BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.13.00 Literaturkritik. Wertung
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (9)
- Part of a Book (9)
- Conference Proceeding (1)
- Part of Periodical (1)
Language
- German (18)
- English (1)
- Portuguese (1)
Has Fulltext
- yes (20)
Keywords
- Literaturkritik (8)
- Kritik (5)
- Kulturwissenschaften (5)
- Vormärz (3)
- Zensur (2)
- Amazon.de GmbH (1)
- Anspruch (1)
- Augenchirurgie <Motiv> (1)
- Beyer, Martin (1)
- Biller, Maxim (1)
Institute
- Extern (2)
Der Vormärz ist eine Periode emphatischer Selbst- und Fremdwahrnehmung: der eloquenten Beschimpfung, des kämpferischen Angriffs, der messianischen Huldigung, der agitierten Publizistik. Vieles hiervon spielt sich in der Literaturkritik ab, die in den Mittelpunkt des folgenden Beitrags gestellt wird. Geboten werden soll ein Einblick in die Funktionen von Literaturkritik bei der Organisation von Märkten unterschiedlicher Wertskalen. Der betrachtete Zeitraum sind die 1830er bis 1850er Jahre. Der 'Markenwert' der Literatur bestimmt sich einerseits über ihre Unabhängigkeit und Widerständigkeit - die intellektuelle Autonomie ist ihr anerkanntes symbolisches Kapital. Das gilt für die Literatur des Vormärz in besonderem Maße. Auf der anderen Seite ist Literatur Ware in einem System, das an ökonomischen Maßzahlen ausgerichtet ist. Dieses System verzeichnet im Untersuchungszeitraum deutliche Wachstumszahlen. Beide Systeme, Ökonomie und Literatur, schreiben Werte zu und verteilen Anerkennungen; Autoren müssen sich in beiden positionieren, und Erfolge in dem einen Bereich haben keine notwendige Entsprechung im anderen. Im folgenden soll betrachtet werden, wie sich diese Perspektiven in der 'Laborzeit' entfalten, zusammenhängen oder einander im Wege stehen.
Der Beitrag untersucht anhand von Amazon-Kundenrezensionen zu Werken Judith Hermanns die Beweggründe für deren Verwendung. Dabei wird ersichtlich, dass eine Abgrenzung zur professionellen Literaturkritik vorhanden ist und durch mindestens sechs folgende Gründe ergänzt werden muss: (1.) virtuelle Hilfsbereitschaft, (2.) Nacherzählung des Inhalts, (3.) Wertung und Kaufempfehlung, (4.) Beschreibung des Lektüreprozesses mit Empfehlung für Art und Weise des Lesens, (5.) Kommunikationsmittel zwischen Kunden und Autorin sowie (6.) vernichtender Umgang mit Hörbüchern.
Böll on Joyce, Joyce on Böll : a gnomonical reading of Heinrich Böll's "Die schönsten Füße der Welt"
(1998)
It is my contention - but not my whole argument, as we shall soon see - that this shift or new departure can be attributed in part to Böll's introduction to the work of James Joyce, an event that took place at or around the time when Böll began travelling to Ireland in 1954. Indeed, as if in corroboration of this assumption, the earliest mentionings of Joyce that I have found occur in the second and third episodes of Böll's popular travelogue „Irisches Tagebuch“, published in 1957. It is worth noting, however, that neither of these two comments is formulated in a way that would presuppose more than a superficial knowledge of Joyce's works. And later, too, we find only the occasional allusion to or mention of the lrish writer in Böll's literary work. Nor does Joyce or his œuvre figure prominently in Böll's countless essays and interviews on writers and writing. Even in the short article „Über den Roman“ of 1960, which is devoted to the modern novel and would provide the natural occasion for an acknowledgement of this kind, Böll refers neither to „A Portrait of the Artist as a young Man“ nor to „Ulysses“, not to mention „Finnegans Wake“.
Arno Schmidt wäre nicht Arno Schmidt, wenn er bei seinen Lesern nicht anecken wollte. Er war ein Meister der Provokation. Nichts liebte er mehr als Leser egal welchen Couleurs vor den Kopf zu stoßen, in seinem Frühwerk vor allem Konservative und Gläubige, in seinem Spätwerk sogar auch seine liberalen und linken Anhänger. In seiner Essayistik und Funkessayistik über deutschsprachige und angelsächsische Autoren war solch gezielte Irritation sein Metier. Paradebeispiele sind seine Funkessays und Aufsätze über Goethe,Stifter, Karl May, Edgar Allan Poe und James Joyce. [...] Rabiat in seiner Kritik an der Gegenwartsgesellschaft suchte Schmidt Zuflucht vor den ungeliebten und ennervierenden Zeitgenossen im intellektuellen Gespräch mit seiner selbsterwählten literarischen Ahnengalerie. Diese Ahnen kamen freilich nicht immer ungeschoren davon: mal waren sie Gegenstand seines Lobes und seiner Verehrung, mal seines Zornes oder Spotts, wie wir gleich auch beim Fall Dante sehen werden.
Kritik, Literaturkritik (II.) : Die Geschichte des K.-Begriffs von der Renaissance bis zur Gegenwart
(1976)
Das Wort <K.> bezeichnet bildungssprachlich heute fast ausschließlich die Rezension literarischer Neuerscheinungen und die Besprechung künstlerischer Darbietungen als Formen der Publizistik, sowie die Gesamtheit der diese verfassenden Personen. Solchem Wortgebrauch zufolge unterscheidet sich K. von der (akademischen) Literaturwissenschaft neben der Aktualität dadurch, daß sie sich der Äußerung von Werturteilen und der Einflußnahme nicht enthalten muß. In dieser engen Verwendung ist <K.> das Ergebnis eines Bedeutungswandels, dem das französische <critique> und das englische <criticism> nicht in gleicher Weise unterlegen sind, so wenig sich in beiden Sprachen ein <Literaturwissenschaft> vergleichbarer Terminus hat durchsetzen können.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich vor allem mit der produktiven Wirkung und dem innovativen Potential von Störungen im Bereich der ästhetischen Wahrnehmung und Poetik. Unter dem genannten Konzept von Störung lässt sich zunächst eine Reihe von verschiedenen ästhetischen und poetischen Phänomenen subsumieren, die man als gezielte oder unbewusste Abweichung von der Erwartungshaltung des Rezipienten definieren kann. Jene poetischen und künstlerischen Erscheinungsformen von Störung reichen von der spielerischen Divergenz bis zur gezielten Unterbrechung und systematischen Irritation; sie umfassen auch markante Brüche mit literarischen Traditionen und etablierten Schreibkonventionen.
Am 12. Oktober 2007 wurde der Roman "ESRA" von Maxim Biller (erschienen 2003 bei Kiepenheuer & Witsch) durch das Bundesverfassungsgericht wegen der Verletzung der Menschenwürde einer darin zu erkennenden Frau endgültig verboten. Das hat zahlreiche Äußerungen der Art nach sich gezogen, dass nach solchen Maßstäben auch Goethes "Werther", Fontanes "Effi Briest", Thomas Manns "Buddenbrooks" und wer weiß welche Werke noch hätten verboten werden müssen. Gegen diese historisch unsinnigen Gleichsetzungen wendet sich der hier wiedergegebene Artikel.
Zwar haben die Intellektuellen das zwanzigste Jahrhundert nicht in gleicher Weise geprägt wie die Massenmörder, die Wohlfahrt und die ethnischen Säuberungen. Dennoch war es ihr Jahrhundert. Das – nennen wir es einmal so – Unbehagen in der Schriftkultur enthält die Aufforderung an sie, Abschied zu nehmen: Wovon, das bleibt die Frage. Zu viele Abschiede, zu viele Ankünfte; nicht allein Intellektuellen fällt es schwer, dergleichen noch ernst zu nehmen. Und sie passen sich an: Man kann beim besten Willen nicht mehr behaupten, daß sie es ernst meinen. Darin liegt auch ein Abschied, kein Zweifel, der langsame, von Kehrtwenden aller Art durchsetzte Rückzug aus einer Inszenierung, die vielleicht überflüssig, aber niemals langweilig war – ein Luxus, wie ihre besseren Vertreter immer gewußt haben. Ein Luxus des Subjekts, das angesichts seiner Diagnosen entweder in spröder Resignation verharrt oder als Dolmetscher von Sehnsüchten auftritt, die mit der Oberfläche der Dinge zu sehr verklebt sind, als daß ihr verstreutes Aufflackern jemals das Reich der Freiheit hätte ankündigen oder der Verwirklichung näherbringen können. Auch im brüchigen Universum der Intellektuellen hatten und haben die Frondeure des Prinzips Hoffnung einen schweren Stand. Richtig ist allerdings, daß die kluge Einschätzung des Umstands, wie schwer es fällt, alle imaginär gerichtete Hoffnung fahrenzulassen, ihnen das Überleben gesichert und sie unter Herrschaften in Gefahr gebracht hat, für welche die Überführung solcher Hoffnungen in Gegenwart beschlossene Sache war.
Das Verschwinden des östlichen ‘Blocks’ von der ideologischen Landkarte hat – in West und Ost – eine Reihe von Phantomschmerzen gezeitigt, deren zufriedenstellende Diagnose noch aussteht. Zwar fehlte es nicht an ehrgeizigen Versuchen, aber es fügte sich, daß sie alle mehr oder minder unreflektiert in die der Politik und dem Wirtschaftsleben abgelernten Formeln von der ‘Unsicherheit’ oder ‘Ungewißheit’ kommender Entwicklungen mündeten, selbst die seinerzeit auf ganz andere Problemstände gemünzte Habermas-Vokabel von der ‘Neuen Unübersichtlichkeit’ kam hier und da schüchtern zu neuen Ehren. Das mochte, um an eine Wendung Kants zu erinnern, in der Praxis hingehen, doch in der Theorie schuf die sich in solchen Floskeln bekundende Auslieferung an einen kommenden Zeitgeist eine Opportunismusvariante, die man, eine Lieblingsvokabel dieser Jahre aufgreifend, getrost ‘virtuell’ nennen könnte. Warum sich den Kopf zerbrechen, wenn alles im Fluß ist und das Passende sich früher oder später schon finden wird? Die intellektuelle Selbststornierung kennt allerlei Quellen und mancherlei Gründe, auch Abgründe – es scheint, als erlebten manche Heroen des öffentlich ergriffenen Wortes schmerzliche Bewußtseinslagen noch einmal, allerdings nicht, wie zu ihrer Zeit, eingespannt zwischen Hoffen und Bangen, sondern im Licht des Verdachts, daß mit dem beschädigten Hoffen auch das Bangen nicht mehr das alte sein dürfe. Wer profitiert, sind die Eiferer und die Spötter: Feindschaft stabilisiert, Loyalität, zumal verdeckte, nicht minder.
Das Ende der Kritik
(1997)
Die Kritik – was ist das? Offenbar dies und das: eine okkasionelle Tätigkeit, ein Spektrum wenig zusammenhängender ‘Institutionen’, ein berufliches ‘Credo’, vor allem aber eine Idee, ein Wert, dem Unwert auf zweideutige Weise verbunden. Ein Idol also, produktiv dadurch, daß es die Einbildung vieler stimuliert. Nichts anerkennen, was nicht am checkpoint irgendeiner Kritik festgehalten und gründlich kontrolliert wurde: So lautet die Maxime, der sich der wissenschaftliche Alltag ebenso unterwirft wie das Gefühlsleben des durchschnittlich ‘kontrollierten’ Individuums. Zwar gilt sie nur unter Vorbehalt, doch dieser – kritische – Vorbehalt gegen die Kritik schwächt sie nicht ab, sondern macht sie praktikabel: er integriert sie in den Gang der Dinge, ins Netz der Verpflichtungen und Rücksichten, in die Einsicht, daß es gelegentlich an der Zeit ist, Sachen zu tun, die einfach nicht zu rechtfertigen sind, weil jede Art der Rechtfertigung von vornherein als Skandalon gälte.