BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.07.00 Ästhetik
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Sinnvoller als eine kategorische Scheidung beider Begriffe, zu der Kant neigt, wäre ein differenzierendes Konzept, demzufolge das Schöne als ein Sonderfall des Angenehmen zu bestimmen wäre, genauer als das Angenehme, sofern es ohne sinnliche Bestimmtheit betrachtet wird. Das Angenehme und das Schöne wären dementsprechend gar nicht als Gegensätze zu erfassen, sondern als komplementäre Bestandteile des ästhetischen Wohlgefallens. Gegen Kants in gewisser Weise kontraproduktiven Versuch, das ästhetische Urteil von allen sinnlichen Bestimmungen frei zu halten - denn was anders als sinnliche Wahrnehmung bedeutet der griechische Ausdruck 'aisthesis', der am Ursprung der Ästhetik steht? - wäre das Schöne als ein bloßer Teilbereich des Angenehmen zu fassen. Kants Purismus des Schönen, der Versuch, zwischen sinnlicher Wahrnehmung und dem von allen Sinnen freien ästhetischen Urteil zu unterscheiden, läuft so letztlich ins Leere. Wo Kant gute Gründe hat, zwischen dem Schönen und dem Guten zu unterscheiden, da gibt es ebenso gute Gründe, das Schöne und das Angenehme einander anzunähern. Was damit in Frage steht, ist eine Ästhetik des Angenehmen, die die Theorie des Schönen als einen Teilbereich in sich einschließen würde, zugleich aber andere Begriffe wie den des Lieblichen, Reizenden, Rührenden, Exquisiten u. a. einbeziehen würde, um der ausschließlichen Betrachtung des Schönen und des Erhabenen entgegenzuwirken, wie sie Kant im Anschluss an Burke für die Ästhetik etabliert hat. Eine neue, an den Sinnen ausgerichtete Ästhetik könnte so unter dem Titel des Angenehmen firmieren.
Nach einer Eigenzeit des Ästhetischen zu fragen, heißt, sich auf das Problem einzulassen, was für eine Zeit und welche Zeiterfahrung in der Eigenzeit eines Kunstwerks eine besondere Geltung beanspruchen. Die Möglichkeit, dieser Frage nachzugehen, setzt voraus, dass die in der ästhetischen Form verankerten und im Kunstwerk auf Erfahrung drängenden Spannungen einer künstlerischen Eigenzeit auf jeweils begründbare Weise so verstanden werden können, dass sie sich von anderen Formen der Zeit und Zeiterfahrung in bedeutsamer Hinsicht unterscheiden. Ist diese begriffliche Voraussetzung grundsätzlich erfüllt, dann kann von der ästhetischen Eigenzeit als einer Praxis der Zeitgestaltung ausgegangen werden, die bestimmte Modelle und Konstellationen des Zeitlichen auf eine der Kunst eigenen Weise dem Bereich des prinzipiell Erfahrbaren und auf idiomatisch-bestimmte Weise Erkennbaren einschreibt.
Der Dualismus von Körperästhetik und Moral, der die abendländische Kultur seit der Antike bestimmt hatte, bricht in der schönen Literatur erst im 20. Jahrhundert - im Gefolge psychologisierter anthropologischer Konzeptionen - endgültig auseinander. Es entstehen neue, komplexe Relationen von Körper und Psyche, in denen unterschiedliche Normenkomplexe und Machtstrukturen wirksam sind - soziale, geschlechtsspezifische, sexuelle. Demgegenüber scheint sich in den literarischen Zeugnissen der Gegenwart ein neues Paradigma anzudeuten. Die jüngsten Variationen der Konfrontation von Schönheit und Häßlichkeit, die Verwechslungen, Vertauschungen, Verwandlungen und Umkehrungen beider Zustände entstehen erkennbar vor dem Hintergrund avancierter technologischer Möglichkeiten zur Herstellung von Körperschönheit, einer Schönheitsindustrie und Medizin, die das Bewußtsein von der technischen Produzierbarkeit von Schönheit, vom Sieg über Alterungsprozesse vermitteln. Die Gegenwartsliteratur spiegelt eine neue Objekthaftigkeit von Schönheit und Häßlichkeit, ihren Warencharakter. Schönheit kann, wie bei Bruckner, enteignet werden, sie kann gekauft und gestohlen werden wie bei Kureishi, mit ihrem häßlichen Gegenteil verwechselt wie bei Brasme und sie kann mit diesem - zur kontrastiven und kommerziellen Überhöhung ihrer Eigenart -vorübergehend vertauscht werden wie bei Nothomb. Der Objekt- und Warencharakter von körperlicher Schönheit und Häßlichkeit führt dazu, daß die Dichotomien zusammenrücken und austauschbar werden, weil sie kein metaphysisches, moralisches oder gedankliches Substrat mehr besitzen, sondern zunehmend vom marktwirtschaftlichen Prinzip bestimmt sind. Auf einem totalitären Markt der Schönheit kann plötzlich auch Häßlichkeit kommerziell und sexuell attraktiv werden, in einem faschistoiden Schönheitssystem ist sie die einzige Möglichkeit der individuellen Nicht-Anpassung.
Auf ihrer kulturellen Westroute erhält die therianthrope Erfahrung ihre moderne, wissenschaftliche Formulierung im 18. Jahrhundert, allem voran durch die institutionelle Ausbildung der Anthropologie. Die Wissenschaft vom Menschen bleibt von Anfang an ein merkwürdiger Schnittpunkt von Medizin, Literatur, Psychologie und Geschichte. Dieser auffällige Vorgang, er läßt sich bei vielen verfolgen, besonders intensiv und mit der ursprünglichen Plastizität neu formierter Erkenntnislagen aber bei Friedrich Schiller. Bereits Schillers erste publizierte Schrift setzt den Menschen einer Polarität aus, deren Widersprüchlichkeit - die Schillers gesamtes Werk umtreibt - schon in ihren Titelworten rumort: "Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen". Schiller - wie später dann Büchner, Döblin, Benn und andere einer jener Mediziner-Dichter, die einschneidende Erfahrungen mit dem menschlichen Körper haben - reichte den Text als medizinische Dissertation 1780 an der Stuttgarter Karlsschule ein. Trotz der erstaunlichen Ansätze zu einer Psychosomatik - das Zusammenspiel von Biologie und Seele - und der Aussagekraft von Träumen - "dem Integralbild des Traums" -, die darin in die wissenschaftliche Zukunft zeigen, stößt man hier doch vor allem auf das neue anthropologische Objekt als das alte Kompositum: den "Tiermenschen".
Der vorliegende Beitrag rekonstruiert anhand eines bisher in der Forschung kaum beachteten Textes Schernikaus den Weg, den dieser geht, um mit ästhetischen Mitteln "die welt [zu] verändern". In seinem Theaterstück "Die Schönheit", das im Dezember 1987 im Berliner SchwulenZentrum (SchwuZ) durch das Tuntenensemble "Ladies Neid" uraufgeführt wurde, gibt schon der Titel die Frage nach der Ästhetik vor. Das Theaterstück "Die Schönheit" stellt die Frage nach Schernikaus schriftstellerischer Schönheit. Schernikaus Schönheit, das ist zu zeigen, ist nicht Zierrat für sein politisches Anliegen, sondern seine Schönheit ist selbst der Bereich, in dem "die welt veränder[t]" wird.
Bei der Durchsicht von literarischen und literarkritischen Werken der 1830er und 40er Jahre wird schnell deutlich, daß jedes einen anderen 'Goethe' hat. Damit ist nicht nur den Tatsachen Rechnung getragen, daß jeder der Autoren seine ganz individuelle Sicht auf Goethe zur Geltung bringen will - um des eignen Profils und der Distinktionsgewinne willen - und daß jede der sich ausdifferenzierenden ideologischen Positionen,
die dem Vormärz sein besonderes Gepräge geben, sich ihre spezielle, pejorative oder verklärende Mystifikation zurechtlegt.
2003 konstatiert Erwin Pracht in den Weimarer Beiträgen für den Beginn der 1990er Jahre einen "Ästhetisierungs-Boom" in Bezug auf die häufige Verwendung des Begriffs in zeitgenössisch aktuellen Debatten. Ästhetisierung erscheint in diesen Debatten nicht selten als postmoderne Modevokabel, wenngleich der Begriff bereits eine gut 200-jährige Verwendungsgeschichte hat: Ästhetisierung ist ein Neologismus der 'Sattelzeit' (Reinhart Koselleck), womit die Begriffsbildung von den gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Umbrüchen um 1800 zeugt. Gleichzeitig ist Ästhetisierung im Sinne einer Idee auch als Antwort auf diese Umbrüche zu verstehen. Aus der Ästhetisierung spricht ein Wunsch nach ästhetischer Bildung und politischer Teilhabe an Debatten gesellschaftlich relevanter Fragen. Im Kern liegt in der Ästhetisierung das Utopiepotential für ein besseres, das heißt schöneres Leben, welches weniger vollständig erreichbar, denn mehr als Ideal erstrebenswert scheint. Es zeugt von der Möglichkeit, die Perspektive zu wechseln und ästhetisierend wahrnehmen zu können. Dabei erweist sich eine ästhetisierende Haltung nicht als Flucht, sondern mehr als Vorsatz des Individuums, in der modernen Gesellschaft ein kultiviertes Leben zu führen und persönliche Gestaltungsoptionen, die zunehmend demokratischere Gesellschaftsstrukturen bieten, zu nutzen. Ästhetisierend wahrzunehmen ist so weniger Ausdruck davon, andere Perspektiven in den Hintergrund zu drängen, vielmehr zeigt sich daran, dass die unmittelbaren Lebensbedürfnisse gestillt sind. Zudem beinhaltet Ästhetisierung im Sinne individueller Gestaltungsmöglichkeiten einen Kern rebellierenden Protests, wie er sich besonders in den Ausprägungen des Dandys und Flaneurs äußert. Analog zum Anwachsen von Wohlstand, Bildung und politischer Teilhabe in Deutschland wird der Begriff der Ästhetisierung im Verlauf des 19. Jahrhunderts immer häufiger gebraucht. Die Fundierung des Begriffs liegt dabei im Nachdenken über Literatur.
Der Traum von der Kreativität, den Goethe seinen Werther träumen lässt, beginnt mit der Fixierung auf einen Einzelnen und Ausgezeichneten: "ich brauche Wiegengesang, und den habe ich in seiner Fülle gefunden in meinem Homer" schreibt Goethes Protagonist am 13. Mai 1771. Werthers anfängliche Orientierung an Homer spiegelt in Goethes Text nicht nur die Vorstellungen einer neuen Dichtergeneration, die Kreativität als Leistung eines einzelnen schöpferischen Individuums bestimmt. Die phantasmatische Form seiner Selbstgründung ist zugleich Ausdruck für eine Grundfigur der deutschen Geistesgeschichte. Sie wird zum Zeichen für eine Neugeburt des ästhetischen wie des politischen Subjekts, dessen Bedeutung neben der Philosophie vor allem die Literatur zu verbürgen scheint.
The emotional state of being moved, though frequently referred to in both classical rhetoric and current language use, is far from established as a well-defined psychological construct. In a series of three studies, we investigated eliciting scenarios, emotional ingredients, appraisal patterns, feeling qualities, and the affective signature of being moved and related emotional states. The great majority of the eliciting scenarios can be assigned to significant relationship and critical life events (especially death, birth, marriage, separation, and reunion). Sadness and joy turned out to be the two preeminent emotions involved in episodes of being moved. Both the sad and the joyful variants of being moved showed a coactivation of positive and negative affect and can thus be ranked among the mixed emotions. Moreover, being moved, while featuring only low-to-mid arousal levels, was experienced as an emotional state of high intensity; this applied to responses to fictional artworks no less than to own-life and other real, but media-represented, events. The most distinctive findings regarding cognitive appraisal dimensions were very low ratings for causation of the event by oneself and for having the power to change its outcome, along with very high ratings for appraisals of compatibility with social norms and self-ideals. Putting together the characteristics identified and discussed throughout the three studies, the paper ends with a sketch of a psychological construct of being moved.
Stories can elicit powerful emotions. A key emotional response to narrative plots (e.g., novels, movies, etc.) is suspense. Suspense appears to build on basic aspects of human cognition such as processes of expectation, anticipation, and prediction. However, the neural processes underlying emotional experiences of suspense have not been previously investigated. We acquired functional magnetic resonance imaging (fMRI) data while participants read a suspenseful literary text (E.T.A. Hoffmann's "The Sandman") subdivided into short text passages. Individual ratings of experienced suspense obtained after each text passage were found to be related to activation in the medial frontal cortex, bilateral frontal regions (along the inferior frontal sulcus), lateral premotor cortex, as well as posterior temporal and temporo-parietal areas. The results indicate that the emotional experience of suspense depends on brain areas associated with social cognition and predictive inference.
Emotional competence has an important influence on development in school. We hypothesized that reading and discussing children’s books with emotional content increases children’s emotional competence. To examine this assumption, we developed a literature-based intervention, named READING and FEELING, and tested it on 104 second and third graders in their after-school care center. Children who attended the same care center but did not participate in the emotion-centered literary program formed the control group (n = 104). Our goal was to promote emotional competence and to evaluate the effectiveness of the READING and FEELING program. Emotional competence variables were measured prior to the intervention and 9 weeks later, at the end of the program. Results revealed significant improvements in the emotional vocabulary, explicit emotional knowledge, and recognition of masked feelings. Regarding the treatment effect for detecting masked feelings, we found that boys benefited significantly more than girls. These findings underscore the assumption that children’s literature is an appropriate vehicle to support the development of emotional competence in middle childhood.
This psychophysiological study is the first to examine the relationship between emotional tears and emotional piloerection (i.e., goosebumps). Although both phenomena have been related to peak states of being moved, details about their temporal occurrence and the associated levels of physiological arousal have remained unknown. In our study, we used emotionally powerful film scenes that were self-selected by participants. Our findings show that even within peak moments of emotional arousal, a gradation of intensity is possible. The overlap of tears and goosebumps signifies a maximal climax within peak moments. On the side of the stimulus, we found that displays of prosocial behavior play a crucial role in the elicitation of tears and goosebumps. Finally, based on the results of a formal film analysis of the tears-eliciting clips provided by our participants, as compared to randomly extracted, equally long control clips from the same films, we show how the technical and artistic making of the clips was optimized for the display of social interaction and emotional expressions.
The present paper aims to elucidate the conceptual structure of the aesthetics of literature.Following Fechner's "aesthetics from below" (1876) and adopting a method introduced by Jacobsen, Buchta, Kohler, and Schroeger (2004), we asked 1544 German-speaking research participants to list adjectives that they use to label aesthetic dimensions of literature in general and of individual literary forms and genres in particular (novels, short stories, poems, plays, comedies). According to our analyses of frequency, mean list rank, and the Cognitive Salience Index, beautiful and suspenseful rank highest across all target categories. For plays/comedies, funny and sad turned out to be the most relevant terms; for novels and short stories, suspenseful, interesting and romantic; and for poetry romantic, along with the music-related terms harmonious, rhythmic, and melodious. A comparison of our results with analogous studies for visual aesthetics and music yielded a comprehensive map of the distribution of aesthetic appeal dimensions across sensory modalities and aesthetic domains, with poetry and music showing the greatest overlap.
This study explored the organization of the semantic field and the conceptual structure of moving experiences by investigating German-language expressions referring to the emotional state of being moved. We used present and past participles of eight psychological verbs as primes in a free word-association task, as these grammatical forms place their conceptual focus on the eliciting situation and on the felt emotional state, respectively. By applying a taxonomy of basic knowledge types and computing the Cognitive Salience Index, we identified joy and sadness as key emotional ingredients of being moved, and significant life events and art experiences as main elicitors of this emotional state. Metric multidimensional scaling analyses of the semantic field revealed that the core terms designate a cluster of emotional states characterized by low degrees of arousal and slightly positive valence, the latter due to a nearly balanced representation of positive and negative elements in the conceptual structure of being moved.
Das 18. Jahrhundert ist in vielen Belangen der Kunst und des Wissens weniger modern als gemeinhin angenommen. Trotz aller Unterschiede zwischen den verschiedenen Phasen der Aufklärung und der Romantik basieren Sprach- und Bildkonzepte, Körper- und Subjektvorstellungen sowie Wissens- und Kunstfragen noch auf einem metaphysisch, moralisch und auf Ganzheit gerichteten Natur- und Wirklichkeitsbegriff. Für die Künste bedeutet das weiterhin eine enge Verschränkung mit Wissens- und Erkenntnissystemen im Sinne der klassischen 'artes'- und 'techne'-Komplexe. Kunst und Literatur stehen daher weitgehend im Kontext mit und in direkter Abhängigkeit von den Wissenschaften und den angewandten artes. Sie gelten noch lange als lehr- und erlernbar. Das bedingt auch, dass Ordnungsverhältnisse der Künste und Fragen der funktionalen, medialen und gattungsbezogenen Vergleichbarkeit, Legitimierung und Abgrenzung sowohl innerhalb des Kunstsystems als auch gegenüber anderen Diskursen verhandelt werden müssen. Diese Prozesse der Verschiebung und Verständigung, Abgrenzung und Zusammenführung von künstlerischen und nicht-künstlerischen Diskursen tragen die Künste.
Timothy Findley's "The Wars" is a very powerful and disturbing book. Despite the novel's historically distant setting, the events of "The Wars" do not seem distant at all: the reader is brought close to the horrible violence of World War I and its devastating impact on a young mind. The question is why? The topic is certainly not new — we are аll too familiar with the World War I period. The theme is also an old one — a young man's loss of innocence and baptism by fire on the battlefield. The novelty and vividness of Findley's work are attributable to another source: its form. I hope to show that one artistic device in particular — de-automatization — is largely responsible for the novel's powerful impact on the modern reader.
In 1937, when Bulgakov was working on Master i Margarita and suffering from rejection by the theatre community, an old friend appealed to him: "Вы ведь государство в государстве. Сколько это может продолжаться? Надо сдаваться, все сдались. Один вы остались. Это глупо." And indeed "государство в государстве" ("a state within a state") is an appropriate way of describing a man who was feverishly working on a modernist novel at the height of socialist realism. The very fact that Master i Margarita was written in the oppressive environment of the 1930s makes it a unique modernist work, for it emerges as a protest against socialist realism and a defense of artistic freedom. In this respect the modernist qualities of Bulgakov's novel acquire a new dimension because Master i Margarita becomes a kind of artistic devil, fulfilling the traditional diabolic role of opposing authority. This is why Woland, as a character, is the metonymic expression of the novel's revolt.
In dem von thematischer Heterogenität geprägten Werk "Oráculo manual y arte de prudencia" (1647) bildet das untergründige Wechselverhältnis von Wahrheit und Lüge den zentralen Leitgedanken. In dem vielzitierten "aforismo" 13 reflektiert Baltasar Gracián die Problematik der Täuschung und konstatiert, dass die Aufrichtigkeit in Gestalt des Betrugs auftreten kann und dass die eigentliche und die fingierte Absicht einander zum Verwechseln ähnlich sehen. Dies lässt nicht nur die einzelne Situation zum Verwirrspiel werden, sondern stellt überdies die Möglichkeit einer klaren Unterscheidbarkeit von Wahrheit und Täuschung grundsätzlich in Frage. Die hier zu Tage tretende epistemologische Problemstellung gewinnt aber erst in der Übertragung auf den Bereich der Handlungspragmatik ihre komplexe Mehrdeutigkeit. Die im "Handorakel" vorgestellte "arte de prudencia" besteht in der ambivalenten Gleichzeitigkeit aus taktischer Beobachtung der Außenwelt und dem stets mitgeführten Bewusstsein, selbst Gegenstand kritischer Beobachtung und Beurteilung zu sein. Der Höfling, dem das "Oráculo manual" zur Orientierung im gesellschaftlichen Ränkespiel am Hofe an die Hand gegeben wird, hat daher eine zweipolige Aufgabe zu verfolgen: Auf der einen Seite muss er die Gabe besitzen, seine Mitmenschen mit "Scharfblick und Urteil" zu ergründen und durch gezielte Beobachtungen ihr Innerstes zu entziffern; auf der anderen Seite muss er, um seine Ziele zu erreichen, die eigenen Absichten und Beweggründe verbergen oder sogar verstellen. Die Verknüpfung von Sehen und Wissen wird auf diese Weise zu einem strategischen Kerngedanken des Textes.
Baltasar Graciáns Aphorismensammlung "Oráculo manual y arte de prudencia" (1647) wird häufig als Anleitung zum taktisch klugen Agieren in einer säkularisierten Konkurrenzgesellschaft angesehen, wie es im Übrigen auch das Vorwort bekräftigt, in dem das Handbüchlein als "epítome de aciertos de vivir" apostrophiert wird. Gracián war zwar Geistlicher und Mitglied des Jesuitenordens, dennoch scheint das für den Alltagsgebrauch im Aphorismus komprimierte Wissen des Handorakels keiner transzendenten Größe verpflichtet zu sein. Nicht zuletzt mit Blick auf die Oberen der Gesellschaft Jesu hat Gracián sämtliche seiner Texte – mit Ausnahme seiner einzigen religiösen Schrift "El Comulgatorio" (1655) – unter dem Pseudonym Lorenzo Gracián veröffentlicht, was ihn allerdings nicht vor Auseinandersetzungen mit seinen Vorgesetzten bewahren sollte.
Ich möchte die verbreitete These von der Dominanz einer politisch-pragmatischen Handlungspsychologie im "Oráculo manual" im Folgenden um die jesuitische Dimension erweitern und eine Lesart vorstellen, bei der auch die dogmatischen Implikate des Textes Berücksichtigung finden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Verknüpfung von konzeptistischer Rhetorik und Ethik sowie die damit verbundene Frage nach dem Stellenwert von taktischer Lebensklugheit und Gottverbundenheit. Die berühmte "regla de gran maestro", die sowohl kürzeste als auch am häufigsten interpretierte Sentenz des "Oráculo manual" hat oftmals als Beleg für eine kategoriale Trennung von weltlicher Lebenspraxis und Transzendenz herhalten müssen: "Hanse de procurar los medios humanos como si no huviesse divinos, y los divinos como si no huviesse humanos. Regla de gran maestro; no ai que añadir comento."