BDSL-Klassifikation: 02.00.00 Deutsche Sprachwissenschaft > 02.02.00 Studien
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Der Versuch, eine Synthese von philosophischer Raumdefinition nach Kant und physikalischer Realität nach Einstein herzustellen und daraus eine linguistische Raumauffassung abzuleiten, wird scheitern. Dennoch wird dieser Versuch in dieser Arbeit unternommen, da sich daraus einige Erkenntnisse gewinnen lassen. Des weiteren wird sich die indoeuropäische Definition von Raum als eine – wie schon von Kant herausgearbeitet – "Anschauung a priori" erweisen. Um dies näher zu beleuchten, befassen sich folgende Kapitel mit dem Raumbegriff Kants sowie der Relativitätstheorie Albert Einsteins – welche hier als physikalische Realität angenommen wird –, um diese so gegenüberzustellen und die grundlegenden Unterschiede zwischen diesen Auffassungen herauszuarbeiten. Dann soll erörtert werden, warum im indoeuropäischen Sprachraum sprachlich nicht die physikalische Realität der Beschaffenheit des Raumes abgebildet wird, man sich stattdessen Kategorien bedient, die nach Kant apriorisch sind und also nicht auf Erfahrungen beruhen.
Anhand eines literarischen Textes – Karl Mays "Der Schatz im Silbersee" – möchte ich versuchen, den Zusammenhang, der zwischen lexikalischen Mitteln auf der einen und exotischen Wirkungsweisen auf der anderen Seite besteht, zu beschreiben und zu erklären. Demnach soll das Hauptaugenmerk auf der Lexik, den Einheiten des Wortschatzes, liegen. […] Zentrale lexikologische Fragen sind also: Welche lexikalischen Mittel werden im „Schatz im Silbersee“ eingesetzt, um eine exotische Wirkung hervorzurufen? Warum nehmen wir sie auch tatsächlich als exotisch wahr? Wodurch unterscheiden sie sich von nichtexotischem Sprachmaterial?
Der Artikel soll am Beispiel der Autorin Marlene Streeruwitz untersuchen, ob ihre Werke als spezifisch österreichische Literatur nach linguistischen Kriterien zu identifizieren sind. Dabei soll aufgezeigt werden, dass alle sprachlichen Ebenen österreichische Varianten der nationalen Varietäten des Deutschen aufweisen.
Zum Schwerpunkt dieses Beitrags wird erstens das Wesen der "sakralen Interjektionen" und ihre Beziehung zum übersetzungstheoretischen Bereich, zweitens die Anwesenheit dieser in repräsentativsten deutsch und tschechisch geschriebenen Wörterbüchern behandelt. Da die Beziehung der drei Größen Usus, Norm und Kodifizierung immer im Einklang stehen muss, wird die Untersuchung durch konkrete Analyse der unter ausgewählten tschechischen Studenten verteilten Fragebögen ergänzt.
Da die kontrastierenden Analysen zum Deutschen und zum Tschechischen, die auf einem zusammengestellten Korpus basieren, unter der vergleichenden phraseologischen Sprachforschung recht selten vertreten sind, wurde zum Objekt meiner Untersuchung die weibliche und männliche Rolle in den tschechischen und deutschen Redewendungen. […] Die Phraseologismen wurden unter diesem Aspekt bisher noch nicht verglichen und es ist höchst interessant an diesen festen Wendungen, die sich auf das praktische Leben beziehen, zu zeigen, wie sich die männliche und weibliche Rolle voneinander unterscheiden und hauptsächlich, wie diese Rollen in Tschechien und Deutschland differieren.
Die kontrastive Sprachwissenschaft spezialisiert sich auf den Vergleich von unterschiedlichen Sprachsystemen. Aus dieser Perspektive gesehen stellen die bi- bzw. multilingualen Korpora in allen ihren Erscheinungsformen eine effiziente Vergleichsbasis für die Konfrontation von zwei oder mehreren Sprachsystemen dar. Die konkreten Ergebnisse werden von der mehrsprachigen Lexikographie oder in der Übersetzungswissenschaft angewandt, da die korpuslinguistische Sprachbetrachtung den authentischen Sprachgebrauch beobachtet. Zur Feststellung der andersprachigen
Äquivalenz, sowohl grammatikalischen als auch lexikalischen, ist es notwendig, das jeweilige Sprachelement im aktuellen Kontext, d. h. im Korpus, zu betrachten.
In unserem Aufsatz beschäftigen wir uns mit dem Einsatz von Blended Learning im berufsbezogenen Deutschunterricht. Es ist keine neue Methode, sondern eine neue Form, die den Präsenzunterricht mit einer Phase des Selbststudiums und mit einer computergestützten Phase kombiniert. Jeder Fremdsprachenunterricht hat seine eigenen Besonderheiten, die bei der Suche nach einer geeigneten Kombination der drei genannten Unterrichtsformen berücksichtigt werden müssen, um dank des synergistischen Effekts einen möglichst starken Lerneffekt zu erzielen. Blended Learning im Fremdsprachenunterricht stellt ein aktuelles Thema der Fremdsprachendidaktik dar, das noch nicht ausreichend bearbeitet wurde. Es gibt mehrere Modelle, die das erfolgreiche Einbinden von Blended Learning in den Fremdsprachenunterricht anbieten. Wir möchten die Anwendung eines der Modelle im berufsbezogenen Deutschunterricht vorstellen und damit einige Fragen zum Thema Blended Learning im Fremdsprachenunterricht beantworten. Die zentrale Frage lautet: Welchen Mehrwert bietet Blended Learning im Vergleich zu dem klassischen Präsenzunterricht? Daraus ergeben sich weitere Fragen: Welche Risiken muss man beim Einsatz von Blended Learning berücksichtigen? Ist Blended Learning nur aus pragmatischen Gründen einzuführen, oder unterstützt diese Unterrichtsform das Erlernen von einer Fremdsprache in besonderem Maße?
Forschungen zu Linguistic Landscapes stellen ein relativ junges Feld der Soziolinguistik dar, das sich der Präsenz geschriebener Sprache im öffentlichen Raum widmet. Grundlegend für die Etablierung dieser Forschungsrichtung war der Aufsatz von Landry & Bourhis (1997), der sowohl die Bezeichnung Linguistic Landscapes einführte (LL) als auch den Forschungsgegenstand definierte [...] Ausgehend von Landry & Bourhis widmeten sich zahlreiche Studien der LL aus den verschiedensten thematischen Perspektiven, unter denen Mehrsprachigkeit, Minderheitensprachen, Sprachideologie, Kommodifizierung und Tourismus eine zentrale Rolle spielten. [...] Im Folgenden soll die Bedeutung der historischen sozio-ökonomischen Entwicklung für die LL ausführlicher beschrieben werden, um so zu zeigen, dass ohne die entsprechenden sozio-ökonomischen Prozesse eine LL im modernen Sinne nicht existieren würde, womit gleichzeitig auf die Kritik an den üblicherweise urbanen Erhebungsorten eingegangen wird. Im Anschluss daran soll eine kurze Darstellung der historischen Konfliktlagen der häufigsten Zielregionen von LL-Studien aufzeigen, in welcher Weise diese die LL-Perspektive möglicherweise einseitig geprägt haben. Die Präsenz vergleichbarer Strukturen in fast allen Forschungsregionen von LL-Studien wird ebenfalls aufgezeigt und die sich daraus ableitende Problematik für die Auswahl neuer Forschungsorte und -themen beschrieben.
Als eines der "treibenden Kräfte" des Internets kann das populäre Videoportal YouTube angesehen werden, das täglich von Millionen von Internetnutzern besucht wird. Es ist nicht nur ein Online-Feld, in dem Menschen aus aller Welt Videos aus den unterschiedlichsten Weltbereichen oder ihrer Interessen teilen, sondern auch aus sprachlicher Sicht handelt es sich um einen faszinierenden Ort. Dies spiegelt sich in der sog. YouTube-Sprache wider, die das Hauptthema dieses Beitrags ist. Das Hauptziel des Beitrags ist es dabei, auf das Phänomen "YouTube-Sprache" aufmerksam zu machen und sie in Bezug auf die Merkmale der Internetsprache zu behandeln. Das zusammenhängende Ziel ist es, durch konkrete Beispiele darauf hinzuweisen, wie sich diese "Sprache" im Deutschen, bzw. im deutschsprachigen YouTube-Bereich, manifestiert. Ein weiteres Ziel besteht in der Klärung einiger angeführter Beispiele der YouTube-Sprache, d.h. der Wörter, bzw. Wortverbindungen, die zum gesamten Charakter dieser Sprache beitragen.
Performative Verben sind Sprechaktverben mit illokutiver Kraft, mit denen Sprechakte vollzogen werden. Im vorliegenden Beitrag wird das performative Verb "bitten" in ausgewählten Korpora der gesprochenen Sprache analysiert. Im Fokus der Analyse stehen sowohl die semantischen und morphosyntaktischen Merkmale als auch die Rolle des Verbs in gesprochener Sprache. Darüber hinaus wird die Frequenz des Verbs in privater, institutioneller und öffentlicher Kommunikation untersucht. Es wird darauf eingegangen, ob das Verb überwiegend in der Bedeutung "auffordern" und "verlangen" oder auch in anderen Bedeutungen verwendet wird. In der Interaktion spielt das Bitten und Auffordern eine bedeutende Rolle. Höfliches Auffordern respektiert gesellschaftliche Normen bei der Durchführung von sprachlichen Handlungen und reflektiert somit Akzeptanz und Freundlichkeit zwischen den Kommunikationspartnern.
Das vorliegende Heft der Slowakischen Zeitschrift für Germanistik versteht sich als erster Band mit Beiträgen, die im Rahmen der XII. Tagung des Verbandes der Deutschlehrer und Germanisten der Slowakei präsentiert wurden (Bratislava, 30.6.2016 – 2.7.2016). Im Mittelpunkt der Tagung standen Überlegungen zum vielfältigen Verhältnis von Gewalt und Sprache, die in mehreren Sektionen und aus unterschiedlichen Perspektiven thematisiert wurden. Die Schwerpunkte des vorliegenden Heftes wurden ursprünglich in den Bereich Deutsch als Fremdsprache eingeordnet. Die präsentierten Beiträge betreffen aber neben dem Bereich der Didaktik/Methodik des Deutsch als Fremdsprache-Unterrichts auch den Bereich der Lehrer_innenbildung und der Sprachenpolitik in der Slowakei.
Zum Äquivalenzbegriff bei der terminologischen Arbeit im Recht unter translatologischem Aspekt
(2015)
In diesem Beitrag wird auf die Problematik der Äquivalenz in juristischen Texten aus kontrastiver Sicht eingegangen. Da die Problematik der Äquivalenz im Bereich Recht viele Spezifika im Vergleich zu anderen Fachgebieten aufweist, ist es notwendig, nach einem passenden Äquivalenzbegriff zu suchen, der als Ausgangspunkt der terminologischen Arbeit, beim Vergleich von zwei terminologischen Beständen genommen werden könnte. Zuerst wird kurz die Äquivalenz im Allgemeinen behandelt. Im Zusammenhang mit den Besonderheiten der Übersetzung von Rechtstexten und den damit verbundenen Problemen bei der Übertragung der Rechtstermini, die zugleich als Repräsentanten eines anderen Rechtssystems gelten, wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit der Äquivalenzbegriff für den Bereich Recht überhaupt haltbar ist.
Die älteste Olmützer Universitätsmatrikel ist eine spezifische anthroponymische Quelle, in die Namen der Universitätsstudenten eingetragen wurden. Die Studenten stammten meistens aus der Oberschichten – entweder der Schicht der Adeligen oder der Bürger. Das Bedürfnis nach Prestige war in diesen Schichten sicher groß, wahrscheinlich auch deswegen erscheinen im 17. Jahrhundert in der Universitätsmatrikel so viele Fälle der Mehrnamigkeit. Daneben spielte auch die Nachbenennung nach mehreren Vorfahren eine wichtige Rolle; unter den Studenten waren auch Adelige, was die Anzahl der Vornamen beeinflussen konnte. Da es sich um die Studenten an der von den Jesuiten gegründeten Universität handelte, war die Nachbenennung nach Heiligen ein weiterer wichtiger Grund für die Vergabe mehrerer Rufnamen. Ob auch barocke Freude an einer gewissen Namenfülle oder die Einbeziehung der Paten weitere Gründe für die Mehrnamigkeit in der Universitätsmatrikel waren, kann aufgrund dieser Quelle nicht belegt werden. Die Untersuchung der Rufnamen in der Matrikel hat gezeigt, wie die religiösen Verhältnisse die Namenvergabung beeinflussten. Im Vergleich zu den Untersuchungen der Rufnamen anhand der Olmützer Stadtbücher spiegelt sich in der Matrikel eine andere Tendenz in der Entwicklung der Olmützer Rufnamen wider: Neben den traditionellen Heiligennamen lateinischer, hebräischer und griechischer Herkunft wurden in der Zeit der Gegenreformation spanische Namen von Heiligen, die erst im 17. Jahrhundert heilig gesprochen wurden, immer beliebter.
Prosodie ist nach neuesten Untersuchungen das wichtigste Merkmal der deutschen Sprache und umfasst auditiv wahrnehmbare Merkmale wie Akzent, Rhythmus, Stimmfarbe, Melodie, Lautheit, Sprechgeschwindigkeit, Pausen usw. Die Funktionen, die durch die Prosodie im Deutschen erfüllt werden, sind sehr vielschichtig und tragen eindeutig zur besseren Verständlichkeit und zum reibungsloseren Verlauf der Kommunikation bei. In den letzten Jahren hat man zahlreiche Untersuchungen auf dem Gebiet phonetischer Fehlleistungen ausländischer Deutschlerner durchgeführt. Es zeigte sich rasch, dass die Fehler, die den kommunikativen Erfolg von Sprechakten am stärksten beeinträchtigen, in den Bereich der prosodischen Realisierung fallen.
Während der Begriff Sprachkontakt "die beteiligten Sprachen ins Zentrum der Aufmerksamkeit" rückt, stehen bei dem – häufig in Abgrenzung dazu verwendeten – Terminus Mehrsprachigkeit "die Eigenschaften der Menschen, die diese Sprachen sprechen", oder die "Gruppen, in denen diese Sprachen gesprochen werden", im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. "Sprachkontakt ist im Wesentlichen ein Ergebnis von Mehrsprachigkeit", und die Verwendung mehrerer Sprachen oder Varietäten führt auch zu "Veränderungen in den beteiligten Sprachsystemen". Wenn verschiedene Sprachen über einen längeren Zeitraum hinweg in einem bestimmten Gebiet verwendet werden, zeigen sie eine Tendenz zur gegenseitigen Beeinflussung auf verschiedenen sprachlichen Ebenen. Wenn Sprachen in Kontakt treten, beeinflussen sich nicht nur die jeweiligen Sprachsysteme, sondern auf vielfältige Weise auch verbale und nonverbale Diskursmuster.
Namen sind seit Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil des Lebens der Menschen. Die Auswahl eines geeigneten Namens spielt für viele Eltern eine große Rolle für ihr Kind. Infolgedessen ist die Benennung nach der Geburt für alle Kulturen ein äußerst wichtiges Ereignis. In der vorliegenden Arbeit werden Vornamen im Deutschen und im Türkischen untersucht, die aus Blumennamen stammen. Das Ziel ist es, herauszufinden, aus welchen Sprachen die Vornamen mit Blumennamen ins Türkische und Deutsche entlehnt worden sind, und ob es Parallelen und Unterschiede bei der Frequenz der entlehnten Vornamen aus unterschiedlichen Sprachen und beim Gebrauch von bestimmten Blumenarten gibt.
The article introduces the language of wine connoisseurs in all its forms and, based on a number of specific examples from different genres and various types of texts (specialist literature, catalogues, wine labels, etc.), aims to stimulate discussion on the circumstances which influence the level of specialization in connection with the choice of linguistic resources.
This paper is based on the principle that not only technical communication, i.e. the subject of technical linguistics, but also the relevant research paradigms are in constant flux. The focus of research has shifted from technical language as a system to the role of the communicators as well as the situational aspects of technical communication, and in recent years this research has become integrated into epistemologically-driven discourse linguistics. This paradigm shift is demonstrated using the example of the analysis of an international treaty text.
The paper is an analysis of the literal and the idiomatic use of the German word group '(jm.) (die/seine) Zähne zeigen' and of its Czech counterpart 'ukázat (někomu) (své) zoubky/zuby' (cf. 'to show (sb) one's teeth') in German and Czech electronic text corpora. Its aim is to find possible reasons for the translation of the German idiom in a novel by a single Czech word paraphrasing its meaning. Examples from the parallel corpora seem to support the assumption the reason could be the effort of the translator to prevent misinterpretation due to the difference in the frequency of the literal and the idiomatic use of the particular word group in the given languages.
Vulgarisms, swear words and insults are a considerable and integral part of everyday language. They are used in various circumstances, such as releasing negative emotions and/or to hurt one’s feelings. These terms are also present in German and Polish song lyrics. The aim of the data analysis is to investigate functions and meanings of the lexeme 'Arsch' / 'dupa' in order to verify whether their usage in song lyrics is consistent with their definitions in dictionaries or exceeds them. The data sample comprises vulgarisms from 200 German and Polish rap and rock song lyrics. The main research area was the lexeme 'Arsch' / 'dupa', which is present in many word formation constructions in rock and rap song lyrics.
Particles have no specific lexical function per se and must be associated with another word or phrase to impart meaning. Thus, they develop manifold forms of polyfunctionality. They can express emotion, and when used interactively in everyday situations, they are dependent upon the particular features of the context. While the German language uses particles extensively, French more commonly uses alternative devices to expressa speaker's attitude toward his or her utterance, as will be shown by the example of ja in the speeches of the narrator and the characters of the novel 'The Call of the Toad' by Günter Grass.
Rising-falling-rising pitch accent is perhaps the most distinctive pitch accent in the spoken German language due to its prominence and complexity. Its prominence reflects the very high degree of informational relevance of the focused word or a strong need to attract the interlocutor's attention to the utterance that follows the focused word. Up to now, rising-falling-rising pitch accent has not been a subject of research into spoken German prosody, partially due to the stylistic neutrality of utterances that are artificially generated for research purposes and are devoid of context, and partially due to the insufficient number of different types of conversations within the corpus used to analyze prosody in authentic conversations. The purpose of this study is to determine the functions of rising-falling-rising pitch accents in German conversation with regard to co-constituting speech acts, structuring conversations and expressing the modality of utterances.
Vom 23. bis zum 25. Mai 2018 fand im Forschungszentrum NTIS an der Westböhmischen Universität in Pilsen die biennale Konferenz des Tschechischen Germanistenverbandes unter dem Titel "Experimentierräume: Herausforderungen und Tendenzen" statt. Organisiert und operativ durchgeführt wurde sie diesmal vom Lehrstuhl für deutsche Sprache der Pädagogischen Fakultät sowie dem Lehrstuhl für Germanistik und Slawistik der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität in Pilsen. Die Konferenz war international ausgerichtet und konnte insgesamt ca. 130 Teilnehmer/innen aus fast 15 verschiedenen Ländern begrüßen.
Die 26. Fachtagung der "Gesellschaft für Sprache und Sprachen" fand erstmals in Frankreich statt. Eingeladen hatte die Université Paul Valéry - Montpellier 3, dort das Département d'Allemand (Abteilung für Germanistik), und die Gruppe für germanistische Forschung CREG. Die Veranstaltung fand auch großzügige Unterstützung seitens der Region Occitanie und der Stadt Montpellier. Das diesjährige Rahmenthema "Traditionen und Erneuerungen" sollte einen wesentlichen Beitrag zu den derzeitigen Forschungsprogrammen des CREG leisten. Die Forschungsgruppe beschäftigt sich seit 2014 mit dem Themenschwerpunkt "Erben, weitergeben: Mechanismen und Prozesse". Im Rahmen des GESUS-Kongresses konnte dieser Schwerpunkt mit Ansätzen aus den in der GESUS vertretenen Fachgebieten, insbesondere der Sprachwissenschaft und Didaktik, beleuchtet werden.
Leistung
(2019)
Das 20. Jahrhundert hat zahlreiche Begriffe seiner Selbstbeschreibung hervorgebracht: Die 'Leistungsgesellschaft' ist eine dieser gängigen Selbstzuschreibungen, die sich im Kern auf einen Begriff zurückführen lassen: 'Leistung' erscheint auf den ersten Blick als klar zu fassen - wenn nicht sogar mathematisch-physikalisch präzise definiert als 'Arbeit pro Zeit'. Doch erschöpft sich das Bedeutungsspektrum des Leistungsbegriffs in dieser Formel? Was will eine Gesellschaft von sich aussagen, wenn sie sich als 'Leistungsgesellschaft' versteht? Jasmin Brötz geht im Folgenden auf Nina Verheyens populärwissenschaftliche Vorschau (Die Erfindung der Leistung, München 2018) auf ihr Habilitationsprojekt ein. [...] Grundlegende These des Buches ist, dass in der Gesellschaft Leistung gemeinhin als "individuelle Leistung" verstanden wird. Kollektive Anteile an einer Leistung, so Verheyen, werden dabei systematisch ausgeblendet. Die Autorin wirbt daher für ein "soziales Leistungsverständnis", das kollektive Aspekte von Leistung ebenso berücksichtigt, wie es ein Bewusstsein für das historisch gewachsene und wandelbare Konzept von Leistung entwickelt. Diesen eigenen normativen Anspruch verbindet sie mit einem konstruktivistischen Ansatz, indem sie die Zuschreibungen von Leistung dekonstruiert und darüber hinaus ganz im Sinne von Foucault Leistung als Mittel der Disziplinierung und Hierarchisierung hinterfragt.
Kontingenz / Zufall
(2019)
Bis zum Jahr 2003, als Peter Vogt, auf dessen Habilitationsschrift "Kontingenz und Zufall. Eine Ideen- und Begriffsgeschichte" Verena Wirtz im Folgenden eingeht, Teil des von Hans Joas geleiteten Forschungsprojekts "Kontingenz und Moderne" wurde und der Begriff von der Peripherie ins Zentrum interdisziplinärer Forschung rückte, handelte es sich um eine noch nicht begriffene Geschichte. Dabei war 'Kontingenz' als Mode- und Schlagwort der klassischen Moderne längst zu einem Grundbegriff der Postmoderne avanciert. Zunächst und primär Gegenstand der Philosophie, dann Leitbegriff der Soziologie, Ökonomie und Politikwissenschaft, hat sich im vergangenen Jahrzehnt auch die kontingenzscheue Geschichtswissenschaft des Begriffs und Sachverhalts des Unverfügbaren in der Geschichte angenommen.
Diversität: Bemerkungen zur Begriffsgeschichte der Diversität ausgehend von drei Sammelbänden
(2019)
Auffallend an der Geschichte des Begriffs der Diversität ist die Spannung zwischen der sehr langen Geschichte seines Gebrauchs und seinem dementsprechend sehr weiten Anwendungsbereich einerseits und der spezifischen Signalwirkung in der politisch-sozialen Sprache seit den 1980er Jahren andererseits. Bis zu dieser Zeit erscheint der Ausdruck in den großen deutschsprachigen Enzyklopädien meist nur mit einer kurzen Erläuterung seiner Bedeutung als "Verschiedenheit". Bereits in der Antike fungiert dieses Wort allerdings - ebenso wie die in seinem semantischen Umfeld stehenden Ausdrücke 'ποικiλία' und 'varietas' - als ein Wertbegriff, und zwar vor allem im Kontext der Ästhetik. Das Bunt-Schillernde, das die primäre Bedeutung von 'poikilia' im Griechischen ist, wird von Platon zwar noch abgelehnt, weil es etwas Oberflächliches sei, das nur für Kinder und Frauen Unterhaltung biete und von dem Eigentlichen, das in die Tiefe geht, ablenke. Später, besonders in der römischen Antike, avanciert die Darstellung von Vielfalt aber zu einem zentralen Prinzip der Ästhetik (so dass die Vielfalt ein "römisches Prinzip" genannt wurde). Erklärt wird dies mit politischen und kulturellen Entwicklungen wie der Verfasstheit des römischen Reiches als ein Vielvölkerstaat, der den vielfältigen Sinnenfreuden nicht abgeneigten römischen Alltagskultur (der Oberschicht) und nicht zuletzt dem Polytheismus. Auch in den christlichen Kontext wird die Vorliebe für Vielfalt übernommen und der eine Gott über die Vielfalt der Erscheinungen seiner Welt gepriesen. Dieser Hintergrund des Begriffsfeldes bildete eine Bedingung für die Konjunktur des Ausdrucks Diversität am Ende des 20. Jahrhunderts. Falko Schmieder beleuchtet anhand von drei in den letzten Jahren erschienenen Sammelbänden, wie diese Konjunktur sich entfaltete.
Zukunft
(2019)
In seiner Monographie zum Konzept der Zukunft hat sich Lucian Hölscher (Die Entdeckung der Zukunft, Göttingen 2016) einer Schlüsselkategorie aus dem Begriffsfeld der Zeit zugewandt, das im Wörterbuch der "Geschichtlichen Grundbegriffe" auffällig wenig bearbeitet ist. Das Thema der Zeitlichkeit ist dem Buch dabei selbst eingeschrieben, weil es sich hier um die aktualisierte und deutlich erweiterte Neuauflage einer Studie handelt, die erstmals im Jahre 1999 publiziert wurde. [...] Das Grundgerüst der Gliederung in vier größere Epochenabschnitte, beginnend mit dem Zeitraum von 1770 bis 1830, hat Hölscher beibehalten. Dem Themenschwerpunkt der vorliegenden FIB-Ausgabe entsprechend soll im Folgenden vor allem die Darstellung der Entwicklungen des 20. Jahrhunderts - also nach Hölschers Einteilung des Zeitraums von 1890 bis 1950 und der Zeit seit 1950 - betrachtet werden, denen etwa zwei Drittel des Buches gewidmet sind.
Innovation
(2019)
Der kanadische Wissenschaftshistoriker Benoît Godin legte im Jahre 2015 die erste umfassende Begriffsgeschichte von 'Innovation' vor, die sich im Wesentlichen auf englisch- und französischsprachige Quellen bezieht. Falko Schmieder beschäftigt sich nun mit der ersten begriffsgeschichtlichen Studie zur Verwendung von 'Innovation' im Deutschen, Susanna Webers "Innovation. Zur Begriffsgeschichte eines modernen Fahnenworts". Den aktuellen Ausgangspunkt bildet die Beobachtung einer enormen Reichweite und Expansion des Begriffs in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen.
Hegemonie
(2019)
Perry Andersons jüngstes Buch "Hegemonie. Konjunkturen eines Begriffs" ist ein Beleg für die internationale Konjunktur der Begriffsgeschichte und speziell für deren zunehmend globale Ausrichtung. Die Geschichte des Begriffs, die Anderson erzählt, berührt nämlich "acht oder neun verschiedene Nationalkulturen". Sie hat voneinander unabhängige Ursprünge, die in der griechischen Antike und in der noch älteren chinesischen Zhou-Dynastie liegen. Anderson hält fest, dass die lange und komplexe Bedeutungsgeschichte von 'Hegemonie' in den aktuellen Verwendungen zumeist ignoriert wird oder nicht mehr präsent ist; seine Überzeugung ist aber, dass wir diese Geschichte des Begriffs "verstehen müssen, um seine Bedeutung für die Gegenwart zu erfassen". [...] Die Gegenwart spielt für die Begriffsgeschichte aber auch deshalb eine besondere Rolle, weil der Begriff Hegemonie ungeachtet seiner langen Geschichte erst in jüngerer Zeit eine allgemeinere Bedeutung erlangt hat; im englischen Sprachraum liegt der große Sprung in den 1990er Jahren, in Deutschland dürfte das ähnlich sein. In dem "maßgeblichen Kompendium 'Geschichtliche Grundbegriffe'" hat der Begriff jedenfalls, so Anderson, "signifikanterweise keinen Eintrag" erhalten . Die möglichen Gründe dafür, über die Anderson nicht spekuliert, bringt Falko Schmieder hier zur Sprache.
Heimat
(2019)
Heimat ist ein Begriff, der aktueller ist denn je. Die Süddeutsche Zeitung erklärte im April 2018: "Heimat ist der Debattenbegriff der Zeit." Im Kontext der weltweiten Migrationsbewegungen und der gleichzeitig erstarkenden rechtspopulistischen Tendenzen in Europa spielen 'Heimat' und verwandte Begriffe in den tagesaktuellen Diskussionen immer eine unterschwellige oder auch explizite Rolle: Vom Verlust der Heimat durch Krieg, Vertreibung oder wirtschaftliche Not über das 'Abendland' als konstruierte Heimat und die Angst vor ihrer Islamisierung bis hin zum seit 2018 um 'Heimat' erweiterten Namen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat - es existieren viele Auslegungen und Bedeutungszuschreibungen für diesen Begriff. All diese gegenwärtigen Semantiken von 'Heimat' haben eine Geschichte und einen historischen Ursprung, denen die Sprachwissenschaftlerin Andrea Bastian in ihrer hier von Martin Schlüter besprochenen Untersuchung (Der Heimat-Begriff. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung in verschiedenen Funktionsbereichen der deutschen Sprache, Tübingen 1995) nachspürt.
Globalisierung
(2019)
Wer denkt, Globalisierung habe etwas mit Marktwirtschaft zu tun, irrt nicht. Auf diesen kurzen Nenner ließe sich die ausführlichste begriffsgeschichtliche Studie bringen, die bislang zu 'Globalisierung' vorliegt. Doch wird man mit dieser verknappenden Formel weder dem Phänomen noch der von Olaf Bach 2013 veröffentlichten Studie "Die Erfindung der Globalisierung" gerecht. Denn zu Recht versteht er 'Globalisierung' nicht als einen ökonomischen Fachbegriff, sondern untersucht "Entstehung und Wandel eines zeitgeschichtlichen Grundbegriffs".
Begriffe 'nach dem Boom'
(2019)
Mit ihrem Essay "Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970" haben Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael vor über zehn Jahren vielfältige Forschungen und Debatten zur Geschichte des 20. Jahrhunderts ausgelöst. Anders als Versuche, dieses Jahrhundert mit synthetischen Interpretationen wie der eines 'Weges nach Westen' oder eines Siegeszugs der liberalen Demokratie zu resümieren, beschrieb "Nach dem Boom" die drei Jahrzehnte seit 1970 als einen sozialen Wandel von revolutionärer Qualität. Dieser bis in die jüngste Gegenwart angenommene 'Strukturbruch' bündelt einschneidende ökonomische und sozialhistorische Zäsuren sowie politische und kulturelle Schwellen. Ernst Müller setzt sich im Folgenden mit dem von Ariane Leendertz und Wencke Meteling herausgegebenen Band "Die neue Wirklichkeit. Semantische Neuvermessungen und Politik seit den 1970er-Jahren, Frankfurt a. M./New York 2016" auseinander, der eine begriffsgeschichtliche Prüfung der 'Nach dem Boom-Thesen' vornimmt.
1967, im gleichen Jahr, in dem Richard Rorty seine Bestandsaufnahme zum 'linguistic turn' publiziert, hält Michel Foucault einen Vortrag über 'andere Räume'. Das 19. Jahrhundert, so Foucault, sei die Epoche der Geschichte und der Zeit gewesen, seine Themen waren "Entwicklung und Stillstand, Krise und Zyklus, die Akkumulation des Vergangenen". Das 20. Jahrhundert dagegen - für Foucault: die Gegenwart - sei als Epoche des Raumes zu begreifen: "Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit, des Aneinanderreihens, des Nahen und des Fernen, des Nebeneinander und des Zerstreuten". Der Strukturalismus, so Foucault weiter, sei der Versuch, in diesem Sinne den Zusammenhang zwischen den Elementen nicht mehr als Abfolge, sondern als Ensemble von Relationen zu begreifen, als "Konfiguration". Der Raum, so könnte diese viel zitierte Passage gedeutet werden, wäre gegenüber der Sprache eine noch grundlegendere Kategorie; der 'linguistic turn' dann nur noch eine Variante des 'spatial turn'. In der Lesart von Stephan Günzel, dem Herausgeber des 2010 erschienenen interdisziplinären Handbuches "Raum", erscheint die Sprachwende in diesem Sinne als Teil der Vorgeschichte der späteren "Raumkehren". [...] David Kaldewey nimmt anhand des Handbuches eine über einzelne Autoren und Stichwortgeber hinausgehende Einschätzung der Bedeutung und Karriere des Raumbegriffs in verschiedenen Disziplinen und Forschungsfeldern vor.
Nichts ist so prekär wie die Kontinuität und Identität eines Zeichens. Gewiss, die Weiterverwendung eines tradierten Wortkörpers suggeriert Kontinuität auch auf der Inhaltsseite, und die Etablierung eines neuen Wortkörpers suggeriert Diskontinuität, wiewohl ein neuer Wortkörper einen etablieren Inhaltskomplex fortführen und ein alter einen grundstürzend neuen Inhaltskomplex etablieren kann. [...] Kurz und gut: Jegliche Verallgemeinerung über das, was die Leitbegriffe des 20. Jahrhunderts von denen des 19. Jahrhunderts unterscheidet, ist mit Vorsicht zu genießen. Was neu aussieht, muss nicht zur Gänze neu sein, und vice versa. Die ausdrucksseitigen Kodierungen sind selbst bisweilen strategisch, wir haben es mit einer öffentlichen Meinung zu tun, die zunehmend professionell produziert (und auch kurzfristig improvisiert) wird. [...] Es wird also zu fragen sein, ob sich nach dem Ansehensverlust der großen traditionellen 'Bewegungsbegriffe' (sagen wir) Stilmerkmale ausmachen lassen, die charakteristisch sind für die Macht-, Wissens- und Zustimmungspraktiken des 20. Jahrhunderts. [...] Als Sprach- und Kommunikationswissenschaftler versucht Clemens Knobloch, Veränderungen im Konnotationstransfer bei einigen 'modernen' Grundbegriffen auszuleuchten.
Intellektuelle
(2019)
Zumeist im Plural als 'die Intellektuellen', weniger häufig im Singular als 'der Intellektuelle' und kaum je in der weiblichen Form als 'die Intellektuelle', zählt der Begriff zu den Neuschöpfungen im frühen 20. Jahrhundert. Er ist von stark vagabundierender Bedeutung und steht immer auf dem Prüfstand. [...] Akademiker, Ideenträger, Geistesführer, das sind nur drei und dazu sehr unterschiedliche Bedeutungen, auf die der Begriff 'Intellektuelle' verweist, als er um 1900 in Deutschland zu zirkulieren beginnt. Diese Zirkulation wird im Folgenden entlang der neueren Intellektuellenforschung unter drei Aspekten betrachtet: Zuerst wird die in Deutschland einflussreiche 'Schimpfwortgeschichte' als Abwehrgeschichte französischer Traditionen aufgegriffen, es werden aber auch die mit Beginn des 20. Jahrhunderts für den deutschen Sprachraum nachweisbaren positiven Semantiken und Aneignungsformen betrachtet (I); im Anschluss werden Forschungswege der Soziologisierung wie der diskursanalytischen Behandlung des Intellektuellenthemas verzeichnet, zugleich wird noch einmal an Reinhart Kosellecks Konzept von Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte erinnert (II); schließlich wird das gesteigerte Interesse an einer präzisierenden und differenzierenden Intellektuellengeschichte seit den 1970er Jahren beschrieben, um einige Linien zu gegenwärtigen Verwendungskontexten zu ziehen (III).
Netz / Netzwerk / Vernetzung
(2019)
Netz, Netzwerk und Vernetzung sind zu Schlüsselbegriffen für die Wissensorganisation der Gegenwart geworden. Wir begegnen uns im Netz, sind vom Netz gefangen, abhängig, begeistert und vor allem mit und durch Netzwerke verbunden; wir flirten, streiten, kaufen dort. Unsere Kühlschränke befinden sich in regem Austausch mit unseren Autos, Nachttischlampen, Kaffeemaschinen sowie den Firmen und Regierungen, die sich für diese Datenflut begeistern können. Dass wir vernetzt sind, würde gemeinhin niemand mehr bestreiten. Doch der Hang zur Vernetzung geht über den Cyberspace hinaus. Denn nebenbei betreiben wir fleißig Networking, halten Ausschau nach wertvollen Kontakten, begreifen das Netzwerk als effiziente wie raumrelativierende Kooperationsform und kartographieren komplexe Abläufe mithilfe feingliedriger Netzwerkmodelle. Dieser Umstand hat in den letzten Jahren viele geisteswissenschaftliche Arbeiten zur Reflexion angestoßen. Peter Fritz geht im Folgenden hauptsächlich auf zwei neuere Studien (Alexander Friedrich: Metaphorologie der Vernetzung. Zur Theorie kultureller Leitmetaphern, Paderborn 2015; Sebastian Gießmann: Die Verbundenheit der Dinge. Eine Kulturgeschichte der Netze und Netzwerke, Berlin 2016) ein, die die Dominanz von Netzen und Netzwerken in der Gegenwart als Ausgangsbeobachtung wählen, aber unterschiedlich mit dieser Gegenwartsdiagnose umgehen.
Editorial
(2019)
Diese Ausgabe des "Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte" dient der Vorbereitung eines auf den deutschen Sprachraum bezogenen Lexikonprojekts zur politisch-sozialen und kulturellen Semantik im 20. Jahrhundert. In theoretisch-methodischer Hinsicht knüpft es an die vielen Debatten zur Neuausrichtung der Begriffsgeschichte an, zu denen vor allem Zeithistoriker*innen wichtige Beiträge geliefert haben.
Thema des vorliegenden Beitrags ist das interaktionale Potenzial des Scherzens in seiner Funktion als kooperativ entfaltete Handlung der Kritik. Im Fokus liegen speziell Kontexte, die als 'interkultureller Dialog' markiert sind und in denen sich die Interaktionsaufgabe stellt, an diskursiven 'kulturellen Grenzen' verständigungsorientiert zu arbeiten. Exemplarisch wird an einer Gesprächssequenz zwischen deutschen und ägyptischen Studierenden gezeigt, wie gerade im gemeinsamen Scherzen Konstruktionen kultureller Zugehörigkeit und Differenz kritisch-konstruktiv bearbeitbar werden, auch in beziehungsorganisatorisch schwierigen Situationen. Als entscheidend erweist sich die damit verbundene Initiierung "kulturellen Handelns". Grundlage der Untersuchung ist ein sprachwissenschaftlicher kritisch-diskursanalytischer Zugang zum Material ('Oldenburger Ansatz' der Kritischen Diskursanalyse), in dessen Rahmen diskurssemantische und interaktionsanalytische Perspektiven zusammengeführt werden.
The First World War brought devastating consequences for German linguistics. Formerly one of the most prestigious foreign languages taught at schools and universities outside Germany, after the war German disappeared from almost all curricula abroad. Furthermore, it proved impossible to establish a structuralist school (such as the Prague school) in Germany. The article suggests that this was neither due to the long tradition of the Jungian grammarians nor due to the Nazis' official condemnation of structuralism as being incompatible with the ideology of the state. It is shown that such a development should instead be attributed to the so-called "Krieg der Geister" ("war of the intellect"), which remained present even after the military peace (1918) amid a feeling of national insecurity. The article concludes that such a nationalistic social and political environment proved to be fertile ground for Whorfianism, and the influence of the so-called 'Sprachinhaltsforschung' prevailed towards structuralism.
The article analyses three texts which address the same subject (the definition of the word Wort) and aims to demonstrate that it is not only the topic that plays a crucial role in creating the macrostructure and microstructure of a text, but also the communicative situation. The article explores what differences there are in the selection of linguistic means when the same content is being expressed in texts intended for communication at various levels of specialization, and which communication strategies the authors of the texts choose in connection with the text's genre, their intentions and (above all) the communicative situation.
The article focuses on suffixoids based on titles of nobility and ecclesiastical titles. As an example, the study analyzes a total of 14 suffixoids with regard to the relation between the base word and the suffixoid. For this purpose, the author created a corpus of 200 tokens from online sources covering a 10-year period. The study presents suffixoids as active word-formation elements used as a result of linguistic expressivity and creativity. Moreover, it suggests an increasing tendency towards their use. This linguistic study can be seen as a new impetus to further investigations, especially in the field of translation studies – e.g. in the comparison of German and Czech with regard to this topic, which remains an uncharted field with no accurate studies yet available.
In Europe, anthroponyms have undergone a complex development, as simple one-word personal names have developed into multi-word structures containing one, two or more personal names and a stable surname. The article predominantly characterizes the development of surnames on the basis of their origin. Attention is also paid to different trends in the development of personal names. The article analyses this phenomenon from various perspectives, using an example of one specific living person’s anthroponyms.
Im wissenschaftlichen Bereich nimmt die Bedeutung der Kinderliteratur und deren Übersetzung weltweit eine besondere Stellung ein, da es sich bei der Ziellesergruppe um Kinder handelt. Kinderliteratur wird von Erwachsenen verfasst. Daher sollten die erwachsenen Schriftsteller in der Lage sein, wie ein Kind zu denken, die Welt der Kinder zu verstehen und Dichtungen so kinderverständlich hervorzubringen, dass sie in deren Welt passen. Gleichermaßen müssen die Übersetzer von Kinderliteratur diese auf eine für Kinder verständliche Art übersetzen. Diese Studie diskutiert zunächst die Kinderliteraturübersetzung aus theoretischer Sicht und befasst sich mit theoretischen Ansätzen in kinderliterarischer Übersetzung. Danach wird die Übersetzung von "Der Teddy und die Tiere", eine Bilderbuchgeschichte vom berühmten deutschen Schriftsteller Michael Ende, im Rahmen der Übersetzungswissenschaft untersucht. Die Schwierigkeiten, die die Übersetzerin bei der Übersetzung des erwähnten Werkes begegnete und die Übersetzungsstrategien, die zur Überwindung dieser Schwierigkeiten verwendet wurden, werden deskriptiv im Lichte der Übersetzungstheorien der Kinderliteratur erforscht. Die Analyse zeigt, dass die Übersetzerin die domestizierende Übersetzungsstrategie bevorzugt.
Linguistik- und Literaturtage "Sprachen verbinden". 24. internationale GeSuS-Fachtagung an der Masaryk-Universität in Brno, 22.-24. Juni 2016
Die 24. internationale Fachtagung der Gesellschaft für Sprache und Sprachen (GeSuS) fand vom 22. bis 24. Juni 2016 statt. Als Ort wurde diesmal die Pädagogische Fakultät der Masaryk-Universität in Brno gewählt, die nicht nur einen Großteil der Organisation übernahm, sondern damit gleichzeitig auch ihr 70. Gründungsjubiläum feierte. Die internationale Tagung setzte sich zum Ziel, eine Plattform zur Präsentation neuer Forschungsergebnisse im Bereich der Germanistik zu schaffen und das Knüpfen neuer Kontakte zu ermöglichen.
Die Vehemenz, mit der westeuropäische Literaten und Philosophen im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sprachkritische Positionen vertreten, wird häufig als Reaktion auf die fundamentale Gesellschafts- und Kulturkrise jener Zeit gedeutet. Die Manifeste dieser Bewegung - allen voran Fritz Mauthners 'Beiträge zu einer Kritik der Sprache' (1901/02) - illustrieren ja auch eindrucksvoll, wie generelle Zweifel an der Möglichkeit und Relevanz sprachlicher Welterkenntnis einhergehen mit der Abscheu vor den als besonders inhaltsleer empfundenen Begriffen für die Konventionen, Ideale, Wissens- und Lebensformen einer bereits in der Agonie liegenden Ordnung. Auch die russische ,Intelligencija' jener Zeit wird von der Fin-de-siècle-Stimmung erfasst. Von Sprachkritik ist bei ihr allerdings nichts zu spüren. Im Gegenteil: der Glaube an die welterschließende und -verändernde Potenz der Sprache - gerade auch der poetischen - ist ungebrochen.
Der Absatz hat in der Sprachtheorie nur relativ wenig Aufmerksamkeit gefunden. In diesem Beitrag soll den Gründen für die Marginalisierung dieser schriftsprachlichen Einheit nachgegangen werden. Zu diesem Zweck wird der Absatz zunächst im Kontext 'benachbarter' Einheiten (Text, Satz, Periode) betrachtet. Danach werden einschlägige Beiträge gesichtet, und zwar sowohl ältere und neuere Absatzcharakterisierungen aus dem deutschen Sprachraum als auch Beiträge aus anderen Sprachkulturen. Anschließend wird die linguistische Relevanz dieser Einheit diskutiert. Hierbei wird unter anderem demonstriert, dass viele Beiträge zur Absatztheorie der traditionell-rhetorischen Konzeption der Periode nahe stehen, sodass es sich empfiehlt, diese beiden Konzeptionen im Zusammenhang zu betrachten.
Obwohl die moderne deutsche Wortbildungslehre im verhältnismäßig kurzen Zeitraum eine rasante Entwicklung mit bemerkenswerten Forschungsergebnissen und interdisziplinären Bindungen (zu Syntax, Text, Pragmatik) zu verzeichnen vermag und zu einem festen Bestandteil der universitären DaF-Curricula in fast ganz Europa wurde, konnte sie hierzulande erst etwa seit den 80er Jahren des 20. Jh. als eine eigenständige Disziplin oder im Verbund mit der Lexikologie (vorher in die formale Morphologie integriert) Eingang in das DaF-Studium finden. Die Hintergründe sind in einer durch die damals herrschende Sprachtheorie (der Generativen Grammatik/Syntax der 60er Jahre) mit einer Überbetonung der Sprachproduktion (der Erzeugung von Sätzen) und zum Nachteil der rezeptiven, die Analyse der sprachlichen Erscheinungen anstrebenden Ansätze, zu sehen. Unsere (tschecho-slowakischen) didaktischmethodischen Theorien des Fremdsprachenlehrens und -lernens hatten diese asymmetrische Auffassung der sprachlichen Kommunikation (d. h. Sprachkompetenz = Sprachproduktion) damals ziemlich unkritisch übernommen. Die Überbewertung und die damit einhergehende fälschliche Gewichtung der Erzeugungsphase von Sätzen und Texten beeinträchtigten u. a. die Prozesse der verstehenden Verarbeitung von fertigen Sprach-, folglich auch von Wortbildungsprodukten. Die Wortbildungslehre kam dabei zu kurz, sie wurde zeitweilig aus den Curricula verbannt, weil die Ausländer auch bei guter Kenntnis von Bildungsmitteln, -modellen und -regeln einer Fremdsprache meist nur noch nicht-usuelle, nichtübliche, wenn auch vom System her "richtige" Wörter zu komplettieren vermochten. Diese Argumentation ist stichhaltig: Nichtmuttersprachler bilden wirklich meist defekte Wörter in einer Fremdsprache und die Wortbildungslehre soll eben deshalb nicht als ein Instrumentarium zur selbstständigen Bildung unbekannter Wörter dienen. Bei vielen Gemeinsamkeiten von Wortbildung und Flexion bzw. Satzbildung ist die Wortbildung ja doch anders beschaffen als die Bildung von Sätzen oder Wortformen, vgl. u. a. die Unvollständigkeit/Defektivität des Wortbildungsparadigmas, verschiedene, nichtprädiktable Benennungsmotive in einer Fremdsprache, die Wahl einer Benennungsart aus dem Inventar mehrerer Möglichkeiten, einschließlich der Entlehnung, die Besonderheiten der jeweiligen sprachspezifischen onomatologischen Verarbeitung einer Einwortbenennung u. a. m.
Die kontrastive und didaktisch orientierte Sprichwortforschung ist bisher [...] stark vernachlässigt worden. Dieses Desiderat ist durch jüngste Untersuchungen, die empirischlinguistische, korpusbasierte, kontrastive und didaktische Gesichtspunkte einbezogen haben, deutlich zu Tage getreten ist (vgl. v.a. P. Ďurčo: Sprichwörter in der Gegenwartssprache, Trnava, 2005). Es gibt bisher keine statistisch relevanten empirischen Untersuchungen zum aktuellen Gebrauch und zur gegenwärtigen Kenntnis von Sprichwörtern bei den Sprachbenutzern. Und es sind folgerichtig bisher keine spezialisierten Sprichwortkorpora erstellt worden. Es fehlen ebenso moderne ein- bzw. zweisprachige Sprichwortlexika, die ausschließlich auf der Basis umfangreicher Korpusanalysen erstellt worden wären. Ungelöst scheint nach wie vor die Problematik einer theoretisch und funktional begründeten parömiologischen Äquivalenz zwischen verschiedenen Sprachen. Offen ist nicht zuletzt die Frage der kontrastiven Klassifikation und Differenzierung von Sprichwörtern aus linguistischer Sicht.
Der folgende Betrag skizziert das Konzept und Optionen einer lexikalischen Typologie, die sich über das E&K-Paradigma (Entrenchment und Konventionalisierung) definiert. Zugrunde gelegt werden sprachliche Symbolisierungen, die sich in ihrem signifié-Bereich der Domäne von 'Ursache/Wirkung'-Konzeptualisierungen zuordnen lassen. Es handelt sich bei diesem Beitrag nicht um eine vollausformulierte Darstellung von konkreten Forschungsergebnissen selbst, sondern um die Ausarbeitung derjenigen methodischen und theoretischen Grundlagen, die für eine entsprechende, E&K-basierte Typologie relevant sind. Der Einfachheit halber wird die Zielgröße der Darstellung hier als "CAUSA" bezeichnet.