BDSL-Klassifikation: 16.00.00 Jahrhundertwende (1880-1914) > 16.15.00 Zu einzelnen Autoren
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Die Thematik der Dekadenz ist in Trakls Lyrik von zentraler Bedeutung. Das Wort 'Verfall', das er auch als Titel für ein bekanntes Sonett gewählt hat, gehört zu seinen poetischen Hauptmotiven. Mit der Décadence-Atmosphäre in Trakls Gedichten korrespondieren suggestive Bildelemente wie Dämmerung, Abend, Dunkel, Herbst, Tod und die Imagination der 'Verwesung', die seit Baudelaires Gedicht "Une charogne" zum Vorstellungsrepertoire der Décadence-Literatur zählt. Mit Assoziationen dieser Art verbindet sich bei Trakl ein entsprechendes Spektrum geistigpsychischer Befindlichkeiten und Stimmungen, in dem Melancholie, Klage, Passion, Einsamkeit und Wahnsinn besonders hervortreten. Symptomatisch sind Gedichttitel wie "Untergang", "Melancholie", "Trübsinn", "Die Schwermut", "Der Herbst des Einsamen", "Herbstseele", "Ein Herbstabend", "Nähe des Todes", "Dämmerung", "Melancholie des Abends", "Im Dunkel", "Passion" und "Klage".
Keine andere Figur verletzt so eklatant die ungeschriebenen Regeln des Spiels, als das sich soziale Interaktion im aristokratischen Milieu von Hofmannsthals Komödie »Der Schwierige« gestaltet, wie der neu eingestellte Diener Vinzenz, der eben deshalb das Privileg erhält, den Vorhang über dem Spiel zu heben. Als Vinzenz in der ersten Szene des ersten Akts in die Räumlichkeiten des Bühlschen Palais eingeführt wird, unterrichtet er das Publikum nicht nur über den zeitgeschichtlichen Kontext des Stücks und die Lebensverhältnisse seines Protagonisten. Er bringt die Sprache auch umgehend auf jenen "Punkt", der sich für alle Beteiligten als der "Hauptpunkt" erweisen wird. "Jetzt kommt alles darauf an: geht er [Bühl] mit der Absicht um, zu heiraten?", eröffnet er dem alten Diener Lukas und fügt erläuternd hinzu: "Wenn er sich die Verwandten da ins Haus setzt, heißt das soviel als: er will ein neues Leben anfangen. Bei seinem Alter und nach der Kriegszeit ist das ganz erklärlich."
Inmitten der epochalen Katastrophe des Ersten Weltkriegs eine Komödie zu schreiben, die das konventionelle Komödienthema der Heirat im konventionellsten Komödienschema des Missverhältnisses von Absicht und Verwirklichung an einigen Repräsentanten des Wiener Hochadels durchspielt, welche den Krieg weitgehend unbeschadet überstanden haben - dass diese Konstellation beim zeitgenössischen Publikum für Irritationen sorgen könnte, hat Hofmannsthal zumindest geahnt.
Unbekannte Essays von Robert Musil : Versuch einer Zuweisung anonymer Beiträge im "Losen Vogel"
(2001)
Nicht mit einer Signatur oder vergleichbaren "Zeichen" versehene d.h. anonyme Erscheinungen sind in einer Zeit der Namen eine besondere Herausforderung. In den bildenden Künsten hat sie neben Hilfsnamen wie "Meister mit den Bandrollen" oder "Petrarca-Meister" zu einer Fülle von Attributionen geführt; vor allem, weil der Markt, auf dem die Gier einzelner und der Museen nach großen Namen den großen Preis macht, danach lechzt; so dass sich der Betrachter eines Rembrandt, van Gogh usw. nicht zu Unrecht immer wieder einmal fragt, ob das stolz von einer Galerie herausgestellte Bild denn auch tatsächlich echt sei; und weil er überdies weiß, wie auch in jüngster Zeit renommierte Museen und Auktionshäuser mit ausgewiesenen Experten auf Fälschungen hereinfielen und statt durch Forschung durch bloßen Zufall dahinter kamen. Oder weil er weiß, dass die zahllosen Zuschreibungen zahlreiche Abschreibungen nach sich zogen, etwa die Anzahl der erhaltenen eigenhändigen Gemälde Rembrandts sich von 1935 festgestellten über 600 zunächst um ein rundes Drittel und inzwischen nochmals verringert hat. - Ohne jeden Zweifel: Wäre der "Lose Vogel" eine Sammlung 1911 bis 1914 entstandener und erworbener Gemälde, noch das kleinste davon wäre längst attribuiert und die Attribution diskutiert. Im Wissen um die Probleme des Attribuierens auf dem Gebiet der bildenden Künste habe ich die Herausforderung angenommen und bin das Wagnis eingegangen. Ein Teil der hier mitgeteilten Attributionen ist skizzenhaft entstanden im Zusammenhang mit den textkritischen Untersuchungen zu Kafka. Bei der Rolle, die Blei für Kafka spielt, musste dabei auch die Zeitschrift der Anonymen "Der Lose Vogel" genauer angesehen werden; denn viele der jungen Leute, die Blei gefördert hat oder die mit ihm in Kontakt waren - Carl Einstein, Karl Klammer, Robert Musil, René Schickele, Kurt Tucholsky u. a. – wählen wie Blei selbst irgendwann einmal ein Pseudonym, ein Kryptonym oder die Anonymität.
Hugo von Hofmannsthal, dessen Rezeption in Frankreich durch die Übertragungen von Charles Du Bos in den 20er Jahren entscheidende Anstöße erhielt, war bereits vor dem Weltkrieg im Nachbarland kein Unbekannter. Wie eine Reihe früher Erwähnungen in Zeitschriften und literarhistorischen Darstellungen belegen, waren Gedichte Hofmannsthals und einige seiner dramatischen Arbeiten zumindest einem Kreis von Kennern vertraut. Einem breiteren Publikum dürfte sein Name vor allem als Librettist von Richard Strauss geläufig gewesen sein - seit der im Januar 1909 uraufgeführten Oper "Elektra“, seit dem "Rosenkavalier" (1911) und der "Ariadne auf Naxos" (1912). Dass sich französische Leser auch von den Gedichten und lyrischen Dramen Hofmannsthals eine Vorstellung machen konnten, war das Verdienst eines jungen Autors, dessen Name, in den Jahren nach dem Weltkrieg einer breiteren Öffentlichkeit vertraut, heute in Vergessenheit geraten ist: Henri Guilbeaux.
Primärtexte und Briefausgaben werden entsprechend dem für das HJb zugrundegelegten Siglenverzeichnis zitiert.
Briefe und Notizen, die erstmals in der Kritischen Ausgabe abgedruckt wurden, bleiben hier unberücksichtigt. Jede bibliographische Angabe erhält eine Ordnungsnummer, ausgenommenn davon sind in der Regel Rezensionen. Einzelkritiken zu aktuellen Inszenierungen sind nur in Ausnahmefällen aufgenommen.
Hugo von Hofmannsthal wird nicht müde, in seinem Essay über Victor Eftimiu die Doppelheit des "lateinisch-slawische[n] Wesen[s]" zu betonen: "[D]er Rumäne ist Lateiner und Slawe zugleich." In ihren Ausführungen zur Hofmannsthal-Rezeption in Rumänien bescheinigt die rumänische Germanistin Mariana-Virginia Lazarescu dem österreichischen Dichter eine "genaue Kenntnis des rumänischen Lebensgefühls, der rumänischen Seelen- und Mythenlandschaft und der rumänischen Volksüberlieferungen". Repräsentiert die Latinität bei Hugo von Hofmannsthal also die kulturelle, europäische, ja vielleicht sogar die universale Perspektive, so stehen das Slawische und das Walachische, die jedoch um andere und weitere Volkselemente beliebig zu ergänzen wären, für die partikulare landschafts-, heimat- und volksbezogene Dimension. Dennoch lassen sich bei Hugo von Hofmannsthal auch in dieser letztgenannten Dimension universale Perspektiven erblicken. So spricht er etwa in seinem Geleitwort zu einer Sammlung von Übersetzungen tschechischer und slowakischer Volkslieder von "dem ewig Gleichen und der beharrenden Wurzel" der Volksüberlieferung, der er zugleich eine religiöse Dimension zuspricht. So wie Hofmannsthal bzw. Borchardt im Europabegriff der Renaissance die "Gemeinbürgschaft aller an der Latinität der höheren geistigen Existenz beteiligten für Erweckung und Bewahrung dieses grundlegenden Erbes" sahen, so war Hugo von Hofmannsthals Europabegriff während und in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg von der Idee des Ineinanderklingens der zahlreichen volkshaften und sozialen Partikularismen geprägt.
Das künstlerische Verhältnis zwischen Richard Strauss und seinem Librettisten Hugo von Hofmannsthal ist auch heute noch in der Forschung ein kontrovers diskutiertes Thema. Viele Interpreten sind offenbar durch die sehr unterschiedlichen Temperamente beider Künstler dazu angeregt worden, ihre bewertenden Urteile weniger durch Werkanalysen als vor allem durch Persönlichkeitsstudien zu belegen.
Hugo von Hofmannsthal - Yella, Felix und Mysa Oppenheimer : Briefwechsel ; Teil II: 1906-1929
(2000)
By juxtaposing parallel passages in Ernst Jünger's War Diary with those in his later works on World War I written during the 1920s, I aim to show that Jünger's concept of a soldier increasingly glorifies violence.
Else LaskerSchüler (1869-1945), among the significant expressionist woman writers, did not only suffer from being both a woman and author, but also had to struggle under difficulties of being a hebrew. In this paper, especially the letter novel titled "Der Malik : Eine Kaisergeschichte" has been handled in the light of Homi K. Bhabha's 'Third Space Theory'. In regard to this, the "Third Space", which is defined by postcolonial theoretician Homi K. Bhabha as an extra place where minorities and outcast groups can express themselves in his work "The Location of Culture", is adapted to the literary "Orient" and defined once again in Else Lasker-Schüler's novel as it was never approached and interpreted before. In this sense, this supports the relevance to analyze her mentioned works in terms of the "Third Space Theory". Else Lasker-Schüler constructed a new world for herself through literature; her works were her life and her life was her works.
This paper presents an analysis of the novel 'Die fremde Frau' by the writer Paul Zifferer (1879-1929) who came from Bystřice pod Hostýnem in Moravian Wallachia. It is a largely unknown, late naturalistic text which addresses national and social issues that were topical at the end of the 19th century. The novel offers a critical reflection on both bourgeois society and national tensions in Moravian Wallachia. It oscillates between conservativism and revolution, between historical authenticity and fiction. Moreover, the analysis shows that German literature from Moravian Wallachia deserves a serious and comprehensive exploration - as does Paul Zifferer's work, especially in the context of German or Austrian naturalism and aesthetic modernism.
O intuito deste trabalho é destacar a importância do escrito juvenil Traumland para a formação do poeta Georg Trakl, por meio de uma leitura cerrada do texto. Sob a forma de uma lembrança do narrador, esse breve relato apresenta uma experiência de iniciação ou perda da inocência oriunda da percepção do mal no mundo, concentrado na figura de uma prima doente, Maria. O conflito entre o anseio romântico (Sehnsucht) pleno de expectativas e entusiasmo e essa realidade aterradora, vivenciado como uma quebra no sentimento (Stimmung) de harmonia cósmica, impulsiona uma transformação no sentimento e na visão de mundo do protagonista, que metaforicamente pode ser lida como a transição de uma poética puramente romântica para uma poética mais sintonizada com as exigências do século XX, especialmente no sentido da dimensão reconhecida ao mal irremediável, que não pode ser completamente romantizado.
O presente artigo objetiva abordar a obra e vida de Karl May, um dos mais bem-sucedidos escritores de língua alemã, sob o aspecto da encenação. Mostra como May mistura lembranças da infância e elementos literários, o desejado e o factual para uma memória encenada, que fornece um sentido mais profundo tanto para sua biografia como para sua obra. Assim, May se recria como homem ideal que consegue em seus romances superar seus problemas com a realidade, um "eu" multifacetado representado por suas diversas personagens literárias e suas aventuras, reclamadas por May como experiências próprias. Se os entrecruzamentos da identidade ficcional e pessoal criados por Karl May marcam a primeira fase de sua produção e se formamem volta do motivo do aprisionamento e da libertação, sua obra tardia se abstém de tais elementos e se dirige a uma reflexão quase filosófica sobre a humanidade e a paz.v
Hofmannsthal ist vom Orient fasziniert. In seinem lyrischen Drama "Hochzeit der Sobeide" wie in vielen seiner Werke und Erzählungen sind Einflüsse der orientalischen Kultur auffällig. Der Handlungsort des Dramas "Die Hochzeit der Sobeide" ist eine alte Stadt im Königreich Persien. Dass der orientalische Schauplatz hier eine dekorative Bedeutung hat, bestätigt eine spätere Version, in der die Geschichte von Persien nach Ragusa verlegt wird. Aus der Stadt in Persien wird dann eine italienische Kaufmannsrepublik. Dennoch stellt sich die Frage: Warum die Geschichte zunächst im Orient spielt. Mein Beitrag wird die Deutung orientalischer Spuren in dem Theaterstück thematisieren.
"Marie von Ebner-Eschenbach. Básnířka tří staletí / Dichterin dreier Jahrhunderte 1830 - 1916 - 2016". Internationale Tagung in Brno, 21.-23. April 2016
Über Fächer-, Sprach- und Landesgrenzen hinweg wurde bei der Konferenz Marie von Ebner-Eschenbach. Básnířka tři staletí/ Dichterin dreier Jahrhunderte (1830 - 1916 - 2016) in Brno (Brünn) vom 21. bis zum 23. April 2016 das Leben und Werk der in Mähren geborenen österreichischen Schriftstellerin beleuchtet. Vom sozialhistorischen Ansatz über die Werkanalyse bis hin zur Präsentation der Tagebücher war die Konferenz eine vielfältige Demonstration des regen Interesses an dem Forschungsgegenstand.
Der Beitrag versucht die Lektüre einer wenig bekannten Erzählung Oskar Panizzas unter machttheoretischen Aspekten. Mit ihrer Fokussierung auf Panizzas Kritik an der Hegemonie des wilhelminischen Kaiserreiches reproduziert die Panizza-Forschung ein Machtverständnis, das Macht als Besitz der Herrschenden konzipiert. Ein solches Verständnis verstellt den Blick auf die produktive Qualität und die performative Wirkung von Panizzas Texten. In Anlehnung an Michel Foucaults Konzept von Macht als produktivem Netz von Kräfteverhältnissen zeigt mein Beitrag, wie sich das Verhältnis zwischen Norm und Abweichung nicht in der zentralen Ausübung einer einzelnen Machtinstanz, sondern in dem dezentralen und produktiven Spiel der Kräfteverhältnisse beschreiben lässt. Vermittels literarischer Techniken inszeniert Panizzas Erzählung Ein scandalöser Fall ein solch dynamisches Machtverständnis und macht dabei die prekäre Beschaffenheit hegemonialer Konstellationen sichtbar.
An dem von Marianne Zerner 1964 gefällten Urteil, "the definitive book on Mann and Dostoevski is still to be written", hat sich nichts geändert. Die einschlägige Literatur besitzt geringen Umfang, wobei natürlich Nebeneinanderstellungen im Sinne einer typologischen Komparatistik ebenso auftreten wie genetisch orientierte Studien. Nodar Kakabadse erklärt, Thomas Mann sei "nicht ganz bewußt" gewesen, "wieviel er Dostoevskij schuldete." In diesem Horizont seien der Zauberberg und der Doktor Faustus "am meisten Dostoevskijsche" Romane, denn im ersteren würden "fiktive, experimentelle Laboratoriumsbedingungen geschaffen, wo die entgegengesetzten Ideen, Positionen, Weltauffassungen geprüft, provoziert und zusammengestoßen werden." Das ist sehr allgemein formuliert, würdigt aber doch die Verwandtschaft der narrativen Konzeptionen, der Unparteilichkeit und der Gedankenlastigkeit.
Der erste Teil des Briefwerks von Ricarda Huch liegt nun zum ersten Mal vor. Er gibt Aufschluß über die Beziehung der Liebenden und über den Prozeß ihrer Liebe, die sich der neuen Situation und der Zeit anpassen muß. Da Treffen, die den allmählich anonym werdenden Briefpartner als Menschen zu erneuern vermöchten, außerordentlich selten arrangiert werden können, gleiten die Briefe immer mehr in die Fiktion hinüber, formen sich zu Literatur, die nur noch unwesentlich an (Liebes)Leben gebunden ist. Darüber hinaus zeigen die Briefe eine Ricarda Huch, die sich ihre Selbständigkeit und ihr Eigenleben zu bewahren wußte. Und sie zeigen eine Schriftstellerin, die die Entstehung und die Entwicklung ihres Werkes durchaus von ihrer Lebensgeschichte trennen konnte.
Untersuchungen über das Verhältnis von Musik und Sprache sowie über Literaturverfilmungen haben sich zu einer regelrechten Mode entwickelt. Erstere wurden dabei besonders durch die Veröffentlichungen von Stephen Paul Scher angeregt, um dessen Begriff der 'verbal music' es im folgenden gehen soll: An Hand zweier Beispieltexte und ihrer Verfilmungen - Thomas Manns "Doktor Faustus" und Robert Schneiders "Schlafes Bruder" - wird die Darstellung musikalischer Werke im Text und die Umsetzung dieser Schilderungen in das Medium Film beleuchtet. Welchen Gesetzlichkeiten gehorcht die Schilderung in Sprache und welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Eigenheiten und Vorgaben in bezug auf eine nochmalige Übertragung in ein fremdes Medium, nämlich das des Films?
Durch die Unterscheidung eines engen und eines weiten Begriffs absurder Literatur werden alle Texte berücksichtigt, in denen absurde Spielformen realisiert werden, ohne dass die Brisanz der absurden Kerntexte nivelliert würde. Um dies herausarbeiten und verdeutlichen zu können, habe ich die Texte von drei Autoren für eine detaillierte Analyse ausgewählt: Daniil Charms, Samuel Beckett und Christian Morgenstern.
Von allen wichtigen Texten Benjamins sind seine Sonette auf seinen Dichterfreund Christoph Friedrich Heinle, der seit 1913 mit ihm in der Jugendbewegung aktiv war und am 9. August 1914 verzweifelt über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit seiner Verlobten Rika Seligson Selbstmord verübt hatte, verhältnismäßig wenig von der Kritik gewürdigt worden. Entstanden sind die Gedichte vermutlich zwischen 1915 und 1925, mit Handschriften-Datierungen von vor Ende 1917 und nach Anfang 1918; ihr Manuskript befindet sich unter den Papieren Benjamins, die im Juli 1981 von Giorgio Agamben in der 'Bibliothèque nationale' in Paris gefunden wurden. Sie sind in einer komplexen Sprache verfasst, die verschiedene Vorbilder - darunter den Duktus Stefan Georges und den Spätstil Hölderlins - höchst eigenwillig weiterführt. Esoterische, oft rätselhafte Metaphern und willkürlich-kryptische Bilder, eine preziös-archaisierende Stilhöhe, grammatikalische Brüche und das syntaktische Zusammenhänge verschleiernde Fehlen der Interpunktion, durch diese Merkmale verweigern sich die Sonette einer hermeneutischen Entschlüsselung, die sich durch den Nachvollzug der Einzelheiten im Gesamtzusammenhang das Verständnis kohärenter Sinntotalität erhofft. Stattdessen sind die Leser darauf angewiesen, die sich immer wieder selbst verschleiernde Beziehung des lyrischen Ichs zu dem Verstorbenen durch ein Nachbuchstabieren bestimmter Textdetails so zu rekonstruieren, dass deren Inkonsistenzen, Sinnbrüche und Mehrdeutigkeiten nicht beseitigt, sondern als das Medium erkannt werden, in dem eine poetisch-erotische Liebe die Möglichkeiten und Grenzen ihrer eigenen Versprachlichung reflektiert. Diese performative Selbstreflexion - so meine Kernthese - geschieht vorrangig im Rahmen einer intermedialen Beziehung zwischen Schrift, Bild bzw. Blick und Musik. Dabei soll gerade der letzteren Kunstform besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, ist sie doch erst in jüngster Zeit systematisch von der Kritik behandelt worden.
Seit den 1980er Jahren entwickelte sich in den Literaturwissenschaften die Fragestellung nach den literarischen Konstitutionsbedingungen der Beschreibung fremder Kulturen. Dies untersuchte vor allem die narrativen Entwürfe der Begegnung mit dem Fremden in fiktio-nalen Texten. Das Schaffen Hermann Hesses bildet ein Beispiel dafür, dass unterschiedliche Mentalitäten unterschiedliche Wahrnehmungsformen von Kulturen präformieren.
Propomos neste texto indicar que a presença da Primeira Guerra na poesia de Georg Trakl vincula-se de modo inextricável à sua concepção sombria do mundo, em que o homem surge como um ser incontornavelmente desgraçado. Se nessa poesia resiste um romântico desejo de pureza, beleza e bondade, tal aspiração é continuamente refutada por imagens ameaçadoras do mal inerente ao mundo, dentre as quais as da Guerra talvez se imponham como as mais aterradoras. A fim de evidenciar esse vínculo, buscaremos primeiramente explicitar a experiência de prevalecimento do mal no poema "De Profundis" (De Profundis), escrito antes da Guerra, para em seguida analisar essa experiência nos poemas "Grodek" (Grodek) e "Lamento" (Klage), em que está diretamente associada a ela.
Um Wedekinds politisches Engagement und Denken am Vorabend und während des Ersten Weltkriegs zu verstehen, bedarf es zunächst einer Rückschau, denn so sehr auch individuelle politische Äußerungen sich auf ein aktuelles Tagesgeschehen beziehen, sind sie doch nicht nur allein aus diesem Kontext heraus zu verstehen.
Einen kleinen Ausschnitt der literarisch-künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Weltkrieg möchte ich im Folgenden verfolgen, indem ich nachzeichne, wie sich der Erste Weltkriegs in drei Romane einschreibt, die man mit guten Argumenten als zentrale Texte der deutschsprachigen Literatur der Zwischenkriegszeit betrachten kann, sowohl thematisch als auch ästhetisch und programmatisch.
The reading of Kafka's "Metamorphosis" that I propose on the following pages is based on two assumptions that are derived from widely divergent approaches to Kafka's writings. The first is the offspring of psychological interpretation and recognizes that homologous unconscious strategies are operative in the "Letter to his father" and Kafka's tale. Josef Rattner, writing about the "Ur-Situationen", the "primal situations" that Kafka experienced as a child and which produced in him his most basic psychological attitudes (Rattner calls them Grundhaltungen), concludes: "Kafka's life is an incessant attempt to cope with his father-experience. His father is at the base of his anxiety of life and his crippling hypochondria. … Sadism and masochism are distinctive features of Kafka's works."
This essay deals with two retellings of Genesis: Thomas Mann's "Joseph and his brothers" and Anita Diamant's "The red tent". Both authors note the presence of implicit pagan tendencies among the women of Jacob's clan (Gen 31:19; 35:2) and develop this subtext for their respective ideological purposes. Thomas Mann creates a dichotomy between the backwardness of the pagan female realm and the progressive nature of the monotheistically-oriented patriarchs. The path toward modern humanist values comes from the likes of Jacob and Joseph rather than Rachel and Leah in Mann's novel. Anita Diamant, on the other hand, adopts the opposite attitude, namely, that the paganism of Rachel, Leah, as well as other women in Jacob's family, is a humane and natural form of spirituality in contrast to the bloodthirsty Yahwism of Jacob and his sons. The latter point is illustrated by the sacking of Shechem. In order to question the patriarchal stance of the Old Testament Diamant reverses the key values informing the theology of the Bible. Thus, in "The red tent" Jacob's wives venerate the Ashera in particular. The latter constitutes a challenge to the stance of the Deuteronomic History where the cult of the Ashera is viewed as a key reason behind God's decision to let the Babylonians destroy the Southern Kingdom of Judah. And since Mann's novel upholds the patriarchal spirit of the biblical text, Diamant enters into debate with the continuity of female disempowerment which reaches all the way from Genesis to "Joseph and his brothers".
It is commonplace to assert that the Book of Genesis in the Old Testament is based on an androcentric position. Although critics have tried to introduce some sort of female empowerment by reassessing various biblical stories (cf. Savina Teubal, 1984), Genesis remains a man's realm with only a limited female perspective. The case of Dinah's rape by Shechem in Genesis 34 illustrates the marginality of womanhood in the biblical world and theology. The pericope tells us that, while the Israelites are settled near the Hivite city of Shechem in Canaan, Jacob's and Leah's daughter Dinah goes out of the Israelite camp. She is raped by Shechem, the prince of the eponymous city, who then abducts her and makes her one of his household. A deal is concluded by Jacob's sons and the Shechemites, according to which the situation can be made legitimate through marriage if the men of Shechem circumcise themselves. While the Shechemites are weak at er the surgery, the Israelites sack the city, kill all the males and take Dinah back.
The Book of Job from the Old Testament is juxtaposed in detail with its hypertext in Thomas Mann's novel: the chapter where Jacob mourns for his "dead" Joseph. An argument is made that Mann's awareness of rabbinical literature creates a connection with the Akedah tradition, i.e., different ways of dealing with the sacrifice of Isaac by Abraham in Genesis. The notion that Abraham actually does kill Isaac, as suggested by a medieval rabbinical text, is interwoven into the analysis of Jacob's mourning for Joseph who appears as an Issaac-like sacrificial victim in Mann's novel. A connection is established between Abraham, Job and Jacob as figures whose children are claimed by God, and their reactions to this test are compared.
The argument proceeds from the documentary hypothesis in modern biblical studies. This hypothesis is based on the assumption that the 1st 5 books of the Old Testament were written by four different authors at different times. These authors are known as J, P, E and D. Their writing was joined in the 5th c. B.C.E. into what became the Pentateuch and the first part of the Old Testament. The result of this joining was a series of contradictions and redundancies in the final text as we have it today. Readers of the Bible who seek to read it as one coherent text try to naturalize these contradictions by what I call "stitching." Stitching involves putting coherence back into the Pentateuch by accounting for the contradictions and redundancies in terms of plausibility and common logic. Modern authors who write versions of Old Testament stories, such as Thomas Mann in his "Joseph and his brothers", also engage in stitching. I demonstrate how Mann stitches a number of important episodes from the Patriarch saga. I discuss the effect of this process on the story line. I compare that to two other recent instances of biblical stitching in modern fiction. And I conclude with the argument that stitching in modern biblical hypertexts stems from the need for coherence in the modern realistic novel. This post-enlightenment coherence impulse is contrasted with myth and the latter's tolerance for loose ends and less than coherent narrative.
Sholem Asch's epic novel "Moses" has been criticized for a number of shortcomings. One of the main reproaches has do with Asch's attempt to present myth as history in a serious and at times "stuffily reverential" style (Siegel 194). Leslie Fiedler compares Asch's retelling of Exodus-Deuteronomy to Thomas Mann's version of Genesis in "Joseph and his Brothers" and argues that Asch, unlike Mann, lacks the irony of Mann's approach which is essential for handling mythological material in the modern age. Fiedler maintains that Mann's novel is superior to Asch's because Mann does not try to modernize the original material by rationalizing it (Fiedler 73-4). While there is much truth in what Fiedler says about "Moses", the contrast between Mann and Asch is not quite so clear-cut. Undoubtedly, the two authors did handle their material in radically different ways. However, both authors were writing modern realistic novels, i.e., they were dealing with a genre that demands structural coherence. And in this respect one must not overemphasize the difference between Asch's and Mann's treatment of myth.
Partindo das considerações de Gianni Vattimo e de Jürgen Habermas sobre a instauração nietzschiana da pós-modernidade como uma "despedida" à modernidade ocidental e ao tipo de racionalidade a ela associada, este texto analisa o modo pelo qual uma "crítica autorreferencial da razão" (Habermas) é efetivamente engendrada pelo pensamento estético nietzschiano, de modo a reconsiderar os termos pelos quais a própria "despedida" pós-moderna deve ser concebida.
Em 1903, Arthur Schnitzler publicou a peça "Reigen" (port. "A ronda"), a qual apresentava dez diálogos, cada qual se desenvolvendo antes e depois de uma conquista sexual. A obra pretende apresentar comportamentos típicos de diferentes classes sociais através da forma como se comportavam para chegar ao mesmo objetivo. A ciranda sexual apresentada no texto causou comoção em sua época e foi criticada por sua alegada imoralidade. Em 1950, a peça foi transposta para o cinema em um filme de Max Ophüls. Sua obra buscou ser fiel ao original, mas também concedeu uma certa leveza ao tema, o que parece indicar um alargamento nos padrões morais diante o sexo. Em 2012, Fernando Meirelles filmou uma releitura da peça de Schnitzler: "360". Na atualidade, uma era marcada pela liberação sexual, o filme não mantém a leveza dada por Ophüls, mas, pelo contrário, é pesado e trata de relações interpessoais através do prisma do sentimento de culpa provocado por traições ou desejos sexuais reprimidos. Neste artigo, será discutido como a temática do desejo e dos impulsos sexuais trazida por Schnitzler se transformou com a passagem de mais de um século, e como a questão da ética foi modelada a cada obra e seu tempo.
The article examines the reception of Hugo von Hofmannsthal's works by two Czechoslovak authors writing in German: Max Brod and Josef Mühlberger. The reception of Hofmannsthal's oeuvre is reflected primarily in Brod's novel "Mira", Brod's correspondence with Hofmannsthal, and Mühlberger's essay "Hugo von Hofmannsthal". The article explores how both authors depict the Viennese poet and what they consider to be Hofmannsthal's main significance and legacy for future generations. The article also compares Brod's and Mühlberger's statements with thematically similar texts by the Austrian author.
The author of the study examines the relations between the poetry of the German expressionist Georg Heym (1887–1912), the Austrian expressionist Georg Trakl (1887–1914), and Czech literature, especially poetry. Both these authors are representatives of early expressionism. Heym is also known in the Czech lands through the translations of Bohuslav Reynek, František Vrba, Ivan Slavík, Ludvík Kundera and Radek Malý. Trakl's work affected the development of modern Czech poetry through translations by Bohuslav Reynek. Specific and significant manifestations of Trakl's influence can already be found in the work of Bohuslav Reynek and in the first two collections by František Halas. In varying degrees, the authors have left traces in the poetry of František Hrubín, Vilém Závada and Jan Zahradníček. The echoes of Trakl's poetry can be heard in the 1960s in the work of the poet Zbyněk Hejda.
The friendly relationship between the renowned Munich doctor Wilhelm Schenk von Stauffenberg and the Austrian author Hugo von Hofmannsthal can be viewed in terms of the writer's life and work. This study traces the contacts between the two men, describes their shared interests and shows how Hofmannsthal planned to depict Stauffenberg in his works. These issues are viewed against the background of Stauffenberg's and Hofmannsthal's friendship with Countess Mechtilde Lichnowsky, who introduced the two men in 1909; the paper traces the mutual contacts until Stauffenberg's death in 1918.
Dějiny šlechtického rodu Lichnowských otevírají vhled do evropského kulturního panoramatu od poslední čtvrtiny 18. století až do konce první poloviny 20. století. Členové této knížecí rodiny se proslavili nejen svou vlastní literární a hudební tvorbou, ale také kulturními kontakty se soudobými umělci. Taktéž biografie kněžny Mechtildy Lichnowské (1879–1958) je protkána přátelstvími s německy a anglicky píšícími autory, hudebními skladateli a v neposlední řadě soudobými malíři. Předložená studie navazuje na dlouhodobý výzkum zabývající se fenomenální kulturní kontinuitou šlechtického rodu Lichnowských a přibližuje kontakty kněžny Mechtildy Lichnowské a Hugo von Hofmannsthala. Přátelství obou autorů bylo formováno jejich literárními a hudebními zájmy, jež ovlivňovaly vzájemnou, umělecky podnětnou výměnu názoru. Reflexe dramatické tvorby Hugo von Hofmannsthala a obraz jejich několika setkání, zachycený ve vzájemné korespondenci, doplňují mozaiku informací o literární tvorbě, kontaktech, názorech a uměleckém vývoji obou spisovatelů.
Franz Janowitz je autorem skici s názvem "Die Biene". Tento krátký alegorický text sice používá metaforu včely, v té době již tradiční, netradičně ji ovšem přenáší do oblasti podstaty sexuality ženského pohlaví, čímž metafora nabývá oproti obvyklé pozitivní konotaci konotaci negativní. Autor prostřednictvím této dekontextualizace zdánlivě pojednává o životě včel, ve skutečnosti se ale zabývá ženskou sexualitou v duchu filozofie Otty Weiningera, jíž byl prokazatelně ovlivněn.
Cílem tohoto článku je popsat, co je styl každodenního života a jak se liší od stylu poezie. Na základě stylistické analýzy básně "Panter" Rainera Marii Rilka je zřejmé, že Rilkovi nešlo primárně o zvíře jako takové, ale o to, jak chycené zvíře prožívá svoje uvěznění. Jako kontrast k básni je použita kapitola o panterovi v Brehmově "Životu zvířat". V tomto případě mluvčí vypovídá o světě, který je podle jeho přesvědčení skutečný.
Darstellungen der Erwerbsarmut sind in der deutschen Literatur spätestens seit dem 19. Jahrhundert weit verbreitet, prominente Beispiele stellen etwa Georg Büchners "Woyzeck" als schockierende gesellschaftliche Analyse des Teufelskreises aus Armut, Erniedrigung und Unterdrückung des Paupers sowie Gerhart Hauptmanns "Die Weber" als desillusionierende Darstellung der Ausbeutung des Proletariats dar. In den 20er und 30er Jahren gerät eine neue soziale Schicht in den Fokus der Aufmerksamkeit, die in zahlreichen sozialen Studien und literarisch, nun vorrangig nicht mehr in der Form des sozialen Dramas, sondern im Genre des neusachlichen Romans, aufgegriffen und beleuchtet wird: die Angestellten.
Desafios à tradução do texto satírico : alguns exemplos de "Dritte Walpurgisnacht" de Karl Kraus
(2012)
Último texto de fôlego de Kraus, "Dritte Walpurgisnacht" ("Terceira noite de Valpúrgis") foi a reação do satirista à tomada do poder por Hitler. Do ponto de vista tradutório, oferece grande variedade de problemas, visto que o autor faz um uso exuberante de citações, trocadilhos, aliterações, neologismos e variações de ditos, provérbios, máximas e lugarescomuns. Este artigo apresenta alguns desses problemas e discute possibilidades para sua solução, não sem antes definir uma abordagem teórica.
O objetivo deste texto é analisar a experiência do estranho no romance "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", de Rainer Maria Rilke, através de novas perspectivas de interpretação apoiadas, por exemplo, nas teorias psicanalíticas de Sigmund Freud. Vivendo em uma cidade estrangeira (Paris), com a qual ainda não se identifica, o protagonista do romance, Malte Laurids Brigge, descobre um mundo interior novo através de seu choque com experiências do estranho nesse milieu. A revelação de recordações de sua infância e a projeção de seu ego em leituras de narrativas alheias são seus métodos para buscar e afirmar sua identidade.
Este artigo tem por objetivo investigar a correlação de pensamento entre três importantes nomes da segunda metade do século XIX – Friedrich Nietzsche, Sigmund Freud e Hugo von Hofmannsthal – que se debruçaram sobre as crises da identidade masculina frente ao retorno do matriarcado. Tendo a Viena fin-de-siècle como cenário, o feminino é apresentado aqui por intermédio de Electra, que no texto homônimo de Hofmannsthal representa não só o fortalecimento como a própria destruição da mulher.
Pretendemos, no seguinte artigo, apresentar a história de Fausto através da tradição do teatro de animação e suas influências sobre obras literárias relacionadas ao doutor herético. Baseada em uma personalidade real, a lenda de Fausto remonta à época da reforma luterana. Desde o "Volksbuch" de Spies, Fausto operou como um exemplo de advertência para a fé recém surgida, que encontrou na técnica do teatro de animação a maneira ideal de difundir sua ideologia. Mais tarde, a advertência tornou-se fascinação em relação a esta personagem, que ganhou fama em sua fusão com a divertida tradição do "Kasperltheater". Seguindo as pegadas dessa evolução, podemos certamente entender algumas das direções que a lenda tomou em obras literárias, especialmente no caso do "Fausto" de Goethe.
O objetivo deste artigo é apresentar algumas das principais características do conto "Kleist in Thun", de Robert Walser, na tentativa de refletir sobre como o texto literário é capaz de estabelecer um diálogo com a tradição, através da ficcionalização da figura de um autor, especificamente através de um gênero narrativo praticado por Walser, o retrato.
Neste artigo é feito um estudo do conto "A hora e a vez de Augusto Matraga", de Guimarães Rosa, de modo a se observar como o trágico manifesta-se nessa obra e como ele pode representar um sinal de salvação para a personagem principal. Tal estudo está ancorado na concepção de trágico nietzschiana, segundo a qual a tragédia se constitui a partir da fusão de duas forças opostas, referentes aos espíritos de Apolo e Dioniso, representantes da aparência e da essência, respectivamente.
A idéia central deste artigo é apontar o papel fundamental de alguns aspectos do pensamento romântico na compreensão da relação entre artista e sociedade, exposta criticamente por Thomas Mann em seu romance Doktor Faustus. Nessa perspectiva, considerase que uma exacerbação deformadora da tradição romântica - nos moldes em que ela é sugerida no romance e na trajetória do protagonista, o músico Adrian Leverkühn – é, enquanto ponto em comum da avaliação de Mann sobre o papel social do artista, sobre o caráter hermético da estética moderna e a decadência existencial e artística do protagonista do romance, um aspect decisivo para entendimento da problematização da relação entre arte e sociedade ali apresentada. A estrutura do artigo propõe o entendimento da relevância desta influência romântica nos rumos da arte moderna a partir de três ângulos distintos e complementares. Nomeadamente: as considerações estéticas e políticas do intelectual Thomas Mann; as relações entre o Romantismo e a dissolução do sistema tonal na música moderna e, por fim, o intelectualismo estéril e mudo da arte de Leverkühn. A idéia desta divisão é, pois, passando pela dimensão sócio-política da reflexão crítica (auto-avaliação do autor) e pela dimensão estética (as transformações dentro do sistema tonal da música erudita), contemplar os dois elementos fundamentais que estruturam o romance e vislumbrar mais nitidamente a proposição crítica da elaboração literária de tais questões.
Der Beitrag setzt sich mit dem 1922 erschienen und in Österreich populären Roman "Die Stadt ohne Juden" von Hugo Bettauer auseinander. Es wird versucht, hinter diesem öfters in die Kategorie der Trivialliteratur abgewerteten Werk, das aber zugleich ein besonderes Zeitdokument darstellt, die Positionierung von Bettauer im durch den Zerfall der Habsburgermonarchie ausgelösten Prozess der Bildung einer neuen österreichischen Identität zu deuten. Es werden insbesondere die von Bettauer im Roman zahlreich verwendeten Stereotype analysiert, die einen Schlüssel zur aufgeworfenen Problematik darstellen.
"Meine Herkunft als Österreicher und Böhme" : Rainer Maria Rilkes böhmisches Selbstverständnis
(2008)
Nicht Zwiespältigkeit, sondern Zwiefältigkeit kennzeichnet jene Grundspannung in Rainer Maria Rilkes Leben und Werk, die er als "reinen Widerspruch" definiert. Aus seiner Herkunft "als Österreicher und Böhme" entwickelt der "europäische Dichter" ein "böhmisches Selbstverständnis", das nicht nur für seine slavophilen Prager Jahre, sondern auch für seine Spätzeit als "čechoslovakischer Staatsbürger" in der Schweiz nachgewiesen wird. Das Österreichische deutet Rilke als versäumte übernationale Utopie, die Staatlichkeit der ČSR, verkörpert im Präsidenten Masaryk, als zukunftsweisende Möglichkeit eines emanzipierten "Nachfolgestaates".
Der vorliegende Text untersucht einen Zusammenhang von Bewegungs- und Körperkultur im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsdiskurse des frühen 20. Jahrhunderts und ihre verzerrten Spiegelungen in den Bewegungs- und Schönheitsidealen des Nationalsozialismus. Bei weitester Auslegung des Lehr- und Forschungsgegenstandes "Landes-kunde Deutschland" – und in dieser wird die NS-Zeit immer eine Rolle spielen – kann der Aufsatz ein Kulturphänomen aufzeigen, das die Ideologie der Nazis hinsichtlich der körperlichen Erziehung aufnahm und in ihrem Sinne deutete.
Der vorgelegte Beitrag steht im Kontext der allgemeineren Frage, ob der Identitätsdiskurs der literarischen Moderne in den europäischen Einzelsprachen unter Umständen nationale Besonderheiten im Hinblick auf die formale Darstellung oder die Aussage-Haltungen aufweist – oder nicht. Bei den hier bevorzugt behandelten Texten ("Der Steppenwolf" von H. Hesse und "Ein gewöhnliches Leben" von Karel Čapek) kann man bemerken, dass während der deutsche Roman einen Bruch zwischen Sinn und Form zur Darstellung bringt, indem er Ironie als exklusives Mittel der Identitätsbildung nur propagiert, nicht aber darstellt, Čapeks Schrift in der Krise des Ich-Zerfalls tatsächlich einen neuen Sinn, nämlich die eigentliche Prozessualität und Intersubjektivität aller Sinnbildung auf-deckt. Diese markante Differenz der Schriften gründet sich auf eine Reihe wichtiger Übereinstimmungen, so besitzt besonders das Todesmotiv in seiner engen Verbindung mit der Frage nach dem eigenen Sein eine für beide Texte zentrale Funktion – in der literarischen Darstellung kann überhaupt nur der sterben, der zu sich selbst gefunden hat.
A origem brasileira de Thomas Mann, por parte de sua mãe, Julia da Silva Bruhns, deu ocasião, na maturidade do escritor, a seu contato com intelectuais brasileiros ou estrangeiros ligados à cena cultural do Brasil. No primeiro grupo, tem-se Gilberto Freyre, Sérgio Buarque de Holanda e Erico Verissimo. Residentes no Brasil, Karl Lustig-Prean, que posteriormente retornará à Europa, e o tradutor Herbert Caro, que se radica em definitivo no Brasil. Também o contato direto ou indireto com pensadores e escritores como Karl Loewenstein, Heinrich Eduard Jacob, Marte Brill e Stefan Zweig colaboraram para a aproximação de Thomas Mann ao universo brasileiro. Estes e outros pontos de contato são descritos no presente artigo, que pretende difundir dados e documentos há muito inacessíveis ou inéditos, no sentido de contribuir com abordagens atualizadas da obra de Thomas Mann e oferecer à pesquisa especializada a indicação de dados biográficos e documentais relacionados ao escritor, no que concerne à sua relação com o Brasil.
Em "Der Fall Maurizius", romance de Jakob Wassermann de 1928, parcialmente ambientado em 1908, à época da República de Weimar, o autor critica o pragmatismo alemão, apoiado numa burocracia de estado que, mesmo depois do fim do Império, continua a exercer o poder de maneira absoluta. Wassermann revolta-se contra a má administração da justiça, e contra o caráter perverso daqueles que, tendo se apoderado do aparelho estatal, arrogam a si mesmos o papel de representantes dos melhores princípios do humanismo alemão. O pragmatismo, assim, apresenta-se como a falsificação daqueles valores que supostamente o legitimariam – notadamente, do princípio de Justiça, "Gerechtigkeit". A inocência de um adolescente, Etzel von Andergast, filho de um grande promotor, é o que traz à luz este estado de adulteração. Ao mesmo tempo, a figura de Waremme, descendente de judeus provenientes de regiões da Polônia ocupadas pela Prússia desde 1772, é uma figura sinistra, que rompeu com o legado ético de seus antepassados, pretendendo exercer um papel de destaque no movimento nacionalista alemão, para frustrar-se e ocupar posição marginal numa sociedade repleta de desencaminhados e perplexos. Desta forma o autor representa as aporias de uma geração que sente na pele esse exílio da justiça e a crise generalizada de valores.
"Der Prinz von Theben" beinhaltet neun Geschichten ('Miniaturen'). die sich im märchenhaften, teilweise Surrealen, sowohl örtlich, als auch zeitlich nicht weiter definierbaren Orient abspielen. Der Orient wird - auf den ersten Blick aber eben nicht ausschließlich - als stereotyper Schauplatz der Trieb- und Sündhaftigkeit gefasst. Er ist 'das Andere', das Undefinierbare, das 'Surreale' und steht im Gegensatz zum 'geregelten' Abendland. Hier setzt die Lektüre an. Über den theoretischen Zugang von Queertheorien und postkolonialenTheorien wird das gegenseitige Bedingungsverhältnis von kultureller und sexueller Differenz in den Texten durchmessen, literarisch erkundet und die (post-)kolonialen Schreibweisen ausgelotet.
Lasker-Schülers Text verfährt zum einen kolonial, d.h., dass der orientalische Ort zur Projektionsfläche für eigene Wünsche, Sehnsüchte wird und einer, vermeintlich im 'anderen' aufgehobenen Identität, Raum gibt. Zugleich wird er zum Schauplatz, an dem im Sinne eines queertheoretischen und postkolonialen Ansatzes sich das Subjekt auf der Basis von zum Teil widersprüchlichen und ungelösten, nicht vereinheitlichenden Aspekten von Identität formiert. In diesem Spannungsfeld, in diesen Momenten der Ambivalenz verschränken sich diese Verfahrensweisen und eröffnen Momente von 'postcolonial-queer'.
This article takes a new look at the novels of the Austrian Jewish writer Adolf Dessauer (1849-1916). Dessauer wrote an ironic chronicle of his contemporaries' world in turn-of-the-century Vienna. A banker by profession and an amateur novelist, he published two novels in his lifetime ("Götzendienst", in 1896, and "Großstadtjuden", in 1910), both taking place in the Habsburg capital, which was then undergoing a process of rapid economic and social change. Though his books are nowadays virtually forgotten, Dessauer was a very accurate chronicler of the customs of the social class which ascended with economic liberalism, and which became increasingly close to the empire's declining aristocracy, mimicking its tastes and habits.
As opposed to what happened in other European nations, the bourgeoisie in the Habsburg Empire never attempted to construct its own aesthetic and cultural repertoire, but consistently imitated the aristocratic patterns of its time. Dessauer makes a biting and ironical portrait of this class and its attempt at aristocratic appearances.
He also shows how Karl Lueger's Christian anti-Semitic party in Austria recruited its voters from the impoverished class of artisans, which had lost space as a consequence of the establishment of a new economic order. Lueger's political campaign was directed towards this growing class, and he identified the rise of liberal capitalism with Jews and Judaism.
In "Großstadtjuden" Dessauer looks at the same phenomena, but does so from a strictly Jewish point of view. His second novel portrays the reactions of a number of Jewish families from Vienna to rising anti-Semitism. This historical aspect of the Viennese Jewish community, which was Europe's numerically largest after Warsaw's, is a striking prelude to the history of European Jewry in the 20th.century, thus giving Dessauer's work an unexpected afterlife.
This paper examines the decisive importance which the work of Switzerland's only – albeit now completely forgotten – Nobel Prize winner for Literature had on the development of Swiss prose in the 20th century, and all this without receiving any critical attention whatsoever. The article will also try to give an answer to one of the most frequently asked questions: why such a prestigious award was granted to an author whose name has not managed to travel beyond the borders of Switzerland or the limits of his lifetime.
Aspectos românticos, naturalistas e simbolistas em "A mulher sem sombra" de Hugo von Hofmannsthal
(2000)
'Die Frau ohne Schatten' ('The Woman without Shadow') by the Austrian author Hugo von Hofmannsthal, is a kind of fairy tale in which a large and complex web of symbols is woven around an abstract landscape and characters of an enigmatic nature. Despite its intangible atmosphere reminiscent of the Romantic era, a rather Naturalistic world is revealed as the narrator leads us through a huge city and follows the poor people in their lives of misery and suffering. This paper analyses this hybrid character of Hofmannsthal's text and identifies the various aesthetic traits present in it.
Die produktive Rezeption von Thomas Mann im Roman "Ana em Veneza" von João Silvério Trevisan (1994)
(1999)
The novel "Ana em Veneza" (1994) by João Silvério Trevisan is composed as a literary game of intertextual references to the works of Thomas Mann. Especially his tales "Enttäuschung" ("Desillusion") and "Tod in Venedig" ("Death in Venice") and his novel "Doktor Faustus" serve as models. Trevisan uses figures, motives and themes of Thomas Mann on various levels of his own literary creation, thus using elements in the works of the German writer as pattern of a "European" attitude towards art, about which he argues through his characters, seeking a specific Brazilian identity as an artist. The article surveys this productive reception of motives from Thomas Mann's works, refering to the basic ideas of the novel.
Teatro expressionista
(1997)
This paper discusses expressionist theatre, its thematic and dramatic aspects, and its most important authors.
This contribution focuses on the conditions of literary production in Germany during the Nazi regime. The article analyzes the work of writer Ricarda Huch as one of the representatives of the so-called "Inner Emigration", literary trend promoted by writers that were not placed to serve the interests of the State, but instead sought to convey - through their work - humanistic values and critics of the status quo, despite the censorship and often putting their lives at risk. The poetic anthology Herbstfeuer ("Fire of Autumn"), published in 1944, is one of the most significant examples of the literature of resistance under the yoke of Nazism.
The object of this paper is to attempt a comparison between the perception of the big city by an author of German expressionism, Georg Heym, and the Brazilian modernist Mario de Andrade. The aim is to compare the poetic visions of two cities, Berlin and Sao Paulo, at the beginning of the twentieth century and highlight both, the coincidences and differences in the perception of urban life, based on the ideas of the German sociologist Georg Simmel on the life of man in modernity and the stimulations of nerve impulses.
O coveiro
(2008)
O matador de dragões
(2008)
Vladímir, o pintor de nuvens
(2008)
A caixa dourada
(2008)
A Costureira
(2008)
In the years around 1880 the concepts of modern culture studies were still largely unknown. The term 'cross-culture experience' that is now part of the standard vocabulary of today's human sciences had not yet been invented. And yet the heyday of colonialism saw the publication of numerous texts that analysed the experience of the strange and unfamiliar with remarkable sensitivity. The German governess Ina von Binzer was twenty-four when she left for a two-year visit to Brazil, where she worked with the family of a wealthy coffee plantation owner. On her return to Germany she turned her diary jottings into a fictionalised epistolary novel, describing in great detail the domestic and social reality of the Segundo Império, while also depicting the way in which the daily experience of otherness gradually increased in intensity until it became a very real feeling of culture shock. On the strength of its conscious struggle with the sense of being different and alien, Binzer's work may be characterised as a 'culture study avant la lettre'.
This article draws a parallel between Jakob Wassermann's interest in the history of Kaspar Hauser, which led him to write a novel still considered as the most eloquent literary rendering of this episode, and his own situation as an outsider in German culture. Wassermann's feeling of alienation towards his own country is expressed in his autobiography, titled “Mein Weg als Deutscher und Jude” and his “Kaspar Hauser” is seen here a kind of "estrangement novel", a term which is a counterpoint to the traditional German concept of Bildungsroman. In this respect, it displays some striking analogies with works by later authors, who have drawn this specifically Jewish-German genre to a kind of paroxysm, such as Franz Kafka and Elias Canetti. A novel by an author usually seen as a conservative thus reveals an unexpected avant-garde aspect, which in certain ways foresees the future development of Jewish-German literature. On the other hand, Wassermann's critique to the Bismarckian mentality, which dominated Germany in the first half of the19th. Century, appears to detect some tendencies crucial to the development of German political life in the early 20th, century.
Zum bürgerlichen Haushalt, weiß man, gehören gute Bücher. Selbstverständlich gehören sie deshalb auch zu dem des Ehepaars Institoris, das in Thomas Manns „Doktor Faustus“ das Exempel bildungsbürgerlichen Niedergangs angibt. Dessen Wohnung, das »Musterbild eines Heims deutschen Kultur-Bürgertums« (440), beschreibt der Roman als bloße Staffage um die politische und psychische Zerrüttung ihrer Bewohner. Die »guten Bücher«, die man bei den Institoris »überall, im Wohn-, Empfangs- und Herrenzimmer, aufgestellt fand« (440), stehen deshalb im Romantext in Anführungszeichen, nicht um sie selbst, sondern um den Bezug ihrer Besitzer zu ihnen als Phrase zu kennzeichnen. »Gut« bedeutet hier den dekorativen Schauwert, so daß auch die Inhaltsangabe auf Möblierung deutet: Es sei »gediegen Bildungsmäßiges« (440). Denkt man an das Bildungsmäßige, das Titel und Motto des Faustus-Romans aufrufen, an Goethes „Faust“ und „Dantes Divina Commedia“, und hält man sich an die »guten Bücher«, die das Lesepublikum dieses Romans aus seiner Vorkriegs-Bürgerlichkeit kennen kann, so ragen zwei Exemplare heraus. Zwei Prachtbände, großformatig die anspruchsvollsten Repräsentationsbedürfnisse befriedigend, zwei bedeutende Werke zu bedeutendem Anlaß neu ediert. Das eine, aus dem Jahr 1932, ist die »100-Jahrausgabe« von Goethes „Faust“, das andere, 1938, eine »Erinnerungsausgabe« von Dantes „Divina Commedia“. (…) Eine »nur aus neun Versen bestehende Anrede des Dichters an sein allegorisches Lied« (219): Es sind ebenso neun Verse von Dante, die Thomas Mann seinem Roman voranstellt. Leverkühns Dante-Vertonung vermittelt so das Motto mit dem Ende des Romans, und alles drei Stellen verbinden sich gegen die zeitgenössisch offiziellen Dante- und Goethe-Monumente zu einem eigenen literarischen Selbstbewußtsein. Es besteht aus der Resignation, ob der mühevolle Sinn verstanden werde, aus dem dagegen behaupteten Vertrauen in den dichterisch-ästhetischen Wert und der daraus gewagten Hoffnung. So erweist sich die »nobilitate«, die das Motto dem Roman zuspricht, als eine gegen das deutschnationale „Faust“- und Dante-Prestige mit eigenem, alternativem Dante- und Goethe-Bezug artikulierte Selbstbehauptung.
Das Gedicht 'Boas' erschien erstmals im Mai 1912 in der avantgardistischen Zeitschrift "Der Sturm", die Lasker-Schülers Ehemann Herwarth Walden herausgab. Gemeinsam mit den Gedichten 'Ruth' und 'Pharao und Joseph!' veröffentlichte die Autorin es 1913 erneut in der Zeitschrift Die Freistatt, wobei im vorletzten Vers statt „Ueber seine Korngärten“ die Variante „In seine Korngärten“ zu lesen war. Was auf der Oberfläche ein sentimentales Liebesgedicht (i.e. 'Boas') zu sein scheint, erweist sich bei einer näheren Betrachtung, die die biblische Rut-Novelle einbezieht und den biographischen Konnex sucht, als … mnemosynetisches Gedicht, die poetische Erinnerung an ein gescheitertes Projekt in der Literatur wie im Leben.
Als Hartmann von Aue vor gut 800 Jahren seine Version der Gregoriuslegende niederschrieb, mag ihm der Ödipusmythos bekannt gewesen sein, aus der Perspektive eines mittelalterlichen Gelehrten war dieser jedoch ein Überbleibsel aus einer vorchristlichen und damit gottesfernen Zeit und eher über den Umweg der christlichen Allegorese interessant. Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass für ihn die Legende vom heiligen Papst eine historisch wahre, die Allmacht Gottes unter Beweis stellende Geschichte war. Thomas Mann versteht Hartmanns Gregorius hingegen in Folge seiner Beschäftigung mit den mythologischen Ursprüngen der europäischen Kultur als Variante des Ödipusdramas Sophokles’ und versucht in dem Erwählten die antiken Quellen zum einen auf einer literaturhistorischen Ebene freizulegen, zum anderen jedoch auch im Rahmen der psychoanalytischen Theorie zu interpretieren. Im Folgenden wird diesem Interpretationsansatz anhand der Differenzen der Textfassungen nachgegangen, um die Frage zu erörtern, welche Elemente des Ödipusmythos Thomas Mann aus der Gregoriuslegende herausgearbeitet hat. ...
Biographisch gehört Hofmannsthal zu jenen Autoren [...] der Jahrhundertwende, für die bildende Kunst selbstverständlicher Teil ihrer Umwelt und Erziehung war. [...] Hofmannsthal sucht, könnte man verallgemeinernd sagen, ästhetische Erfahrung nicht an die Wissensdiskurse seiner Zeit anzuschließen, sondern sie für eine Kommunikation über sinnliches Erleben fruchtbar zu machen. Es geht ihm nicht um eine Opsis, die neue Dinge sehen will, wie in den Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts, sondern um ein Schauen, das Dinge neu sieht. Die bildende Kunst ist für Hofmannsthal das Medium, in dem er, mehr noch als im eigenen der Literatur, Bedingungen der Kreativität, der kulturellen Transformation mentaler Bilder und der Semiose bedenkt. Sie ist ein Lebensthema Hofmannsthals, das Freundschaften und Beziehungen, etwa zu dem Maler und späteren Schwager Hans Schlesinger, zu Richard Beer-Hofmann und Hermann Bahr, später zu Sammlern wie Harry Graf Kessler, Eberhard von Bodenhausen, Alfred Walter Heymel, Julius Meier-Graefe oder eben zu Ludwig von Hofmann, prägt.
Hofmannsthals Aufsatzentwurf "Die neuen Dichtungen Gabriele d’Annunzio’s" aus dem Jahre 1898, der hier zum ersten Male abgedruckt ist, belegt anhaltendes Interesse und eine um die Jahrhundertwende noch einmal aufllammende Sympathie, die erst 1912 in offene Ablehnung umschlagen wird. Gegenstand des ersten Teiles "Zwei Verherrlichungen der Stadt Venedig", welcher als beinahe abgeschlossen gelten kann, ist ein Bändchen von D’Annunzio mit dem Titel "L’Alllegoria dell’ autunno" (1895). Hofmannsthal kaufte es auf seiner Italienreise 1898. Über welche Dichtungen er darüber hinaus noch schreiben wollte, ist nicht bekannt. Einer genaueren Rekonstruktion der Beziehung zwischen D’Annunzio und Hofmannsthal bis zu diesem Zeitpunkt gelten die folgenden Hinweise.
"Lieber Lord Liszt!/ Warum nenn' ich Sie so?" beginnt der leitende Angestellte Franz Horn in Martin Walsers 1982 erschienenem Roman Brief an Lord Liszt sein nicht enden wollendes Schreiben an den Konkurrenten am Arbeitsplatz Dr. Horst Liszt.' In der Tat, man fragt sich das. Warum wird der Kollege "Lord" tituliert, "Lord Liszt"? Franz Horn fährt fort: "Die Anrede war da, als ich nach dem Schreiber griff. Wahrscheinlich will ich eine Entfernung ausdrücken zu Ihnen und zugleich mir und Ihnen empfehlen, diese Entfernung doch nicht zu ernst zu nehmen. Oder sollen wir?" Diese Sätze enthalten drei Hinweise für die Erschließung des Textes.
Hugo von Hofmannsthal lernte die Fürstin und spätere erfolgreiche Schriftstellerin Mechtilde Lichnowsky Anfang 1909 in Berlin kennen. [...] Wahrscheinlich wurden schon bald Briefe mit Verabredungen ausgetauscht. Die ersten gesichert datierten Briefe der hier veröffentlichten Korrespondenz stammen aus dem Frühjahr 1910. [...] Auch wenn die vorliegende Korrespondenz Lücken aufweist und vermutlich über das letzte hier dargebotene Briefzeugnis hinaus, die Trauerbekundung um den Tod von Wilhelm Freiherr Schenk von Stauffenberg, andauerte, vermag sie doch einen Eindruck von dieser vielschichtigen Beziehung zu geben. [...] Unter den Themen, die der Briefwechsel anschlägt dominiert das Gespräch über Hofmannsthals Werke, Projekte und Theateraufführungen. Besonders Anteil nimmt Mechtilde Lichnowsky an Max Reinhardts Berliner Inszenierung des "König Ödipus". [...] Sämtliche Texte der Korrespondenz werden aus den Handschriften geboten; lediglich Hofmannsthals Briefe an seinen Vater und an seine Frau Gerty, die im Deutschen Literaturarchiv Marbach a.N. aufbewahrt werden, sowie die Auszüge aus seinen Tagebüchern, werden nach den Kopien im Freien Deutschen Hochstift, Frankfurt a.M., zitiert.
Die hier wiedergegebenen Auszüge aus Andrians Tagebüchern stützen sich zum größten Teil auf Exzerpte, die von meiner ersten Beschäftigung mit Andrian herrühren. Mein Hauptinteresse galt damals der Frühphase [...] Dem Anliegen der "Hofmannsthal-Blätter" entsprechend steht bei den folgenden, bis auf wenige Passagen bisher unveröffentlichten Tagebuchauszügen der "Blick" Andrians auf Hofmannsthal im Mittelpunkt. Es werden also vornehmlich die Passagen geboten, in denen Hofmannsthal direkt erwähnt wird. An einzelnen Stellen, wo es mir aufschlussreich erschien zu zeigen, wie Andrian andere gemeinsame Freunde einschätzte oder wo er gemeinsame Erfahrungen wiedergab, wurde Seitenblicken stattgegeben. [Ebenfalls aufgenommen wurden:] Exzerpte aus einem Notizbuch zu Vorlesungen der Philosophen Jerusalem und Eckstein zur Erkenntnistheorie und zu Kant [...] Den Abschluß bilden Andrians Notizen aus dem Jahre 1948 zu seinem Aufsatz über Hofmannsthal für Helmut A. Fiechtners Sammelband, in denen der Freund den Freund nur wenige Jahre vor seinem Tod rückblickend und nachdenkend noch einmal "entwirft".
“Es ist weder Schwäche noch Minderwertigkeit des Erotischen, wenn es seiner Art nach auf gespanntem Fuß mit der Treue steht, vielmehr bedeutet es an ihm das Abzeichen seines Aufstiegs zu noch weiteren Zusammenhängen. Und darum muß auch da, wo es in solche schon weiter einbezogen wird, ihm von dieser ungenügsamen Sensibilität vieles erhalten bleiben, gerade so, wie es seinerzeit sich nur begründet auf den ursprünglichsten Vorgängen des Organlebens.“ Lou Andreas-Salomé – sie taucht auf zum ersten Mal 1882 als Einundzwanzigjährige, von Nietzsche und seinem Freund Paul Rée gleichermaßen verehrt, geliebt, bewundert. Das Paar Lou/ Nietzsche hat die Phantasie späterer Generationen beflügelt, dieses Zuendedenken und –leben nicht erfüllter Wünsche und Sehnsüchte hat das Kolorit beider Erinnerung wesentlich überzeichnet.
"Das schöne Gedicht auf den Vogel ..." : Anmerkungen zu Hofmannsthals Rezeption Walt Whitmans
(1986)
Die Bedeutung des amerikanischen Dichters Walt Whitman (1819-1892) für Hugo von Hofmannsthal im einzelnen ausmachen zu wollen, ist nicht einfach und kann auch nicht Ziel dieser Ausführungen sein. Vielmehr soll es darum gehen, Spuren zu verfolgen, die einer solchen Untersuchung dienlich sein können. Dem kurzen Überblick über die Rezeption Whitmans im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert folgen eine genauere Untersuchung des Briefwechsels zwischen Hofmannsthal und Ottonie von Degenfeld, welcher gegenüber Hofmannsthal Whitmans Gedicht "Out of the Cradle Endlessly Rocking" wohl als das "schöne Gedicht auf den Vogel, der um seine Frau klagt" erwähnte, sowie der vollständige Abdruck des Gedichtes und dessen deutsche Übersetzung von Johannes Schlaf.
Ad fontes. Wir wissen, daß fast alle Werke Thomas Manns ihre langen Wurzeln haben, und kaum ein anderer Roman hat längere als die Geschichte des Doktor Faustus. Sie sind, wenn man so sagen darf, über vierzig Jahre lang, und es versteht sich von selbst, daß sich der Stoff über einen so großen Zeitraum wandelte. Wir kennen den berühmten Dreizeilenplan aus dem Jahre 1901 - so wurde er von Thomas Mann selbst am 17. März 1943 benannt. Aber es war - darauf hat Peter de Mendelssohn in seinem Nachwort zur Frankfurter Ausgabe des Romans hingewiesen - nicht ein Dreizeilenplan, sondern es gab derer zwei. Der erste lautete (in Thomas Manns Notizbuch 7 festgehalten): "Zum Roman. Der syphilitische Künstler nähert sich von Sehnsucht getrieben einem reinen, süßen jungen Mädchen, betreibt die Verlobung mit der Ahnungslosen und erschießt sich dicht vor der Hochzeit". Man kann diesen Plan durchaus als Variation der Verführungsgeschichte Fausts und Gretchens lesen, auch wenn von einem Teufelspakt nicht die Rede ist und nicht Gretchen umkommt, sondern der Künstler, der Opfer einer venerischen Erkrankung ist. Aber das "reine, süße junge Mädchen": unverkennbar eine Gretchen-Gestalt. Der zweite Plan, wohl auf Ende 1904 zu datieren, ist von Mendelssohn als Variante und Fortführung der ersten Niederschrift charakterisiert worden, aber bei genauerem Hinsehen zeigt sich, daß es eigentlich ein ganz anderer Plan ist, in den der erste zwar aufgenommen ist, aber darin ein Fremdkörper bleibt.
Der Vortrag will den Vorschlag unterbreiten, "Trivialität" als eine historisch spezifische Texteigenschaft mittlerer Abstraktheit zu konzipieren, mit der sowohl bestimmte Texteigenschaften als auch kontextuelle Bedingungsgefüge berücksichtigt werden können. Den Schwerpunkt wird ein Teilproblem bilden: die Charakteristik eines ‚trivialen Erzählstils', der hier nicht nur als semiotisches Phänomen und als Funktion des discours aufgefasst, sondern zusätzlich unter der Perspektive eines system-theoretischen Modells von ‚Komplexität' analysiert werden soll. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Beobachtung, dass ‚triviale' Texte (auch) mit differenzierten Erzählmodi, Figurenarsenalen, Wissensreferenzen oder komplexen Handlungsverläufen arbeiten, dass sie aber trotz dieser erzählerischen Differenziertheit vergleichsweise "einfache" Welten entwerfen. Diese "Einfachheit" ist immer historisch relativ und lässt sich, so die These des Vortrags, als eine Form reduzierter Komplexität beschreiben. Sie regelt die strukturellen Beziehungen ‚trivialer' Texte zu ihren literarischen ebenso wie zu ihren nicht literarischen Umwelten - an der systematischen Schnittstelle zwischen Schemata, Klischees, den verschiedenen Ebenen des discours und zwischen Selbst- und Fremdreferenz. Das vorgeschlagene Beschreibungsmodell soll an einem historischen Beispiel überprüft werden: an Hans von Kahlenbergs (d.i. Helene Keßler) "Ahasvera" (Berlin 1910). Der Roman scheint sich ganz auf der Höhe einer komplexen Modernität zu bewegen, fährt diese aber über spezielle Erzählver-fahren auf ein reduziertes Maß an Komplexität zurück, das sich auf mehreren Textebenen beschreiben lassen wird.
Poetik von Traum und Tod
(1998)
Wem das "mot juste" sich versagt, der flüchtet in Ironie. Demzufolge könnte das Thema der folgenden Überlegungen lauten: Der Teppich des Lebens oder "die Quellen der Inspiration". Damit wäre das biographische Mißverständnis programmiert – wenn wir etwas zu wissen glauben, so dies, daß Dichter aus vielerlei Quellen schöpfen und die trüben meist die ergiebigsten sind. Das jedenfalls ist eine Interpreten-Sicht. Die andere nährt die Hoffnung, niemandem zu nahe zu treten, falls man die Art und Weise, in der Morwitz und seine Nachfolger solche Quellen gesucht und benannt haben, versuchsweise als trivial beiseiteschiebt. Nichttrivial wäre ihr zufolge das Unterfangen, Quellen im Konzeptuellen zu suchen.
Ironie als Redefigur, die das Gegenteil dessen sagt, was sie meint, kommt bei Thomas Mann nicht vor. An ihrer Stelle steht - der Aufsatz legt es an einer Reihe von Beispielen dar - ein System von Über- und Untertreibungen, in dem Hochwertiges in seinem Ansehen vermindert und Geringes aufgewertet wird. Damit wird die Wirklichkeit zwar wohl karikiert, aber nicht 'verletzt.' Das ist zugleich der Grund, warum Thomas Manns Werk realistisch wirkt.
"Es ist wohl eine Regel, daß in gewissen Jahren der Geschmack an allem bloß Individuellen und Besonderen, dem Einzelfall, dem 'Bürgerlichen' im weitesten Sinne des Wortes allmählich abhanden kommt. In den Vordergrund tritt: Das Typische, Immer-Menschliche, Immer- Wiederkehrende, Zeitlose, kurz: das Mythische." Mit diesen Worten umreißt Thomas Mann im Jahre 1942 in seinem Vortrag Joseph und seine Brüder einige Beweggründe für seine fast sechzehnjährige Arbeit an dem "abseitigen, fernliegenden Stoff [...] der biblischen Legende", die er zu einem vierbändigen Romanwerk ausarbeitete. Ein wenig seltsam mutet es hier an, wenn man Thomas Mann, den bürgerlichen Romanautor, der stets darauf bedacht war, eben gerade das ganz Besondere, den nicht alltäglichen Menschen, den Einzelgänger und Außenseiter seinen Lesern vor Augen zu führen, vom "bloß" Individuellen reden hört; ganz so, als seien seine früheren Werke – cum grano salis – lediglich Geburtswehen eines weit größeren Unterfangens gewesen, welches nun endlich im Stande sei, zum Kern vorzudringen, um die nötigen aber überständigen Randerscheinungen hinter sich zu lassen. Thomas Mann führt den Leser sicherlich etwas in die Irre, wenn er hier behauptet, das Interesse am Individuum sei ihm in gewissen – und dies meint späteren – Jahren abhanden gekommen. Der Protagonist seiner Tetralogie, Joseph, scheint doch gerade ein ganz außergewöhnlicher Mensch zu sein, der, mit einigen, später zu erörternden Besonderheiten, eben genau das Individuum par excellence darstellt. Oder verhält es sich in Josephs ganz spezifischem Fall noch etwas komplizierter und seine Besonderheit und das Typische schließen sich gar nicht gänzlich aus?
Bisherige Untersuchungen über die Religiosität des Dichters Rainer Maria Rilke zeigen zwei stark divergierende Ergebnisse: Während der Religionspädagoge Anton Bucher auf der Basis einer strukturgenetischen Analyse Rilkescher Schriften zu dem Schluss kommt, Rilke sei eine sehr reife religiöse Persönlichkeit gewesen, sieht der Literaturwissenschaftler Eudo C. Mason, der mit psychodynamischen Kriterien arbeitet, in Rilke einen reinen Narzissten und Atheisten. Die folgende Untersuchung vergleicht diese beiden Zugänge und versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem "religiös reifen Rilke" und dem "atheistisch-narzisstischen Rilke".
Künstlerkolonien sind ein gesamteuropäisches Phänomen: Seit der Romantik verbreiten sie sich über die Sprach- und Staatsgrenzen hinweg und vernetzen sich miteinander. Im Deutschland der Jahrhundertwende florieren kleine und große Künstlergemeinschaften, seien es städtische wie Berlin-Wilmersdorf und die Darmstädter Mathildenhöhe, seien es ländliche wie Rilkes Worpswede oder Goppeln und Hellerau bei Dresden. Vom Elan der Lebensreform getragen, werden sie zu Wiegen der Avantgarde. Die Verschränkung von sozialem Reformwillen und Jugendkult, künstlerischem Experiment im Geist der Sezession und europäischer Ausrichtung prägt das seinerzeit berühmte, bis in die 1990er Jahre jedoch eher vergessene Hellerau in besonderer Weise.
Rilkes wenig beachtete Dramen, die aus der Zeit zwischen 1894 und 1902 stammen, stellen nur einen kleinen Teil des vom Autor selbst wie von der traditionellen Rilke-Forschung ausgegrenzten frühen Werkes dar. Die unspektakulären Gehversuche auf dramatischem Gebiet orientieren sich – wie es für den jungen Rilke typisch ist – an den verschiedenen Stilrichtungen en vogue und sind daher denkbar unterschiedlicher Machart. Zeitlich parallel zur größeren Gruppe der naturalistischen Stücke entsteht eine Reihe von Versdramen, die dem lyrischen Werk zugeschlagen werden. Diese Zuordnung trägt dem Aufkommen des lyrischen Dramas im französischen Symbolismus Rechnung. Wie die Rezeptionsgeschichte der beharrlich abgewiesenen Bühnenentwürfe Mallarmés dokumentiert, erfordert seine konkrete Umsetzung die Etablierung neuartiger Repräsentationsstrategien. Damit situiert sich das lyrische Drama im größeren Kontext eines umfassenden, gesamteuropäischen Retheatra-lisierungsprozesses, in dem der mimetische, Sprache und Handlung identifizierende Bühnendialog des traditionellen Illusionstheaters im ausgehenden 19. Jahrhundert seine programmatische Toterklärung erlebt. Die Verbindung der epochalen Grundtendenz umfassender Sprachskepsis und -erneuerung mit den einschneidenden Umstrukturierungen im Verhältnis der Künste untereinander wird besonders auf der Bühne, im innovativen Konzept des Theaterkunstwerks (v. a. in Verbindung mit der Tradition der Wagnerschen Musikdramen) sinnfällig, das dem literarischen Werkbegriff entgegengesetzt ist und nonverbale Gestaltungsebenen – Tanz und Pantomime, Musik, Licht und Farbe – in den Vordergrund stellt. In diesem epochalen Entwicklungszusammenhang soll die bei Rilke marginale Gruppe der lyrischen Dramen verortet werden, deren Bedeutung, wie ich zeigen möchte, in ihrer poetologischen Relevanz liegt.
Obwohl Goethes Bedeutung als größter deutscher Dichter - bei aller Polemik gegen ihn zu seiner und späterer Zeit - kaum je umstritten war, wurde ihm doch von den Deutschen nach der Überzeugung Nietzsches kaum je wirklich normative Kraft zugeschrieben. "Goethe that den Deutschen nicht noth, daher sie auch von ihm keinen Gebrauch zu machen wissen", bemerkt er in einem anderen Aphorismus aus Menschliches, Allzumenschliches: "Man sehe sich die besten unserer Staatsmänner und Künstler daraufhin an: sie alle haben Goethe nicht zum Erzieher gehabt, - nicht haben können." Er stehe "zu seiner Nation weder im Verhältnis des Lebens noch des Neuseins noch des Veraltens", heißt es wieder im Aphorismus "Giebt es >deutsche Classiker<?". "Nur für Wenige hat er gelebt und lebt er noch: für die Meisten ist er Nichts, als eine Fanfare der Eitelkeit, welche man von Zeit zu Zeit über die deutsche Grenze hinüberbläst."
Im Sinne der "lectio difficilior" soll im folgenden die Spur der metaphora audax verfolgt und die These vertreten werden, die Parallelführung zwischen göttlichem und poetischem Schöpfungsakt gelte für die ganze Kosmogonie; sie impliziere damit auch zwei grundsätzlich verschiedene poetische Schaffenstypologien, und Goethe kontrastiere in Wiederfinden über die beiden Schöpfungsphasen der Weltwerdung den einen Typus des dichterischen Schaffensprozesses mitsamt dem ihm innewohnenden Leidensdruck mit seinem Gegentypus, der freilich deutlichen Wunschbildcharakter trage.
Bedeutende Situationen, in einer künstlichen Folge : Goethes und Hofmannsthals Singspiele und Opern
(2004)
Goethes Texte zu Singspielen und Opern werden wie seine gesellige Dichtung überhaupt weithin mißachtet, ja kaum auch nur gekannt. Wie aber Stammbuch und Widmungsgedichte – im umgekehrten Verhältnis zu ihrer generellen Geringschätzung – einen quantitativ wie qualitativ gewichtigen Teil von Goethes lyrischem Gesamtwerk ausmachen, so bilden die zwanzig Texte und Entwürfe zu Singspielen und Opern fast ein Fünftel seiner dramatischen Produktion (außer dem Faust). Zu ihrer angemessenen Würdigung kann ein Blick auf die für die Operngeschichte so bedeutungsvollen Libretti Hofmannsthals beitragen, die die schneidende Ablehnung des George-Kreises wie das bezeichnende Stillschweigen in Borchardts "Eranos-Brief" erfahren hatten.