BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.14.00 Literatursoziologie
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Wenn es Aufgabe der Literaturwissenschaft ist zu erforschen, „in welchem Maße Literaturen an den Kämpfen um kulturelle Hegemonie beteiligt sind“ (Kirsch), so gilt das besonders für historische Romane, die nationale oder regionale Geschichte rekonstruieren. Solche Romane schreiben entweder die Opposition von Siegern und Besiegten fest oder stellen Geschichte als shared history der beteiligten Akteure dar. Auch innerhalb Europas gibt es Kultur- und Sprachräume, die die letzten Jahrhunderte im Status kolonialer Abhängigkeit verbracht haben und über diese langen Zeiträume hinweg kulturellen Hybridisierungsprozessen ausgesetzt waren. Eine solche Erfahrung hat die Mittelmeerinsel Sardinien zutiefst geprägt; Sardinien ist „eine der ältesten und dauerhaftesten Kolonien der Welt“ (Day). Die heutige sardische Literatur trägt daher alle Züge einer postkolonialen Literatur. Sie präsentiert sich als kulturelles und sprachliches patchwork, als individuelle und kollektive Suche nach dem, was sardische Identität nach dem Durchgang durch den Kolonisationsprozeß ist und sein kann, als Basteln einer imagined community im Zeitalter von Massentourismus und Globalisierung. Mit Sergio Atzeni ist ein Autor angesprochen, der es bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1995 als seine Aufgabe angesehen hat, Sardiniens Geschichte(n) Schriftform zu geben.
Die Einsicht in die Notwendigkeit des Exils entsteht bei den meisten Autoren unter dem existentiell gewordenen Druck, einer Ausweisung zuvorzukommen. Die Furcht vor bevorstehender Inhaftierung, die Angst vor einem Berufsverbot oder vor einer schikanösen Zensurhandhabung veranlaßt jene Autoren, welche die politischen Ereignisse in Deutschland und Österreich-Ungarn kommentieren, ihre Heimatstaaten zu verlassen.
Denn bei vielen Emigranten der schreibenden Zunft handelt es sich vor allem um 'Censur-Flüchtlinge' wie Rudolf Gottschall in seinem gleichnamigen Gedichtband die politischen Exulanten nannte. Diese sind nicht nur darum bemüht, in den Anrainerstaaten eine alternative Verlagslandschaft
zu organisieren, sondern verändern infolge des Blicks von außen auf die Geschehnisse im Heimatland ihre Sichtweisen auf die Politik. Mit dem Exil wandelt sich also nicht nur das berufliche und private Umfeld, sondern auch die politische Einstellung, sei es daß eine Politisierung erstmals stattfindet, daß bestehende Vorstellungen bestätigt oder radikalisiert werden oder daß die Ferne zur Heimat und die Erlebnisse in der Fremde eine Veränderung der politischen Auffassung, also einen Politikwechsel bewirken.