BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.03.00 Studien
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In Rückblicken auf die Germanistik der sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, in denen das Fach expandierte und so viele Studierende anzog wie kein anderes geisteswissenschaftliches, ist dennoch meist von "Krise" die Rede. Von der Bildungsöffentlichkeit wurde die Germanistik und das von ihr verbreitete Wissen als antiquiert wahrgenommen und mit einem Verfallsstempel versehen. Nicht nur der von der Literaturwissenschaft favorisierte Kanon literarischer Werke geriet in die Kritik, sondern ebenso das als gesichert geltende Fachwissen. Der Germanistik gegenüber wurden die Vorwürfe erhoben, eine Disziplin ohne ein Objekt im Sinne moderner Wissenschaft zu sein, das Wissen anderer Fächer nicht zur Kenntnis zu nehmen und die zeitgenössische Literatur zu ignorieren. Das Fach wurde so weit destabilisiert, dass seine Einheit zu zerbrechen drohte.
Die frühneuzeitliche Theatrum-Literatur will das komplette Wissen ihrer Zeit wie auf einer Bühne präsentieren. Sie adaptiert die geltende patriarchalische Wissensordnung, in der Frauen vorwiegend abwesend sind. Der Beitrag verfolgt ihre flüchtigen Spuren als Subjekte und Objekte enzyklopädischer Wissensrepräsentation: als stereotypisierte Darstellungsobjekte, als moraldidaktisch traktierte Adressatinnen, als mögliche Rezipientinnen. Exemplarisch werden die Geschlechterprogramme von vier Theatrum-Werken untersucht. Dabei wird jeweils die titelgebende Theatrum-Metapher auf ihre Produktivität und Funktionalität hin befragt. Die Fallbeispiele zeigen darüber hinaus eine chronologische Tendenz vom Enzyklopädischen zum Fiktionalen: Eine Überprüfung und eventuelle Generalisierung dieser Beobachtung hinsichtlich der Theatrum-Literatur erweist sich als Forschungsdesiderat.