BDSL-Klassifikation: 03.00.00 Literaturwissenschaft > 03.16.00 Literarisches Leben > 03.16.05 Literaturarchive. Museen. Forschungsinstitute. Gesellschaften. Sammlungen. Stiftungen
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Schon in der „Herzoglichen Liberey“ wurden nach ihrer Gründung im Jahre 1691 Musikalien gesammelt, damals von den weimarischen Herzögen Wilhelm Ernst (1662-1728) und Ernst August (1688-1748). Außer den Notenbeständen der Herzogin Anna Amalia (1739-1807) ist der größte Teil dieser herzoglichen Musikalien am 6. Mai 1775 beim Schloßbrand in der Wilhelmsburg verlorengegangen. Darunter waren Noten von Johann Hermann Schein, Samuel Scheidt und Adam Drese. Die von Richard Münnich in seinem Aufsatz „Aus der Musikaliensammlung der Weimarer Landesbibliothek, besonders dem Nachlaß der Anna Amalia“ nach dem Brand von 1774 als gerettet mitgeteilten Werke, so Kompositionen von Johann Philipp Krieger, Johann Paul von Westhoff sowie die sechs Konzerte des weimarischen Prinzen Johann Ernst, sind zusammen mit den Sammlungen der Herzoginnen Anna Amalia und Maria Pawlowna (1786-1859) beim Bibliotheksbrand am 2. September 2004 zerstört worden.
Die Hilfeleistungen nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek vor drei Jahren haben in Weimar einen neuen, außergewöhnlichen Prozeß des Sammelns für die kulturelle Überlieferung in Gang gesetzt. Die innerhalb einer Nacht zerstörten historischen Buchbestände aus der ehemaligen zweiten Galerie des Rokokosaals und dem darüber befindlichen Dachboden werden - soweit dies möglich ist - seit Ende 2004 durch neu erworbene Originale ersetzt. […] Nun treffen im Zuge unseres Wiederbeschaffungsprojekts „neue“ Bücher in Weimar ein, die an individuellen Merkmalen ebenso reich sind, aber jeweils eine andere Geschichte haben. Sie kommen fast täglich in kleinen, weich gepolsterten Päckchen oder großen Kartons, werden sorgfältig ausgepackt und geprüft, auf Bücherwagen in die Büros der Bibliothekarinnen gefahren, dort inventarisiert und katalogisiert und schließlich mittels Buchförderanlage ins Tiefmagazin unter dem Platz der Demokratie transportiert. Fleißige Hände sortieren sie hier in die bereitstehenden Regale und beste konservatorische Bedingungen bieten ihnen den nötigen Schutz für die nächsten Jahrhunderte. Es ist ein Massengeschäft, das sich um diese einzigartigen Zeitzeugen aus fünf Jahrhunderten dreht. Was miteinander unvereinbar scheint, gehört in unserer täglichen Arbeit zusammen. Bereits drei Jahre nach dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek füllen 11.500 im Projekt erworbene Bücher schätzungsweise vierhundert Regalmeter im Magazin. Davon stammt knapp die Hälfte aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Wie hat dieses Projekt eine solche Dynamik entwickeln können?
Der »Weimarer Musenhof« – vom Fürstenideal zur Finalchiffre : eine erinnerungskulturelle Spurensuche
(2007)
So richtig es ist, daß der Mythos vom Musenhof, mithin auch der von seiner Gründerin Anna Amalia, gerade in den letzten Jahren kritisch beleuchtet worden ist, so interessant ist der Befund, daß zahlreiche Spuren im kollektiven Gedächtnis, die auf die Herzogin und deren wirkliche wie ideelle Erben – also den mäzenatisch engagierten Carl August, dessen Schwiegertochter Maria Pawlowna, Amalias Urenkel Carl Alexander und deren Urururenkel Wilhelm Ernst – verweisen, systematisch nicht in größerem Umfang gesichert worden sind. So fundiert inzwischen unser Wissen um jene kulturelle Blüte einer deutschen Doppelstadt um 1800 auch ist – nicht zuletzt durch die wissenschaftlichen Aktivitäten der Klassik Stiftung Weimar sowie in noch größerem Maße durch die eines Jenaer Sonderforschungsbereiches – so deutlich ist, daß eine Erinnerungsgeschichte des Weimarer Musenhofs, seiner legendären Gründerin Anna Amalia und deren direkten Nachfolgers Carl August noch zu schreiben wäre. Doch gerade im so genannten langen 19. Jahrhundert müßte man die meisten Spuren jenes schon in der »Klassik« einsetzenden »Gedächtnistheaters« erst noch sichern. Das gilt vor allem für eine gründliche Auswertung wichtiger Literatur- und Politikgeschichten des 19. und 20. Jahrhunderts, eine systematische Analyse populärer Literatur über Weimar und dessen Fürstenhaus sowie der zahllosen Reisehandbücher und Reiseführer, die seit den Tagen des Vormärz über die Klassikerstadt oder Thüringen veröffentlicht worden sind. Es ist also weder understatement noch eine captatio benevolentiae der üblichen Art, wenn sich dieser Beitrag explizit als Skizze versteht, die Befunde und Einschätzungen des Verfassers mit Forschungsergebnissen anderer Kolleginnen und Kollegen synthetisiert, ohne weiterhin offene Fragen damit zu überspielen.