BDSL-Klassifikation: 15.00.00 19. Jahrhundert > 15.13.00 Gattungen und Formen > 15.13.03 Epik
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Es existieren zahlreiche Gattungsgeschichten zur Autobiographie; es gibt neuerdings in der Literaturwissenschaft endlich auch eine Geschichte der Biographie; es fehlt aber eine Untersuchung zu dem komplexen Verhältnis von Autobiographie und Biographie, diesen beiden Grenzgängern zwischen Geschichtsschreibung, Wissenschaft und Kunst. Und doch liegt hier ein methodisch, gattungstheoretisch und ästhetisch ungemein interessantes Beziehungsnetz vor, das, wenn es ausgelegt werden könnte, Rückwirkungen auf die Gattungsgeschichte der Biographie und Autobiographie haben würde.
Es gibt ihn, den komplexen, vielschichtigen, eigenständigen Berlin-Roman des Vormärz. Zweifelsfrei kann ein solcher Roman nicht auf einen eigenen elaborierten Stadtdiskurs zurückgreifen, wie er in Paris spätestens seit Sebastien Merciers "Tableaux de Paris" ausgearbeitet wurde. Aber es wäre naiv zu glauben dieses 'know how' würde gleichsam an Paris kleben und sei nicht produktiv auf andere Städte transferierbar. In gewisser Weise ist man sogar berechtigt zu behaupten, die Schwäche Berlins, über einen erst sich nach 1800 allmählich herausbildenden eigenständigen publizistischen Stadtdiskurs zu verfügen ist seine potenzielle Stärke. Die erzähltechnische und poetologische Virtuosität dieses ersten bedeutenden Berlinromans gilt es im Folgenden zu belegen.
Zwischen 1843 und 1888 veröffentlichte Fanny Lewald 24 teils mehrbändige Romane, 27 Bände Novellen und Erzählungen, eine sechsbändige Autobiographie, fünf Reisetagebücher, zahlreiche Feuilletons, Erinnerungen an bekannte Persönlichkeiten, frauenemanzipatorische Schriften und soziale Appelle in Zeitungen und Zeitschriften - ein umfangreiches Werk. Über den Zeitraum von annähernd einem halben Jahrhundert spiegeln ihre Schriften die wechselvolle deutsche Geschichte wider - Vormärz, Märzrevolution 1848, Restauration, Reichseinigung, Kaiserreich - ebenso wie die Geschichte der deutschen Literatur von jungdeutscher Tendenz- und Reflexionsliteratur bis hin zum poetischen Realismus und Naturalismus. Denn mit zahlreichen romantheoretischen Äußerungen, die sich sowohl in ihren Prosawerken wie in Briefen und anderen nichtfiktiven Schriften finden lassen, macht Fanny Lewald wie wenige andere Autorinnen des Vormärz ihren poetologischen Standpunkt deutlich. Früh- und Spätwerk der Autorin sind, bezogen auf ihr erzählerisches Konzept und die Gestaltungsweise, sehr unterschiedlich. Doch in einem Punkt bleibt sich Fanny Lewald treu - ihre Prosa bleibt lebensnah, zeitlebens favorisiert sie den sozialen und psychologischen Roman.
Ein besonders geeignetes Werk für die exemplarische Darstellung der stormschen Novellistik und Erzählkunst in seinen Ich-Erzählungen stellt die 78-seitige historische und gattungsgetreu geschlossene Novelle "Aquis Submersus" aus dem Jahre 1876 dar, die seiner "mittleren Schaffensperiode angehört, und damit zwischen seiner Früh- und Spätphase" (Kunze 1978: 283) angesiedelt ist. Sie weist eine prägnante Struktur und einen strengen Aufbau auf, der in insgesamt vier Teile mit zwei Hauptteilen untergliedert ist und eine Rahmenstruktur enthält. Dies zeigt sich auch darin, daß Storm die eigentliche Novellenhandlung in eine Rahmenerzählung einbettet, die eine weitere Rahmenkonstruktion umschliesst. Bevor jedoch auf die erzähltechnischen Besonderheiten eingegangen werden soll, ist es an dieser Stelle unumgänglich, zunächst einen kurzen Überblick über die Novelle folgen zu lassen, die die erzähltechnische Analyse unterstützen wird.