BDSL-Klassifikation: 16.00.00 Jahrhundertwende (1880-1914) > 16.15.00 Zu einzelnen Autoren
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Im ehemaligen Arbeitszimmer von Rainer Maria Rilke im Turm von Muzot haben sich außer einem Teil seiner Bibliothek auch viele Reminiszenzen an den Dichter und aus des Dichters Besitz erhalten. Vor Jahren hat mir der Zürcher Japanologe
Cornelius Ouwehand zu jedem der Objekte mitgeteilt, was es damit für Rilke für Bewandtnisse hatte, in welchem Brief, in
welchem Gedicht diese kaum "Kunstwerke" zu nennenden Gegenstände auftauchen. Zu einer kleinen, zwischen zwei Gläser gerahmten indischen Malerei, die in der Ecke unter einem Wandschränkchen mittels einer Schnuröse an die Wand genagelt ist und mich besonders interessierte, wusste selbst dieser grosse Rilkiana-Sammler nichts zu sagen. Wir nahmen an, sie sei erst später vom Besitzer des Turms, von Werner Reinhart oder seinen Erben, hier befestigt worden. Nun ist dem aber vermutlich nicht so gewesen: Das hübsche indische Bildchen, das wir auf dem undatierten Foto "Rilkes Arbeitszimmer in Muzot" schon an der Stelle finden, wo es auch heute noch hängt, wird unter der nicht ganz zutreffenden, aber von Rilke selbst gewählten Bezeichnung "Tänzerin" in mehreren Briefen erwähnt.
Rezensionen verschiedenener Veröffentlichungen, u.a. 1) Blätter der Rilke-Gesellschaft 31 (2012). Hrsg. von Erich Unglaub und Jörg Paulus. Göttingen 2012; 2)Rainer Maria Rilke. Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 35 (2012). Verantwortlich für diese Nummer: Franziska Kolp in Zusammenarbeit mit Benedikt Tremp; 3) Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Das Manuskript des "Berner Taschenbuchs". Faksimile und Textgenetische Edition. Hrsg. von Thomas Richter und Franziska Kolp. Mit einem Nachwort von Irmgard M. Wirtz. Göttingen 2012
1897/98 lernten sich Rainer Maria Rilke (1875-1926) und Anna von Münchhausen kennen. Ein engerer Kontakt zwischen Anna von Münchhausen und Rilke entstand durch den Sohn, der nach dem Abitur im November 1911 nach Paris ging und an der École de Droit sein Studium aufnahm. Thankmar besuchte den zeitgleich in Paris wohnenden Rilke zum ersten Mal im Mai 1913. Es entwickelte sich zwischen beiden ein freundschaftliches Verhältnis. Thankmar wurde einer der wenigen Freunde, mit denen sich Rilke duzte. In diesem Jahr setzt der Briefwechsel Rilkes sowohl mit Thankmar als auch mit dessen Mutter Anna von Münchhausen ein.
"Mais pourquoi, Madonna, ma pensée était-elle souvent inquiète de vous et sou-cieuse, bien que je fisse effort pour imaginer que vous étiez auprès de cette femme admirable, dont le visage s’est associé malgré moi dans mon âme au souvenir de grandes oeuvres d’art!" So heißt es in einem Brief, den Rilke Madeleine Annette de Broglie im August 1906 von der Sommerresidenz seines Gönners Karl von der Heydt aus zukommen ließ. Mit feiner Feder ist ihm eingeschrieben, wie die Adelige mit italienischen Wurzeln auf den Dichter gewirkt haben mag, sie, die "Madonna", wie Rilke sie nannte. Über mehrere Jahre – die Korrespondenz erstreckt sich von 1906 bis 1909 – stand Rilke mit ihr, deren zweite Ehe mit Prince Robert de Broglie 1906 gerichtlich für ungültig erklärt wurde, in Verbindung.
Rilke hat die Nähe des Mittelmeers biographisch und lyrisch immer wieder gesucht, wie in seltener Verschmelzung von Schreib- und Lebensraum die auf Schloss Duino an der Levante bei Triest anspielenden "Duineser Elegien" (1923) zeigen. Auch verdankt er dem Mittelmeer poetologische Impulse, die seine Lyrik seit den "Neuen Gedichten" (1907) prägen, etwa das Nachdenken über die fragile Beziehung zwischen dinglich-konkreter Anschauung und deren sprachlicher Entsprechung und Benennung. Das im Januar 1907 auf Capri entstandene "Lied vom Meer" bündelt derartige Impulse, um sie in der raffinierten Synthese sprachlicher Figuren zugleich auf den Prüfstand zu stellen.