BDSL-Klassifikation: 01.00.00 Allgemeine deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft > 01.08.00 Zu einzelnen Germanisten, Literaturtheoretikern und Essayisten
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An dem Schulmann Viehoff zeigt sich, inwiefern bereits in der Frühzeit der Neuphilologie die kritische Aufbereitung von Klassikern der Weltliteratur nationalen Deutungsmustern unterliegt. Der Zwiespalt zwischen universalem Anspruch und nationalem Standpunkt manifestiert sich - dies möchte der vorliegende Beitrag zeigen - in der Übersetzung von Racines Dramenwerk, die zwischen 1842 und 1846 zuerst erschien und drei Jahrzehnte später erneut aufgelegt wurde.
In a letter to Scholem, dated 22 December, 1924, Benjamin famously writes of the manuscript that was to become his 'Trauerspiel' book: "[I]ndessen überrascht mich nun vor allem, daß, wenn man so will, das Geschriebene fast ganz aus Zitaten besteht" (GS I.3, 881). Much has been made of the mosaic-like citational technique to which Benjamin refers here; his "Zitatbegriff" is said, for example, to subtend the theory of a "mikrologische Verarbeitung" of "Denkbruchstücken" into "Ideen" that Benjamin develops as his theory of representation in the "Erkenntniskritische Vorrede", which in turn figures the relation between individual phenomena and their "ideas" in astral terms. Because, however, the 'Trauerspiel' book is so often understood only on this theoretical level, e.g. as either an early articulation of Benjamin’s "avant garde" and "messianic" philosophy of history (Jäger, Kany, and Pizer) or as a performance of his systems of allegory (Menninghaus) and "constructivism" (Schöttker), his "Zitierpraxis" and the actual citations that form large parts of 'Der Ursprung des deutschen Trauerspiel' have seldom been read for the purchase they provide on the vexed status of the period and concept that was the book’s direct subject, namely, the German Baroque.
Although Walter Benjamin was never timid when it came to writing, one practice he consistently avoided was that of creating neologisms. It is therefore with all the more reluctance that I find myself compelled to resort to something similar, in order to sum up a motif that has imposed itself over the years in my reading of Benjamin. What is involved is, to be sure, not exactly a neologism, since it does not involve the creation of a new word, but rather the highlighting of a word-part, a suffix (eine Nachsilbe). In English, to be sure, this suffix, when spoken, is indistinguishable from a word: what distinguishes it from a word is not audible, but only legible: a hyphen, marking a separation that is also a joining, a 'Bindestrich' that does not bind it to anything in particular and yet that requires it to be bound to something else. The suffix in question thus sounds deceptively familiar, since it coincides, audibly, with the word "abilities". However, unlike that word, its first letter - which purely by accident happens to be the first letter of the alphabet--is preceded by a dash. When written in isolation, this gives it a somewhat bizarre appearance, to be sure, since suffixes are not usually encountered separately from the words they modify. But this bizarre appearance pales when compared to its German 'original'. If the book of essays to be published in English under the title, "Benjamin’s -abilities," is ever translated into German - "back" into German I was tempted to write, since German here is of course the language in which Benjamin wrote and in which I generally read him - then its title, were it to be entirely faithful to the English, would indeed have to involve the creation of a neologism. For translated back into German, the German title would require its readers to "read, what was never written", namely: "Benjamins -barkeiten" (written, "Bindestrich- b--kleingeschrieben").
Bei Walter Benjamin steht die Moderne im Zeichen des Verlusts. Denn er fasst Moderne nicht als Erfüllung vorgeformter Geschichte, sondern in den Spuren ihres Verschwindens. Zum Schauplatz dieser negativen Gründungsfigur wird für Benjamin der Begriff der Erfahrung. Modern ist, wer um die Erfahrung gebracht worden ist. Und so schildert Benjamin den Dichter, der von einer Ecke aus, das Glücksspiel beobachtet, als einen um seine Erfahrung gebrachten: "Der Dichter nimmt nicht am Spiele teil. Er steht in seiner Ecke; nicht glücklicher als sie, die Spielenden. Er ist auch ein um seine Erfahrung betrogener Mann, ein Moderner." (GS I, 636) Das Erkennen der Moderne im Zeichen des Verlusts und Betrogenseins entsteht durch eine Rückschau. Im zurückgewendeten Blick erscheint Moderne in der Differenz von Vergangenem und Gegenwärtigem, von vormaliger Fülle und Mangel im Jetzt. Bei aller "Schönheit" (GS II, 442), die Benjamin dabei dem Entschwinden abgewinnt, ist die vollzogene Figur melancholische Trope. Aus der melancholischen Differenz heraus scheint die Kontinuität der translatio abgebrochen. Auf diesen Bruch richtet Benjamin immer wieder seinen Blick, ob er nun über die veränderten Rezeptionsbedingungen von Kunst im "Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit" spricht oder über den Unterschied von Roman und Erzählung. Während die Erzählung bei Benjamin für das Einst einsteht, in dem Erfahrung noch tradierbar war, bedeutet die Moderne des Romans demgegenüber einen irreversiblen Verlust des Austauschs von Erfahrungen: "Es ist, als wenn ein Vermögen, das uns unveräußerlich schien, das Gesichtertste unter dem Sicheren, von uns genommen würde. Nämlich das Vermögen Erfahrungen auszutauschen." (GS II, 439)1 Was uns "genommen wurde", scheint auf immer verloren und daher ist, was uns offenbar ausweglos bleibt: Die Melancholie. Jedoch bietet Benjamin selbst eine Perspektive an, wie mit dieser Figur der Moderne umzugehen ist und somit einen Ausweg aus der Melancholie heraus. Dieser Ausweg zeigt sich im Begriff der Übung an. Denn Übung bei Benjamin - und das möchte ich zeigen - ist doppelt markiert: Sie steht zum einen für jenes Einst an Erfahrung, das mit der Moderne verschwunden ist. Zum anderen ist sie das, was die Moderne weiterbringt. Sie trainiert den Körper, schult die Sinne. Kurz: Sie übt im Umgang mit der Technik und damit im Umgang mit der Moderne. Allerdings - und das ist die Crux an der ganzen Sache -, ist sie dabei stets in Gefahr: Umzuschlagen nämlich in Dressur, um damit den Menschen der Technik zu unterwerfen. Dass Benjamin diesen feinen Unterschied gesehen hat, darin besteht seine Aktualität. Sie steht dabei ganz im Licht der Antike. Denn mit dem Begriff der Übung und seinem unterschiedlichen, doppelten Gebrauch aktualisiert er ein geläufiges Verfahren der Antike. Entgegen seiner eigenen Insistenz auf Verlustfiguren wie den "Abschied für ewig" (GS I, 623) oder der "Liebe [...] auf den letzten Blick" (ebd.), führt seine Verwendung der Übung vor, dass die Moderne selbst in ihren melancholischsten Zügen und der Verlustmarkierung der Erfahrung, sich übend mit ihren eigenen Bedingungen auseinandersetzt und auf diese Weise die abgebrochene Erfahrung gänzlich unmelancholisch wieder ins Spiel bringt.
Die Tatsache, dass Benjamins Schreiben in vielen Fällen zu keiner abgeschlossenen Gestalt geführt und sich nicht immer zu einem 'Text' gefügt hat, erfordert dringend eine produktionsästhetische Perspektive, die das Augenmerk mit Entschiedenheit auf die Entstehungsprozesse lenkt. In diesem Punkt kann die Benjamin-Forschung Neuland betreten. Was damit zudem zur Diskussion steht, ist nichts Geringeres als eine überlieferungsgeschichtliche Revision ihrer textuellen Grundlage. Was heute als Texte Benjamins gelesen werden kann, ist das Resultat von jahrzehntelanger Werkpolitik. Sie unterliegen einer editorisch hergestellten Suggestion von Abgeschlossenheit, die sie aber in der Logik von Benjamins Produktion häufig nicht besitzen. Alles, was aus dem Nachlass an Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfen, Arbeitshandschriften überliefert ist und in den Archiven schlummert, ist vielmehr Zeuge eines infiniten 'work in progress', der sich nicht in ein werkästhetisches Korsett zwingen lässt. Im Folgenden wird an einer kleinen, aber prominenten Aufzeichnung Benjamins materiale Poetik des Schreibens exemplarisch veranschaulicht. Die Fragen nach den Implikationen und Konsequenzen für den interpretatorischen und überlieferungskritischen Umgang mit seinen nachgelassenen Schriften stehen dabei im Vordergrund.
Considering that the German dramatist Heiner Müller has treated several times the subject of the angel of history, this essay proposes a comparison between Müller’s first angel (Der glücklose Engel) from 1958 and the original “angel of history” (Engel der Geschichte), a seminal text written by Walter Benjamin in 1940. Benjamin’s work reflects the author’s thoughts on the corruption of history and the dangerous notion of progress. Müller’s angel, on the contrary, despite his beliefs in the destructive force of the history, sees the future in a positive perspective.
Die Herausgeber haben einen erstaunlich differenzierten und perspektivenreichen Band über Sartres Beziehung zu den Medien zusammengestellt, der so unterschiedliche Aspekte umfasst wie das Verhältnis des französischen Existenzphilosophen zum Film, insbesondere seine Tätigkeit als Drehbuchautor, seine Bildtheorie und visuell geprägte Theaterästhetik sowie seine Phänomenologie des Blicks und Konzeption des Imaginären. Es handelt sich, wie ein erster Überblick zeigt, um sehr heterogene Gesichtspunkte, die nicht ohne weiteres auf einen Nenner zu bringen sind, zwischen denen sich aber bei genauerer Betrachtung durchaus interessante und fruchtbare Verbindungslinien ziehen lassen. Michael Lommel weist in seiner Einführung „Elemente zur Einleitung" zu Recht darauf hin, dass bereits die philosophischen Schriften Sartres von der Kinoerfahrung beeinflusst seien, etwa das unmittelbare Auftauchen des Anderen, welches an Kinophantasien erinnere. Mit den Schlüsselbegriffen 'rôle', 'projet', 'transcendance' habe Sartre zudem die alternativen Lebensentwürfe und virtuellen Biografien vorweggenommen, die im Zeitalter der digitalen Medien und Computerspiele eine neue Aktualität gewinnen, auch wenn Sartre selbst wohl eher den theatralischen Raum als Experimentierfeld vor Augen hatte. Der Möglichkeitssinn und die Erkenntnis der Potentialität in Sartres Existenzphilosophie weisen zudem Affinitäten zum Genre des Episodenfilms auf.
Klaus Kreimeier diskutiert die Kindheitserfahrungen Sartres, seine ersten Kinobesuche im Alter von 6-7, die er rückblickend in seinen Erinnerungen "Les mots" (1964) eingehend schildert. Filme wie "Fantômas" und "Maciste" haben die Phantasie des Jungen modelliert und formativ auf ihn gewirkt. Neben den vornehmen Kinopalästen der Bourgeoisie faszinierte den jungen Sartre besonders die sinnlich intensive Atmosphäre des kleinen unprätentiösen Schlauchkinos in der Nachbarschaft. Die damaligen Katastrophenfilme (Anno 1912) erzeugten das Gefühl der Angst im kindlichen Beobachter, und zwar im Sinne einer physikalisch-körperlichen Überwältigung durch die Reizüberflutung, und lösten zugleich eine Art Katastrophensehnsucht aus. Der fast sechzigjährige Sartre erinnert in seinem autobiographischen Rückblick an die weiblichen Begleitpersonen des Kindes, insbesondere an seine damals noch jugendliche Mutter, die den Projektionssaal des Cinéma ebenfalls als bevorzugtes Unterhaltungsmedium an Regentagen zu schätzen wusste.