BDSL-Klassifikation: 15.00.00 19. Jahrhundert > 15.11.00 Vormärz und Revolution 1848
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Die Vormärzforschung befasste sich in der Vergangenheit vor allem mit Themen des Liberalismus, insbesondere mit juristischen Fragen und der Gründung einer verfassungsgebenden Versammlung. Dabei wurde die Kluft zwischen einem - oft akademisch geschulten - 'gehobenen Bürgertum' und der großen Mehrzahl der Menschen in Dörfern, Kleinstädten und einer sich noch vielfach als Heimarbeit etablierenden Industrie oft übersehen. Diese Arbeit wird sich auf die allmählich einsetzende Wahrnehmung dieser Mehrzahl konzentrieren, mit dem Ziel, ihr politisches Verständnis und ihren Willen zur demokratischen Partizipation zu analysieren. Hierbei geht es vornehmlich um ein "Gewahrwerden sinnlich vermittelter Gegebenheiten" und ihrer geistigen Verarbeitung. Bei diesem Prozess wird das geistig rationale 'Verständnis' der Gegebenheiten erweckt und zu einer empirisch vermittelten 'Sicht' der Dinge hingeführt. Bei solchen Sinneswahrnehmungen geht es in erster Linie um das Sehvermögen; das von den Augen Gesehene wird über Nerven an das Gehirn transportiert, wir machen uns ein 'Bild' davon, das im weiteren Verlauf zu einer 'Ansicht' oder 'Anschauung' werden kann. Ähnliches gilt für andere Sinneseinwirkungen: Das 'Gefühlte' komprimiert sich zu einem 'Gefühl', wobei neben anderen Sinneswahrnehmungen auch ein mentaler Prozess mit im Spiel ist. Von der Forschung wenig beachtet ist eine Umkehrung dieses Vorgangs: Mental Wahrgenommenes kann über die Imagination auch sinnlich anschaulich werden, ein Prozess, der vor allem in der Romantik häufig stattfand. Eine genauere Erörterung der Begriffe 'Wahrnehmung' oder 'Perzeption' ist hier nicht vorgesehen, doch wird im Kontext der dargestellten Beispiele auf weitere, vor allem literarische und philosophische Diskussionen dieser Begriffe eingegangen.
Wahrnehmung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestimmt als "Organ unseres ursprünglichen Welt-Erlebens." Das ursprüngliche Welterleben war das des Flaneurs, der mit allen Sinnen Umwelt wahrnimmt, um sich zu situieren und aus dieser Verortung Sicherheit und Anderssein zu gewinnen; die Verortung war aber auch über die Individualebene hinaus von politischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Bedeutung. Man greift nicht zu hoch, wenn der Vormärz als Zeitspanne betrachtet wird, in der eine vollere Realität in sehr spezifischer Weise greifbar wurde. Die Vielschichtigkeit der Vormärz-Welt war dabei eine konstanter Innovation, die eine Initiierung jener Selbstbilder bedeutete, die über das Wahrnehmen bestätigt wurden, das selbst ein anderes geworden war. Nicht mehr informierte Wahrnehmung über die tautologisch so genannten sozialen Tatsachen; sie schuf diese vielmehr um und damit neu - das Organ des Welterlebens wirkte hier auf die Welt ein und musste Erlebnisse nicht mehr erleiden. Die Erfahrung der Welt-Erlebnisse bestand auch darin, die Sinne als sinnenöffnend zu sehen, indem die theoretische Vorrangstellung des Informationsaspekts der Wahrnehmung zurücktrat und Indices von Engagement, Eingreifen und Emanzipation deutlich werden konnten. Dies bedeutete, eine Form des "Wirklichkeitskontakts" zu suchen, die bisher nicht bestanden hatte. War der Kontakt vorher so geschehen, dass die Sinne eine bestätigende Funktion den sozialen und politischen Valeurs gegenüber einnahmen, die bezogen auf Emanzipationsprozesse und deren Möglichkeit einer Schließung gleichkam, öffnete nun die Veränderung der Wahrnehmung neue Formen des Wirklichkeitskontakts. In diesem Kontakt war vor allem entscheidend, dass nun die Bedingungen der Wahrnehmung ersichtlich wurden, sich als veränderbar auswiesen und nicht mehr im umfassenden Konstrukt "Wahrnehmung" aufgingen.
Wahrnehmung wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestimmt als "Organ unseres ursprünglichen Welt-Erlebens." Das ursprüngliche Welterleben war das des Flaneurs, der mit allen Sinnen Umwelt wahrnimmt, um sich zu situieren und aus dieser Verortung Sicherheit und Anderssein zu gewinnen; die Verortung war aber auch über die Individualebene hinaus von politischer, sozialer, ökonomischer und kultureller Bedeutung. Man greift nicht zu hoch, wenn der Vormärz als Zeitspanne betrachtet wird, in der eine vollere Realität in sehr spezifischer Weise greifbar wurde. Die Vielschichtigkeit der Vormärz-Welt war dabei eine konstanter Innovation, die eine Initiierung jener Selbstbilder bedeutete, die über das Wahrnehmen bestätigt wurden, das selbst ein anderes geworden war. Nicht mehr informierte Wahrnehmung über die tautologisch so genannten sozialen Tatsachen; sie schuf diese vielmehr um und damit neu - das Organ des Welterlebens wirkte hier auf die Welt ein und musste Erlebnisse nicht mehr erleiden. Die Erfahrung der Welt-Erlebnisse bestand auch darin, die Sinne als sinnenöffnend zu sehen, indem die theoretische Vorrangstellung des Informationsaspekts der Wahrnehmung zurücktrat und Indices von Engagement, Eingreifen und Emanzipation deutlich werden konnten. Dies bedeutete, eine Form des "Wirklichkeitskontakts" zu suchen, die bisher nicht bestanden hatte. War der Kontakt vorher so geschehen, dass die Sinne eine bestätigende Funktion den sozialen und politischen Valeurs gegenüber einnahmen, die bezogen auf Emanzipationsprozesse und deren Möglichkeit einer Schließung gleichkam, öffnete nun die Veränderung der Wahrnehmung neue Formen des Wirklichkeitskontakts. In diesem Kontakt war vor allem entscheidend, dass nun die Bedingungen der Wahrnehmung ersichtlich wurden, sich als veränderbar auswiesen und nicht mehr im umfassenden Konstrukt "Wahrnehmung" aufgingen.
Die Italien-Artikel von Friedrich Engels im Revolutionsjahr 1848/49 in der Neuen Rheinischen Zeitung
(2022)
François Melis widmet sich den politischen Entwicklungen in Italien: "Die Italien-Artikel von Friedrich Engels im Revolutionsjahr 1848/49 in der Neuen Rheinischen Zeitung" sind das Thema seines Beitrages, der sowohl die Veröffentlichungs- und Rezeptionsgeschichte von Engels' Italienberichten als auch den Stellenwert der italienischen Revolution von 1848/49 in Marx' und Engels' Denken skizziert. Diese Revolution wird auch in die Geschichte europäischer Demokratiebewegungen einbezogen. Zudem zeichnet Melis Parallelen zwischen Italien und den deutschen Ländern aus der Perspektive v. a. Engels' nach und analysiert dessen Darstellungsschwerpunkte. Aufschlussreich sind Engels' Italien-Artikel auch noch aus einem weiteren Grund: Sie lassen Engels' Arbeitsweise, seinen Umgang mit Quellen, Informationen und journalistischen Genres, erkennbar werden.
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Wie kein anderes Land ist Italien im deutschsprachigen Raum seit mehr als 600 Jahren Gegenstand einer nahezu unüberschaubaren Auseinandersetzung in Kunst, Kultur, Philosophie und Politik. Als Kernland des römischen Imperiums, mit Rom als Zentrum der Christenheit und wichtiger Etappe auf dem Pilgerweg ins Heilige Land, durch jahrhundertelang politisch und wirtschaftlich mächtige Republiken wie beispielsweise Venedig, Genua und Florenz war Italien in vielerlei Hinsicht von besonderem Interesse. Dies gilt auch für die Zeit nach 1796, für die Zeit nach dem Einmarsch der französischen Truppen und die damit verbundene Umgestaltung der politischen Landkarte Italiens. Im ersten Teil stehen mit Blick auf das (post-)risorgimentale Italien zunächst exemplarische Untersuchungen in Literatur, Publizistik und Philosophie im Fokus. Der zweite Teil des Jahrbuchs ist dem Thema "Deutsche Künstler in Italien - zwischen politisch-ästhetischer Revolution und Traditionsbewahrung" gewidmet. Italien als Sehnsuchtsziel von Malern und Schriftstellerinnen sowie als Gegenstand von Reiseberichten, Gedichten und als Opernschauplatz bietet einerseits Inspiration und Freiraum zum künstlerischen Schaffen. Andererseits ist Italien aber auch ein kulturell seit Jahrhunderten beschriebenes Gebiet, das zu einer Auseinandersetzung mit den Kulturgeschichten beider Länder und bislang vorliegenden künstlerischen Gestaltungen herausfordert.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet.
Nach wie vor ist die Geschichte der ästhetischen und auch der poetologischen Debatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was ihre Breite und Heterogenität angeht, ein blinder Fleck der Forschung. Das überrascht angesichts der Dynamik der Verschiebungen innerhalb der Paradigmata des Schönen nach 1800, die der erstarkenden Bedeutung des Sehens im Horizont medialer Formerweiterungen ebenso Rechnung trägt wie der philosophischen Ausrichtung der Phänomenologie, der wachsenden Bedeutung der Psychologie und auch dem steigenden Einfluss von wissenschaftlichen Ordnungen auf die Künste. Allenthalben verschaffen sich neue Konzepte des Schönen, der Kontinuität, der Brüchigkeit und der Kritik, des Verhältnisses von Idee und Realität, von Phänomen und System, von Erscheinung und Abstraktion Ausdruck und werden wiederum in Ästhetik 'betrachtet' und eingeordnet. Das vorliegende Jahrbuch holt mit seinem Themenschwerpunkt die Komplexität dieser Entwicklung nicht ein, kann das auch im hier zur Verfügung stehenden Rahmen nicht. Es versteht sich als Impuls für notwendig weitere Forschungen.
Hatten wir zu zeigen versucht, daß in der Romantik die "glückliche Vereinigung des Entgegengesetzten" - Kritik und Ethos - konstitutiv für die Gattung der Charakteristik wurde, so stoßen wir am Ende des Idealismus und der Kunstperiode auf die Verbindung von Kritik und Humor. [...] War freilich die Charakteristik in der Romantik mit ihrer Synthesebildung aus Philosophie, Philologie, Historie und Poesie die höchste Form der Kritik, ist sie jetzt im Vormärz nur noch eine gewichtige Vorübung für andere Bildungsarten.