Egge - Weser : vereinsinterne Veröffentlichungen des Naturkundlichen Vereins Egge - Weser, Band 7 (1995)
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Nachwort des Herausgebers
(1995)
Nach einer Pause von sechs Jahren können wir endlich wieder einen Band der Vereinszeitschrift Egge-Weser vorlegen, den Band 7. Die lange Pause liegt in der Arbeitsüberlastung des ehrenamtlich tätigen Vorstandes begründet. Nachdem Kurt PREYWISCH, von 1981 bis 1987 Vorsitzender des Naturkundlichen Vereins Egge-Weser, sich aus Altersgründen aus der Herausgeber- und Schriftleitertätigkeit zurückziehen musste, konnte lange Zeit niemand gefunden werden, der zeitlich in der Lage war, diese Tätigkeit auszuüben. Inzwischen ist es gelungen, in Rudolf SINGER nach seiner Pensionierung aus dem Schuldienst einen Schriftleiter zu gewinnen. Er hat mit großem Einsatz den vorliegenden Band zur Druckreife gebracht, wofür ihm auch an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Allen Mitgliedern und Beziehern danken wir für das geduldige Warten. Zwar wurde gelegentlich nachgefragt, wo die Veröffentlichungen bleiben, aber nur ein Mitglied ist aus diesem Grunde aus dem Verein ausgetreten. Das seit einigen Jahren mehrmals jährlich herausgegebene "NEW-Info" hat hier sicherlich auch ein wenig diese Lücke ausgefüllt. Es wird auch weiterhin neben der Zeitschrift erscheinen. Wir hoffen sehr, dass wir nun wieder jährlich einen Band der Zeitschrift Egge-Weser fertigstellen können. Das noch fehlende Heft 2 des Bandes 4 mit der Arbeit über die Pflanzengesellschaften des Kreises Höxter ist noch in Arbeit, der Erscheinungstermin allerdings noch nicht abzusehen.
Aus einem 815 cm langen Bohrprofil, das AVERDIECK (1.c.) aus den "Grundlosen" bei Höxter (Westfalen) geborgen hatte, wurden aus den oberen 7 m 20 Proben mit Hilfe der Radiokohlenstoff-Methode absolut datiert. Ein Teil der Ablagerungen ergab ein im Vergleich zu den darunterliegenden Schichten zu hohes Alter, was auf die Beimengung allochthonen Materials zurückzuführen ist. Die übrigen 14C-Daten dienen zur zeitlichen Einordnung des von AVERDIECK erstellten Pollendiagramms und zeigen, dass einige Grenzen von Pollenzonen im Wesertal mehrere Jahrhunderte früher liegen als in der Norddeutschen Tiefebene.
Im Wesertal liegt knapp 2 km südlich von Höxter bei 51° 45' N und 9° 22' E in einer Erstreckung von wenig über einem halben Kilometer schrotschussförmig verteilt eine Gruppe von rundlichen Eintiefungen (Abb. l u. 2). Drei von ihnen waren in den meisten der letzten Jahre mit Wasser gefüllt. Seit 1974 sind sie vom flächigen Naturdenkmal "Grundlosen" eingeschlossen. Die Verordnung (Regierungsbezirk Detmold vom 17. 2. 1975, Nr. 7) enthält keine nähere Begründung. Die schon viele Jahre vorher vom Verf. betriebene Unterschutzstellung gewann erst Gestalt nach einer Tagungsexkursion des Westfälischen Naturwissenschaftlichen Vereins und einer vom ersten Vorsitzenden, Herrn Dr. Runge, verfassten Resolution vom 26. 5. 1972 an den Bürgermeister von Höxter. In diesem Brief heißt es u. a.: „Die Tagungsteilnehmer haben bei ihrer Exkursion in der Weseraue mit Erstaunen den Reichtum der Grundlosen in pflanzensoziologischer, floristischer und tiergeographischer Hinsicht festgestellt. So wurden . . . das äußerst seltene Moorkreuzkraut (Senecio tubicaulis) und der Seefrosch (Rana ridibunda) entdeckt", der bisher in ganz Westfalen nur hier beobachtet wurde (vgl. RAUS 1977). Die Floristisch-Soziologische Arbeitsgemeinschaft führte auf ihrer Tagung 1976 ebenfalls eine Exkursion in dieses Gebiet. Angesichts der Bedrohung seiner Ökologie durch den nahen Kiesabbau wurden auf der Abschlussdiskussion eingehendere Untersuchungen zur Flora und Fauna, auch hinsichtlich ihrer Entstehung, beschlossen. Im vorliegenden Beitrag legen die beiden Verfasser die Ergebnisse ihrer Nachforschungen zur Entwicklung der Grundlosen und der Vegetation der engeren Umgebung in geschichtlicher und vorgeschichtlicher Zeit vor. Zur Mitarbeit konnte ein weiterer Autor gewonnen werden, der durch die absoluten Datierungen ein Zeitgerüst beisteuerte, das die Erkennung von Komplikationen möglich machte.
Ziel der Arbeit des NEW ist u. a. die Erfassung ausgewählter Tier- und Pflanzenarten in dem vom Verein betreuten Gebiet. Infolgedessen entstand vor einigen Jahren auch die Vorstellung einer Erfassung und Kartierung der im Kreisgebiet und im angrenzenden Diemeltal auftretenden Tagfalter und Zygaenen, da sich diese tagaktiven Arten leicht beobachten lassen. Nach einem Aufruf in der Vereinszeitschrift und in Tageszeitungen fanden sich etliche freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einer Art Arbeitsgemeinschaft zusammen, um mehr oder weniger regelmäßig Beobachtungen zu machen und diese auch weiterzuleiten. Erfreulich war dabei auch die rege Beteiligung einiger Studentinnen und Studenten des Fachbereiches Landespflege der Universität Paderborn, Abt. Höxter. Die Aufgabe der Koordination und des Datensammelns habe ich übernommen. Hier werden nun die Ergebnisse vorgestellt durch jeweils eine Verbreitungskarte und eine kurze Beschreibung des Lebensraums der angetroffenen Arten sowie eine Liste der verschollenen bzw. nicht angetroffenen Arten.
Orchideen sind mit ihrem Alter von 15 Millionen Jahren bekanntlich eine der jüngsten Pflanzenfamilien, was im Gegensatz zu anderen Pflanzenfamilien, die bereits auf 100 Millionen Jahre Geschichte zurückblicken können, zu einer wenig differenzierten Abgrenzung von nahverwandten Arten führt. Aufgrund dieser Tatsache gibt es eine Fülle von Artengruppen innerhalb der Orchidales, die oftmals durch fließende Übergänge eine phylogenetische Unterscheidung äußerst schwierig gestalten lassen. Ein hervorragendes Beispiel für die überaus hohe Variabilität stellt Orchis mascula dar, die auf einer rund 2 ha großen Fläche im südöstlichen Weserbergland in einer bemerkenswert großen Population vorkommt. Ziel der Untersuchung ist es, die enorme Formenvielfalt bei Orchis mascula, da sie in den gängigen Exkursionsfloren nirgendwo erwähnt wird, zu erfassen und darzustellen. Man hat das Untersuchungsgebiet in drei Zonen geteilt, die durch ihre Vegetation innerhalb jeder Zone bestimmte abiotische Faktoren aufweisen. Orchis mascula zeigt auf der Untersuchungsfläche von rund zwei Hektar eine enorme Variabilität in der Gestaltung des Cormus. Die Merkmalsdifferenzierung reicht von kurzsprossigen zu langsprossigen Exemplaren. Dabei treten Unterschiede von 43 cm auf. Vor allem die Unterschiede in der Farbintensität der Einzelblüten ist hierbei auffällig. Das Farbenspektrum reicht von blassviolett, in Einzelfällen von weißlichen Blüten, über violette Formen zu tiefvioletten dunklen Varianten. Betrachtet man den Gesamthabitus der einzelnen Orchis mascula-Formen, so lassen sich immer wieder in Erscheinung tretende Merkmalspaarungen oder Kombinationen spezifisch morphologischer Strukturen nachvollziehen. Die Merkmalsdifferenzierung erfolgt kontinuierlich. Durch die abiotischen Faktoren findet eine Anpassung der Orchis mascula statt, was z. B. die Intensität des Lichtes belegt: Es tritt die charakteristische Erscheinung der Vergeilung auf. Auch wenn bei den Monokotyledonen wie bei Orchis mascula weniger die Länge der Sprossachse als vielmehr die Länge der Blätter verändert wird, so weist das Längenwachstum der Orchis mascula deutlich auf einen Lichtmangel hin. Es findet also durch die Veränderung der abiotischen Faktoren, bezogen auf den Standort der Orchideen, eine Metamorphose von Blättern und Spross statt. Selbst unter der Berücksichtigung, dass genetische Untersuchungen nicht angestellt wurden und das Untersuchungsgebiet als kleinräumig anzusehen ist, kann man insgesamt dennoch von einer ökologischen Differenzierung des Artbereichs durch eine Öko-Cline-Bildung sprechen. Da davon auszugehen ist, dass die Familie der Orchidaceen – evolutiv gesehen – sehr jung ist und eine typische schrittweise Merkmalsverschiebung schneller zur Wirkung kommt, herrscht im Fall des Untersuchungsgebietes eine dynamische Selektion vor, die nur dann in eine stabilisierende übergehen kann, wenn die drei unterschiedlichen ökologischen Nischen über einen langen Zeitraum erhalten werden. Die Orchis mascula-Population zeigt auf engstem Raum innerhalb des Untersuchungsgebietes eine Formenvielfalt, die zunächst auf eine Aufspaltung des Genpools schließen lässt. Doch die stufenweise Merkmalsdifferenzierung in Form einer Cline-Ausbildung belegt eindeutig, dass der Genfluss zwischen den einzelnen Teilpopulationen aufrechterhalten bleibt. Um jedoch endgültigen Aufschluss über die taxonomische Gliederung der formenreichen Art befriedigend lösen zu können, bedarf es daher verschiedener genetischer Untersuchungen, die im Rahmen dieser Untersuchung nicht zu leisten waren. Es handelt sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach bei den untersuchten De-men von Orchis mascula um Standortmodifikationen. Da verschiedene Formen von Orchis mascula in einzelnen Herden gemeinsam auftreten, befindet sich die Orchis mascula-Population in der Aufspaltung unter dem Niveau der Lokalrassen.