BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten
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Ich spreche im Folgenden über ein Thema, das 'Hermeneutik nach Luther' heißen soll. Als Hermeneutik verstehe ich dabei im Anschluss an Friedrich Schleiermacher - also im Anschluss an einen protestantischen Theologen, der seine eigene Hermeneutikkonzeption vorwiegend mit Bezug auf die Auslegung des Neuen Testamentes entwickelt hat, das heißt in einem dezidiert christlichen und zugleich mehrfachen, noch näher zu klärenden nach-Luther'schen Sinn - die "Kunst des Verstehens". Die Bestimmung verdeutlicht, dass das Verstehen nichts Selbstverständliches ist. Verstehen versteht sich nicht von selbst. Es muss selbst verstanden werden. Hermeneutik bezeichnet nach diesem Verständnis eine Aufgabe, und zwar, wie Schleiermacher zu betonen nicht müde wird, eine niemals abgeschlossene, immer weiter fortzusetzende Aufgabe.
If we take Benjamin's definitions to their logical conclusion, then the monad and the reproduced copy are set unequivocally into binary opposition, as we, the masses capable and most needful of action, are implicitly denied the potential for liberation through aesthetic experience. This denial could not have been his long-term intention. When we take into account the breadth of his writings in response to Fascism, and we look at the artistic movements, Dada in particular, that Benjamin defines as 'politicizing art,' it seems as though we risk too narrow a reading of Benjamin's theories by assuming the aura can be, or must be, done away with. Rather, I would argue that this moment of auratic interaction is crucial to effectively politicizing art at all. Mechanically-produced art, in order to function politically, must allow its audience the space necessary to step back, awaken their 'Geistesgegenwart', and take action 'before' the present moment is finished and past. The elimination of aura - as per Benjamin’s own definitions of aura - neuters the interaction this awakening requires. While Benjamin provides the framework and asks the right questions, when determining what will allow his definitions to realize their aims most fully, I submit that he draws his line in the wrong place.
In seinem Buch "Einfache Formen" (1930) entwickelt André Jolles in Auseinandersetzung mit Goethes Naturkunde die Vorstellung einer besonderen Zeitlichkeit der von ihm so genannten "Einfachen Formen", die er als "Jedesmaligkeit" bezeichnet. Jolles greift damit den morphologischen Gedanken einer Vielgestaltigkeit von Form vor dem Hintergrund der sprachwissenschaftlichen Debatten seines politisierten akademischen Umfelds in Leipzig auf, das den Saussure'schen Systemgedanken der Sprache unter Rückbezug auf Wilhelm von Humboldt holistisch umdeuten wollte. Der Aufsatz verortet Jolles' Überlegungen in der formorientierten Literatur- und Kulturtheorie der Zeit. Anhand seiner Zeitbegriffe und seines Formkonzepts wird gezeigt, wie er die zeitgenössischen Ideen der Ganzheit und der Verzeitlichung von Form im Ausgang morphologischer Fragen auf eigenwillige Weise interpretierte.
El estudio "Zwei Gedichte von Friedrich Hölderlin" es el primer ensayo crítico de Walter Benjamin. Respecto de dicho ensayo, los intérpretes se han concentrado en sus tesis e influencias más generales, sin reconocer por otro lado ciertos giros heterodoxos presentes en su lectura de Hölderlin. Así, tras el velo de sus postulados crítico-metodológicos, es possible reconocer un abordaje moderno de la poética hölderliniana, donde los motivos filosóficoidealistas aparecen desplazados por una lectura sensual y materialista. Dicho giro obedece a la presencia de intuiciones que más tarde constituirán los ejes fundamentales del pensamiento benjaminiano.
"O crime do professor de Matemática", de Clarice Lispector, aborda a necessidade inconsciente de punição advinda do sentimento de culpa, que constitui elemento inexorável da psique humana. O espelhamento do homem em seu animal o conduz à aproximação de uma possível consciência deste transtorno, fato que culmina no irremissível abandono do cão. Com base nos ensaios "O estranho" e "O mal–estar na civilização", de Sigmund Freud, almeja–se entender a origem da dolente identificação entre estes dois personagens narrada no conto, bem como o corolário da cultura, responsável pela tristeza humana com a qual o professor irremediavelmente se coaduna.
Walter Benjamins Name taucht in Kracauers fragmentarisch gebliebenem Spätwerk 'History - The Last Things before the Last' (1969) nur wenige Male auf, jedoch finden sich unter den Materialien und Vorarbeiten zu diesem Werk, die in seinem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach aufbewahrt werden, einige Lektürenotizen zu Benjamins Thesen "Über den Begriff der Geschichte". Ein Briefumschlag mit Karteikarten versammelt eine Reihe von Kommentaren, die es erlauben, Kracauers Blick auf diesen Text zu rekonstruieren. Dies erscheint umso interessanter, als es sich hier um die Rezeption eines sehr gut informierten zeitweiligen Weggefährten und Schicksalsgenossen handelt, der sich als Überlebender in den 1960er Jahren, etwas mehr als zwei Jahrzehnte nach der Entstehung von "Über den Begriff der Geschichte", manchen ihrer einst gemeinsamen Fragestellungen erneut zuwendet.
La influencia de Marcel Proust en el pensamiento de Benjamin fue tal que llevó al filósofo berlinés a plantearse el peligro de una pérdida de la independencia intelectual de su propio pensamiento. Benjamin no solamente tradujo parte de "À la recherche du temps perdu", sino que recuperó imágenes y conceptos del novelista que incorporó a su pensamiento filosófico. Es de una importancia destacada el rol de ciertos conceptos proustianos en "Das Passagen-Werk" en donde Benjamin recupera su noción de despertar en términos políticos. Este trabajo se propone mostrar entonces las continuidades y rupturas de la lectura benjaminiana del novelista francés, poniendo especial interés en su significación política.
El presente artículo se propone analizar la interpretación benjaminiana de Kafka tomando como eje central el problema de la tradición y su resignificación política en el contexto de producción tardío. Son relevantes en este sentido, los conceptos de hagadá y halajá con los que Benjamin estructura sus análisis. El objetivo es entonces rastrear los elementos que en la elaboración de una teoría política permiten recuperar al narrador checo para la revisión de un concepto de lo humano.
Die Auseinandersetzung mit Stefan George war für Theodor W. Adornos philosophischen Werdegang entscheidend. Dieser Befund wird durch eine einfach quantitative Analyse bestätigt: Georges Name erscheint in Adornos "Gesammelten Schriften" 468 Mal. Zum Vergleich: Kafka wird 302 Mal, Goethe 298 Mal genannt. Gleichwohl hat die Forschung, trotz einiger Einzelstudien zur George-Rezeption Adornos, die Systematik und Struktur seiner George-Lektüre bislang nicht hinreichend herausgestellt. Adornos oft konstatierte Ambivalenz, die Georges philosophische 'Rettung' motiviert, erklärt sich aus seiner Doppelposition als Angehöriger der linken Frankfurter Intelligenz auf der einen, als Komponist der Zweiten Wiener Schule auf der anderen Seite - eine sozialgeschichtliche Konstellation, vor deren Hintergrund sich das Zusammenspiel dreier Problemfelder vollzieht: Erstens handelt es sich bei Adornos George-Lektüre um die Übertragung der materialistisch-dialektischen Methode auf die Kunstbetrachtung; diese hängt zweitens mit dem Problem des 'Klassischen' zusammen; drittens mit Adornos musikalischer Beschäftigung mit George. Der vorliegende Beitrag versteht sich als Versuch, die Verflechtung dieser Problemfelder darzustellen und damit die Logik von Adornos komplexem Verhältnis zu George zu erhellen.
Der Essay analysiert den Aufsatz über die Plastik von J. G. Herder im Hinblick auf das Verhältnis von Sehen und Fühlen, Außen und Innen, Oberfläche und Körper, Malerei und Skulptur in der ästhetischen Theorie der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Herders Intention ist die Begründung einer autonomen Bildhauerkunst aus der Physiologie des Tastsinnes, der jedoch nicht in Form des Berührens realisiert wird, sondern im visuellen Nachvollzug beim Betrachten der Statue. Charakteristikum der Plastik wäre demzufolge nicht nur die Kompaktheit des Körpers, sondern die damit in ein Spannungsverhältnis tretende Gegliedertheit, das Beiwerk. In dieser Spannung zwischen Haupt- und Beiwerk, Erga und Parerga bilden die Kleider von Statuen an sich einen toten, die Wirkung des "lebenden" Körpers störenden Zusatz. Die "nassen" Gewänder der griechischen Statuen allerdings seien als Parerga gerade so "transparent", dass sie wie eine zweite Haut erscheinen. Parerga dieser Art bilden jedoch keinen überflüssigen, störenden, sondern vielmehr notwendigen Bestandteil der plastischen Kunst, indem sie das organische Innere, das auf den Tod verweist, bedecken, ohne es völlig zu verleugnen.
Die folgenden Überlegungen behandeln Phänomene der Temporalität und Zeitchoreographie in Walter Benjamins Prosamix 'Berliner Kindheit um neunzehnhundert'. Es gilt darüber nachzudenken, inwieweit es sich hierbei um ein ästhetisch induziertes Zeitarrangement handelt, von dem sich sagen ließe, dass in Augenblicken dieser faszinierenden Erinnerungsbilder die Zeit poetologisch konzeptionell geordnet, doch nicht instrumentell hierarchisiert wird. Sollen also Zeitphänomene im ästhetischen Modus betrachtet werden, so wird es unverzichtbar sein, sich der ästhetisch realisierten Zeitvarianten so zu versichern, dass eine minimale Zeitphilosophie formulierbar ist, die mehr besagt als eine rein systematisierende Zeitkasuistik. Von einer mikrologischen Zeitrettung könnte dann gesprochen werden, wenn unter dem Modus der Erinnerung dieser autobiographischen Sequenzen nicht allein Aspekte der Verräumlichung und Topographie verstanden werden, sondern stattdessen auch jene Zeitreserven in den Blick genommen werden, die besonders im Modus der Selbstwahrnehmung beim Erinnern hervorgebracht werden. Ich möchte die These vertreten, dass Benjamin als Zeitsammler, Zeitbewahrer und als uchronischer Zeitphysiognomiker auf der Grundlage einer tendenziellen Stillstellung von Zeit in diesen prosaischen Bildsequenzen gegenläufig geradezu multiple und dynamisierte Zeitphänomene und Zeiterfahrungen hervorbringt. Da diese an einen bestimmten rekursiven Wahrnehmungsmodus gebunden sind, werden zunächst Phänomene dieses Modus behandelt, um anschließend damit einhergehende Typen ästhetischer Eigenzeiten zu benennen und diese im Zusammenhang mit einer strukturierenden Logik der uchronischen Zeitlichkeit in der 'Berliner Kindheit' zu denken.
Mit den Brüdern Grimm [etablierte sich] zusehends eine ernstzunehmende Konkurrenz für den marktbeherrschenden von der Hagen [...] "Ganz allein regieren’" [...], die Vorherrschaft im neuentstehenden Fach zu gewinnen bzw. zu behaupten, danach trachtete indes nicht nur von der Hagen, danach trachteten auch die Brüder Grimm [...]. Der von ihnen beim Eintritt in die gelehrte Welt eingeschlagene Weg ging - nicht zuletzt wegen der verschiedenen Ausgangsbedingungen - allerdings in eine völlig andere Richtung als bei von der Hagen; ihr Ansatzpunkt war die Kritik und ihr Mittel die Polemik. [...] Die Geschichte dieses "Kriegs" ist zwar nur kurz, aber außerordentlich verwirrend, da nicht nur die Grimms und von der Hagen, sondern noch weitere Parteien mit jeweils eigenen Interessen involviert waren und das Streitgeschehen durch eine nicht immer ganz durchschaubare Stafette von Intrigen, Zurechtdeutungen, Halb- und Unwahrheiten sowie der durchaus gängigen Praxis der Verschleierung und des heimlichen Vorbehalts begleitet wurde.[D]er Eddastreit, auf den sich in der Folge die Charakterisierung dieses umfassenderen Wissenschaftskriegs konzentrieren soll, [ist] nur eine von mehreren Frontsetzungen im Wissenschaftskrieg zwischen den Grimms und von der Hagen.
"Wir haben diesen Dichter geliebt" : Hugo von Hofmannsthal und Eduard Korrodi ; Briefe und Dokumente
(2017)
Der Schweizer Journalist, Essayist und Literaturkritiker Eduard Korrodi, geboren am 20. November 1885 in Zürich, ist heute, mehr als 60 Jahre nach seinem Tod am 4. September 1955, selbst in Literaten- oder Germanistenkreisen nahezu unbekannt. Seinen Zeitgenossen hingegen galt er als wegweisender Mentor und Anreger, als "schweizerischer Geisteswärter", als "das literarische Bundesgericht" der Schweiz und allmächtiger "Literaturpapst". Diese einzigartige Position eines "Entdeckers" und "Erweckers", "Richters" und "Vernichters" hat er in der Feuilletonredaktion der "Neuen Zürcher Zeitung" zwischen 1915 und 1950 über 35 Jahre hin behauptet - "geliebt, geehrt" und "angegriffen", immer aber "ernst genommen", so dass kaum ein Schweizer Schriftsteller der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ihn nicht in Tagebüchern oder Memoiren "erwähnt" oder "in gereizter Weise 'behandelt'".
Als jüngster Sohn des angesehenen Lehrers, Schulbuchautors und Lyrikers "für den Hausgebrauch" Johann Heinrich Korrodi (1834-1910) und der Marie Zurgilgen (1852-1950), die der Vater 1882 in dritter Ehe geheiratet hatte, besucht Korrodi die Schule in Zürich und ab Oktober 1898 das Kollegium "Maria Hilf" in Schwyz. Ab dem Wintersemester 1905/06 studiert er deutsche Philologie, Alt-Isländisch und Kunstgeschichte in seiner Heimatstadt und wird hier, nach einem Berliner Auslandssemester im Winter 1907/08 bei Erich Schmidt und Richard Moritz Meyer,10 im Januar 1910 mit der von Adolf Frey (1855-1920) betreuten Dissertation "Stilstudien zu C.F. Meyers Novellen" zum Dr. phil. promoviert.
1958 schrieb Theodor W. Adorno:
Den Nimbus, der den Namen von Georg Lukács heute noch, [...] umgibt, verdankt er den Schriften seiner Jugend, dem Essay-Band 'Die Seele und die Formen', der 'Theorie des Romans', den Studien 'Geschichte und Klassenbewußtsein', in denen er als dialektischer Materialist die Kategorie der Verdinglichung erstmals auf die philosophische Problematik prinzipiell anwandte. Ursprünglich etwa von Simmel und Kassner angeregt, dann in der südwestdeutschen Schule gebildet, setzte Lukács bald dem psychologischen Subjektivismus eine objektivistische Geschichtsphilosophie entgegen, die bedeutenden Einfluß ausübte. Die 'Theorie des Romans' zumal hat durch Tiefe und Elan der Konzeption ebenso wie durch die nach damaligen Begriffen außerordentliche Dichte und Intensität seiner Darstellung einen Maßstab philosophischer Ästhetik aufgerichtet, der seitdem nicht wieder verloren ward. Als, schon in den frühen zwanziger Jahren, der Lukácssche Objektivismus sich, nicht ohne anfängliche Konflikte, der offiziellen kommunistischen Doktrin beugte, hat Lukács nach östlicher Sitte jene Schriften revoziert; hat die subalternsten Einwände der Parteihierarchie unter Mißbrauch Hegelscher Motive sich gegen sich selbst zu eigen gemacht und jahrzehntelang in Abhandlungen und Büchern sich bemüht, seine offenbar unverwüstliche Denkkraft dem trostlosen Niveau der sowjetischen Denkerei gleichzuschalten [...].
Wenn heute - über ein halbes Jahrhundert später - diese Zeilen wie eine unverändert gültige Charakterisierung des Philosophen und Literaturhistorikers anmuten, so nicht nur, da sich mit der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des realen Sozialismus in Ostmittel- und Osteuropa die politischen Rahmenverhältnisse, die Lukács' Arbeit in vielfacher Weise bestimmt hatten, aufgelöst haben. Schon deutlich früher war das Werk des ungarischen Intellektuellen ins Abseits des europäischen Gedächtnisses gedrängt worden.
Harry Graf Kessler war durch seine Herkunft und ebenso durch seinen Lebensstil Europäer. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg intensivierten und verdichteten sich seine Reisen zwischen Paris, Weimar, Berlin, London, München und Wien. Es ist die Zeit, in der er das Netzwerk seiner Kunst-Vermittlungen nicht nur in der bildenden Kunst, sondern auch verstärkt in den aktuellsten Entwicklungen in Theater, Oper und Tanz entfaltet. Im Zentrum von Kesslers mäzenatischem und ästhetischem Interesse standen in den Jahren 1909-1914 die von Serge Diaghilew geleiteten 'Ballets Russes'. Die Aufführungen dieser Ballett-Truppe aus Russland waren ein europäisches Kunstereignis, das durch Diaghilews Geschick als Impresario seit der ersten Saison in Paris, 1909, und erneut mit jedem Programm in Gastspielen in ganz Europa gefeiert wurde. Kessler hatte an diesem Erfolg einen bedeutenden Anteil. Zahlreiche Einträge in seine Tagebücher bezeugen seine Begeisterung und sein Engagement. Seit seinem ersten Besuch der Aufführungen der 'Ballets Russes' war er von der ästhetischen Innovation überzeugt, die 'die Russen' (wie er Diaghilews Truppe in Briefen und im Tagebuch häufig bezeichnete) für Theater und Ballett der Moderne bedeuteten: eine neue Form des Gesamtkunstwerks, ein Zusammenwirken von Körper, Bewegung, Rhythmus, Bild und Musik - aus dem Geiste des Tanzes.
Peter Szondi hat sich mit Walter Benjamins Trauerspielbuch bereits in seiner Dissertation 'Theorie des modernen Dramas' beschäftigt. In seiner Habilitationsschrift 'Versuch über das Tragische' setzt sich diese Auseinandersetzung fort, um dann, so scheint es, jäh mit dem Antritt des Ordinariats an der FU Berlin 1965 abzubrechen. Zwar publiziert er noch zwei Aufsätze, die Benjamin gewidmet sind. Doch ist das Trauerspielbuch in ihnen peripher. In der wissenschaftsgeschichtlichen Forschung ist dieser Sachverhalt bisher kaum reflektiert worden, weil sich nur punktuelle Anknüpfungspunkte zwischen dem Trauerspielbuch und den Untersuchungsgegenständen ergeben, denen sich Szondi nach 1965 zugewandt hat.
Die vorliegenden Überlegungen stellen die These auf, dass Szondis Vorlesungen zum bürgerlichen Trauerspiel 1968 konkrete Folge seiner Beschäftigung mit Benjamins Studie sind. Das scheint zwar paradox, weil im Sinne Benjamins kein direkter Weg vom barocken zum bürgerlichen Trauerspiel führt. Wohl nicht zuletzt deswegen wurde dieser Zusammenhang bisher auch weder von der Benjamin - noch von der Aufklärungsforschung in den Blick genommen. Gleichwohl erlaubt ausschließlich eine solche Deutung es, Szondis Interesse am bürgerlichen Trauerspiel programmatisch zu deuten. Das ist das Ziel der nachfolgenden Betrachtungen.
Die Rezeption eines Kunstwerks, sagt Schopenhauer, sei nur dann ganz befriedigend, wenn sie etwas hinterläßt, das wir, bei allem Nachdenken darüber, nicht bis zur Deutlichkeit eines Begriffs herabziehen können." Er fügt allerdings hinzu, dies sei vor allem bei solchen Kunstwerken der Fall, die den Vorzug hätten, "aus einem Guß" zu sein, "das lautere Werk der Begeisterung des Augenblicks, der Inspiration, der freien Regung des Genius […], ohne alle Einmischung der Absichtlichkeit und Reflexion", wie dies für die erste Skizze des Malers, für eine Melodie oder ein Gedicht gelte. Weniger gelte es hingegen für die Werke "von langsamer und überlegter Ausführung", an denen "die Reflexion, die Absicht und durchdachte Wahl bedeutenden Antheil" haben.
Verstand, Technik und Routine müssen hier die Lücken ausfüllen, welche die geniale Konception und Begeisterung gelassen hat, und allerlei nothwendiges Nebenwerk muß, als Cäment der eigentlich allein ächten Glanzpartien, diese durchziehen.
Der "Turm", der in drei verschiedenen Druckfassungen vorliegt, gehört offensichtlich in diese letztere Kategorie.
Philosophiegeschichte, das ist evident, ist mit den klassischen Säulen Theorie und Begriffsgeschichte eine bewährte Disziplin. Ergänzt durch relativ neue Zweige wie Diskurs-, Institutionen-, Medien- oder Metapherngeschichte besteht ein breites Spektrum philosophiegeschichtlicher Methodiken, das sich beständig bereichert. Aber eine Nichtgeschichte der Philosophie? Was sollte sie leisten? Sollte sie post festum attestieren, begründen und besiegeln, was nicht geschehen konnte? Sollte sie a posteriori diagnostizieren, unter welchen Bedingungen bestimmte Entwicklungen hätten eintreten können? Oder sollte sie im Nachhinein diktieren, was hätte eintreten müssen, aufgrund bedauerlicher ephemerer Umstände aber nicht eintrat? In den Geschichtswissenschaften ist das methodische Bewußtsein für die Alternativen historischer Situationen gewachsen, für die Möglichkeitsform von Geschichte, die aus eingetretenen und nichteingetretenen Ereignissen besteht. Es scheint legitim, auch Philosophie- bzw. Ästhetikgeschichte auf diese Möglichkeitsformen hin zu befragen, ihre Nichtereignisse und ihre Konjunktive des Negativen zu thematisieren, um daraus wenn nicht Antworten so doch weiterführende Fragen zu ziehen.
The flourishing of literature and thought during the age of Goethe may have inspired German nationalism in the 1930s, but Walter Benjamin identified other values in the period worth defending. 'Deutsche Menschen' is a short collection of edited letters by well-known German authors which Benjamin published in 1936 under the pseudonym Detlef Holz in order to hide his Jewish identity. In his inscription to Scholem's copy of the book, Benjamin wrote, "May you, Gerhard, find a chamber in this ark - which I built when the Fascist flood started to rise - for the memories of your youth," and in his sister’s copy Benjamin wrote, "This ark, built after a Jewish model, for Dora - From Walter." This essay considers what Benjamin may have meant by those inscriptions. Looking beyond discussions of "German," "Jewish," and even "German-Jewish" identity, this essay explores Benjamin's descriptions of his letter collection, asking how he conceptualized and framed it at first and how it may have changed between 1931 and 1936. The categories of tradition and agency will be my focus, which I will develop in the context of Benjamin's other writings and his particular interests in quotation and materialism. &e formation and reception of 'Deutsche Menschen' reveal a complex, ambitious project that combines many of Benjamin's ideas and goals.
Während der Arbeit an den 'Thesen über den Begriff der Geschichte' hat Walter Benjamin den in der Geschichtsschreibung gebräuchlichen Begriff der "Quelle" einer radikalen Kritik unterworfen, die die Formen der Überlieferung überhaupt infrage stellt. Statt sich an das Schauspiel eines Stroms der Überlieferung zu verlieren, zu dem sich die Quellen vereinigt haben, frage der historische Materialist danach, wessen Mühlen der Strom treibe, wer sein Gefälle verwerte, wer ihn eindämmte, und indem er die Kräfte beim Namen nenne, "die in ihr am Werke gewesen sind", verändere er "das Bild der Landschaft" (GS I, 1160 f.). Diese Kritik sieht die "Quellen" in einen selber von Interessen und Macht bestimmten, weitgehend 'verderbten' Prozess der Überlieferung eingebunden. In der echten Geschichtsschreibung, heißt es in einem Entwurf der 'Thesen', erwachse daraus, und eben so stark wie ihr destruktiver Impuls, "der Impuls der Rettung", nicht nur vor "dem Verruf und der Mißachtung", in die Gewesenes geraten ist, sondern eben "vor einer bestimmten Art seiner Überlieferung" (WuN XIX, 128) selber. Der Begriff der "Quelle" gehört für Benjamin einer positivistisch verstandenen 'reinen' Wissenschaft der Geschichte an; der "wissenschaftliche" Charakter der Geschichte aber wird "erkauft mit der gänzlichen Ausmerzung alles dessen, was an ihre ursprüngliche Bestimmung als Eingedenken erinnert. Die falsche Lebendigkeit der Vergegenwärtigung, die Beseitigung jedes Nachhalls der 'Klage' aus der Geschichte bezeichnet ihre endgültige Unterwerfung unter den modernen Begriff der Wissenschaft." (GS I, 1231) Die 'Thesen' legen theoretisch-methodisch den Grund dafür, dass Referenztexte ganz anders aufgefasst werden als "Quellen" in einer begriffs- oder ideengeschichtlichen Darstellung. Wie aber dann, zumal in den 'Thesen' selber? Die Frage nach der Funktion der Referenzen in den 'Thesen' ist anders zu stellen als die nach einer Verwendung von Quellen, nämlich als die Frage danach, in welcher Weise Benjamin 'in' ihnen, 'mit' ihnen und 'gegen' sie denkt. So kommen auch die unterschiedlichen Formen der nicht explizit gemachten, verborgenen Referenzen ins Spiel.
Die künstliche Außenweltbeleuchtung ist keine neutrale Helligkeit, die die Sichtbarkeit der von ihr bestrahlten Umgebung unmodifiziert über die Dämmerungsgrenze hinweg in die Nacht hinein weiterdauern lässt. Sie hat in aller Regel einen intrusiven Aspekt und schafft ein spezifisches, vom Tagesanblick deutlich unterschiedenes Erscheinungsbild. Meistens erzeugt sie zum Beispiel Wahrnehmungsbilder, die mit fast allen Formen von gemalten Abbildungen und mit narrativen Darstellungen gemeinsam haben, 'Unbestimmtheitsstellen' zu enthalten. Die Wahrnehmungsgeschichte der künstlich erleuchteten Stadtzentren ist von der Komplexität geprägt, die auch das Verhältnis von Kunstlicht und Raum charakterisiert. Im Verlauf der Epoche, die mit der Aufstellung der ersten Gaslaternen zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann und die mit der Einführung der elektrischen Glühbirnen, der Neon-Röhren und schließlich der LED-Dioden ihre Fortsetzung fand, hat das von diesen Lichtern erzeugte Raumerlebnis mehrfach qualitative Veränderungen erfahren. Die folgenden Ausführungen kontrastieren vier historisch aufeinander folgende Typen von Wahrnehmungsbildern der erleuchteten Innenstädte: 1.) Reaktionen aus der 'Pionierzeit' der Straßenbeleuchtung (bis Ende des 19. Jahrhunderts); 2.) Reaktionen aus der Zeit der Einführung der elektrischen Beleuchtung; 3.) die avantgardistische Kunstlichtwahrnehmung der 1920er Jahre; 4.) Wahrnehmungsbilder, wie sie aktuell angewendete Beleuchtungspraktiken nahelegen. Die beobachteten Wandlungen im Erleben der beleuchteten Stadtszenerien werden mit Tendenzen, die für die jeweiligen Stadtgesellschaften typisch sind, in Zusammenhang gebracht.
In the present context of the triumph of capitalism over real socialism, this article points out that, despite their ideological differences, both systems are bound to the same conception of history-as-progress. In contrast, it recalls Walter Benjamin's philosophy of history, marked by the critique of progress in the name of a revolutionary time, which interrupts history's chronological continuum. Benjamin's perspective is used to study the conflict of temporalities among the Soviet artists in the two decades after the October Revolution: on the one hand, the anarchic, autonomous and critical time of interruption – which is the time of avant-gade –, on the other hand, the synchronization with the ideas of a progressive time as ordered by the Communist Patty; this is the time of vanguard, whose capitalist Counterpart is fashion.
In einem Brief vom 8. Juli 1891 schreibt der junge Hugo von Hofmannsthal an den acht Jahre älteren Richard Beer-Hofmann von seinen Lektüren in Bad Fusch. Darunter findet sich eine ganze Bandbreite internationaler literarischer und philosophischer Werke: von "Gogol" über "Andersen, Immermann, Maupassant" bis hin zu "Schopenhauer". Während die rezeptionsästhetische Aufnahme und Verarbeitung der erstgenannten Autoren bei den Schriftstellern der Wiener Moderne generell eine eher marginale Rolle spielt, ist die frühe Beschäftigung Hofmannsthals mit Schopenhauer freilich keine Einzelerscheinung. Ganz im Gegenteil gehört der Philosoph in der intellektuellen und literarischen Welt des Fin de Siècle zur Allgemeinbildung und ist bereits seit dem literarischen Realismus von vielen Schriftstellern (z.B. Hebbel, Raabe und Fontane) breit rezipiert, zentrale Aspekte seiner Philosophie sind auf vielfältige Weise poetisch produktiv verarbeitet worden.
Betrachtet man die literarischen Beispiele von Strafprozessgeschichten im Vormärz, so wird ersichtlich, wie eng die vormärzliche Kriminalliteratur an die Pitaval-Tradition anschließt. Der Reiz der Pitaval-Sammlungen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts bestand ja auch darin, dass der Leser Einsicht in die Abläufe des ansonsten nicht öffentlichen Gerichtswesens erhielt. Dies änderte sich auch nicht, als beginnend mit dem kontrovers diskutierten Strafrechtsprozess um Peter Anton Fonk, der von 1816 an über Jahre Gesprächsthema der gesellschaftlichen Zirkel Berlins war und der vor einem öffentlichen Geschworenengericht stattfand, Gerichtsprozesse in einigen deutschen Staaten, zuerst auf linksrheinischen Gebieten, öffentlich debattiert wurden. Das hatte zur Folge, dass, wie Anna Busch nachweist, den Gerichtsverhandlungen Redakteure unterschiedlichster Zeitungen und Zeitschriften beiwohnten, die täglich mit wortwörtlichen Auszügen aus der Verhandlung über den Fortgang des Prozesses berichteten. Die Tagespresse sei voll von Fonk und von Mutmaßungen über seine Schuld oder Unschuld gewesen. Hitzig erwähnt in seinem Repertorium zu den "Annalen der deutschen und ausländischen Criminal-Rechts-Pflege" von 1837 mehr als 20 selbständige Veröffentlichungen zum Fall Fonk. Damit zeigt sich übrigens, dass Studien zum Thema 'Literatur und Recht im Vormärz' auch einen Beitrag zur Beschreibung der öffentlichen Meinung ab den 1820er Jahren leisten können: Die Schriften zu den Prozessen kommentierten nicht nur Gerichtsurteile, sondern sie versuchten, gezielt Einfluss auf Gerichtsprozesse im laufenden Verfahren zu nehmen, und sie bezogen nicht selten auf diese Art liberale und demokratische Positionen, die politisieren konnten. Die Diskussion von Rechtsfällen entwickelte sich entsprechend nicht selten zu Mahnungen vor Willkür, so dass Herrscher gelegentlich von ihrem Rechte Gebrauch machten, Urteile rückgängig zu machen - etwa als Friedrich Wilhelm III. im Fall Fonk das Urteil per Kabinettsordre kassierte, wobei der König sich auch selbst auf eine Vielzahl von Veröffentlichungen und Eingaben bezog, die im Ministerium eingegangen waren. Unter solchen Gesichtspunkten ist die Funktionszuschreibung von Literatur im Vormärz zu betrachten, bei der selbst der Unterhaltungslektüre aus dem Kriminalgenre eine politisierende Kommentaraufgabe zukommen konnte. Auch sind die literarischen Verhandlungen von Recht, wie Anna Busch nachweist, im Rahmen einer neu entstehenden vormärzlichen Debattenkultur zu lesen.
Frankfurt am Main im Oktober 1981. Jacob Taubes spaziert über die Buchmesse. Am Stand des Verlages, dem er schon lange Zeit als wissenschaftlicher Berater dient, macht der Berliner Religionswissenschaftler eine Entdeckung. Sein Freund, der Philosoph Hans Blumenberg, hat bei Suhrkamp ein neues Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel 'Die Lesbarkeit der Welt' und es handelt von dem Buch, das alle Bücher der Buchmesse, ja alle vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Bücher umfasst, es handelt vom Buch der Welt als Metapher "für das Ganze der Erfahrbarkeit". Taubes wird neugierig. Er blättert, liest sich fest, kommt bis Seite 19. Dann: ein Druckfehler. Taubes, dem Blumenberg über Jahre die kalte Schulter gezeigt hat, denkt nach, schmunzelt vielleicht, macht sich Notizen. Zu Hause greift er sich eine Postkarte und schreibt nach Altenberge bei Münster, sein, Blumenbergs, neues Buch sei "[s]pannend wie ein Roman". Er philosophiere historice und critice, dies gegen den Kollegen Henrich in Heidelberg. Und, ach ja, sein Buch enthalte einen Druckfehler, auf Seite 19 steht: "Boch"; die ganze Passage bei Blumenberg lautet: "Die Frage, wie denn in diesem Buch der Natur gelesen werden könne, in welcher Sprache es geschrieben sei und wie man ihre Grammatik herauszufinden hätte, schiebt sich erst über die metaphorische Grundschicht der Bücherkonkurrenz, in der primär Buch neben Boch, sekundär Buch gegen Buch steht."
No ensaio "Engagement", de 1962, Theodor Adorno recoloca em discussão a dicotomia entre literatura engajada e literatura autônoma, advertindo que em seu tempo a controvérsia não se situa mais no nível da sobrevivência humana ou da vida em sociedade, mas se coloca como uma especulação intelectual. O presente texto recupera as principais ideias de Adorno a respeito do tema e procura refletir sobre elas. O pensador apresenta os dois polos de pensamento sobre o problema e inicia dizendo que a tensão entre eles agora está diluída. Seguem-se então considerações sobre as confusões que envolvem o debate sobre o engagement, reflexões sobre a filosofia da arte de Sartre e sua concretização em obras de ficção, a arte e a didática de Bertolt Brecht, bem como o tratamento que o dramaturgo alemão dá ao fascismo, a relação entre o tom da poesia e a política, o problema do sofrimento ligado à obra de arte, o experimentalismo contemporâneo de Kafka e Becket, as tradições culturais da França e da Alemanha, e as relações entre a política e a arte autônoma.
This paper deals with Kant’s differentiation between artistic beauty and the sublime in nature. In this latter, Kant subsumes everything wild, uncultivated, inanimate and makes it – apparently – available to Aesthetics. As the quintessence of resistence, the "stone" stands for everything that remains the most estranged from the human sphere. In texts of Romantic authors such as Novalis, it can be seen how the "stone" in its turn takes possession of human beings and move them away from human nature. From Romanticism up to contemporary art, the sublime establishes thus a dominion of total alterity, which evades control and keeps consciousness alert to the fact that also in human beings there is an uncontrollable element demanding its rights.
The aim of this paper is to analyze the concept of body developed by Luhmann's systems theory. Privileged places where one can look for the body will be the interpenetration between human beings and the concept of socialization. Another fundamental problem is the relationship between semantics and body, although the most explicit presence of the body in this theory comes with the concept of symbiotic mechanisms or symbols. The last place where this enquiry will look for a bodily reference are emotions, which were highly ignored by Luhmann. Alternative approaches explored in the paper are treating the body as a structure, as a medium or as an internal environment.
Este texto tem por objetivo recontextualizar uma das teorias literárias mais produtivas surgidas na segunda metade do século XX, na medida em que ela interagiu com conceitos filosóficos amadurecidos na mesma época. Em particular, pretendemos discutir o modo como a Estética da Recepção, desenvolvida ao longo dos anos 1960 e 1970, na Universidade de Konstanz, pôde e ainda pode proporcionar iluminações à literatura quando associada aos estudos de Jürgen Habermas junto à Escola de Frankfurt, também ao longo daquelas décadas e das seguintes.
A tradução parece trazer dificuldades que exigem soluções diversas que, escolhidas contigencialmente, podem ter implicações históricas e políticas duradouras. A tradução da Bíblia por Lutero é um exemplo marcante da força histórica da tradução e das polêmicas quanto à sua forma. Em "A Tarefa do Tradutor", Benjamin estabelece duas temporalidades distintas para a vida de um texto literário e a de suas traduções, instaurando um debate a respeito dos diferentes tempos históricos que atravessam um texto, em sua relação com as diferentes línguas. A partir dessas considerações, nos propomos a discutir certas dificuldades concretas experienciadas na tradução de citações de uma obra literária dentro de um texto crítico de Benjamin, "Am Kamin", um dos textos em que desenvolve sua teoria do romance. Como traduzir hoje as citações que Benjamin faz do romance "The old wives tale" de Arnold Bennet, citações da tradução para o alemão dos anos 1930, de um texto inglês de 1908 que emula um narrador do início do século XIX, e que não foi ainda traduzido para o português? Por fim, apresento o texto traduzido, "À Lareira".
A influência de Bertolt Brecht sobre Walter Benjamin é comumente atribuída à assimilação da tradição de crítica marxista pelo último. O presente artigo busca realizar uma crítica imanente e teórica da obra de ambos com o fito de investigar outras faces possíveis dessa influência. Sendo assim, o objetivo é demonstrar que o "Efeito de distanciamento" (em alemão "Verfremdungseffekt") utilizado por Brecht em seu teatro épico tem um papel fundamental na leitura que Benjamin fará do cinema e aparece nas quatro versões do ensaio sobre "A obra de arte na época de sua reprodutibilidade técnica", bem como na sua teoria sobre a "aura".
O presente artigo aborda alguns dos principais escritos de Anatol Rosenfeld sobre teatro, sobretudo O teatro épico, obra em que se debruça sobre os preceitos da dramaturgia de Brecht, bem como seu trabalho como organizador de antologias de autores canônicos da literatura alemã (Lessing, Goethe, Schiller), para mostrar como essas influências se cruzam em sua análise da produção teatral brasileira dos anos 1960. Nas entrelinhas da crítica de Rosenfeld, percebe-se a dimensão ética que ele atribuía à sua atividade intelectual e, ainda, um esforço de adaptar o potencial transformador do teatro brechtiano às demandas de um contexto político e cultural específico como o brasileiro.
Der folgende Beitrag stellt die Frage nach der Aktualität Gadamers für die gegenwärtige Literaturtheorie. In einem ersten Teil wird das Hauptanliegen von Gadamers Philosophischer Hermeneutik im Hauptwerk „Wahrheit” und Methode deutlich gemacht und erklärt, warum für jenes die Poetik von solch zentraler Bedeutung ist. Im zweiten Teil werden drei Richtungen der Gadamerrezeption in der neueren Literaturtheorie skizziert – nämlich die Tendenz der literarischen Hermeneutik Gadamers Werk nicht als Interpretationslehre, sondern nur als Theorie des Verstehens zu betrachten, weiter die Ablehnung von Gadamers Verteidigung eines einheitlichen Sinnes des Kunstwerks in der postmodernen Literaturtheorie und schließlich die Übernahme einzelner Theoreme Gadamers im Rahmen der literaturgeschichtlich ausgerichteten Rezeptionsästhetik von Jauß. Im abschließenden dritten Teil wird in Abgrenzung zur Rezeptionsästhetik der Vorschlag gemacht, Gadamers Ästhetik und Poetik konsequent als eine Theorie des Lesens zu rekonstruieren und darauf hingewiesen, dass in der komplexen Struktur des Leseprozesses verschiedene in ihrem Charakter entgegengesetzt wirkende Momente von Gadamers Theorie integriert werden können.
At the forefront of those who tenaciously pondered this issue are, I would claim, Walter Benjamin and Ludwig Wittgenstein. Benjamin and Wittgenstein both are philosophers of language who tried to establish in unique ways the doctrine of resemblance respectively: "Lehre vom Ähnlichen" and "[Lehre der] Familienähnlichkeit." What they see and find in language are not communication and mutual understanding but instead one of the weirdest phenomena in/of the world, viz., resemblance (likeness) in/of language. This phenomenon, I would insist, indicates the correlation of appearing and disappearing, of differentiating and integrating, and of dividing and imparting of language as such. For Benjamin and Wittgenstein, to sum up, language is a paradigmatic paradoxical site of (dis)appearance, differentiating integrity, and divisive imparting. For this reason, it is worthwhile to pin down where their thoughts on language converge and where they diverge.
O artigo aponta afinidades entre os pensamentos de Erich Auerbach e Siegfried Kracauer, discutindo procedimentos metodológicos e questões críticas recorrentes. A ênfase recai sobre matizes e implicações de suas concepções de realismo estético e sobre o interesse de seus trabalhos para o debate teórico e para o exercício da crítica literária hoje.
In einem Brief an Florens Christian Rang vom 9. Dezember 1923 schreibt Benjamin: "Mich beschäftigt […] der Gedanke, wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten. Dabei gilt mir als ausgemacht, daß es Kunstgeschichte nicht gibt". Dieser schroffen Feststellung folgen zwei Seiten, in denen Benjamin es sich zum Ziel setzt zu erläutern, was er mit diesem Satz meint, wobei er Fragen stellt und Hypothesen liefert. Benjamin hat hier also keinen dogmatischen Text verfasst, sondern es handelt sich um einen problembezogenen Brief, mit dem er sich an den Freund wendet, in der Hoffnung, dass er sich über dieses schwierige Thema äußern wird. Nach der Feststellung, dass er "ohnehin unter einer gewissen Einsamkeit [leidet,] in die Lebensverhältnisse und Gegenstand [seiner] Arbeit [ihn] gedrängt haben", schließt er nämlich: "Sollten Dir diese Überlegungen trotz ihrer Dürftigkeit die Möglichkeit einer Äußerung gewähren, so würde ich mich sehr freuen".
Eine Antwort Rangs ist nicht erhalten. Benjamins Text gibt uns (mit anderen seiner Schriften, in denen die Kunstgeschichte eine wesentliche Rolle spielt) allerdings einige Indizien, um zu verstehen, was ihn bewegte. Wenn Benjamin sagt, dass "es Kunstgeschichte nicht gibt", spricht er nicht vom Nichtbestehen dieses Fachs, sondern er artikuliert seine Unzufriedenheit bezüglich der Art und Weise, in der die Kunstgeschichte bis dato gewirkt hat, und stellt in diesem Sinne eine Forderung: die Forderung, dass die Kunstgeschichte in einer neuen Form beginnen, oder besser gesagt, wieder beginnen möge. Es geht um eine Wiedergeburt der Kunstgeschichte und ihrer Methoden. Wenn wir den Text weiterlesen, verstehen wir, dass nach Benjamin die traditionelle Kunstgeschichte keine nützliche Antwort auf die Frage liefert "wie Kunstwerke sich zum geschichtlichen Leben verhalten", weil sie mit der Histoire und nicht mit der Geschichte zu tun hat.
Eine der konstanten Fragen in Benjamins Werk ist die nach der Wirkung der geschichtlichen Bedingungen auf schriftliche und bildliche Texte.
Zwischen 1930 und 1931 schreibt und entwirft Benjamin einige seiner scharfsinnigsten und originellsten Texte. Wenn wir in einer Sentenz das Knäuel von Erfahrungen zusammenfassen möchten, das die Schriften dieser Jahre verbindet, so könnten wir an den Titel der Zeitschrift im Kreis um Brecht erinnern: 'Krise und Kritik'. In einer Schilderung seiner eigenen Verfassung dieses Jahres schreibt Benjamin an Scholem: "[T]rotzdem ich nicht die mindeste Vorstellung von dem habe, "was werden soll" - geht mirs gut. [...] [I]ch komme mir zum ersten Mal im meinem Leben erwachsen vor. Nicht nur: nicht jung mehr, sondern erwachsen indem ich eine der vielen in mir angelegten Daseinsformen nahezu realisiert habe. [...] Ich habe einen der - wahrscheinlich kurzen, vorübergehenden - Augenblicke erreicht, wo ich mich niemandem mehr abzufragen und die Bereitschaft habe, den verschiedensten Mobilisierungsbefehlen zu folgen. [...] Mein nächster Umgang ist seit ungefähr einem Jahr Gustav Glück, Direktor der Auslandsabteilung der Reichskreditgesellschaft, von dem Du eine Art Porträtabriß - cum grano salis zu verstehen - in dem "Destruktiven Charakter" findest, den ich Dir übersandte. Du erwähntest ihn nicht?" (GB IV, 61 f.). Der fragliche Text, das Fragment 'Der destruktive Charakter' aus dem Jahre 1931, das, wie es scheint, Benjamin sehr am Herzen lag, verdichtet in einem 'Denkbild' all jene Motive, die seine Textproduktion der Krisis charakterisieren. Dass es sich tatsächlich um ein Portrait eines Freundes von Karl Kraus handelt, kann nicht mit Gewissheit angenommen werden. In jedem Fall ist Gustav Glück, jenseits aller Biographismen, der Name den Benjamin jener Figur eines Revolutionärs geben wollte, die dann die Zeit des Übergangs, der Wende und der Krise verkörpert. 'Der destruktive Charakter' ist das hermeneutische Paradigma, das der Autor heraufbeschwört, um das Motiv des Grenzüberschritts aufzurufen. Er stellt das Bild fragiler und verlorener Umrisse vor, in der sich jene essenzielle Spannung zwischen Vergangenheit und Zukunft aufhält, die die Gegenwart ist - eine Figur, der Benjamin in einigen entscheidenden Passagen seines Werks auch den Namen 'Schwelle' verliehen hat. Auf den folgenden Seiten soll eine hermeneutische Auslegung vorgenommen werden, die den destruktiven Charakter als eine Figur der Schwelle begreift, d.h. als Figur einer dynamischen Koexistenz zwischen dialektischen Polen, die sich in einer produktiven Spannung befinden. Der destruktive Charakter steht am Kreuzweg, an einem Ort, der auf eine mögliche Veränderung hindeutet. Nach dieser Perspektive wird Benjamins Denken in eine philosophische Tradition gestellt, die von Aristoteles bis hin zu Derrida die Kategorien der Potenz, der Möglichkeit und der Virtualität privilegiert.
Wenige andere Denker des vergangenen Jahrhunderts haben es vermocht, ein vergleichsweise vielfältiges, komplexes und gleichzeitig einheitlich inspiriertes, dazu einen unübertroffenen kulturellen Reichtum enthaltendes und ausstrahlendes Werk geschaffen zu haben, wie Ernst Bloch.
Ernst Bloch, geboren in Ludwigshafen am Rhein 1885, gestorben 1977 in Tübingen, ist mit seinem Werk in der Zwischenkriegszeit aufgetreten. Nach dem Studium von Philosophie, Germanistik, Physik und Musik promovierte er 1908 mit einer Arbeit über Heinrich Rickert. Hörer bei Georg Simmel, befreundet mit Georg Lukács, Margarete Susman, Max Scheler, verblieb er mit ihnen im Verhältnis eines regen intellektuellen Austausches, und selbst eine starke Individualität, ließ sein Bewußtsein zum gefühlt-reflektierten Begegnungsort werden sowohl der reichlich zu Jahrhundertanfang sich ausschüttenden künstlerisch-philosophischwissenschaftlichen Versuche (Expressionismus, Phänomenologie, Bergson, neue Physik, Marxismus) als auch der Erbschaft der alten Meister, zu denen er sich, trotz der trennenden Jahrhunderte, als Schüler bekannte: Aristoteles, Thomas von Aquin, Eckhart, Jakob Böhme, Kant, Fichte, Hegel und Goethe. Kaum ein anderer Denker unserer Zeit hat in sich solchen kulturellen Reichtum verarbeitet und in ein vielfältiges, umfassendes, mehrschichtiges Werk einfließen lassen.
Das erste Buch, 'Geist der Utopie' (1918), sollte eine Proklamation der neuen Philosophie sein. Mitten in der Darstellung der Atmosphäre des Jahrhundertanfangs: des Zerfalls, der Todesbedrohung, der Vermischung der bisher getrennten Sphären der Wirklichkeit, der Ahnungen des Endes der Welt und Neuanfangs und intensiver künstlerischer Selbstsuchen, gründete es eine Metaphysik, in der vom Dunkel des jeweils als Augenblick Gelebten ausgehend über dessen kulturelle Vermittlungen und Weltprozesse sein Adäquates, das Selbst der Menschen und somit das Wesen der Welt im Akt der Selbstbegegnung faßbar wären.
Franz Janowitz je autorem skici s názvem "Die Biene". Tento krátký alegorický text sice používá metaforu včely, v té době již tradiční, netradičně ji ovšem přenáší do oblasti podstaty sexuality ženského pohlaví, čímž metafora nabývá oproti obvyklé pozitivní konotaci konotaci negativní. Autor prostřednictvím této dekontextualizace zdánlivě pojednává o životě včel, ve skutečnosti se ale zabývá ženskou sexualitou v duchu filozofie Otty Weiningera, jíž byl prokazatelně ovlivněn.
Anfang April 1884 entdeckte Freud im "Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften" eine Rezension zu einem kurzen Aufsatz Theodor Aschenbrandts. Aschenbrandts Artikel war vier Monate zuvor in der "Deutschen Medicinischen Wochenschrift" erschienen und stellte einen in Europa noch weitgehend unbekannten Wirkstoff vor, an dessen Erforschung nun Sigmund Freud erhebliche Zukunftshoffnungen knüpfte.
Aschenbrandt hatte in seiner Studie vom 12. Dezember 1883 in der "Medicinischen Wochenschrift" während einer Waffenübung eines bayerischen Armeekorps den Soldaten Kokain verabreicht und dabei eine beträchtliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit, insbesondere der Marschfähigkeit unter erschwerten Bedingungen, sowie länger ausbleibende Erschöpfung durch Nahrungs- und Schlafentzug festgestellt. Das weckte das Interesse Freuds, der 1884 als schlecht bezahlter Assistenzarzt des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ein verstärktes Interesse daran hatte, sich durch wissenschaftliche Forschungen einen Namen zu machen
"Oft sagte er aus dieser Stimmung heraus: Unser Gespräch mit Franzosen bleibt doch immer das Bankett des Fuchses mit dem Storch - ewiges Mißverständnis".
Die Quelle dieses von Hofmannsthal - laut Zeugnis von C. J. Burckhardt - häufig zitierten Vergleichs der Deutschen und Franzosen mit dem Verhältnis der beiden Tiere zueinander ist bekannt; es ist die Fabel La Fontaines: "Le Renard et la Cigogne", die ihrerseits auf Äsop und Phaedrus zurückgeht. Weniger bekannt ist dagegen, daß Hofmannsthal die Fabel nicht als erster auf die beiden Völker bezogen hat, sondern daß er den Vergleich bereits bei Madame de Staël und bei Goethe vorfinden konnte. Es ist reizvoll, die jeweiligen Ausführungen miteinander zu konfrontieren und an der unterschiedlichen Akzentuierung des Vergleichs nicht nur die kulturellen Positionen der Autoren abzulesen, sondern zugleich verschiedene Spielarten des Fremdverstehens kennenzulernen.
En tentant de regarder une image singulière avec quelques mots de Walter Benjamin, je voudrais, non pas me livrer à un exercice de commentaire, de glose ou de déchiffrement, mais, plus modestement, faire acte de reconnaissance, porter témoignage d’une experience de l’image, d’une 'poétique de l’image'. Walter Benjamin, l’un des penseurs qui a le plus radicalement bouleversé - réinventé - la notion de lisibilité (Lesbarkeit), est aussi l’un des penseurs au contact duquel l’histoire de l’art se trouve bouleversée dans son rapport même à la visibilité (Sichtbarkeit) et à la temporalité des images. Il ne s’agit pas seulement de rendre hommage à celui qui, mieux que quiconque, aura théorisé le rôle de la reproductibilité, taconté l’histoire de "l’art en tant que photographie" ou décrit le "déclin de l’aura". Il s’agit de travailler avec sa façon de mettre le temps au coeur de toute question d’image, et de faire de l’image - à commencer par la fameuse "image dialectique" - l’opérateur central de toute historicité. Le meilleur hommage, la meilleure justice que l’on puisse rendre à quelque chose, dit Benjamin - en parlant des "guenilles", des "rebuts" de l’histoire -, c’est de l’utiliser. Je vais tâcher de suivre cette leçon en vous présentant un objet de travail et en essayant de restituer la 'valeur d’usage' d’un ou de deux textes de Benjamin pour tenter de savoir, tout simplement, 'comment regarder une image'.
Este texto busca caracterizar a imagem de pensamento (Denkbild) como um gênero particular de composição que mistura filosofia e literatura, conceito e imagem. O argumento central é o de que, devido às suas peculiaridades formais, a imagem de pensamento possui tanto um forte teor intersubjetivo, quanto a capacidade como de fazer surgir o não-idêntico em experiências cotidianas. Desse combinação surge um tipo de escrita prática, que merece ser recuperada no presente.
Das Buchstabieren Benjamins
(2011)
Im Brief vom 28. Februar 1933 an Gershom Scholem spricht Walter Benjamin von einer "neuen - vier kleine Handschriftenseiten umfassenden - Sprachtheorie", die "[d]rucken" zu lassen er nicht beabsichtige, ja von der er nicht einmal wisse, "ob sie auch nur einer Maschinenübertragung fähig" sei. Der brieflich geäußerte Hinweis auf die Medialität der heute unter dem Titel "Lehre vom Ähnlichen" (GS II, 204–210)2 gedruckt vorliegenden 'Seiten' führt ins Zentrum des Textes: Benjamin entwickelt sein berühmtes Konzept einer "unsinnlichen Ähnlichkeit" der Sprache über "Verspannung[en]", und zwar "Verspannung[en]" nicht nur "zwischen dem Gesprochnen und Gemeinten sondern auch zwischen dem Geschriebnen und Gemeinten und gleichfalls zwischen dem Gesprochnen und Geschriebnen". Damit antwortet der Text auf die Frage, inwiefern man "Sprache", verstanden als "Kanon" der "Merkwelt des modernen Menschen", als Transformation alter Traditionen "magischer" "Fassungen" von "Ähnlichkeitserfahrungen" begreifen könne.
Es sind unruhige Zeiten Ende 1918, als sich im Zuge der Revolution in Deutschland Arbeiterräte gründen. Kurzzeitiger Vorsitzender in München ist Heinrich Mann. Auch in Berlin ist mit Kurt Hiller ein 'Literat' Vorsitzender des "Rates der geistigen Arbeiter". Am 2. Dezember 1918 wendet sich Hiller resümierend in einer Rede an die Versammelten: "Seit Jahren wirken wir Aktivisten durch Rede und Schrift für die Politisierung des Geistes und für die Vergeistigung der Politik." Hiller bedient sich mit diesem Chiasmus zweier markanter Begrifflichkeiten: dem "Geist" als Schlagwort der literarischen Gruppe des Aktivismus, der Kurt Hiller und Heinrich Mann angehören, sowie der "Politisierung", als Schlagwort einer vor allem während des Ersten Weltkriegs geführten und sich ab 1918 abschwächenden Debatte über das Verhältnis von Kunst und Politik. An diesen Chiasmus Hillers und die damit verbundene Debatte wird Walter Benjamin 1935 in den ersten beiden Fassungen seines "Kunstwerkaufsatzes" anschließen, wenn er darin von der Ästhetisierung der Politik und der Politisierung der Kunst spricht. Die Bezugnahme darauf tritt allerdings in den späteren, veröffentlichten Fassungen zusehends in den Hintergrund.
Der Begriff des Monuments ist sicher nicht der erste, dem man augenblicklich eine gesteigerte Attraktivität bescheinigen könnte. Monument - das klingt nach Historismus und Historienschinken, nach Denkmalpflege und moosigen Steinen, nach brachialem 19. Jahrhundert, Bildungsbürgertum und Baedeker. Monument klingt nach allem - nur nicht nach Medium, Lektüre oder Codierung, drei Bausteine, an die man nach den jüngsten kulturwissenschaftlichen Relektüren des Monuments mit diesem verbinden sollte. Denn möglicherweise ist seine Inschrift erst heute lesbar geworden und sein Jetzt der Erkennbarkeit erst in diesen Tagen gekommen. Möglicherweise mußte das Monument im Schatten jeder Aufmerksamkeit vor sich hin dämmern, um aus der begriffsgeschichtlichen Abstellkammer wieder hervorgeholt werden zu können; vielleicht bedurfte es jenes monumentalen Schlummers, damit ein Prinz 1969 kommen und es aus diesem Schlummer erwecken konnte. Spätestens seit Foucault den Begriff in seiner Einleitung in die Archäologie des Wissens wachgeküßt und wieder zum Leben erweckt hat, gehört er in das neo-historistische Repertoire von Literatur- und Kulturwissenschaftlern: Tatsächlich stellt es eine der Kuriositäten des derzeitigen wissenschaftlichen Diskurses dar, daß die aufgerüstete kulturwissenschaftliche Rede von Codierung und Hardware so selbstverständlich in terms of Monumenten spricht, als befände man sich in der Mitte des Historismus. Dabei weisen schon Codierung und Hardware darauf hin, daß es durchaus veränderte Vorzeichen sind, unter denen das Monument neuerdings wieder in die wissenschaftliche Rede einfließt.
Baudelaire, Benjamin - zwei geistesgeschichtliche Großreignisse, mit denen allein man einmal Semester von Seminaren, Seiten von Dissertationen, Jahre in akademischen Lebensläufen füllen konnte. Ganze Bibliotheken und Ästhetiken der Moderne liehen sich von dieser Korrespondenz her schreiben, von der Vorwegnahme einer ästhetischen Moderne durch Baudelaire und ihrer Radikalisierung durch Benjamin. Allein, was zwischen diesen beiden Eckpfeilern der ästhetischen Moderne geschah, läßt sich auch anders als auf den unverschlungenen Wegen einer Literaturgeschichte erzählen. Denn tatsächlich arbeitete Benjamin nicht mit Geschichten, sondern mit Maschinen; tatsächlich war, was zwischen den beiden großen B.'s der ästhetischen Moderne geschah, eher ein Kurzschluß oder eine Rückkopplung innerhalb einer Deutungsmaschine als eine gepflegte Geschichte der Literatur. Die Maschine hieß "Passagen-Werk", Baudelaire ihr vorzüglichster (oder wenigstens vollendetster) Gegenstand.