BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.08.00 Poetik > 03.08.02 Dichtung und Sprache
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As Bakhtin noted, chronotopes arise from the density and fusion of temporal and spatial indicators. In prose narrative, the density of temporal and spatial indicators arises as a natural consequence of setting scenes and explaining action, and those indicators are fused by the centripetal forces of plot, character and so on that encourage us to read the various elements of the text as aspects of a coherent story and world. In non-narrative poetry, however, there is no story to drive the setting of scene or generation of character; there may not even be scene or character. As a result, temporal and spatial indicators can be quite sparse, and there may be little centripetal force to encourage their fusion. In a textual environment bereft of character, plot, scene, in which even the centripetal forces of syntax are frayed by linebreaks and other poetic devices, how can chronotopes form and function? [...] In the centripetal environment afforded by most prose narratives, the stable chronotopes and the relationships among them define consciousness, world and values. In the centrifugal environment of non-narrative poetry, chronotopes flicker and flow in a series of hints, glimpses, dissolves, defining consciousness, world and values via evanescence rather than stability. However, as I hope to show below, the evanescence of chronotopes in non-narrative poetry can be as central to the vitality and meaning of those texts as the stability of chronotopes is to the vitality and meaning of prose narratives.
At the time when the East appears as sunrise in Insayif's novel, when it appears as Arabic word, as text image in the German text, memories gain contour in the same way as words do. It is all about words and memories in the text, it is about (not) being able to speak, it is about losing language and memory, it is about writing, speaking and reciting within the realm of the in-between of languages and cultures. Emanating from the first-person narrator the text unfolds nuances and facets of life stories as textures of memories, as language- and sound tissues quasi. Referring to those poetic and rhetorical aspects of the text, I undertake a reading that is based on postcolonial and deconstructive approaches as well as on theories of memory. My reading tries to both react to the demands and specificities of Insayif's text in all of its various facets of betweenness as well as to fathom perspectives that might be significant for the 'Zeitenwende'.
Trojanows Roman über den britischen Kolonialoffizier Richard F. Burton wurde als Beispiel einer neuen deutschen Literatur gefeiert, die endlich "Vielstimmigkeit" zu ihrem Programm erhoben habe. In diesem Beitrag wird der spezifische Einsatz von Polyglossie im "Weltensammler" untersucht. Dabei interessiert im (post-)kolonialen Kontext, in dem der Roman verortet wird, ob man tatsächlich von einer "Poethik [!] der Mehrsprachigkeit" (Schmitz-Emans) ausgehen kann, oder ob die "fremden Stimmen" der "Subalternen", die der Roman hören lässt, nur ein weiteres Mal exotische Fremdheit vorführen.
"Was wäre ein Zeichen, das nicht zitiert werden könnte?", fragt Jacques Derrida in seinem 1972 erschienen Aufsatz 'Signature evenement contexte', um kurz darauf festzustellen: "Jedes Zeichen, sprachlich oder nicht, gesprochen oder geschrieben (im geläufigen Sinn dieser Opposition), als kleine oder große Einheit, kann zitiert – in Anführungszeichen gesetzt – werden; von dort aus kann es mit jedem gegebenen Kontext brechen und auf absolut nicht sättigbare Weise unendlich viele neue Kontexte zeugen." Zitieren wird hier als eine Bewegung des Herausnehmens aus einem Kontext und Einfügens in einen anderen Kontext beschrieben - und für diese doppelte Geste, die dem Akt des Zitierens zugrunde liegt, verwendet Derrida die Metapher der Pfropfung: "Auf dieser Möglichkeit möchte ich bestehen", heißt es in 'Signatur Ereignis Kontext': der "Möglichkeit des Herausnehmens und des zitathaften Aufpfropfens [greffe citationelle], die zur Struktur jedes gesprochenen oder geschriebenen Zeichens gehört". Damit wird die Pfropfung zu einer Figuration, zu einer Verkörperung dessen, was im Akt des Zitierens und durch den Akt des Zitierens geschieht, wobei den Anführungszeichen eine besondere Funktion zukommt: Sie signalisieren, dass das Zeichen oder die Zeichenkette, die zwischen Anführungszeichen gesetzt wurden, anders interpretiert werden soll als sie bisher interpretiert wurde. Anführungszeichen signalisieren also einen Wechsel des "Deutungsrahmens". Das gilt für einfache Anführungszeichen, die eine ironische Distanzierung signalisieren ebenso wie für die doppelten Anführungszeichen. Die doppelten Anführungszeichen zeigen nicht nur einen Wechsel des Deutungsrahmens an, sondern sie zeigen auch an, dass das, was zwischen die doppelten Anführungszeichen gesetzt wurde, nicht von dem stammt, der spricht oder schreibt. Sie zeigen ein 'von jemand anderem' an: sei es, um diesem anderen damit die Ehre der Urheberschaft zu geben und damit zugleich sein Copyright zu respektieren; sei es, um dem anderen die Verantwortung für das, was zwischen den Anführungszeichen steht, zuzuschreiben. Insofern zeigen doppelte Anführungszeichen zugleich die Distanz und die Differenz zwischen zitierendem Subjekt und zitiertem Subjekt an.
Der Impurismus ist eine literarische Strömung, die durch Jahrtausende geht, ein geistreiches, planvolles Spiel zur Produktion von hermetischer Literatur über ein tabuisiertes Thema (Sex). Zu dieser "littérature impure" gehört ein Geheimnis aus dem Urwissen der ältesten Kulturen, aus einer Zeit, in der Philosophie, Theologie und Kosmologie noch eins waren. Das alte Wissen wurde in den Bereichen konserviert, die bis heute von der konventionellen Wissenschaft als "esoterisch" ausgegrenzt werden (Astrologie, Kabbala, Tarot). Viele Autoren aber verschlüsseln ihre Texte mit der alten Lehre und verstecken sie hinter einer religiösen, spielerisch-humoristischen oder sozialkritisch engagierten Maske. Deshalb bleiben viele Texte trotz Interpretation hermetisch, besonders solche in der "Weltsprache der modernen Poesie" (Enzensberger). Eine neue Methode der literarischen Analyse (mit 57 Varianten der planvollen Verfremdung von Wörtern) kann die impuristische Literatur dekodieren. Dazu gehört als Raumordnung das alte "Weltbild der Windmühle". Dieses Literaturspiel wird als sublime Kulturtätigkeit aufgedeckt. Die Einzelseiten dieser Homepage können nur einige Einblicke in schwierige Zusammenhänge geben, die im langsamen Vortrag des Buches leichter zu verstehen sind. Auf beiden Wegen muß man sich Zeit nehmen und am besten einen philosophischen Wissenshunger mitbringen.
Erzählen ist eine grundlegende Form unseres Zugriffs auf Wirklichkeit. In den verschiedensten Bereichen der alltäglichen Lebenswelt und nicht zuletzt auf den Gebieten wissenschaftlicher Erkenntnis orientieren und verständigen wir uns mit Hilfe von Erzählungen. Reportagen des investigativen Journalismus, Selbstdarstellungen von Politikern im Wahlkampf, Erlebnisberichte in Internetblogs, Anamnesen im medizinischen Patientengespräch, Plädoyers vor Gericht, Vermittlungen von Verhaltensnormen in populärer Ratgeberliteratur, Heilserzählungen im Gottesdienst, Fallgeschichten in juristischen Lehrbüchern, ökonomische Prognosen von Kursverläufen – all diese Kommunikationen erfolgen wesentlich in erzählender Form. Anders als in den erfundenen Geschichten der Literatur bezieht man sich in diesen Erzählungen direkt auf unsere konkrete Wirklichkeit und trifft Aussagen mit einem spezifischen Geltungsanspruch: 'So ist es (gewesen)'. Solche Erzählungen mit unmittelbarem Bezug auf die konkrete außersprachliche Realität nennen wir Wirklichkeitserzählungen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde die referentielle Leistung sprachlicher Kommunikation im Zeichen strukturalistischer und poststrukturalistischer Theorien allzu oft zugunsten eines pauschalen 'Panfiktionalismus' unterschlagen. Zweifellos 'konstruieren' Wirklichkeitserzählungen in erheblichem Maße eine Realität; aber sie sind eben auch auf eine intersubjektiv gegebene Wirklichkeit bezogen. Wirklichkeitserzählungen sind sowohl konstruktiv als auch referentiell – darin liegt ihre besondere erkenntnistheoretische Bedeutung. Es gilt, den referentiellen Aspekt von Wirklichkeitserzählungen angemessen zu berücksichtigen, ohne deren konstruktive Elemente zu vernachlässigen.
Sieht man von Beispielen strikter Ghettoisierung ab, bleibt der Fremde nicht sein Lehen lang fremd, und auch der interkulturelle Schriftsteller läuft Gefahr, sich der Mehrheitssprache anzupassen, bis er schließlich seinen Sonderstatus verliert und ein "normaler" deutscher Autor wird. Im allgemein-gesellschaftlichen Bereich spricht man hier von Assimilierung. Spätestens seit der massiven Eingliederung westeuropäischer Juden im 19. und frühen 20. Jahrhundert weiß man, daß der Anpassungswille von Außenseitern oftmals den von "Einheimischen" übertrifft, die sich um ihre kulturelle Identität ohnehin keine Gedanken machen. Auch heute kann man dieses Phänomen immer wieder beobachten. Im Bereich der Literatur gibt es Autoren, [...] die sich um ein besonders gutes, besonders literarisches Deutsch bemühen - so als müßte der Zuwanderer erst einmal seine Sprachkompetenz unter Beweis stellen (und im gesellschaftlichen Leben muß er das ja auch). In sprachlicher Hinsicht, nicht in bezug auf den Inhalt seiner Geschichten, gibt er damit seine spezifische Differenz auf, die ihn in die Lage versetzen könnte, etwas Neues, bislang Unerhörtes zu schaffen. Kein Problem - auch gut geschriebene Erzählungen ohne innovative Ansprüche haben ihre Daseinsberechtigung. Sie teilen den Angehörigen der Mehrheitskultur subjektive Erfahrungen aus einer fremden Kultur mit, die in keinem Medium, abgesehen vielleicht vom Kinofilm, so gut mitteilbar sind wie in dem der Literatur. Allerdings gilt das auch für übersetzte Werke, so daß die Bereicherung der deutschen Sprachkultur in erster Linie eben doch von jenen Autoren ausgeht, die zunächst einmal das Risiko eingehen, "schlecht" zu schreiben.
Der Beitrag untersucht Polyglossie als eine Form der ästhetischen Polyphonie. Damit rücken die Aspekte der Vielstimmigkeit und Multiperspektivität in den Blick, poetologische Verfahren, die wesentlich die literarische Moderne des 20. Jahrhunderts prägen. Die zivilisatorische Moderne ist gekennzeichnet durch Dialogizität und Vielstimmigkeit, Dezentralisierung und Heterogenität, Simultanität und Interferenz. Über eine Ästhetik des Polyphonen re-lektieren literarische Texte so Merkmale einer modernen Lebens- und Erfahrungswelt, was anhand von Alfred Döblins modernem Großstadtepos "Berlin Alexanderplatz" veranschaulicht wird.
Der Beitrag untersucht die verschiedenen Funktionen literarischer Mehrsprachigkeit in Francesco Colonnas "Hypnerotomachia Poliphili" (1499) und François Rabelais' "Pantagruel" (1532) und "Gargantua" (1535), die auf Colonna zurückgreifen. Er unterscheidet die Wirkungen der Sprachmischung (im Sinne einer Hybridisierung der Sprache, in der erzählt wird) von den Wirkungen, welche die Polyglossie (im Sinne der Pluralität der in einem Werk verwendeten Sprachen) hervorbringt. Daraus ergeben sich auf der Ebene der Narration wie auf der von Syntax und Lexikon unterschiedliche Ästhetiken, die, indem sie den Autor in der von ihm verwendeten artifiziellen Sprache zum Verschwinden bringen, im Diskurs des Textes die Stimme des Anderen hörbar machen.
"Mit dem Ursprunge einer Sache entgeht uns ein Theil ihrer Geschichte, die doch so viel in ihr erklären muß, und meistens der wichtigste Theil." Herders Plädoyer zugunsten einer genetischen Erklärungsweise verdient im Hinblick auf die Romantikforschung und ihren Zugang zum Werk Wilhelm Heinrich Wackenroders, dessen um die Mitte des Jahres 1796 erschienenes "Ehrengedächtniß unsers ehrwürdigen Ahnherrn Albrecht Dürers" als das erste literarische Zeugnis der Frühromantik gilt, besondere Beachtung. Sucht man nämlich das schmale Werk des bereits vierundzwanzigjährig verstorbenen Berliner Juristen rückblikkend an der Elle desjenigen zu messen, was Novalis und die Brüder Schlegel in einem intensiven und breit überlieferten Reflexionsprozeß als philosophisch-poetologisches Konzept "der" Frühromantik erarbeiteten, erscheint Wackenroders Beitrag - zumal das Bild des Autors bis heute unter der romantisierenden Gleichsetzung mit der Erzählerfigur des Klosterbruders leidet - allzu leicht als kindlich-naives Präludium ohne theoretisches Fundament.