BDSL-Klassifikation: 17.00.00 20. Jahrhundert (1914-1945) > 17.03.00 Geistes- und Kulturgeschichte
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Das breite Interesse an spiritistischen Phänomenen ist eine vergessene Seite der Naturwissenschaften des späten 19.Jahrhunderts. Ein Zusammenhang dieses scheinbar entlegenen Diskurses mit der emphatischen Moderne wird nahegelegt durch eine wenig beachtete Fußnote in Wassily Kandinskys Schrift "Über das Geistige in der Kunst" (1911). Kandinsky präsentiert dort einen Katalog wenig bekannter Namen: "Zöllner, Wagner, Butleroff - Petersburg, Crookes - London usw. Später Ch. Richet, C. Flammarion [...). Endlich C. Lombroso [...]." Ein heutiges Lexikon weist diese Leute als renommierte Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts aus: z.B. Friedrich Zöllner (1834-1882) als Astronomen und Begründer der Astrophotometrie, Aleksandr Butlerow (1828-1886) und William Crookes (1832-1919) als Chemiker, letzterer der Entdecker u.a. des Thallium, des Uran X und der Kathodenstrahlen, Charles Richet (1850-1935) als bedeutenden Physiologen und Immunologen (Nobelpreis für Medizin 1913) und Cesare Lombroso als den Begründer der Kriminologie. Kandinsky dagegen belegt mit ihren Namen die Tatsache, dass namhafte "Gelehrte, unter welchen sich reinste Materialisten befanden, [.. .] ihre Kräfte der wissenschaftlichen Untersuchung" okkulter Phänomene widmeten. Diese und nur diese Seite ihrer Studien erwies sich offenbar als nicht anschlussfähig für die modernen Naturwissenschaften und ihr Weltbild, das noch für die Selektion jener Fakten verantwortlich ist, die Brockhaus oder Fischer-Lexikon uns heute für vermittelnswert halten. Überraschenderweise scheint aber genau diese Seite für die moderne Kunst interessant gewesen zu sein. Kandinskys "Über das Geistige in der Kunst" markiert ja den kritischen Punkt unmittelbar vor den ersten abstrakten Bildern, die den Moderneschub in der Kunst vielleicht am radikalsten veranschaulichen. Künste und Wissenschaften knüpfen in ihren Paradigmenwechseln bei den gleichen Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts an und induzieren im Prozess dieser Anknüpfung eine strenge Dichotomie in deren Werk, die für diese selbst so nicht bestanden hatte.
Dass der Tanz und die Pantomime sehr nahe verwandt sind, betont Hofmannsthal in seinem 1911 entstandenen Essay "Über die Pantomime", den er in Anlehnung an die gleichnamige Schrift von Lukian ausarbeitet: Danach sind die mimetische Darstellung und der amimetische Ausdruckstanz vom Pantomimischen und von rhythmischer Bewegung durchwirkt. Was aber in diesem Text hervorgehoben wird, ist vor allem die "reine Gebärde", die den Kern der Pantomime bildet, und am besten das Innere des Individuums zu offenbaren vermag. Die "reine Gebärde" verwirklicht sich, laut Hofmannsthal, in einem religiös motivierten, ursprünglichen Tanz, der in seinem Kern aus einem zeremoniellen Akt entsteht: "Auf Zeremonie läuft alles hinaus". Sie vermag "ein Verhältnis zu umgebenden Personen, gedrängter, und bedeutender als die Sprache es vermöchte, auszusprechen, etwas an den Tag zu geben, was zu groß, zu allgemein, zu nahe ist, um in Worte gefasst zu werden". Hier artikuliert Hofmannsthal sein Erfahrungswissen in Fragen nach dem Schöpferischen des Körpers im Tanz, sowie nach der Inspirationsquelle. So benötigt der Tänzer nicht nur eine entsprechende körperliche Eignung, sondern auch ein spezielles, kulturelles Wissen - memoria -, auf Grund dessen er eine gemeinmenschliche Gebärde, wie ein für alle verständliches Symbol konstruiert. Seine Wirkung wird weiterhin in der Selbstvergessenheit des Körpers im Tanz intuitiv-individuell vervollständigt.
Das neue Tanzmodell eroberte nicht nur die Aufmerksamkeit solcher dichterischen Größen wie Hugo von Hofmannsthal, Ludwig Hevesi oder des Kulturkritikers Hermann Bahr, es galt auch als Inspirationsquelle für die historische Avantgarde in der bildenden Kunst und Literatur. Solch ein "choreographisches Gedicht" wählt der bedeutendste Vertreter der Wiener Jahrhundertwende, Egon Schiele (1890-1918) zu seinem Hauptthema. Ins Zentrum dieser "Choreographien" rückt er seinen eigenen Körper, den er in fast manischer Weise gestaltet.
Am Schluss seiner 1917 gehaltenen Rede Wissenschaft als Beruf warnt Max Weber vor überzogenen Erwartungen an die zahllosen zeitgenössischen Erlösungslehren [...]. Webers Text kann man als Urszene eines prophetischen Diskurses in der Weimarer Zeit lesen. [...] Im Folgenden sollen weniger die systematischen Zusammenhänge als die spezifischen Sprachgesten dieses Denkens rekonstruiert werden, indem (1) am Beispiel von Max Webers religionssoziologischen Schriften gezeigt wird, wie die biblische Prophetie am Anfang des 20. Jahrhunderts verstanden wurde, bevor (2) noch einmal der Rekurs auf die Prophetie in Webers Wertlehre untersucht wird. Im Anschluss soll an zwei Reaktionen auf Weber gezeigt werden, wie dieser prophetische Diskurs weiterwirkte: Karl Barths theologische Rhetorik (3) radikalisiert die Rhetorik der Kritik und der Unterscheidung von wahrer und falscher Mitteilung bis zur Paradoxie; Walter Benjamins Überlegungen zu Kritik und Übersetzung (4) bedienen sich ebenfalls radikaler Unterscheidungen und problematisieren zugleich den eigenen Standpunkt.
In the concentration on his text, the author Franz Kafka is often reduced to the phantom of a deadly sick and Oedipus-struck inventor of abstract labyrinths in an absurd bureaucratic universe. This talk intends to reintegrate him into the landscape of various conterts of modernicy at the beginriing of the 20Ih century such as: the movement of life-reform, intellectual debates, academic research in the field of industrial accidents, changing erotic relations and the enthusiasm for new technical products. As a result, the author claims that Kafka could well be imagined as a member of the pre-war-society described by Thomas Mann in the "Magic Mountain".
Jean Paul fordert […] von der Poesie, sie möge "die Wirklichkeit, die einen göttlichen Sinn haben muß, weder vernichten, noch wiederholen, sondern entziffern." […] Andere […] umschreiben die ästhetische Darstellung […] als eine Transkription, welche den Chiffrencharakter der natürlichen Erscheinungen unterstreiche und […] das Bewußtsein für deren verborgenen und verrätselten Sinn wach halte […]. Carl Gustav Carus bestimmt von hier aus das Wesen der Landschaftsmalerei. […] Indem an den Landschaftsmaler die Aufforderung ergeht, die Natur als Bedeutungsträgerin, als chiffrierten Ausdruck eines inneren Sinnes aufzufassen und darzustellen, kann Carus zum einen auf der engen Bindung der malerischen Darstellung an die natürlichen Erscheinungen insistieren, zum anderen aber die […] obsolet gewordene Idee einer bloßen Nachahmung der Natur hinter sich lassen. [...] Das Konzept von der Natur als Zeichenschrift hatte eine zentrale Rolle im Werk des […] Paracelsus gespielt […] Mikro- und Makrokosmos, menschliche und außermenschliche Welt; die verschiedenen Elemente und Lebewesen, Natur und Geschichte verweisen jeweils wechselseitig aufeinander. […] Ernst Bloch hat in seinen Leipziger Philosophie-Vorlesungen dieses Analogiedenken hervorgehoben – "Der Mensch ist die Welt im Kleinen, eine Abbreviatur des Kosmos, wie die Welt der Mensch im Großen, eine Elongatur des Menschen [...]" – und unter dem Titel "Entsprechung des Innen und des Außen" die Paracelsische Naturauffassung […] umrissen.
Innerhalb der deutschen Kultur haben Juden [...] schon seit dem Mittelalter und in zunehmendem Maße seit der Aufklärung eine so wichtige Rolle gespielt, daß sich das Thema inzwischen in der Germanistik als Teilbereich etablieren konnte. Für die deutsche Literaturwissenschaft steht dabei das weitere Ziel im Hintergrund, die jüdische Kultur nach der Vernichtung des europäischen Judentums durch den Nationalsozialismus vor dem Vergessen zu bewahren. Es geht also um literarhistorische Fragen, aber zugleich auch um das Verhältnis zwischen sozialen Gruppen, zwischen Mehrheiten und Minderheiten, und um die deutsche Geschichte. Im folgenden stelle ich einen bestimmten Aspekt dieser Geschichte dar, nämlich das Verhältnis der emanzipierten Westjuden zu den Ostjuden, die v.a. in Polen und Rußland, aber auch in anderen osteuropäischen Ländern lebten. Aus den unterschiedlichen Reaktionen der "Krawattenjuden" im Westen auf die Erfahrung des wachsenden Antisemitismus seit etwa 1870 ergeben sich verschiedene Einstellungen zum Ostjudentum, die sich auch in den literarischen Werken der deutsch-jüdischen Schriftsteller während der Weimarer Republik niederschlagen. Zunächst skizziere ich die Lebensweise der Ostjuden, anschließend die verschiedenen Reaktionen der Westjuden auf den Antisemitismus, und zuletzt stelle ich die Positionen von zwei sehr gegensätzlichen Schriftstellern der Weimarer Republik dar, von Jakob Wassermann und Alfred Döblin.