Linguistik-Klassifikation
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Die Termini Possessivität und Possession, die wir synonym für einander verwenden wollen, sind vorwissenschaftlich. Ihr Inhalt hat in keinem der Modelle der synchronen Sprachbeschreibung eine befriedigende Präzisierung erfahren. Die Auffassungen darüber, was man in gewissen Sprachen als possessiv anzusehen hat, schwanken. Man hat sich, mit Recht, gefragt, ob man einem entsprechenden Begriff überhaupt einen Platz in der Beschreibung von Sprachen – und damit in der Grammatik – einräumen solle. […] So erwägenswert manches an dieser Einschätzung auch ist, so finde ich es anderseits doch bemerkenswert, daß sich die verschiedensten Linguisten bei der Beschreibung der verschiedensten Sprachen doch immer wieder veranlaßt sehen, solche Termini – und Begriffe – wie "possessiv", "Possession" einzuführen. […] Intuitiv denkt man bei dem Terminus "Possession", "possessiv" in Sprachen wie dem Deutschen an die Konstruktionen mit Genitiv oder Possessivpronomen einerseits 'Karls/sein Haus') und an Konstruktionen mit 'haben', 'gehören', 'besitzen' anderseits ('Karl hat ein Haus'). Es hat nicht an Versuchen gefehlt, das eine auf das andere zu reduzieren. Die orthodoxe TG hat lange genug behauptet, 'Karls Haus' liege ein 'Karl hat ein Haus' zugrunde. Daß sich das nicht verallgemeinern läßt, sieht man etwa an 'Karls Tod', wozu es kein *'Karl hat einen Tod' gibt. Die Hypothese, die ich hier vorlegen und begründen möchte besteht darin, daß beide Ausdrucksweisen, also Genitiv, Possessivpronomen einerseits und 'haben' etc. anderseits einander komplementieren und erst zusammen den Phänomenbereich der Possessivität konstruieren. Eine große Rolle spielt dabei der Unterschied zwischen sogenannten relationalen und nicht-relationalen Nomina. Solche schwierigen Fragen untersucht man einerseits am besten an seiner eigenen Muttersprache. Anderseits aber hoffe ich das hier Gefundene durch die Konfrontation mit den Verhältnissen in einer davon weit abliegenden Sprache, einer Indianersprache Süd-Kaliforniens, Cahuilla, noch plastischer hervortreten zu lassen. Das hier angewendete Beschreibungsmodell ist gemischt. Die zugrundeliegenden Strukturen sind so weit wie möglich als syntaktische dargestellt. Doch konnte ich nicht umhin, in solchen syntaktischen Strukturen gewisse semantische Entitäten unterzubringen. Das gilt insbesondere für die abstrakten oder "höheren" Verben APPLIES und EXIST. Sie haben einen direkten semantischen Wert.
Betrachtet man als Sprecher oder Sprecherin des Deutschen die mit '-su' derivierten Verben im Aymara und ihre spanischen Übersetzungen, so fällt auf, daß diese Verben häufig eine Entsprechung in einem deutschen Partikelverb mit 'aus-/heraus-' oder 'auf-' haben, und zwar nicht nur dann, wenn sie Bewegungsvorgänge bezeichnen, sondern auch, wenn keine Direktionalität erkennbar ist. [...] Diese Parallele zwischen '-su' und 'aus-' oder 'auf-' ist frappierend, wenn man bedenkt, dass die beiden Sprachen keinerlei genetische Beziehung haben, und die Annahme liegt nahe, daß hier ein ähnliches kognitives Konzept zugrundeliegt. Um dies genauer beurteilen zu können, ist allerdings mehr Information über '-su' im Aymara nötig. So habe ich mir für die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt, die Semantik von '-su' im Aymara genauer herauszufinden und herauszuarbeiten, welche Funktionen das Suffix hat. Dabei interessierte mich zum einen, ob sich neben den in den Aymara-Grammatiken beschriebenen Funktionen des Morphems, nämlich der Markierung der Richtung 'nach außen' und des kompletiven Aspekts, noch weitere Funktionen herausarbeiten lassen und wie diese mit der Semantik der jeweiligen Verbwurzel interagieren. Daneben widmete ich mich der Fragestellung, worin der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Funktionen des Morphems bestehen könnte.