LiTheS. Zeitschrift für Literatur- und Theatersoziologie
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Zu den wertenden Klassifikationen, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt unter den Vorzeichen politischer Korrektheit thematisiert und problematisiert wurden, gehört die "Rasse". Im Folgenden soll es um Dimensionen des Sagbaren in einem Diskursfeld gehen, das unmittelbar an diese Klassifikation anschließt, nämlich das Diskursfeld des "Fremden", "Anderen", "Ausländischen", und zwar bezogen auf die Tagesproduktion des deutschsprachigen Theaters des 19. Jahrhunderts als einer spezifischen medialen Konstellation. Es lässt sich zeigen, dass sich innerhalb weniger Jahrzehnte erhebliche Verschiebungen hinsichtlich der Frage vollzogen, was und wie über Fremde und die Ferne im populären, also auf ein Massenpublikum zielenden Theater gesprochen werden könne. Diese Verschiebungen waren nicht das Resultat von konkreten, im Theater wirksamen staatlichen Zensurbestimmungen oder -maßnahmen. Sie reflektierten vielmehr grundsätzliche Entwicklungen der politischen Ideologie.
Die Zensur und das politisch Korrekte spielen für das Theater keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das Politische, namentlich das politische Theater, ist gut belegt und weitgehend aufgearbeitet, ich habe kein Interesse, das zu wiederholen. Ich hatte vor, einen kleinen Spaziergang entlang der politischen Grenzen des jetzigen Theaters zu machen und die eine oder andere Aufführung zu streifen, die ich gesehen habe. Dabei hatte ich die Zensur keiner Betrachtung wert gefunden, und das politisch Korrekte habe ich im Zusammenhang des Theaters für eine Arabeske gehalten, die ein bißchen bizarr, ein bißchen unverständlich, meist als Anekdote an den Rändern der Theaterpraxis auftaucht. Seit voriger Woche weiß ich, daß ich das falsch beurteilt habe. Vorige Woche habe ich beim Berliner Theatertreffen eine Aufführung aus Leipzig gesehen, die nach dem PC-Gesichtspunkt zensiert war. Ich habe dann mit den Recherchen im Internet begonnen und bin auf eine Plattform gestoßen, die sich Bühnenwatch nennt und die seit 2012 verschiedene Theater wegen Rassismus attackiert hat (Problem Blackfacing). Es gibt auf der Plattform sehr ausführliche Statements zu Aufführungspraxis und Struktur des Theaterwesens, die ich sehr mühsam zu lesen finde, weil sie unentwegt zwischen Richtigem und Falschem, Vernünftigem und Überzogenem mäandern. Ich werde darauf zu sprechen kommen. Ich möchte aber zunächst meinen Spaziergang antreten, vorne, am Anfang, wie ich es geplant hatte, entlang der Begriffe unseres Themas – allerdings in entgegengesetzter Richtung.