BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.06.00 Literaturtheorie
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In diesem Beitrag wird das Projekt CAUTION vorgestellt, das sich dem narrativen Phänomen des unzuverlässigen Erzählens mithilfe verschiedener computergestützter Methoden (automatische und manuelle Annotation, Argumentvisualisierung und Deep Learning) nähert. In diesem Rahmen wird zur Beantwortung theoretisch-methodologisch relevanter Fragen zu unzuverlässigem Erzählen, aber auch zu literaturwissenschaftlicher Interpretation im Allgemeinen sowie zum Potenzial computergestützter Zugänge in diesem Zusammenhang beigetragen.
Ausgehend von der grundlegenden narratologischen Bedeutung von Ereignissen in ihrer konstitutiven Funktion für Erzähltexte wurde im Projekt "Evaluating Events in Narrative Theory" (EvENT) ein Ansatz entwickelt, mit welchem Ereignisse auf der Textoberfläche und daher maschinenlesbar modelliert werden können. Dieser Beitrag skizziert bisherige Arbeitsschritte und ausgewählte Ergebnisse des Projekts, zu denen die Generierung von Narrativitätsgraphen zählt.
Interpretationen verfahren bei längeren literarischen Texten gekonnt selektiv: Sie nehmen bestimmte Stellen wichtig und vernachlässigen andere. Wie verfährt dieser Selektionsprozess und wie müsste eine Interpretationstheorie konzipiert sein, die die Praxis der gekonnten Aufmerksamkeitsfokussierung angemessen berücksichtigt?
Welche literaturtheoretischen Projekte werden derzeit im deutschsprachigen Raum verfolgt? Die vorliegende Ausgabe der Open-Access-Zeitschrift "Textpraxis. Digitales Journal für Philologie" stellt laufende oder vor Kurzem abgeschlossene Forschungsprojekte in Kurzbeiträgen vor, um literaturtheoretische Forschungen stärker sichtbar zu machen und Vernetzung, Kooperationen und Debatten anzuregen.
Für die Literaturwissenschaft bedeutet Historisierung inzwischen eine nahezu selbstverständliche Übung, wenn es um die Analyse von Diskursen und produktions- oder rezeptionsästhetischen Aspekten in Einzelwerken geht - bei literarischen Gattungen ist sie aber noch immer eine Herausforderung. Die Versuche, die Großgattungen Epik - Lyrik - Dramatik nicht als überzeitliche Grundformen der Dichtung, sondern als geschichtlich wandelbare Konstrukte zu beschreiben, haben nicht selten zum Verschwinden der Gegenstände geführt. [...] Das Drama ist besonders schwer zu historisieren, weil es einerseits eine Gattungstradition hat, die bis zu den Tragödien der griechischen Antike zurückreicht, es aber andererseits stärker als andere Gattungen permanent aktualisiert werden muss, nämlich auf der Bühne. Damit pendelt die Gattung zwischen dem Anspruch überzeitlicher Gültigkeit und einer Wandelbarkeit, die gleichermaßen die Möglichkeit der Historisierung infrage zu stellen scheinen.
Während man in Deutschland die Debatte um eine mögliche 'Rephilologisierung' der Literaturwissenschaft abermals zu entzünden sucht, ist in den USA der ebenfalls seit Ende der 1990er Jahre geführte Methodenstreit um die 'neuen Formalismen' in der Literaturtheorie bereits neuerlich entbrannt. Hier wie dort steht (nochmalig) zur Diskussion, wie Literatur als wissenschaftlicher Gegenstand konstituiert werden solle, was das 'Kerngeschäft' der Literaturwissenschaft sei und wie sie sich zu anderen Disziplinen ins Verhältnis zu setzen habe. Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen sich eine immanent operierende, auf formale Aspekte fokussierte Lektürepraxis und eine historisch-kontextualisierende Herangehensweise so antagonistisch gegenüberstehen wie etwa im Fall von New Criticism und New Historicism. Gleichwohl bleibt der Stellenwert von Formfragen ein gewichtiges, vielleicht entscheidendes Moment der Debatten. Von Belang ist die aktuelle Diskussion in den USA zum einen, weil die neuen formalistischen Ansätze eben nicht mehr nur unter Ausschließung historischer oder kulturwissenschaftlicher Problemstellungen verfahren; zum anderen, weil dort eine (wissenschafts‑)politische Dimension dieser Fragen ins Licht rückt. In den folgenden Beiträgen, die im Anschluss an den ZfL-Workshop "Die 'neuen Formalismen' - Form, Geschichte, Gesellschaft" entstanden sind, diskutieren Eva Axer, Werner Michler und Marjorie Levinson die Konjunktur des Formbegriffs und der 'neuen Formalismen'.
Rezension zu Matías Martínez, Michael Scheffel (2019): Einführung in die Erzähltheorie, München: C.H. Beck Verlag. 234 S. ISBN: 978-3-406-74291-0 ; Matías Martínez, Michael Scheffel (2020): Anlatım Teorisine Giriş, Çev: Arif Ünal, İstanbul: Runik Kitap.272 S. ISBN: 978-605-06194-6-1