entfaltenden Rahmenerzählungen: einer historischen, die über die Vorgeschichte des Zentralereignisses informiert, und einer aktuellen, die den späteren Umgang mit diesem schrecklichen dramatisiert.
Ann Cotten gilt dem Feuilleton als das aktuelle "Wunderkind der deutschen Literatur" und als die "klügste und schwierigste Dichterin in deutscher Sprache". [...] Ann Cotten nervt. [...] Doch was hat es mit dem Nerven auf sich? Ist das, was hier als Pose an- und vermeintlich vorgeführt wird, nicht etwas ganz anderes? Bereits diese ersten Hinweise zeigen, dass Cottens Spiel mit den Stillagen zwischen Virtuosität und Kalauer aufgeht: Es entlarvt die Kritik - sowohl in ihrem positiven als auch in ihrem negativen Urteil als Mansplaining, das mit Formeln wie 'Wunderkind', 'talentierte Autorin', Dekonstruktion etc. genau das einhegt, was mit dieser Literatur in Frage steht. Das Nerven, so manieriert es auch daherkommen mag, stellt eine intensiv reflektierte poetologische Dimension von Cottens Literaturauffassung und ihres Schreibens dar - ja man könnte von einer Poetik des Nervens sprechen. [...] Wenn Cotten, wie zu sehen sein wird, die Kategorie des Existenziellen wieder einführt, die vom (Post)Strukturalismus in Abhebung unter anderen von Sartre verabschiedet wurde, dann liebäugelt sie auch mit Autoren, die von ganz anderer Warte aus nerven. Zu ihnen zählt auch der in der Poetikvorlesung mehrfach genannte Peter Handke. Peter Handke nervt Ann Cotten, aber sie liest ihn auch und kann etwas mit ihm anfangen - inwiefern, wird zu sehen sein. Mit Handke steht ein weiteres ehemaliges 'Wunderkind' des Literaturbetriebs zur Debatte, bei dem jedoch seit ein paar Jahrzehnten eine Abwendung von den avantgardistisch-sprachkritischen Anfängen und eine Hinwendung zu einer mystischen Weltanschauung kritisch diagnostiziert wird. Die Empörung bei der Vergabe des Literaturnobelpreises an Handke im Herbst 2019 betraf vor allem seine proserbische Haltung sowie sein 'Frauenbild' und steigerte sich auch bis zum 'Durchdrehen'. Ist man bei Cotten über die dekonstruktivistische Pose genervt, so enerviert man sich bei Handke poetologisch gesehen darüber, dass er deren Einsichten zumindest in seinen jüngeren Werken trotzig negiere. [...] Seit der Tetralogie rund um die "Langsame Heimkehr" (1979) zeichnet sich bei Handke ein neuer Weltzugang und damit verbunden eine epische Erzählweise ab, denen Peter Hamm, knapp vier Monate nach dem Massaker von Srebrenica, in seiner Laudatio bei der Verleihung des Schillerpreises an Handke Folgendes attestiert: "Peter Handke hat das Schwierigste und Höchste gewagt, was ein Schriftsteller nach Kafka überhaupt wagen konnte, nämlich erzählend wieder für Weltvertrauen zu werben und Weltvertrauen zu schaffen". Man kann darin freilich auch einen gefährlichen Eskapismus sehen - ob man Handke als schwierig erachtet, oder ihm attestiert, Schwieriges zu leisten, ist auch eine Frage der Perspektive. Oder aber man kann die Vermutung formulieren, dass solche Zuschreibungen den Blick auf die Sache, wie auch bei Cotten, eher verstellen, und so drängen sich verschiedene Fragen auf: Wieso arbeitet sich Cotten an einem Autor mit solchem Ruf ab? Weshalb liest sie ihn? Was hat sein Nerven mit ihrem Nerven zu tun? Und was ist das eigentlich, 'nerven'? Zeit also für eine Rekonstruktion von Cottens Handke-Lektüre.
Schriftsteller im Spagat : zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur von Autoren polnischer Herkunft
(2012)
Im Beitrag wird das Schaffen von drei Autoren polnischer Herkunft – Artur Becker, Dariusz Muszer und Leszek Oświęcimski – skizzenhaft präsentiert, die in den späten 1980er Jahren nach Deutschland migrierten. In ihren Romanen und Erzählungen thematisieren sie die Unmöglichkeit der Rückkehr (Becker), die Erfahrung totaler Fremdheit (Muszer) und Dekonstruktion der nationalen Stereotype (Oświęcimski). Der geschärfte Blick auf das Fremde und das Eigene aus der Perspektive der Migranten im (mentalen, kulturellen, künstlerischen) Spagat zwischen Polen und Deutschland sowie ihre erzählerischen Strategien bilden den Gegenstand des Beitrags.
Günter Grass'ın 'Yengeç Yürüyüşü" Romanında 'Konrad' Karakterini Dijital Kuşak Olarak Çözümleme
(2021)
"Yengeç Yürüyüşü" romanında, 1945 yılında Nasyonal Sosyalist dönemde torpillenen "Wilhelm Gustloff" gemisinin batırılış öyküsüyle birlikte Pokriefke ailesinin üç kuşak üyelerinin de aile öyküsüne yer verilmiştir."Y kuşağı" teknolojiye olan yatkınlığı ile bilinirken, günümüzde "Z kuşağı", iletişim araçları olarak internet ve akıllı telefonları daha etkin bir şekilde kullanmaktadır. Bu durumda her iki dijital kuşak da iletişim teknolojilerini iyi derecede kullanan teknoloji gurusu olarak kabul edilmektedir. Dijital temelli teknolojik gelişmelerin yaşamı değiştirmeye başladığı iki binli yıllar bu bağlamda dönüm noktası olarak ele alınabilir. Romanın olay örgüsünde 1995'lere gelindiğinde genç Konrad'ın dijital iletişim aracı olarak bilgisayar kullanması sonucunda internetten beslenen antisemitizmle yollarının kesişmesinin de öyküsü anlatılır. Romanda, ben-anlatıcı Paul'un başarısız gazetecilik kariyeri, ironik bir şekilde, yetenekli bir bilgisayar kullanıcısı olan oğlu Konrad'ın Neo-Nazilerin www.blutzeuge.de sayfasını düzenli olarak ziyaret etmesi gerçeği ile bir paradox oluşturur. Baba Paul'un başarısızlığının aksine Konrad, büyükanne Tulla'nın yardımıyla bir bilgisayar edinerek ihtiyacı olan bilgiyi elde etmekte başarılı olacaktır. Ancak, istediği bilgiye kavuşan Konrad, internet aracılığıyla bir yandan başarılı araştırmalara imza atarken öte yandan da internet üzerinden tanıştığı bir genci öldürme eylemine karışır. Bu olayla Nasyonal Sosyalist döneminin ideolojik propaganda çalışmalarının Neonazizm aracılığıyla yürütülmeye devam edildiğine bir göndermede bulunulduğu söylenebilir. Bu çalışmada üçüncü kuşak aile üyesi olan Konrad'ın dijital ortamı kullanarak kendisinden önceki kuşakların hatalarını yinelediği kesitler, metin odaklı bir yaklaşımla irdelenerek örnek ve alıntılarla çözümlenmeye çalışılacaktır.
Ekphrasis is a tool used with the purpose opening different levels of meaning in a literary text, which can be seen in Patricia Görg’s tale “Glücksspagat”. In the tale, parallel to the representation of the daily life of the museums keeper Maat, the reader is faced with fragments of ekphrasises of paintings and TV-simulations. The richness of this tale is achieved particularly due to the alternations between the ekphrasises. This article discusses the various functions of the use of Ekphrasis and simulations in the tale and focuses on the way they contribute to the creation of meaning.
Recently the changing and the internationalization of the German philology are increasing continually. On this development not only the cooperation of its actants plays an important role, but also the subject of the German philology itself has been extended. One of the factors of the extension of its subjects is the so called ‘intercultural literature’ in Germany, which is the result of the migration since the beginning of the sixties. In this kind of the literature, among other things, the cultural differences are made a subject of discussion with specific literary means. One of the novels of the intercultural literature is “Selam Berlin” written by Yade Kara. In this article, it should be worked out which identity discourses are developed, how the new social formation in Germany has an effect on the individuals and which role the self and strange perceptions play in this novel.
Seit gut einem Jahrzehnt wird in Deutschland gewartet: Auf Literatur wird gewartet, auf den großen Berlin-Roman, auf den großen Nachwende-Roman. Und trotz diverser Romane, die Wiedervereinigung und Berlin zum Thema erhoben, ob nun von Günter Grass oder Thomas Brussig, wird weiter gewartet, kann es anscheinend kein Autor recht machen, wird unterhaltsames Erzählen begehrt oder eine Darstellung auf der Höhe moderner Erzählkunst verlangt. Doch die Alternative ist vielleicht falsch gestellt: Könnte denn nicht ein kunstvoll geschriebener Roman mit präziser und variantenreicher Sprache, ausgeklügelten Erzählstrukturen auch unterhaltsam sein? Schließlich ist Döblins nicht gerade schlichter Roman "Berlin Alexanderplatz" ja auch ein Lesevergnügen, vergleichbar mit "Joyces Ulysses" oder Pynchons "Gravity’s Rainbow". Nun lassen sich solche Romane schlecht wiederholen, hinge jeder Nachahmung des Stils der Verdacht an, Plagiat oder Kopie zu sein. Etwas Ähnliches wäre also immer etwas Anderes, neuartig, artifiziell und darin genaueres Abbild seiner Zeit als die Vielzahl schlichter Romane, die von Berlin oder der Wiedervereinigung erzählen. Nun, in letzter Zeit mehren sich im deutschen Feuilleton Stimmen, die eine gewisse, dementsprechende Kunst des Erzählens bei Ulrich Peltzer ausmachen, weswegen hier die Gelegenheit ergriffen wird, einen Gang durch seine drei letzten Publikationen ["Stefan Martinez", "Alle oder keiner", "Bryant Park"] zu unternehmen, um die Entwicklung derselben darzustellen - im Hinterkopf die Frage: Liegt hier vielleicht schon einer der erwarteten großen Berlin-Romane vor?
Mit "Corpus Delicti" zeigt Zeh eine biopolitische Kontrollmacht auf, die in der Fluchtlinie von Michel Foucaults und Giorgio Agambens biopolitischen Theorien auf dem menschlichen Körper fußt: Während jedoch Foucault die Einwirkung der Biomacht auf der sozio-politischen Ebene lokalisiert, nähert sich Giorgio Agamben dem biopolitischen Grundgedanken aus einer juristischen Perspektive an. "Corpus Delicti" absorbiert beide biopolitischen Annäherungen und veranschaulicht sie vor dem Hintergrund einer Gesundheitsdiktatur, in der die individuelle Freiheit der Gesundheit weichen muss; lieber gesund, schmerzfrei und lang lebend als frei. Mit diesem Ziel, allen Bürgern*innen die Gesundheit zu garantieren, verwaltet Zehs fiktiver Staat, die METHODE, totalitär die Körper seiner Bürger*innen und stößt dabei auf erstaunlich geringen Widerstand, denn die Angst vor Krankheit und Tod führt zur innerlichen Akzeptanz normierten Verhaltens im Namen der zur Staatsräson erhobenen Gesundheit. Mit diesem Beitrag möchte ich versuchen, Michel Foucaults und Giorgio Agambens Theoretisierung von Biopolitik so weit zu erklären, dass die biopolitischen Anknüpfungen in "Corpus Delicti" beleuchtet und veranschaulicht werden können. Vor dem Hintergrund des Verständnisses von Foucaults und Agambens biopolitischen Theorien und einer kurzen inhaltlichen Darstellung von "Corpus Delicti" wird es möglich sein, die literarische Verarbeitung biopolitischen Regierens in "Corpus Delicti" genauer aufzuzeigen, und dies sowohl aus einem sozio-politischen als auch juristischem Blickwinkel.
In dem vorliegenden Beitrag wird das Augenmerk der Verfasserin auf das publizistische Werk Artur Beckers, eines aus Polen stammenden, hauptsächlich auf Deutsch schreibenden Autors gerichtet. An Hand seiner journalistischen Arbeiten sowie der vor kurzem erschienenen Essaysammlung Kosmopolen soll das Bild einer modernen transkulturellen Identität rekonstruiert werden. Ausgehend von der Lebensgeschichte des Autors werden zunächst seine Wahrnehmung als Schriftsteller in der Öffentlichkeit, sein eigenes Selbstbild sowie sein Umgang mit Sprachen (der Muttersprache Polnisch und der Literatursprache Deutsch) thematisiert. Im Hinblick auf die zunehmende Relevanz der sogenannten interkulturellen Literatur im deutschsprachigen Raum - von der peripheren Stellung der Gastarbeiterliteratur bis zur Begeisterung für Werke der mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichneten Autoren - wird Becker in dem Polysystem der deutschen Nationalliteratur zentral verortet. Anschließend wird seine aktuelle mediale Präsenz in einen Zusammenhang mit den Termini Transkulturalität und Transnationalität gebracht. In seinen neuesten Pressetexten nimmt der Schriftsteller Stellung zu aktuellen innenpolitischen Problemen in Polen und in Deutschland, thematisiert seine persönlichen Erinnerungen und Erlebnisse und rezensiert literarische Neuerscheinungen anderer polnischer Autoren. Im Gegensatz zu seinen literarischen Werken, die von Becker seit 1989 ausschließlich auf Deutsch verfasst werden, beginnt der Autor in der letzten Zeit seine publizistischen Texte auch in der polnischen Sprache zu schreiben. Diesen erneuten Sprachwechsel nach über 20 Jahren reflektiert er selbst als ein großes Ereignis. Im folgenden Teil des Beitrags wird der von Becker aufgegriffene und weiter entwickelte Begriff 'Kosmopolen' rekonstruiert, der nach Ansicht des Autors einerseits für eine bestimmte, von der Nationalzugehörigkeit und dem momentanen Wohnort unabhängige Haltung, andererseits aber auch für einen offenen grenzübergreifenden Raum steht. Indem Becker die Perspektive des Außenbeobachters mit einer Innenansicht einnimmt, erhebt er den Anspruch, als eine objektive Stimme der Vernunft zu gelten. In diesem Zusammenhang wird die vielfältige, transkulturell geprägte Problematik des Essaybandes erörtert.
BLACK KIRBY is a collaborative "entity" that is the creative doppelganger of artists / designers John Jennings and Stacey "Blackstar" Robinson. The manifestation of this avatar is an exhibition and catalog1 of primarily visual artworks-on-paper that celebrate the groundbreaking work of legendary comics creator Jack Kirby regarding his contributions to the pop culture landscape and his development of some of the conventions of the comics medium.
BLACK KIRBY also functions as a highly syncretic mythopoetic framework by appropriating Jack Kirby’s bold forms and revolutionary ideas combined with themes centered around AfroFuturism social justice, Black history, media criticism, science fiction, magical realism, and the utilization of Hip Hop culture as a methodology for creating visual expression. This collection of work also focuses on the digital medium and how its inherent affordances offer much more flexibility in the expression of visual communication and what that means in its production and consumption in the public sphere. In a sense, BLACK KIRBY appropriates the gallery as a conceptual "crossroads" to examine identity as a socialized concept and to show the commonalities between Black comics creators and Jewish comics creators and how they both utilize the medium of comics as space of resistance. The duo attempts to re-mediate "Blackness" and other identity contexts as "sublime technologies" that produce experiences that sometime limit human progress and possibility. This paper / presentation will examine some of the themes of this inaugural exhibition of this new artistic team and share the processes involved with the ideation, execution, and installation of the exhibition.
BLACK KIRBY is a collaborative "entity" that is the creative doppelganger of artists / designers John Jennings and Stacey "Blackstar" Robinson. The manifestation of this avatar is an exhibition and catalog1 of primarily visual artworks-on-paper that celebrate the groundbreaking work of legendary comics creator Jack Kirby regarding his contributions to the pop culture landscape and his development of some of the conventions of the comics medium.
BLACK KIRBY also functions as a highly syncretic mythopoetic framework by appropriating Jack Kirby’s bold forms and revolutionary ideas combined with themes centered around AfroFuturism social justice, Black history, media criticism, science fiction, magical realism, and the utilization of Hip Hop culture as a methodology for creating visual expression. This collection of work also focuses on the digital medium and how its inherent affordances offer much more flexibility in the expression of visual communication and what that means in its production and consumption in the public sphere. In a sense, BLACK KIRBY appropriates the gallery as a conceptual "crossroads" to examine identity as a socialized concept and to show the commonalities between Black comics creators and Jewish comics creators and how they both utilize the medium of comics as space of resistance. The duo attempts to re-mediate "Blackness" and other identity contexts as "sublime technologies" that produce experiences that sometime limit human progress and possibility. This paper / presentation will examine some of the themes of this inaugural exhibition of this new artistic team and share the processes involved with the ideation, execution, and installation of the exhibition.
Die vorliegende Studie versteht sich als eine Einladung zu einer Reise in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts, als Peter Stamm an seinem Erstlingsroman "Agnes" (1998) arbeitete. Es handelt sich zugleich um eine Reise bis in das Mittelalter und die Antike hinein, die uns geographisch und kulturell aus der Schweiz über Österreich nach Skandinavien und Übersee führt. Es wird eine Reise in eine Schriftstellerwerkstatt sein, aus deren Fenstern man in andere Werkstätten aus dem Bereich der Literatur, Musik und Malerei hineinblicken kann. In den Materialien zum Roman, die Peter Stamm im Februar 2012 in erster Linie für Schüler und Lehrer auf seiner Homepage zur Verfügung gestellt hat, ist zu lesen: "Die erste Notiz zu 'Agnes' machte ich mir am 12. Februar 1993. Damals datierte ich die wenigsten meiner Notizen und manche warf ich weg. Etliche mögen noch irgendwo in den Stapeln von Notizbüchern stecken, die ich leider ziemlich unsystematisch führe und aufbewahre. Ich habe keine Zeit, diese alten Papiere durchzusehen und mein Gedächtnis ist leider auch nicht das Beste. Kurz gesagt vieles über die Entstehung von 'Agnes' liegt im Dunkeln" (Stamm 2012a: o. S.). Daher wird unsere Reise eine Reise ins Ungewisse sein, eine virtuelle Reise mit einem Verkehrsmittel namens Textinterpretation. Ihr Ziel ist es, die Entstehungsgeschichte der Namensgebung der weiblichen Protagonistin und des Titels im Hinblick auf intertextuelle und intermediale Bezüge zu behandeln.
Das längst avisierte Zukunftsprojekt Industrie 4.0 wirkt sich auf viele Bereiche der menschlichen Produktion, wie u. a. des literarischen Schaffens aus. 2018 ist das Buch Bot. Gespräch ohne Autor des österreichischen Schriftstellers Clemens J. Setz erschienen, das eine Alternative zu einem von der "natürlichen" Person geschaffenen literarischen Werk darstellt. Analog zu der Industrie wird jetzt der Vorgang des literarischen Schaffens digitalisiert, d. h. eine künstliche Intelligenz schreibt ein Buch oder wirkt an ihm mit. Das Werk wird gedruckt, verkauft und gelesen und steht in Bücherregalen neben Büchern von "natürlichen" Autoren. Wie beeinflusst die Einbeziehung der künstlichen Intelligenz die Kanonbildung? Wer wären dann die Leser/innen solcher literarischen Werke? Werden in diesen Werken auch einige früher kanonisierte Werke berücksichtigt? Ist es überhaupt möglich, dass künstliche Intelligenz ein ästhetisch wertvolles literarisches Werk hervorbringt? Mit solchen und weiteren Fragen über die literarischen Begegnungen der künstlichen und menschlichen Intelligenz in der 4.0-Ära befasst sich der vorliegende Artikel.
Der österreichische Autor Clemens J. Setz erregte bereits in relativ jungen Jahren die Aufmerksamkeit der literarischen Welt. Ab seinem 26. Lebensjahr wurden ihm bedeutende literarische Auszeichnungen verliehen. Seine Bücher zeichnen sich durch einen experimentellen Zugang zur narrativen Struktur aus, indem er beim Schreiben technische Möglichkeiten der Neuen Medien verwendet, kanonisierte Texte umschreibt und durch tiefe Einblicke in das Innere seiner Figuren Tabus bricht. In seinen Prosawerken gelingt es ihm, die dringlichsten Probleme von Individuum und Gesellschaft zu benennen. Die Schicksale und Einstellungen seiner ProtagonistInnen wirken kontrovers, weshalb sein literarisches Schaffen ambivalent rezipiert wird.
Der Artikel untersucht die Verwebungen verschiedener Diskurse mit dem Genre Kriminalroman in Franz Doblers Tollwut (1991). Dobler wird oft in einem Atemzug mit dem Begriff Popliteratur genannt, allerdings heben sich seine popkulturellen Koordinaten mit einer Ausrichtung auf alternative Country Musik deutlich von denen seiner Kollegen ab. Während der Poproman das Spiel der Oberflächen in Szene setzt, arbeiten die Erzählungen der Country Musik mit mythisch aufgeladenen Elementen, die vielfältige Berührungspunkte zum Kriminalroman zulassen. Im Zentrum des Romans stehen der Häusler Sohn Mathias - eine klassische Outlawfigur - und das Zeichen für sein Rebellentum - das Gewehr, das die Kriminalhandlung erst ins Rollen bringt. Durch die monomane Fixierung auf die Waffe, die deutlich phallische Züge trägt, wird deutlich, dass die Kriminalhandlung eine Ermittlung der Schattenseiten der patriachalichen Ordnung ermöglicht. Dieser Diskurs rekonstruiert nicht nur die private Familiengeschichte von Mathias, sondern fungiert auch als Schnittpunkt für eine historische (KZ in Dachau) und gegenwartsbezogene (kapitalismuskritische) Linie. Den Doblerschen Text prägt in diesem Zusammenhang eine starke Ambivalenz, die nicht in einem einfachen Ende aufgelöst wird. Der Cowboy reitet nicht in den Sonnenuntergang der bürgerlichen Gesellschaft.
Most texts that deal with Martin tom Dieck’s black-and-white comic "hundert Ansichten der Speicherstadt" (Zürich: Arrache Cœur, 1997, French title: Vortex) claim that it depicts the eponymous warehouse district (Speicherstadt) in Hamburg. As this paper shows, this claim is inaccurate: although the architecture in tom Dieck’s drawings clearly refers to buildings in the warehouse district, the differences in the details are so obvious, that to speak of a straightforward depiction of the Speicherstadt is oversimplifying. After a brief comparison with Christoph Schäfer’s picture book "Die Stadt ist unsere Fabrik" (Leipzig: Spector Books, 2010), the paper concludes with a discussion of the depiction of urban environments in general and in tom Dieck's book in particular.
Der Artikel zeichnet im Anschluss an eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Erzähltheorie an Olivia Wenzels Roman "1000 Serpentinen Angst" (2020) die im Text entworfenen Familienbeziehungen nach. Fokussiert wird, wie die Erzählerin sich über das Erzählen selbst mit ihrer eigenen intersektionalen Identität als Schwarze ostdeutsche queere Frau auseinandersetzt. In Rückgriff auf zentrale Forschungsbeiträge zum Konnex von Gender, Erinnerungsstrukturen und Erzähltextanalyse wird erstens gezeigt, dass durch die Erzähltechnik Situationen und gesellschaftliche Herausforderungen wie z.B. auch die staatlich-systematischen Ungleichheitsbehandlungen im Falle von Personenüberwachung akzentuiert werden, mit denen die Frau konfrontiert wird. Wenzels Erzählweise lässt sich als serpentinenartiges Erzählverfahren beschreiben, das in Erzählschlaufen und über narrative Umwege funktioniert. So wird gerade durch die Darstellungsweise des Romans deutlich, welche Schwierigkeiten in der persönlichen wie kulturellen Verortung der Figur liegen. Der Text wird zweitens als Erinnerungs- und Familienroman gelesen. Die intersektionale Identität der Erzählerin lässt sich dabei über die verschiedenen Lebensgeschichten ihrer Familienangehörigen, und besonders in der Abgrenzung von diesen, wie auch über ihre eigene Schwangerschaft rekonstruieren. Es zeigen sich übergenerationale und sich gegenseitig bedingende Faktoren für Ausgrenzungen und Stigmatisierung, welche Interdependenzen zwischen Geschlecht, Körperlichkeit, Öffentlichkeit, Identität und nationaler Zugehörigkeit offenlegen.
Auf meinem Posten war ich bereits mit sieben; hinter mir, was (angeblich) noch gar kein Leben war, aber vor mir schon ein fantastisches Werk, das einzig aus meiner Einbildung lebte, neben den üblichen Kinderlektüren die einzige Nahrung meines fröhlichen Schreibens; dass dieses Werk eines eigenen Lebens bedürfte, um tatsächlich Inhalt und Form anzunehmen, stand nicht zur Debatte: Wozu seine Zeit mit einem Leben verschwenden, das sich im Werk wie von selbst erfindet und haltbarer als jedes Tagwerk ist. So denkt und schreibt nur ein Kind, das noch jede Legende für Wahrheit hält und das ich bis heute geblieben bin: ein denkendes Kind, das sich in Größe hineinträumt und schreibend den Zugang zu einer Welt erschafft, die mir (wie ich umgekehrt ihr) immer fremd bleiben wird, das aber (immerhin) weiß, dass sich die Geschichte des Lebens nicht in ein Buch binden lässt, sondern sich unablässig weitererzählt und weiterschreibt, von Text zu Text und Buch zu Buch und über die Ränder der Bücher hinaus, ohne Aussicht auf Rettung und Ende, scheinbar absichtslos hinein in die Welt, die sich sowieso nicht erzählen lässt. Die letzten Sätze werden die ersten sein und die ersten die letzten, und immer so fort, bis ich eines Tages (niemand weiß, wann), den Stift endlich aus der Hand legen darf.
Biodiversität ist ein relativ junger Terminus, der in den knapp dreißig Jahren seines Bestehens eine erstaunliche Konjunktur erfahren hat. 1988 prägte der Entomologe Edward O. Wilson den Begriff. Biodiversität bezieht sich auf die Vielfalt des Lebens hinsichtlich dreier Ebenen. Unterschieden werden erstens die genetische, zweitens die organismische und drittens die ökologische Ebene. Anders gesagt umfasst Biodiversität den Bereich der Gene und damit die innerartliche Diversität, den Bereich der Taxa, wie etwa die Vielfalt der Arten, und den Bereich der Lebensgemeinschaften, also die Diversität der Ökosysteme.
Dabei ist Biodiversität keineswegs rein biowissenschaftlich bestimmt. Meilenstein der Debatten ist die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992, auf der die "Convention on Biological Diversity" beschlossen wurde. Sie beinhaltet Aspekte der ökonomischen Nutzbarkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der Schutzverpflichtung des Menschen gegenüber der Natur und geht insofern weit über eine biowissenschaftliche Bedeutung hinaus. Biodiversität, das hat auch die Vilmer Sommerakademie 2002 klar herausgearbeitet, ist ein eminent politischer Begriff, der lanciert wurde, um die Mensch-Natur-Beziehung neu zu konstituieren. Uta Eser hat den Begriff Biodiversität daher als ein "Grenzobjekt" beschrieben, der zwischen Natur und Kultur vermittle.
Gerade als ein derartiges Grenzobjekt wird Biodiversität auch literarisch produktiv. Wie innerartliche Diversität, Artenvielfalt und Biotopschutz zu einem vielstimmigen Kunstwerk verknüpft werden können, zeigt Brigitte Kronauer in ihrem jüngsten Werk.
Sprache und Schrift steuern Handlungen und Wahrnehmungen von Adressaten. Dabei praktizieren Texte eine Führungsmodalität, die sich im Spannungsfeld von Vorschreiben und Offenlassen bewegt. Gegenstand der Publikation sind vier Theaterstücke ohne Figurenreden von John von Düffel, Peter Handke und Franz Xaver Kroetz. Im Textraum der Regiebemerkungen reflektieren die Autoren die entmaterialisierenden Wirkungen in Bezug auf die Transformation des literarischen Textes ins Aufführungsmedium. Sie machen auf den Status des Schriftlichen im Umfeld von Regietheater und beginnendem digitalen Zeitalter aufmerksam.
Allesamt in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts entstanden, transportieren die Dramentexte ein verändertes Verständnis von Führung und 'Leadership'. Dieses verabschiedet sich von hierarchisch strukturierten Organisationsprinzipien sowie determinierenden Planbarkeits- und Kontrollvorstellungen.
Trojanows Roman über den britischen Kolonialoffizier Richard F. Burton wurde als Beispiel einer neuen deutschen Literatur gefeiert, die endlich "Vielstimmigkeit" zu ihrem Programm erhoben habe. In diesem Beitrag wird der spezifische Einsatz von Polyglossie im "Weltensammler" untersucht. Dabei interessiert im (post-)kolonialen Kontext, in dem der Roman verortet wird, ob man tatsächlich von einer "Poethik [!] der Mehrsprachigkeit" (Schmitz-Emans) ausgehen kann, oder ob die "fremden Stimmen" der "Subalternen", die der Roman hören lässt, nur ein weiteres Mal exotische Fremdheit vorführen.
Die Renaissance des Familien- oder Generationenromans in der (nicht nur deutschsprachigen) Gegenwartsliteratur ist in zahlreichen Untersuchungen der letzten Jahre zum Gegenstand gemacht worden. Um diese Wiederkehr eines Totgeglaubten rankten sich alsbald polemische Debatten, aus denen man ersehen konnte, dass es um weit mehr als das Wiedererstarken eines literaturwissenschaftlich recht schwammig definierten, unter Abgrenzungsschwächen (Familien- versus Generationenroman) leidenden, ästhetisch eher traditionellen Genres ging. Definitionsversuche wie derjenige der amerikanischen Komparatistin Yi-ling Ru brachten den Familienroman (scheinbar unauflöslich) in Zusammenhang mit den Kriterien der Verfallsgeschichte, der Chronologizität, der Schilderung integraler Familienriten und insbesondere mit einem unhintergehbaren Realismus der Darstellung. Dass der Umgang mit dem Thema 'Familie' über alle eher literarischen Koordinaten hinaus aber vor allem als Seismograf gesellschaftlicher und kultureller Entwicklungen verstanden wurde, zeigten schon die Kontroversen um den Stellenwert von Familie im deutschen Feuilleton, in dem etwa die Zeit-Literaturkritikerin Iris Radisch "[d]ie elementare Struktur der Verwandtschaft" gegen die "Monaden" der Gegenwartsliteratur in Stellung brachte: Gedeutet wurde die 'Rückkehr' der Familie so zugleich als Indiz für eine Sehnsucht nach traditionellen Strukturen, gerichtet gegen die Zersetzungskraft der Postmoderne, gegen das Single-Dasein als Lebensform. Andere wie Sigrid Löffler sahen in genauer Umkehrung der Werteskala gerade im Wiederauftauchen familiärer Narrative das konservative Revival einer spätestens mit Heimito von Doderers (1896-1966) Merowinger-Roman (1962) durch Hyperbolisierung in sich kollabierten Gattung.
Die folgenden Ausführungen beleuchten anhand ausgewählter Beispiele die Art und Weise, wie Smyrna/Izmir, die Ägäis und "Kleinasien" in der deutschen Literatur dargestellt werden. Sie stehen damit zunächst im Kontext der Imagologie, die sie aber im Sinne einer kritischen interkulturellen Literaturwissenschaft erweitern. Denn es geht hier nicht (nur) darum, "Bilder" des ägäischen Raums und seiner Metropole nachzuzeichnen, sondern der Frage nachzugehen, wie die Diskurse über den fremden Ort und die fremde Region mit Fragen und Problemen des Eigenen, des Deutschen, zusammenhängen, das heißt, welche Funktion die Bilder des Fremden im Hinblick auf das Eigene haben. Die Stichproben, die ich vornehme, bezieht sich nach einem kurzen Blick auf Wielands 'Agathon' (erste Fassung 1766/67), den wichtigsten Roman der deutschen Aufklärung, zunächst vornehmlich auf Hölderlins 'Hyperion' (1797/99). Weder Wieland noch Hölderlin […] haben […] das Objekt ihrer Beschreibung niemals in Augenschein nehmen können. Insofern ist klar, dass vor allem das Bild Wieland auf Stereotypen beruht, die aber ihrerseits von einem nicht unerheblichen Interesse sind. Wie wir zeigen werden, ist Hölderlin mehr als Wieland auf eine solide Dokumentation bedacht, und er schöpft aus zeitgenössischen Reiseberichten, zumal er ja nicht wie Wieland das antike Smyrna, sondern das Smyrna/Izmir seiner Epoche darstellt. Als reizvollen Kontrast zu den Klassikern der deutschen Literatur wenden wir uns dann Feridun Zaimoglu zu, dem "Star" und enfant terrible der deutsch-türkischen Gegenwartsliteratur, der in seinem Roman 'Liebesmale scharlachrot' (2000) seinen Protagonisten Serdar von Kiel an die türkische Ägäisküste versetzt. Dabei ist sowohl beim Protagonisten als auch beim Autor die Konstellation Eigenes-Fremdes in Bezug auf die Ägäis und die Region komplex, denn für beide ist die Türkei und damit auch "Kleinasien" fremd und eigen zugleich: Sie sind nämlich in Deutschland aufgewachsen und eher mit den deutschen Verhältnissen vertraut und kommen einerseits durchaus als Fremde in das Land ihrer Vorfahren, dem sie dennoch in spezifischer Weise verbunden sind.
Daß sich die Literaturwissenschaft mit Schriftstellerinterviews schwertut, kann nicht behauptet werden. Sie macht es sich vielmehr zu leicht mit ihnen, indem sie diese Textgattung weitgehend ignoriert. Zwar werden Interviewäußerungen gelegentlich herangezogen, um eigene Forschungsthesen zu bekräftigen, kaum einmal richtet sich der Blick aber auf die Spezifika dieser Textsorte. In dieser Hinsicht besteht zwischen dem expandierenden Angebot an Interview-Bänden und der konstant gering bleibenden wissenschaftlichen Nachfrage eine deutliche Diskrepanz.
Auch wenn der hier vorgenommene Vergleich die gegensätzlichen Erinnerungsentwürfe der Romane besonders betont hat, ist es doch beeindruckend, von welcher Komplementarität beide Texte im Hinblick auf die von ihnen erzählten Geschichten und ihren Einsatz der Familie sind. Während die Erinnerungsarbeit Austerlitz' an der Unerzählbarkeit des Traumas einer verlorenen Vergangenheit scheitert und damit den Bruch des 'post-memory' markiert, gelingt Wackwitz nicht nur die Herstellung einer Kontinuität der Erinnerung als 'trans-memory', sondern letztlich auch die Verschiebung ihres 'Ursprungsortes'. Mithilfe eines 'erschriebenen' 'transmemory' gelingt es in 'Ein unsichtbares Land' durch den Entwurf einer männlich codierten Genealogie, die Mitläuferschaft des Großvaters in die eigene Herkunftsgeschichte zu integrieren. Dabei bedingt Wackwitz' 'Herkunftssehnsucht' seine Erkenntnisbedingungen, Gegenläufiges und Widersprüchliches muss ausgeklammert bleiben. Im Vergleich mit Austerlitz offenbart sich dabei eine hermeneutische Sehnsucht, die die Brüche zu den Erinnerungen der anderen, die auch die Erinnerungen der Opfer sind, systematisch übergeht. Ganz anders Sebalds Roman, in dem sich die Vergangenheits- und Zukunftslosigkeit der Figur Austerlitz jeder Kontinuität der Erinnerung verweigert.
Ausgangspunkt der folgenden Argumentation ist die Beobachtung, dass die Spezifik dieser Poetik stärker als bisher erfasst, von kleinsten bedeutungstragenden Einheiten, die jeweils komplex miteinander verknüpft sind und zugleich weit über sich hinausweisen, getragen wird. In Hoppes Texten, so die Annahme, ist das Wechselspiel zwischen Sinn- beziehungsweise Kohärenzbildung und -störung sowie der Zusammenhang intratextueller, autointertextueller und intertextueller Verweise auf spezifische Weise an Überlappungen semantischer Felder gebunden – eine Spezifik, die weiterer Untersuchung bedarf. Im Anschluss an eine durch diesen Rahmen perspektivierte Lektüre von Safari im ersten und Iwein Löwenritter im zweiten, möchte ich im dritten Teil Überlegungen zur Interdependenz von semantischen Feldern und intertextuellem Verweissystem beziehungsweise Zitaten in 'variierenden Wiederholungen' darlegen. Im vierten Teil werde ich dies im Hinblick auf folgende vier Fragen weiterführen: erstens, wie mittels gezielter Überlagerung semantischer Felder Ambivalenz und Kohärenz hergestellt werden, zweitens, wie Ordnungen entstehen und gestört werden, drittens, wie kleinere mit größeren Bedeutungseinheiten und -ebenen korrelieren und, viertens, wie Konventionalisiertes aufgerufen wird, um es zu durchkreuzen und anschlussfähig für neue Verknüpfungen zu machen.
Der 1997 erschienene Roman Lisa's Liebe ist der zweite Roman der österreichischen Schriftstellerin Marlene Streeruwitz. Die Protagonistin des Romans ist die 39-jährige Volksschullehrerin Lisa Liebich, deren Leben „unspektakulär zwischen Lehrberuf, peinlich lieblosen Affären und Bildungsreisen" dahin verläuft.
Die Kulturabteilung der Deutschen Botschaft Ankara, das DAAD-Informationszentrum Ankara und die Hacettepe Universität boten im Wintersemester 2016 für interessierte Masterstudierende und Doktoranden ein Workshop-Seminar zu transkulturellen Konzepten von Zeit und Raum in den Werken Ilija Trojanows an. Konzepte von Fremdheit, Migration, Transkulturalität sowie Raum und Zeit standen besonders im Fokus der Veranstaltung. In seinen Werken wirft Trojanow den Blick auf die Ausbildung interkultureller Identitäten und die damit einhergehenden Dimensionen von Fremdheit, Ablehnung und Identitäts- bzw. Zugehörigkeitsdiffusionen. Die Entfremdung von der eigenen Kultur und den damit verbundenen Perspektivwechsel thematisiert Trojanow unter anderem in seinem Werk Der Weltensammler.
In diesem Seminar stand jedoch nicht nur der Roman Der Weltensammler im Vordergrund, sondern unterschiedlichste Literatur Trojanows. Angeleitet wurden die Nachwuchswissenschaftler über zwei Präsenzseminare zum Thema Kulturanalyse und Anwendung von Methoden in der Literaturwissenschaft. Der Mehrwert des Workshop-Seminars bestand darin, dass die Studierenden Fragen aus den Werken anhand von Hypothesen direkt an den Autor stellen konnten. Um diese auch anderen Wissenschaftlern nicht vorzuenthalten, entschied man den Workshop aufzunehmen und im Anschluss zu transkribieren. Dieses Transkript bietet eine Stellungnahme über die Literatur und Philosophie Ilija Trojanows an und trägt gleichzeitig zum Textverständnis seiner Werke bei.
Folgende Werke Trojanows wurden für den Workshop ausgewählt:
Meine Olympiade: Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen
Der Weltensammler
Der überflüssige Mensch
Macht und Widerstand
Zu den heiligen Quellen des Islam: Als Pilger nach Mekka und Medina
Die Versuchungen der Fremde: Unterwegs in Arabien, Indien und Afrika
Döner in Walhalla oder welche Spuren hinterlässt der Gast, der keiner mehr ist.
Die Studierenden, die sich eingehend mit der Literatur in Vorlauf-Präsenzseminaren beschäftigt hatten, entwarfen (kontroverse) Hypthesen, die sie Herrn Trojanow im Workshop vortrugen. Folgende Transkription wiederspiegelt einen Abriss über die Literatur Trojanows und zeigt gleichzeitig Antworten, die zum Teil auch aus einem sehr philosophischen Terminus entspringen.
Das Buch gegen das Verschwinden ist Ulrike Almut Sandigs zweite Prosaveröffentlichung und kann mit dem Etikett lyrische Prosa versehen werden, da die Autorin bisher doch zumeist im lyrischen Bereich veröffentlicht hat. Klar und hart sind die Sätze, überlegt durchdacht die Szenen, ausgefeilt die Erzählstrukturen, die sich manchmal jedoch erst später strukturieren. Und doch findet Ulrike Almut Sandig einen Ton, der die Geschichte Die Blauen Augen Deiner Mutter in einer schwebenden Ambivalenz hält" (Schröder 2015). Sicher, man könnte all das rein realistisch lesen und daneben auch versuchen sich eine Meinung über den Gezi-Park zu bilden, als würde man eine rationale Erklärung für die Thematik finden. "Und doch sickert in die Grundfesten des Plausiblen immer wieder eine Form von Unheimlichkeit und Restunerfindlichkeit ein. Sandig torpediert Gewissheiten, die ihrer Figuren und die ihrer Leser" (ebd.). Ohne sich einem Erzählschema unterzuordnen, ist allen Texten in diesem Band eines gemeinsam: Etwas kommt abhanden, löst sich in Luft auf, verschwindet. Zurück bleiben Vereinsamte, die, wenn überhaupt, über das Erzählen xistieren.
"Der Mensch, der sich auslöschte" : philosophische und literarische Perspektiven auf den Suizid
(2017)
Sarah-Christina Henze und Kevin M. Dear beschäftigen sich mit der literarischen Bearbeitung des Themas Suizid anhand von Terézia Moras Roman "Das Ungeheuer". In ihrem Aufsatz "Der Mensch, der sich auslöschte" - Philosophische und literarische Perspektiven auf den Suizid zeigen die Autoren anhand terminologischer Abgrenzungen die ethische Problematik auf, die sich mit der Selbsttötung verbindet. In diesem Kontext könnten Suizide als nachvollziehbar gelten, die das Ende eines physischen oder psychischen Leidens verheißen. Im Falle von Moras Protagonistin, die sich in Folge einer anhaltenden Depression das Leben nimmt, laufe eine solche Legitimation jedoch insoweit fehl, als die Depression an sich ein Nicht-Artikulierbares, ein Unberührbares im Sinne des Tabu-Begriffs darstelle, das im Roman umkreist wird.
Bisherige Modelle der Textauswahl für den Literaturunterricht argumentieren ausschließlich text- bzw. themenorientiert oder sie berücksichtigen maximal eine einzelne bei Schüler:innen vorliegende Differenzkategorie wie z.B. Gender. Solche differenzorientierten Ansätze sahen sich zudem der Kritik ausgesetzt, durch die besondere Fokussierung der jeweiligen Ungleichheitskategorien diese - wie durch das Differenzdilemma beschrieben - eher festzuschreiben bzw. zu reproduzieren. Ausgehend von diesem Forschungsstand legt der Beitrag am Beispiel von Anke Stellings Kinderroman "Erna und die drei Wahrheiten" dar, inwiefern eine intersektionale Perspektive die Lektüreauswahl für den Literaturunterricht verbessern und präzisieren kann. Die Analyse von schüler:innenseitig vorliegenden intersektionalen Verschränkungen ist geeignet um zu beschreiben, wodurch im Bereich der Text-Leser:innen-Passung individuelle Zugangshürden, aber auch Zugangserleichterungen entstehen. Der Beitrag votiert in diesem Sinne ebenso für eine textseitige Analyse, die genau überprüft, auf welche Weise allgemein für Schüler:innen einer bestimmten Altersstufe als zugänglich geltende Themen im jeweiligen Text konkretisiert werden. Dem Konzept einer thematisch begründeten Kinder- bzw. Jugendgemäßheit wird diesbezüglich die Frage entgegengestellt, inwiefern auf der Textoberfläche präsentierte Konstellationen den Zugriff auf ein zugrundeliegendes relevantes Sujet für Lernende mit jeweils individuellen Voraussetzungen überhaupt erlauben.
Einführende Beobachtungen
(2004)
Wenn es gilt, einen Lyriker zu ehren, böte es sich an, gewissermaßen gleich ins Gedicht zu fallen. Damit freilich wäre, zitierte ich ein charakteristisches Gedicht, schon jetzt das für Wulf Kirsten und sein Œuvre zentrale Thema angeschnitten: die Landschaft im Gedicht als Ort des autobiografischen Erinnerns und Vergegenwärtigens. (...) [Jens Haustein hat sich] deshalb für diese einleitenden Worte einen anderen Gesichtspunkt herausgegriffen, das kritisch-distanzierte Verhältnis Wulf Kirstens zu der Zunft und der Einrichtung, die ihn heute ehrt – zur Literaturwissenschaft und zur Universität – und denen er manches Bedenkenswerte zu sagen hat; wohl freilich eher auf indirekte Art und Weise.
Immer wieder wird ein Unterschied zwischen einer journalistischen und einer literarischen Reportage gemacht. Worin besteht eigentlich dieser Unterschied? [...] Vielleicht könnte man es am ehesten so sagen: in der journalistischen Reportage setzt sich der Berichterstatter einer fremden, ungewohnten Situation aus, um ihr näher zu kommen. In der literarischen Reportage werden vom Autor fremde, ungewohnte Situationen benutzt, um sich selbst näher zu kommen. Das Bild, das eine journalistische Reportage hinterlässt, hat auch ohne den Autor Bestand. Das Bild einer literarischen Reportage bleibt immer auf den Autor als Person bezogen. [...] Josef Haslinger stellt mit Uwe Timms "Am Beispiel meines Bruders" und Martin Pollacks "Der Tote im Bunker" zwei Beispiele für seiner Meinung nach gelungene literarische Reportagen aus den letzten Jahren vor.
Dieses Eigene besteht vor allem darin, daß in [Maiers] Romanen die Problematik des Nihilismus mit dem Funktionieren der menschlichen Sprache und mit der (klein)bürgerlichen Konsumwelt verbunden wird. Im folgenden soll vor allem sein erster Roman, "Wäldchestag" […] einer genauen Analyse unterzogen werden. Dazu werden zunächst Maiers Poetikvorlesungen herangezogen. Die beiden späteren Romane werden dann, ausgehend von diesen Analysen, nur noch kurz erwähnt.
Bereits mit dem Titel dieses Bandes wird in Aussicht gestellt, darin "Biopolitik(en) in Literatur, Film und Serie" zu thematisieren. Mit der Überschrift dieses Beitrags wird hierzu analog angekündigt, die "Modi der Aushandlung menschlichen Lebens in (Gegenwarts-)Literatur, Film und Serie" zu untersuchen. Was jedoch meint 'in' im gegebenen Kontext? Worin besteht die Konnexion zwischen biopolitischer Thematik und künstlerischem Medium, die über die Präposition zum Ausdruck gebracht wird? Zunächst kann ein Auftreten biopolitischer Themen in Erzähltexten auf Ebene der 'histoire' festgestellt werden, insofern Biopolitik in ihren diversen Spielarten die Settings und Plots literarischer wie filmischer erzählender Texte ausgestaltet. [...] Weitergehend kann eine Wirksamkeit biopolitischer Fragestellungen in Erzähltexten auf Ebene des 'discours' konstatiert werden, sobald Biopolitik zum Reflexionsanlass eines erzählenden Textes wird. Über Szenario und Handlung hinausgehend, eröffnen semantische, narratologische oder metafiktionale Auseinandersetzungen mit biopolitischen Fragen neue Aushandlungs- und Reflexionsräume, in denen Biopolitik perspektiviert und problematisiert wird und mit denen eine kritische Revision durch die Rezipierenden initiiert wird. In dieser Variante biopolitischer Thematik in erzählenden Texten wird somit Biopolitik nicht nur zur Darstellung gebracht, sondern zur Disposition gestellt. In dieser Weise kann ein Erzähltext selbst als Beitrag zum biopolitischen Diskurs fungieren und als solcher Lebenswissen generieren. Auf diesen Prämissen aufbauend werden im Folgenden zunächst der Begriff der Biopoethik und die Besonderheiten biopoethischer Modi skizziert, bevor eine ausführlichere Betrachtung vier solcher Modi an konkreten Erzähltextbeispielen erfolgt. Als komplementäre Ergänzung zur Produktivität biopolitischer Diskurse, wie sie im voranstehenden Beitrag erarbeitet wird, soll so die Produktivität narrativer Biopolitik(en) verdeutlicht werden.
Im Zentrum von Jacques Derridas Aufsatz zu der Frage, was eine relevante Übersetzung sei, steht ein Zitat aus Shakespeares Kaufmann von Venedig. Was geschehen muss, wenn der Schuldner, der sein eigenes Fleisch als Pfand der Schuld angegeben hat, die Schuld nicht begleichen kann, das zeigt Shakespeares Drama mit einer überraschenden Wende.
Eine neue Veröffentlichung der seit über 30 Jahren existierenden Kinderkrimireihe Die 'Drei ???' verdrängt noch länger wirkende und mit jeder Veröffentlichung auf geradezu enervierende Weise den Status quo bestätigende Bands wie etwa AC/DC von den ersten Plätzen der Bestsellerlisten; dem Marvel-Universum zugehörige Serien wie Daredevil und Jennifer Jones oder das aus Versatzstücken der Horror-Kultur komponierte Penny Dreadful werden von der Streaming-Plattform Netflix höchst erfolgreich und in direkter Konkurrenz zum allerneuesten Sherlock-Holmes-Pastiche produziert: Neue Helden sind rar geworden, weshalb man lieber sattsam bekannte durch neue Abenteuer laviert, wobei auch hier Variationen zwar grundsätzlich erlaubt sind, aber nur in bestimmten, eng definierten und zudem von Fans rigoros kontrollierten Grenzen, die den ursprünglichen Gehalt der Vorlage stetig zementieren sollen. Zweifellos durchwirkt gegenwärtig ein Phänomen die Kultur, sinnig Retromania genannt, infolgedessen es die jetzige Generation wie wohl keine zuvor vermag, so vehement die Helden der eigenen Jugend zu konservieren; andererseits gelingt es keiner Generation wie dieser so wenig, sich von den Helden ihrer Kindheit, ja von ihrer Kindheit ganz allgemein zu trennen. Da passt es dann, wenn zeitgleich die Literatur in Werken von Karl Ove Knausgård oder Andreas Maier eben diese Kindheit als naiven Zustand ursprünglicher Naivität zelebriert.
[...] Wie aber gestaltet sich eine "Gewißheit der Erfüllung"? Wie ist ihr Verhältnis zum Unsinn, zum Entstehen von Sinn; ist sie, wenn sie dies inkludiert, Erfüllung von etwas? Wie ist ihre Relation zu Bildern, die eine Majestät und zugleich ein Verströmen Gottes in der Liebe zur Kreatur, zum Nicht-nur-Geschaffenen also darstellen wollen - um angesichts des Scheiterns einem Ikonoklasmus, einer Unsinnlichkeit zuzuarbeiten ... ? Diesen Fragen sei im Folgenden an den Bibelaneignungen Friedrich Gottlieb Klopstocks und Ferdinand Schmatz' nachgegangen, [...]