Jahrbuch / FVF, Forum Vormärz Forschung - 16.2010
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Rezension zu Georg Herwegh: Werke und Briefe. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Hg. von Ingrid Pepperle in Verbindung mit Volker Giel, Heinz Pepperle, Norbert Rothe und Hendrik Stein. Band 5: Briefe 1832-1848. Bearbeitet von Ingrid Pepperle. Bielefeld: Aisthesis, 2005. Band 6: Briefe 1849-1875. Bearbeitet von Ingrid und Heinz Pepperle. Bielefeld: Aisthesis, 2010.
Nachruf auf Ingo Fellrath
(2011)
Am 6. April 2010 ist Ingo Fellrath gestorben. Mit ihm ging ein profilierter, gesellschaftlich und politisch engagierter und überaus gründlicher Forscher der demokratischen Traditionen in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts und der deutsch-französischen Beziehungen bis ins 20. Jahrhundert von uns.
Das Findenkönnen ist dem Seindürfen verwandt; wo die kulturelle Überformung das Einzelphänomen nur als Bejahung seiner strukturgebenden Funktionen zuläßt, schließt sich das persönliche Detail von den Ausdrucksmitteln ab, in denen es zu sich kommen könnte. Daß Detailerkenntnis nicht mehr Naherkenntnis ist, sondern das Detail den Betrachter gleichsam blind anschaut, läßt sich auf die Möglichkeit übertragen, den Lebensentwurf der Dichterin des Vormärz zu beschreiben: Fanny Lewalds Roman "Jenny" (1843/1872) kann von seiner Protagonistin nicht bruchlos reden, weil die sprachliche Ausdrucksform ihre Brüche dem Verständigungszweck unter ordnet. Sprachliche Kommunikation, die erscheint, hängt dem Störungsfreien an; die unvermeidlichen Mißverständnisse und Fehldeutungen der Sprachbenutzer scheinen zu den gelingenden Kommunikationssituationen nur als Ausnahmen zugelassen zu sein. In diese Situation hinein versucht die Vormärz-Autorin zu sprechen. Ihre Worte suchen einen Ort, den es nicht gibt, den sie schreibend konstituieren muß und doch in dem Wissen, daß keine Reaktionen des etablierten Gefüges ihr freundlich antworten werden. In doppelter Außenseiterposition, als Frau und Jüdin, hängen an ihrer Sprache Wünsche: nach Festigkeit des Ausdrucks, dem Gehörtwerden, dem Blick, der versteht.
Am 13. Oktober 1844 erschien in den liberalen "Sächsischen Vaterlandsblättern" ein Schreiben des suspendierten Priesters Johannes Ronge an Bischof Arnoldi, der in Trier die seit dem Jahre 1800 nicht mehr veranstaltete Ausstellung des "heiligen Rocks Christi" wieder ins Leben rief. [...] Ein regelrechter "Pressekrieg um Ronge" brach aus, in dessen Verlauf immer wieder die Instanz der Zensur angerufen wurde. Zum einen verbunden mit dem Ruf nach Verschärfung der Zensur, zum anderen mit mehr oder weniger offenen Forderungen nach größerem Handlungsspielraum für die Presse. In den folgenden Ausführungen soll der Frage nachgegangen werden, welche Partei in dieser Auseinandersetzung den Widersacher übertönte. Schon das Ausmaß des "Rongeschen Tumults" lässt vermuten, dass die Frage der Pressefreiheit nur einer der dabei zur Sprache gebrachten Aspekte ist. Nach Werner Bein fungierte die Rongesche Bewegung als "ein Rückhalt für die demokratisch-freiheitliche Bewegung" und "Sammelbecken für die Kräfte, die sich nach der Revolution von 1848 eigenständig artikulieren konnten." Ronges Auftritt wurde von den einen als charakteristisch für die "Windbeutelperiode für Deutschland" gebrandmarkt, von den anderen als "ein neues Ostern", ein die "Auferstehung der Nation ankündigender Frühling" gepriesen. Jadwiga Sucharzewska versucht, nachzuvollziehen, welche demokratisch-freiheitlichen Bestrebungen die Veröffentlichung von Ronges Artikel ausgelöst und gefördert hat und auf welche Weise es trotz aller Meinungskontrolle in die schlesische Presse eingedrungen ist.
Die "Börsen-Nachrichten der Ostsee/Ostsee-Zeitung" waren eine der wichtigsten publizistischen Stimmen Pommerns und Preußens. Ihre liberale Haltung und ihr Mut angesichts widriger Umstände machen deutlich, was Journalismus leisten konnte - und leisten sollte. In der publizistischen Konkurrenzsituation während der Medienrevolution 1848/49 war das weltoffene, fortschrittsfreundliche, die alte sogenannte Unparteilichkeit bekämpfende, freiheitliche Blatt führend; es wurde erst unter polizeilichem Druck aufgehalten. Stofffülle und argumentative Kraft der "Börsen-Nachrichten" ringen noch heute Respekt ab.
Hubers Rezensionen für die "Göttinger Gelehrten Anzeigen" bilden ein Durchgangsstadium seiner theoretischen und praktischen Entwicklung ab. Noch war sein sozialpolitischer Standpunkt darin nicht ausgereift, doch dokumentieren sie anschaulich eine Stufe auf dem Weg zu seinen späteren Einsichten: den Überzeugungen vom eingeschränkten Wert konstitutioneller Bestrebungen, der überragenden Bedeutung der sozialen Frage und eines tätigen (protestantischen) Christentums.