150 Psychologie
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Probleme der Idealisierung
(1973)
Im Rahmen der psychoanalytischen Sozialisationstheorie und Sozialpsychologie sind Wesen und Funktionen des "Idealisierens" näher bestimmt worden. Idealbildungen vermitteln zwischen den Triebwünschen der Individuen und der kulturellen Tradition. In der vorliegenden Arbeit wird versucht, progressive und regressive Funktionen, wie sie Idealisierungen im psychischen Haushalt von Einzelnen und Kollektiven erfüllen können, voneinander abzugrenzen und die Bedeutung des Idealisierens für das politische Handeln auszumachen. Zur Illustration dienen Fallskizzen und Verweise auf kollektives Verhalten in Deutschland vor und nach 1945.
Die gesellschaftliche Vorurteilskrankheit "Antisemitismus" wurde bisher psychogenetisch ausschließlich aus der psychosexuellen Entwicklung des Mannes hergeleitet. Zwischen weiblicher Sozialisation (in der die Angst vor Liebesverlust die Kastrationsangst vertritt) und Antisemitismus besteht kein direktes Korrespondenzverhältnis, vielmehr kommt der Antisemitismus bei Frauen nur über ihre Anpassung an Ideologien der Männerwelt zustande.
Entgegen dem radikalen Wahrheitsanspruch der Psychoanalyse, der diese im Hinblick auf ihre theoretischen Annahmen immer wieder zu Revisionen und Veränderungen zwingt, tendieren die meisten Analytiker dazu, die von Freud entworfene Theorie der Weiblichkeit unkritisch zu akzeptieren. Auf diese Weise wird, nicht zuletzt unter dem Druck, den die Psychoanalytiker als soziale Gruppe ausüben, eine »typisch weibliche« Identität festgeschrieben. Solche Festschreibungen verhindern aber die Erkenntnis und überschreitung von Grenzen, in denen die Psychoanalyse bewußtlos eingesperrt ist.
Der Nationalsozialismus hat Integrität und Substanz der Psychoanalyse in Deutschland nachhaltig zerstört. Die Autorin, selber maßgeblich an der Wiedereinführung psychoanalytischen Wissens und am Aufbau psychoanalytischer Institutionen beteiligt, erzählt die Geschichte der mühseligen, von Widerständen und Behinderungen geprägten Neuaneignung der Psychoanalyse in der frühen Bundesrepublik und verweist in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung der Emigranten, die aus Deutschland und Österreich fliehen mußten, und der angelsächsischen Psychoanalyse, vor allem der Londoner »Schulen« um Anna Freud und Melanie Klein.
Die Erotik der Macht
(1991)
Der Fall der Mauer, die Vereinigung der beiden deutschen Staate und die öffentlichen Reaktionen auf den Golfkrieg bilden gemeinsam ein Syndrom, das erneut die Frage aufwirft, wie es in Deutschland um die Fähigkeit zu trauern steht. Die Autorin konstatiert einerseits eine persistierende Abwehr der Zumutung, sich der Vergangenheit erinnernd und trauernd zu vergewissern, andererseits aber auch Anzeichen dafür, daß die individuelle und kollektive Abwehrfront bröckelt und Haltungen fördert, die überlieferte deutsche »Ideale« zunehmend infrage stellen.
Kernprobleme der psychosexuellen Entwicklung der Frau - die über-Ich-Entwicklung; die Entdeckung der Vagina; die Bedeutung des Penisneides; die Rolle des Vaters; die Ungleichbewertung männlicher und weiblicher Kinder; Masochismus und Narzißmus - werden anhand der Resultate neuerer sexualwissenschaftlicher und nachfreudscher psychoanalytischer Untersuchungen diskutiert. Die Veränderungen der sozialen Definition und des Selbstverständnisses der Frauen in den letzten Jahrzehnten haben auf die soziale Matrix der Geschlechtsrollen hinter pseudonatürlichen Determinanten der Ontogenese aufmerksam gemacht.
"Ich bin Feministin"
(1977)
Anhand der - psychologisch wenig ergiebigen - biographischen Literatur über Kar! Kraus kommt Mitscherlich-Nielsen zu dem Schluß, daß der große Kritiker einer latenten Melancholie durch das Nach-außen-Wenden von Gewissens-Aggressionen Herr zu werden suchte. Das eigentümliche Gepräge seiner Beziehungen zu Frauen wie Anni Kalmar oder Sidonie Nadherny resultierte offenbar daraus, daß Kraus Konstellationen bevorzugte, die ihm die Reproduktion traumatischer (zuerst an der Mutter erlebter) Trennungssituationen ermöglichten. Auch Kraus' Lob der Promiskuität wird von der Beziehung zu seiner Mutter hergeleitet.
Die Erforschung der embryologischen Genese der Geschlechtsdifferenzierung und der Physiologie der sexuellen Funktionen beider Geschlechter hat zu Resultaten geführt, die bestimmte sexualtheoretische Thesen falsifizieren, die Freud - fußend auf dem Erkenntnisstand seiner Zeit und geleitet von undurchschauten Ideologien über eine »natürliche" Minderwertigkeit der Frau - entwickelt hatte. Der menschliche Embryo ist primär weiblich organisiert; die Klitoris kann darum nicht als ein ;erkümmerter Penis aufgefaßt werden; beide Geschlechter identifizieren sich primär mit der Mutter; die Vorstellung, Aufgabe der weiblichen Pubertät sei es, die Klitoris durch die Vagina als zentrale Zone sexueller Erregung und Befriedigung abzulösen, ist insofern nicht haltbar, als der »rein" vaginale Orgasmus ein Mythos ist. Die Autorin betont, daß die psychoanalytische Sexual- und Neurosentheorie vor allem mit der psychischen Verarbeitung der biologisch-physiologischen Gegebenheiten zu tun hat. In diesem Rahmen ist in der Tradition eine Unterschätzung der Prägekraft sozialer Ideologien zu verzeichnen.
Theorie in der Krise
(1987)
Kritisiert wird die Enge des Denkens in der institutionalisierten Psychoanalyse. Nur das kontinuierliche In-Frage-Stellen eigener Denkgewohnheiten bietet die Chance, kollektive und individuelle Vorurteilsstrukturen in Ausbildung und Behandlung zu erkennen und die Psychoanalyse aus ihrer geschichtslos ideologisierten Erstarrung zu lösen.
Die Mühsal der Trauer
(1986)
Vor zwanzig Jahren bescheinigte das Ehepaar Mitscherlich den Deutschen die Unfähigkeit zu trauern. Wie sich Verdrängung und Verleugnung der Nazi-Zeit noch heute auswirken, warum sich neuer, alter Antisemitismus wieder regt und die Generation der "weißen Jahrgänge" nicht mit der Erbschuld umzugehen weiß, das untersucht Margarete Mitscherlich im folgenden Beitrag
Sind Frauen masochistisch?
(1977)
Die Autorin untersucht den Einfluß typischer Traumen auf die Entwicklung von Kafkas Begabung. Am Beginn seiner neurotischen Entwicklung standen offenbar der frühe Tod seiner beiden Brüder und die darauf folgende depressive Abkehr der Mutter. Angst und Einsamkeitsgefühle, innere Leere und sadomasochistische Phantasien begleiteten Kafka sein Leben lang. Seine Versuche, dauerhafte Beziehungen zu Frauen einzugehen, mußten scheitern, sofern sie der utopischen Suche nach einer alles verstehenden, bewundernden und schützenden Mutter galten. Einzig im Schreiben, in der literarischen Gestaltung seiner Ängste und Wünsche, in der Herstellung einer Kommunikation mit potentiellen Lesern, fand Kafka Erleichterung und Befriedigung.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die kognitiven und neurophysiologischen Grundlagen des visuellen Arbeitsgedächtnisses (AG) zu untersuchen. Es wurden zwei Studien durchgeführt. In der ersten wurden per Verhaltensdaten die Ressourcen von Manipulationsprozessen im visuellen AG nach Materialart erfasst. Dazu wurden insgesamt sechs Experimente konstruiert. In der zweiten Studie wurden mit zwei Experimenten die neurophysiologischen Grundlagen des visuellen AG per funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) dargestellt. Im Folgenden wird kurz das Modell des Arbeitsgedächtnisses nach Baddeley (1992) erläutert, gefolgt von einer Beschreibung der visuellen Pfade, welche für die Struktur des visuellen AG grundlegend sind. Danach werden die kortikalen Korrelate des visuellen AG skizziert. Anschließend werden aus den dargestellten Befunden die Methoden für die beiden Studien dargestellt und deren Ergebnisse diskutiert. Baddeley (1992) definiert das Arbeitsgedächtnis als ein System für das kurzfristige Halten und Manipulieren von Information, welche für weitere komplexe kognitive Prozesse wie Verstehen, Lernen und Schlussfolgern benötigt wird (Baddeley, 1992). Baddeley und Hitch (1974) entwickelten ein Modell des Arbeitsgedächtnisses, das aus drei getrennten Subsystemen besteht: Einer zentralen Exekutive (ZE), welche als übergeordnetes Aufmerksamkeits-Kontrollsystem arbeitet und die in das aktive Manipulieren von Material involviert ist, wie z.B. die mentale Rotation von Objekten. Dazu wurden zwei Sklavensysteme postuliert, die phonologischen Schleife und der visuell-räumlichen Notizblock (im folgenden visuelles AG genannt). Die phonologische Schleife hält phonologisch basierte Information und der visuell-räumliche Notizblock visuelles Material. Resultate aus psychologischen Experimenten und bildgebenden Studien dokumentieren, dass sowohl die kognitiven wie die neurophysiologischen Grundlagen des visuellen AG auf Basis der Materialart („Was vs. Wo“) und den operierenden kognitiven Prozessen („Halten vs. Manipulieren“) organisiert sind. Das Verhältnis zwischen den beiden Faktoren Material und Prozess ist bisher sowohl für die kognitive als auch für die neurophysiologische Ebene trotz einer Vielzahl an Untersuchungen umstritten. Im folgenden Abschnitt werden knapp die für die Struktur des visuellen AG wichtigen parallelen perzeptuellen Bahnen beschrieben. Eine funktionelle Trennung der visuellen Wahrnehmung erfolgt bereits in der Retina. Magnozelluläre Ganglienzellen sprechen vor allem auf Luminanzunterschiede an, parvozelluläre auf Wellenlängenunterschiede (Livingstone und Hubel, 1987). Kortikal wird die visuelle Information weiter in parallelen Bahnen verarbeitet. Eine ventrale Bahn analysiert vor allem Form und Farbe („Was“), eine dorsale die räumliche Position von Objekten und Bewegungen („Wo“, Ungerleider und Mishkin, 1982). Es konnte demonstriert werden, dass die Aufteilung der visuellen Wahrnehmung in eine ventrale und dorsale Bahn auch für höhere kognitive Prozesse wie das Halten von Information im visuellen AG erhalten ist (Della Sala et al., 1999). Die Autoren fanden bei neuropsychologischen Patienten Doppel-Dissoziationen in der Bearbeitungsleistung von Arbeitsgedächtnistests, welche sensitiv für das Halten von ventraler und dorsaler perzeptuelle Information sein sollten. Zusätzlich validierten die Autoren die Tests mit Interferenzaufgaben an Gesunden. Die Leistungen beider Tests wurden jeweils durch verschiedene Arten von Interferenz (räumliche vs. visuelle) beeinträchtigt. Somit konnte demonstriert werden, dass das Halten im visuellen AG nach Materialart getrennte Ressourcen aufweist. Ungeklärt ist, ob diese Trennung auch für aktive Prozesse wie das Manipulieren bestehen bleibt. Auch in den kognitiven Neurowissenschaften ist die Organisation der neurophysiologischen Grundlagen des Arbeitsgedächtnisses umstritten. Es fanden sich in einer Reihe von Studien deutliche Hinweise, dass der frontale Kortex (FK) eine zentrale Rolle für das visuelle AG einnimmt (Bauer und Fuster, 1976). Eine Vielzahl an Studien erbrachte allerdings widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich der funktionalen Organisation des FK nach Material („Was vs. Wo“, domänspezifische Theorie, Goldman-Rakic, 1987) und Prozessart („Halten vs. Manipulieren“, prozessspezifische Theorie, Petrides, 1994). Studien, die demonstrierten, dass der ventrolaterale FK für das Halten von Objekten und der dorsolaterale für das Halten von räumlichen Relationen spezialisiert ist (Courtney et al., 1998), konnten nicht immer bestätigt werden (DEsposito et al., 1998). Es konnte allerdings gezeigt werden, dass das verwendete Stimulusmaterial in den Experimenten großen Einfluss auf die Ergebnisse hatte und dass vor allem ein Defizit in der Konstruktion von ventralen Stimuli bestand, welche nur wenige räumliche Bestandteile beinhalteten (Sala, Rämä und Courtney, 2003). Somit ist diese unklare Befundlage unter anderem auf den Mangel an geeigneten Paradigmen zur Untersuchung vom Halten und Manipulieren ventraler Information zurückzuführen. Mit Studie 1 sollte per Verhaltensdaten untersucht werden, ob Prozesse der Manipulation auf materialspezifisch getrennten, kognitiven Ressourcen basieren. Die Studie bestand aus sechs Experimenten. Die ersten drei bestanden aus einer Dual-Aufgabe, in der ventrale und dorsale Information einzeln oder synchron manipuliert werden mussten. Die Manipulation ventraler Information wurde über das Mischen von Farben erfasst, die Manipulation dorsalen Materials über das mentale Rotieren von Halbkreisen. Zur Kontrolle von perzeptuellen und seriellen Lösungsstrategien wurden drei Varianten des Experimentes konstruiert, welche sich in der zeitlichen Darbietung der Stimuli unterschieden. In den Dual-Bedingungen der Experimente 1-3 trat keine Interferenz auf. Dieses Resultat unterstützt die Annahme getrennter, materialspezifischer kognitiver Ressourcen für das Manipulieren visuellen Materials. Im vierten Experiment mussten die Probanden eine räumlich-räumliche Dual-Aufgabe bearbeiten. In der Dual-Bedingung von Experiment 4 entstand Interferenz, da beide Aufgaben das gleiche dorsale System im visuellen AG beanspruchen. Zwei zusätzliche Experimente wurden zur Kontrolle der untersuchten Prozesse konstruiert (Experimente 5 und 6). Mit ihnen sollte überprüft werden, in welchen Umfang Prozesse des Manipulierens und des Haltens der visuellen Stimuli (Farbe und Rotation) auf Ressourcen der phonologischen Schleife und der zentralen Exekutive basieren. Es wurde dokumentiert, dass weder das Halten noch das Manipulieren des Materials die phonologische Schleife in Anspruch nimmt. Die Manipulation des visuellen Materials beruhte im Gegensatz zu deren Halten auf zentral-exekutive Ressourcen. Die Resultate zeigen, dass die materialspezifische Aufteilung der visuellen Verarbeitung auch für höhere kognitive Prozesse des Manipulierens erhalten ist und dass sich das Manipulieren im Ausmaß der benötigten zentral-exekutiven Ressourcen vom Halten unterscheidet. Studie 2 beschäftigte sich mit der funktionellen Organisation der neurophysiologischen Grundlagen des visuellen AG. Auf Basis des für Studie 1 entwickelten ventralen und dorsalen Halten- und Manipulationsparadigmas wurden zwei Experimente für das fMRT konstruiert. Im ersten Experiment mussten die Probanden Farben und räumliche Orientierungen halten, im zweiten Experiment mussten sie beide Materialarten manipulieren. Es konnte aufgezeigt werden, dass die Aufteilung des FK materialspezifisch erfolgt. Das Halten und Manipulieren der Farbinformation aktivierte Regionen um den Sulcus frontalis inferior, das Halten und Manipulieren des räumlichen Materials beanspruchte Regionen in der Nähe des Frontalen Augenfeldes (Kreuzung des Sulcus praecentralis / Sulcus frontalis superior). Der Kontrast zwischen Halten und Manipulieren erbrachte keine solche dorso-ventrale Dissoziation des FK. Die Ergebnisse der Verhaltens- und fMRT-Daten beider Studien verdeutlichen die Organisation der kognitiven und neurophysiologischen Ressourcen des FK nach Materialart, aufbauend auf dem ventralen und dorsalen perzeptuellen Pfad. Das Ergebnis der vorliegenden Studie bestätigt frühere Untersuchungen zur Organisation des FK (Courtney et al., 1998) und erweitert die bisherigen Resultate dahingehend, dass der FK auch für Manipulationsprozesse materialspezifisch organisiert ist.
Interpret und kreativer Lückenfüller : wie optische Illusionen in der Großhirnrinde entstehen
(2005)
Optische Täuschungen sind nicht nur kuriose Beispiele dafür, wie leicht unser ahrnehmungsapparat »ausgetrickst« werden kann, sie werden seit langem von Psychologen und Kognitionsforschern genutzt, um das visuelle System und seine neurophysiologischen Prinzipien zu erforschen. Auch Scheinbewegungen gehören zu diesen Täuschungen: Sie entstehen durch den schnellen Wechsel statischer Bilder. Frankfurter Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung konnten mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie zeigen, wie das Gehirn die Illusion einer Bewegung erzeugt, obwohl der gebotene Reiz nur aus benachbarten, abwechselnd aufblinkenden Quadraten bestand. Hier wird nicht nur das konstruktive Prinzip deutlich, mit dem das visuelle System arbeitet, mehr noch: Die Großhirnrinde betätigt sich als »kreativer Lückenfüller«, der aktiv fehlende Sinnesdaten zu »plausiblen« Gesamteindrücken ergänzt.
Ueber Entartung
(1900)
Wörter flüssig und genau lesen zu können ist ein wichtiger Meilenstein beim Lesenlernen, den jedoch nicht alle Kinder erreichen. Schwachen Leser/innen bereitet es oft Schwierig-keiten, den Übergang vom buchstabenweisen Einlesen hin zur visuellen Worterkennung durch orthografische Vergleichsprozesse anhand größerer (sub-)lexikalischer Einheiten zu schaffen. Dabei ermöglicht die Silbe Kindern, die im Deutschen lesen lernen, den Einstieg in orthografische Vergleichsprozesse. Vor diesem Hintergrund untersuchte diese Replikations-studie in einem experimentellen Prä-Post-Design die Wirksamkeit eines silbenbasierten Le-setrainings auf die visuelle Worterkennung und das Leseverständnis von Zweitklässler/innen. Dazu wurden 101 Kinder, deren Worterkennungsleistung in einem standardisierten Lesetest im Vergleich zur Klassennorm unter dem Mittelwert lag, randomisiert der Experimental- oder Wartekontrollgruppe zugewiesen. Die Ergebnisse linearer Modelle nach Abschluss des 24 Sitzungen umfassenden Kleingruppentrainings zeigen signifikante Verbesserungen der orthografischen Vergleichsprozesse in der Experimentalgruppe. Demnach gelang es Kindern, die das Training des wiederholten Lesens und Segmentierens frequenter Silben erhalten hat-ten, Wörter schneller und genauer zu erkennen. Dieser Befund stellt einen weiteren Beleg für die Wirksamkeit des Trainings zur Förderung der Erkennung geschriebener Wörter dar.
Reflexive Freud-Orthodoxie
(2011)
Rezension zu: Sergio Benvenuto: Perversionen. Sexualität, Ethik und Psychoanalyse. Wien u.a.: Verlag Turia + Kant 2009. 254 Seiten, ISBN 978-3-85132-549-2, € 29,00
Abstract: Sergio Benvenuto entkoppelt die beiden Bereiche Moral und Perversion – um stattdessen ein basales Verhältnis von Ethik und Perversion zu skizzieren. Dieses diskutiert er zum einen im Rückgriff auf die freudsche Psychoanalyse. Zum anderen greift der Autor auf sozial- und moralphilosophische Erwägungen zurück. In erster Linie erweist sich der Kantische Imperativ als wegweisend für die letztlich favorisierte soziale Verhältnisbestimmung von Moral, Sexualität und Perversion.
Die Wahrnehmung von Objekten gelingt uns jeden Tag unzählige Male – zumeist rasend schnell und problemlos. Obwohl fast immer mehrere unserer Sinne gleichzeitig bei ihrer Wahrnehmung angesprochen werden, erscheinen uns diese Objekte dennoch als ganzheitlich und geschlossen. Für die neuronale Verarbeitung eines bellenden Hundes zum Beispiel empfängt die Großhirnrinde zumindest Eingangsdaten des Seh- und des Hörsystems. Sie werden auf getrennten Pfaden und in spezialisierten Arealen mit aufsteigender Komplexität analysiert. Dieses Funktionsprinzip der parallel verteilten Verarbeitung stellt die Wissenschaftler aber auch vor das so genannte »Bindungsproblem«: Wo und wie werden die Details wieder zu einem Ganzen – zu einer neuronalen Repräsentation – zusammengefügt? Am Institut für medizinische Psychologie der Universitätsklinik Frankfurt untersuchen Neurokognitionsforscher die crossmodale Objekterkennung mit einer Kombination modernster Verfahren der Hirnforschung und kommen dabei den Ver - arbeitungspfaden in der Großhirnrinde auf die Spur.
Schulkinder mit einem türkischen Migrationshintergrund zeigen im deutschen Bildungssystem einen spezifischen Leistungsnachteil: Während der Leistungsnachteil von Schulkindern mit einem Migrationshintergrund aus anderen Ländern durch Hintergrundvariablen wie beispielsweise dem SES aufklärbar ist, ist der Leistungsabstand zwischen Schulkindern mit einem türkischen Migrationshintergrund und Schulkindern ohne Migrationshintergrund nicht nur stärker ausgeprägt, sondern zudem nicht durch die bisher betrachteten Hintergrundvariablen aufklärbar. Daher erscheint die Suche nach Gründen für diesen spezifischen Leistungsnachteil bei Prozessen des vorschulischen Kompetenzerwerbs notwendig.
Eine Voraussetzung für schulischen Erfolg ist Selbstkontrolle, also die Fähigkeit, eine Handlungstendenz für das Erreichen eines anderen Zieles zu unterdrücken. Kinder, die bereits im Kindergartenalter eine gut ausgeprägte Selbstkontrolle aufweisen, zeigen in ihrem späteren Leben bessere Schulleistungen als Kindergartenkinder mit einer geringeren Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle könnte bei Kindern mit einem türkischen Migrationshintergrund durch kultur- und/oder migrationsspezifische Faktoren geringer sein als die von Kindern ohne Migrationshintergrund. Als kulturspezifischer Faktor ist beispielsweise eine geringere Bewertung von Selbstkontrolle im türkischen Erziehungssystem möglich; als migrationsspezifischer Faktor kommt eine Verminderung der Selbstkontrolle durch migrationsbedingte Stressoren in Betracht.
Daher war die zentrale Frage der vorliegenden Dissertation, ob Kindergartenkinder mit einem türkischen Migrationshintergrund eine geringere Selbstkontrolle zeigen als Kindergartenkinder ohne Migrationshintergrund. Ein bewährtes Paradigma zur Erfassung von Selbstkontrolle bei Kindergartenkindern ist der Belohnungsaufschub, die Fähigkeit auf eine sofortige, kleinere Belohnung zugunsten einer späteren aber größeren Belohnung zu verzichten. In einer Literaturübersicht (Artikel 1) wurde sich mit verschiedenen Paradigmen zur Erfassung des Belohnungsaufschubes beschäftigt. Dabei wurden Probleme in der konvergenten Validität der bestehenden Methoden festgestellt. Das Warteparadigma scheint den Belohnungsaufschub im Kindergartenalter am adäquatesten zu erfassen, zeigt jedoch nur eine geringe Re-Test Reliabilität. Aus diesem Grund wurde eine neue Variante der klassischen Warteaufgabe, die Sanduhraufgabe, auf ihre prognostische Validität und Re-Test Reliabilität geprüft (Artikel 2). Die Sanduhraufgabe, gemessenen im Kindergartenalter, besitzt eine ausreichende Re-Test Reliabilität und Vorhersagekraft für mathematische Kompetenzen und Verhaltensauffälligkeiten am Ende der ersten Klasse.
Mit dieser Aufgabe wurde die zentrale Frage der vorliegenden Dissertation, ob Kindergartenkinder mit einem türkischen Migrationshintergrund eine geringere Selbstkontrolle zeigen als Kindergartenkinder ohne Migrationshintergrund, untersucht (Artikel 3). Zur Differenzierung zwischen kultur- und migrationsspezifischen Faktoren wurde hierbei die Selbstkontrollfähigkeit von Kindergartenkindern mit unterschiedlichem Migrationshintergrund (türkisch vs. andere) verglichen sowie die von deutschen und türkischen Kindern ohne Migrationshintergrund. Die in Deutschland untersuchten Gruppen (ohne Migrationshintergrund, türkischer Migrationshintergrund und Migrationshintergrund aus anderen Ländern) unterschieden sich nicht in ihrer Selbstkontrolle. Damit scheint der spezifische Leistungsnachteil von Kindern mit einem türkischen Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem nicht durch vorschulische Unterschiede in der Fähigkeit zur Selbstkontrolle erklärbar zu sein. Allerdings wiesen die türkischen Kinder ohne Migrationshintergrund eine geringere Selbstkontrolle auf als die deutschen Kinder ohne Migrationshintergrund. Die Ergebnisse wurden bezüglich ihrer Aussagekraft über mögliche kultur- und migrationsspezifische Einflussfaktoren auf die Selbstkontrolle von Kindergartenkindern diskutiert.
Dopaminerge Neurone sind vor allem im Mittelhirn lokalisiert und modulieren die Funktion der Basalganglien, welche eine wichtige Rolle bei motorischem, kognitivem und emotionalem Verhalten spielen. Eine Dysregulation dopaminerger Neurotransmission, speziell die veränderte Belohnungsverarbeitung, spielt eine zentrale Rolle in der Ätiopathogenese der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS), die im Erwachsenenalter häufig durch Komorbiditäten wie affektive Störungen, Angststörungen, Substanzgebrauch-Störungen, Persönlichkeitsstörungen oder Adipositas geprägt ist. Im Rahmen einer Teilstudie eines multizentrischen europäischen Projekts, CoCA (englisch: Comorbid Conditions in ADHD) genannt, soll die Modulation des dopaminergen Belohnungssystems bei gesunden Probanden durch einen pharmakologischen Provokationstest geprüft werden. Die funktionelle Magnetresonanztomographie (MRT) stellt hierbei ein nützliches bildgebendes Verfahren dar, das nicht-invasiv und bei hoher örtlicher Auflösung Veränderungen des sogenannten BOLD-Signals (englisch: blood oxygen level dependent) misst.
Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern das dopaminerge Belohnungssystem durch einen pharmakologischen Provokationstest mit einem Dopaminagonisten sowie einem Dopaminantagonisten im Vergleich zu Placebo zu modulieren ist. Dazu wurde die BOLD-Antwort mittels funktionellem MRT während eines Gewinnspiels (Monetary Incentive Delay Tasks) mit inbegriffener Antizipations- und Feedback-Phase erforscht. Es wurde zuvor postuliert, dass sich die Aktivität belohnungsabhängiger Strukturen (wie ventrales Striatum, Putamen, Caudatus, anteriore Insula und medialer präfrontaler Kortex) während des Monetary Incentive Delay Tasks in einem pharmakologisch neutralen Haupteffekt reproduzieren lässt. Außerdem wurde ein Unterschied im Aktivitätsniveau des Belohnungssystems unter Pharmaka-Administration versus Placebo erwartet, sodass unter Amisulprid eine Dämpfung, und unter Levodopa eine Aktivitätssteigerung dessen darstellbar werden sollte.
Ein kontrolliert randomisiertes, doppelblindes Cross-over-Studiendesign, umfasste 45 gesunde Probanden, die durchschnittlich circa 23 Jahre alt (SD = 2,71 Jahre) waren. Die Studienteilnehmer absolvierten einen pharmakologischen Provokationstest mit Levodopa (100mg/ 25mg Carbidopa), Amisulprid (200mg) und Placebo sowie anschließender fMRT-Messung in einem 3 Tesla Scanner in randomisierter Reihenfolge. Die Analyse der fMRT-Daten erfolgte anhand von zwei primär definierten Kontrasten: Antizipation Gewinnbedingung > Feedback Gewinnbedingung und Antizipation Gewinnbedingung > Antizipation Kontrollbedingung zur Untersuchung von Belohnungserwartung und Feedback mittels der gemessenen BOLD-Antworten. Das verwendete GewinnspielParadigma, Monetary Incentive Delay Task genannt, erlaubt hierbei eine Beobachtung verschiedener Anteile der Belohnungsverarbeitung.
Im Haupteffekt der beiden Kontraste konnte eine signifikante BOLD-Aktivität in belohnungsabhängigen Gehirnregionen wie Putamen, anteriore Insula und Thalamus dargestellt werden. Unter Amisulprid-Administration konnte ein signifikanter dämpfender Effekt im Vergleich zu Placebo gezeigt werden. Für Levodopa ergab sich wider Erwarten jedoch kein signifikanter Unterschied im Aktivitätsniveau des Belohnungssystems.
Die vorhandenen Ergebnisse der durchgeführten Studie bieten eine Basis, die veränderte Regulation dopaminerger Neurotransmission im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen besser zu beurteilen und weiter zu erforschen. Um ADHS mit seinen Komorbiditäten umfänglicher zu erfassen, ist es unvermeidbar, den Pathomechanismus der Dysregulation dopaminerger Neurotransmission, mit der daraus folgenden veränderten Belohnungsverarbeitung, in zukünftigen Studien genauer zu untersuchen.
Zur Integration der Freudschen Psychoanalyse in die Programmatik einer Theorie der Bildungsprozesse
(1975)
Zentrale Konzepte der Tourismusforschung : unter besonderer Berücksichtigung des Sporttourismus
(2006)
Die Arbeit gliedert sich insgesamt in vier Teile: einen Einführungsteil, zwei Hauptteile und einen Abschlussteil: Der einführende Teil A erläutert die theoretischen Grundlagen des Tourismus. Hier wird der Tourismus als komplexes Phänomen in seinen verschiedenen Facetten beschrieben. Dazu werden definitorische und explikative Beschreibungen des Phänomens herangezogen, seine Besonderheiten und seine Entstehung in der zeitlichen Perspektive dargestellt und seine aktuelle ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung aufgezeigt. Teil B bildet den ersten Schwerpunkt der Arbeit und beschreibt die fünf bereits genannten zentralen touristischen Konzepte aus psychologischer Perspektive: Die „Reisemotivation“, die „Reiseentscheidung“, die „Reisezufriedenheit“ sowie die „Urlaubertypologien“ und die „Reisebiographien“. Alle Konzepte werden in ihren Grundlagen und Anwendungen auf den Tourismus dargestellt und mit Hilfe grundlegender psychologischer Erkenntnisse erklärt. Teil C thematisiert den zweiten Schwerpunkt der Arbeit. Eine besondere Teildisziplin des Tourismus, der Sporttourismus, wird als eigenständiges Phänomen vorgestellt. Darüber hinaus werden psychologische Erklärungsansätze für vielfältiges sporttouristisches Verhalten aufgezeigt. Ergebnisse empirischer Untersuchungen zeigen die besondere Situation des Sporttourismus auf, sie orientieren sich dabei an den in Teil B vorgestellten Konzepten. Der vierte Teil D stellt eine abschließende Würdigung der vorliegenden Arbeit dar.
Ausgehend von dem gesellschaftlichen Problem des Übergewichts im Kindesalter wird die besondere Bedeutung und Verantwortung des Sportunterrichts für diese Klientel herausgestellt. Dabei wird die These vertreten, dass der Sportunterricht seinem Auftrag nur dann gerecht werden kann, wenn es gelingt, auch übergewichtigen Kindern positive Erfahrungen in Bezug auf Bewegung, Spiel und Sport zu vermitteln. Im Rahmen dieses sportpädagogischen Problemfeldes wurde zunächst ein Fragebogen konzipiert und validiert, der das Wohlbefinden als Indikator für positive Erfahrungen übergewichtiger Schüler mit dem von normalgewichtigen Kindern vergleicht (n = 336). Eine anschließende qualitative Untersuchung in Form von Leitfadeninterviews (mit acht übergewichtigen/adipösen Kindern) ergänzt und konkretisiert die Ergebnisse.
Als wesentliches Resultat konnte die Erkenntnis gewonnen werden, dass das Wohlbefinden – gemessen durch ein faktorenanalytisch generiertes Modell mit den drei Faktoren „Sportunterricht/Sportlehrer“ (Faktor I), „sportliches Selbstwertgefühl“ (Faktor II) und „Mitschüler/Schulzufriedenheit“ (Faktor III) – keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gewichtsklassen zeigt (Faktor I p = .57; Faktor II p = .04; Faktor III p = .23). Übergewichtige Schüler fühlen sich demnach nicht weniger wohl als ihre normalgewichtigen Klassenkameraden, in der Skala sportliches Selbstwertgefühl erzielten sie sogar höhere Werte (Normalgewichtige m = 2,06 ± 0,96; Übergewichtige m = 2,27 ± 0,89). Trotz dieses positiven Befundes verspüren Übergewichtige durchaus so manche Unzufriedenheit. Die Frage nach der Wichtigkeit der bzw. der Zufriedenheit mit den Komponenten Sportunterricht, eigene sportliche Leistung, Zusammenarbeit mit den Mitschülern, Figur und Sportlehrer machte deutlich, dass den Übergewichtigen Figur und sportliche Leistung sehr wichtig sind, sie jedoch nur bedingt damit zufrieden sind. Die Unterschiede in den entsprechenden Skalen erwiesen sich als hoch signifikant (Figur p = .00 d = .28; sportliche Leistung p = .01 d = .29). Die Überprüfung der Frage F1.2 hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Aussagen zum Wohlbefinden lieferte lediglich ein signifikantes Ergebnis (p = .01) mit mittlerem Effekt (d = .48). Übergewichtige Mädchen gaben im Faktor „Mitschüler/Schulzufriedenheit“ höhere Werte an (m = 3,27 ± 0,66) als übergewichtige Jungen (m = 2,93 ± 0,75). Daraus lässt sich schließen, dass sich die weiblichen Übergewichtigen besser von ihren Mitschülern verstanden und unterstützt fühlen und sie eine allgemein größere Schulzufriedenheit verspüren als die männliche Vergleichsgruppe.
Die Auswertung in Bezug auf die Herkunft der Schüler lieferte keine signifikanten Ergebnisse. Dieser Befund deutet auf eine gelungene Integration der ausländischen Schüler hin, die aber möglicherweise aufgrund des hohen Ausländeranteils im Stadtgebiet Offenbach nicht repräsentativ ist.
Die Auswertung der Interviews zeigte, dass der positive Selbstwert auf ein hohes Maß an sozialer Anerkennung zurückzuführen ist. Entgegen zahlreichen theoretischen Vorannahmen berichtete kein Kind von anhaltenden Diskriminierungen oder Schamgefühlen aufgrund seines Gewichts. Die Bedeutung der eigenen sportlichen Leistung zeichnete sich mehrfach als Schlüsselkriterium im Umgang mit der pädagogischen Herausforderung, dem Erschaffen eines Problembewusstseins, ohne den Selbstwert und die Freude am Sporttreiben zu trüben, ab. Übergewichtige Kinder messen der Leistung einen hohen Stellenwert bei und erkennen in der Hoffnung einer möglichen Verbesserung, dass eine Reduktion des Gewichtes vorteilhaft ist.
Studentische Lehrevaluationsergebnisse sind ein weit verbreitetes Maß, um die Qualität universitärer Lehre zu erfassen. Diese Ergebnisse werden unter anderem dafür genutzt, Entscheidungen für die Modifikation des Lehrangebots zu treffen oder die Vergabe der Leistungsorientieren Mittelvergabe mitzubestimmen. Aufgrund dieser relevanten Folgen wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, wie ein angemessener Validierungsprozess bezüglich studentischer Lehrevaluationsergebnisse gestaltet werden könnte.
Bisherige Validierungsstudien zu studentischen Lehrevaluationsinventaren fokussierten sich meist auf die Überprüfung verschiedener Validitätsarten (inhaltsbezogene, kriteriumsbezogene oder faktorielle) und die Erfassung der Messfehlerfreiheit.
Allerdings ist zum einen zu hinterfragen, ob diese Ansätze grundsätzlich für alle Inventare geeignet sind. Weiterhin hat sich das Verständnis von dem verändert, was unter Validität verstanden wird: Von der Annahme von Validität als Testeigenschaft, verschiedener Validitätsarten und binärer Aussagen auf Basis von Einzelbefunden hin zu dem Verständnis von Validität bezogen auf die Testwert-Interpretation und Verwendung, zu einem einheitlichen Validitätskonzept und zu einer Validitäts-Argumentation. Diese Veränderungen werden in den neueren argumentationsbasierten Validitätsansätzen berücksichtigt und bieten einen Rahmen, der auf die jeweilige Intention ausgerichtet ist, einen Test oder Fragebogen einzusetzen.
Auf Grundlage dieser argumentationsbasierten Ansätze wird in dieser Arbeit die Interpretation studentischer Lehrevaluationsergebnisse überprüft, die als das Ausmaß an qualitätsbezogener Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Durchführung einer Lehrveranstaltung und der Vermittlung von Lehrinhalten angesehen werden. Der Validierungsprozess wird anhand der Lehrevaluationsdaten des Frankfurter Promotionskollegs am Fachbereich Medizin dargestellt. Dieser Prozess bestätigte weitgehend die beabsichtigte Interpretation, zeigte aber auch eine zumindest teilweise Revision des Inventars und eine weitere Überprüfung an. Eine Validierung bezüglich der Verwendung der Lehrevaluationsergebnisse sowie der auf diesen basierenden beabsichtigten Konsequenzen wird in einer Folgestudie überprüft.
Anhand dieser Arbeit wird Anwendern und Entwicklern von Lehrevaluationsinventaren eine Her- und Anleitung für den Validierungsprozess gegeben und die Vorteile argumentationsbasierter Ansätze aufgezeigt.
Eine in der Forschung häufig gestellte Frage ist, welche schädlichen Auswirkungen Ärger und vor allem Ärgerausdruck haben kann. Bei Ärgerausdruck wird dabei typischerweise in nach innen gerichteten (anger-in) und nach außen gerichteten Ärger (anger-out) unterschieden. Hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen gibt es Hinweise dafür, dass beide typischen Ärgerausdrucksformen - sowohl nach innen als auch nach außen gerichteter Ärger - mit Risiken für das kardiovaskuläre System einhergehen. Allerdings ist die Vorhersagekraft einzelner Variablen nur sehr gering, so dass die Kombination von Variablen vielversprechender wirkt. Ein aktuell diskutiertes Risikocluster für koronare Herzkrankheiten ist das Typ D-Konstrukt. In Studie 1 wurden die Zusammenhänge von Typ D und Ärger und Ärgerausdruck in einer klinischen sowie einer nichtklinischen Stichprobe mit Hilfe von Fragebögen überprüft. In beiden Teilstichproben wies Typ D Beziehungen mit Ärger und Ärgerunterdrückung sowie offenem Ärgerausdruck auf. Ärger und Ärgerausdruck scheinen also auch im Typ D-Konzept eine wichtige Rolle zu spielen. Außer Belegen für gesundheitliche Auswirkungen von Ärgerausdruck wurden in jüngerer Zeit auch Hinweise auf Einflüsse auf Leistungsaspekte gefunden. Forschung aus dem Bereich der Emotionsregulation wies darauf hin, dass respondente Emotionsregulation, d.h. die Regulierung des emotionalen Ausdrucks ohne Änderung der erlebten Emotion, eine negative Wirkung auf die Bewältigung von kognitiven Aufgaben haben kann. In Studie 2 und Studie 3 wurde untersucht, ob sich auch für die respondente Regulierung des Ärgerausdrucks ein Effekt auf Leistungsvariablen feststellen lässt. Es wurde davon ausgegangen, dass sich ein inkongruenter Ärgerausdruck, also ein Ausdruck, der mit dem erlebten Ärger nicht übereinstimmt, leistungsreduzierend auswirkt. Ärger wurde mittels Provokation eines Konföderierten induziert. Der Ärgerausdruck wurde durch die Instruktion manipuliert, während einer der kognitiven Aufgabe zusätzlich eine bestimmte Emotion (ärgerlich oder neutral) darzustellen. Im Sinne der Annahme ließen sich nach inkongruentem Ärgerausdruck Defizite in der freien Erinnerung und im Zahlenverbindungstest finden. Die durchgeführten Studien sprechen dafür, dass Ärgerausdruck sowohl nach außen als auch nach innen gerichtet schädliche für Gesundheit und Leistung sein kann, wenn er übertrieben oder mit dem eigenen Erleben inkongruent ist.
Als Ausgangspunkt dieser Arbeit dienen Ansätze, die eine narrative Perspektive für das Verständnis von Psychopathologie und die psychotherapeutische Praxis vorschlagen. Im Hinblick auf die Fragen, welche Vorteile die Analyse von Patient*innenerzählungen bieten kann, und durch welche Merkmale psychopathologische Narrative sich auszeichnen, wird ein Überblick über ausgewählte Fallberichte, empirische Untersuchungen und theoretische Überlegungen gegeben. Diese werden unter den drei Kategorien Kohärenz, „Agency“ und Perspektiven beschrieben. Die Arbeit mag einen Impuls geben, ein tieferes Verständnis für narrative Dysfunktionen zu entwickeln und ihre Ursprünge sowie ihre Bedeutung für psychische Störungen und deren Behandlung vermitteln.
Die Zunahme an Gewalttaten, insbesondere durch Kinder und Jugendliche, wird in der öffentlichen und pädagogischen Diskussion weithin beklagt. Zwar zeigen zeitvergleichende Analysen, dass von einer dramatischen Erhöhung der Gewalhandlungen keine Rede sein kann; eher ist die öffentliche Sensibilität für derartige Vorfälle gestiegen. Andererseits gibt es erschreckende Beispiele für besonders brutale Übergriffe, die im öffentlichen Bewusstsein naturgemäß dominieren. Eindeutig zugenommen haben in den letzten Jahren politisch motivierte Gewalttaten, insbesondere mit rechtsextremistischem Hintergrund. Doch unabhängig davon, ob und wo die Zahl der Gewalthandlungen angestiegen ist, beinhaltet jede einzelne Tat einen Angriff auf die Menschenwürde und die politische Kultur und ruft deshalb nach Gegenmaßnahmen.
Basierend auf dem kognitiv-motivationalen Prozessmodell von Vollmeyer und Rheinberg (1998) werden zwei Studien vorgestellt, die sich mit dem selbst regulierten Lernen mit Multimedia im Physikunterricht beschäftigen. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell beschreibt, wie die Eingangsmotivation über Mediatorvariablen auf die Leistung, in diesem Fall den Wissenserwerb, wirkt. Wie in früheren Studien gezeigt werden konnte, besteht die Eingangsmotivation aus vier voneinander unabhängigen Faktoren: Herausforderung, Interesse, Erfolgswahrscheinlichkeit und Misserfolgsbefürchtung. Als Mediatorvariablen wurden in beiden Studien die von Schülern verwendeten Strategien, der motivationale Zustand während des Lernens und der funktionale Zustand während des Lernens angenommen. Bei den Strategien handelt es sich genauer gesagt um das beobachtbare Verhalten der Schülers während des Lernens. Mit Motivationalem Zustand sind die gleichen Faktoren wie bei der Eingangsmotivation gemeint, nur dass jetzt die Lerner schon Erfahrung mit der Aufgabe haben. Der funktionale Zustand gibt an, wie sehr ein Lerner auf die Aufgabe konzentriert ist. Ein Konstrukt, das diesen Zustand gut beschreibt, ist Csikszentmihalyis Flow. Ziel der Pilotstudie war es, das Lernen im Schulalltag mit einem Physikprogramm am Computer zu untersuchen. Dazu wurden folgende Hypothesen aufgestellt: 1) Die Eingangsmotivation wirkt auf die Mediatoren. 2) Die Mediatoren wirken auf die Leistung. 3) Die Eingangsmotivation wirkt auf die Mediatoren und diese wiederum auf die Leistung (Prüfung des Prozessmodells). 4) Es gibt Geschlechtsunterschiede bei den Variablen: Eingangsmotivation, hier insbesonders beim Interesse, den Mediatoren und der Leistung. Schüler sollten bei allen Variablen besser abschneiden. In der Pilotstudie hatten 32 SchülerInnen einer 11. Klasse 30 Minuten Zeit, sich ein Physiklernprogramm zum Thema Drehmomente (Wünscher & Ehmke, IPN Kiel, 2002) selbständig zu erarbeiten. Neben der Eingangsmotivation vor Beginn des Lernens (FAM, Rheinberg, Vollmeyer & Burns, 2001) wurde die Motivation und Flow während des Lernens gemessen (FKS; Rheinberg, Vollmeyer & Engeser, 2003; 8 Items aus dem FAM). Die Vorgehensweise am PC wurde mit Hilfe eines Videoüberwachungsprogramms (ScreenVirtuoso) und eines Monitoringprogramms (StatWin) aufgezeichnet. Indikatoren für das Lernen waren die im Anschluss an die Bearbeitung des Lernprogramms in einem Lernfragebogen zu der Lerneinheit erzielte Punktzahl. Als Kontrollvariable wurde zu Beginn das Vorwissen erfasst. Indikatoren für die Strategien waren a) die Schnelligkeit der Bearbeitung (Anzahl der bearbeiteten Abschnitte und Bearbeitungszeit der einzelnen Abschnitte), b) die Aktivität (Mausklicks) und c) die Verwendung der Animationen (Schnelligkeit des Auffindens, Anzahl, Länge und Art und Weise der Nutzung). Die Hypothesen konnten bestätigt werden. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell konnte in den meisten Teilen bestätigt werden: Die Eingangsmotivation, vor allem das Interesse, wirkt über Mediatoren, hier besonders über die verwendeten Strategien, auf die Leistung. Die Geschlechtsunterschiede beim Lernen mit einem Physikprogramm am PC (in der Eingangsmotivation, den Vorgehensweisen, und der gezeigten Leistung) waren stärker als erwartet zu Gunsten der Schüler. Die Geschlechtsunterschiede waren bei allen Variablen signifikant. Damit Schülerinnen in dem untersuchten Bereich zukünftig bessere Ergebnisse erzielen, könnte es hilfreich sein, ihr situationales Interesse und die Erfolgszuversicht zu erhöhen. In der Hauptstudie wurde daher der Versuch gemacht, durch eine Veränderung der Instruktion die Motivation, besonders die der Schülerinnen, beim Arbeiten mit einem Physiklernprogramm zu steigern. Hier sollten besonders zwei Faktoren der Eingangsmotivation wichtig sein. Wenn es eine Rolle spielt, für wie fähig sich ein Schüler hält, dann müsste es möglich sein, durch entsprechende Instruktionen die Erfolgswahrscheinlichkeit zu stärken und damit das Lernergebnis zu verbessern. Dies erschien im Hinblick auf die schlechte Erfolgswahrscheinlichkeit der Schülerinnen in der Pilotstudie geboten. Weiterhin wurde der Einfluss, den das Interesse auf die Leistung hat, diskutiert und entsprechend in der Hauptstudie versucht, das Interesse der Schüler zu steigern. Die Hypothesen lauteten: 1) Bei den Experimentalgruppen wird durch die Instruktion die Eingangsmotivation verändert. 2) Da der Einfluss von Vorwissen nicht auszuschließen ist, wird es kontrolliert. Es wird erwartet, dass das Vorwissen mit der Leistung signifikant korreliert. Bei den Experimentalgruppen wird mehr Vorwissen aktiviert als bei der Kontrollgruppe. 3) Durch die Manipulation sollen sich auch die Mediatoren des Lernprozesses verändern. 4) Die Leistung soll sich in Abhängigkeit von der Instruktion in den Experimentalgruppen verbessern. Der Versuchsablauf blieb im Wesentlichen unverändert. In einem 3 x 2 Design wurden 60 Schüler (30 weiblich, 30 männlich) aus der Klassenstufe 11 getestet. Es gab eine Instruktion, worin die Schülerinnen über die Bedrohung durch Geschlechtsrollenstereotype informiert wurden und gebeten wurden, dagegen an zu arbeiten. In einer zweiten Experimentalgruppe sollte das Interesse aller Probanden erhöht werden. Die Ergebnisse waren weitgehend hypothesenkonform. Es konnte gezeigt werden, dass sich mittels der Instruktion die Eingangsmotivation verbesserte und sich dadurch auch Flow-Erleben und Motivation während des Lernens erhöhten, wodurch eine bessere Leistung zustande kommen konnte. Dies ist ein Ergebnis, das für den Schulalltag von Schülern und Lehrern berücksichtigt und umgesetzt werden sollte. Lehrer sollten Schülerinnen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern auf das Geschlechtsrollenstereotyp aufmerksam machen, da dies zu besseren Strategien und Leistungen bei deren Lernen führt. Sie sollten überdies das Interesse der Schülerinnen wecken, durch Betonung der persönlichen Relevanz des Themas ebenso wie durch noch zu untersuchende andere, Interesse besser weckende Instruktionen. Allerdings war in der Hauptstudie das Interesse in der Interessegruppe nicht wie erwartet gestiegen, dagegen veränderten sich andere Faktoren der Eingangsmotivation. Die Schüler hielten einen Erfolg für wahrscheinlicher, die Schülerinnen waren ängstlicher. Dennoch verhielten sich die Schülerinnen dieser Gruppe strategisch besser und erzielten auch bessere Leistungen. Die Schüler hatten ein höheres Flow-Erleben, erzielten aber keine besseren Leistungen. In der Stereotypgruppe gab es ebenfalls signifikante Verbesserungen bei allen Prozessvariablen bei den Schülerinnen. Sie hatten erwartungsgemäß eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit, zeigten bessere Lernstrategien und erzielten bessere Leistungen als die Schülerinnen der Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe fast alle Geschlechtsunterschiede der Pilotstudie repliziert wurden, gab es in den Experimentalgruppen keine Geschlechtsunterschiede mehr. Insbesondere die Schülerinnen hatten von der Manipulation profitiert. Die Gründe für die Veränderungen in den Experimentalgruppen wurden diskutiert und weitere Forschungsansätze aufgeführt. Erfreulich ist, dass im Schulalltag beim Lernen mit einem Computerprogramm Flow-Erleben erzeugt werden konnte. Ebenfalls erfreulich ist, dass der Benachteiligung von Schülerinnen beim Lernen mit Physikprogrammen wirksam begegnet werden konnte. Der Lernprozess konnte ein weiteres Stück im Schulalltag erforscht werden und mit Hilfe von Monitoringprogrammen konnten objektive Indikatoren für das Vorgehen bzw. die Strategien von Schülern beim Lernen am Computer bestimmt werden. Als günstiger Strategieindikator erwies sich vor allem die Länge und Güte der Nutzung von Animationen. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell konnte erneut bestätigt werden und sollte in weiteren Forschungen als theoretischer Hintergrund herangezogen werden.
Tanzen ist eine Form des Umgangs mit Musik, die in allen Kulturen weltweit existiert. Eine der vielen Funktionen, die dem Tanzen im Laufe der Geschichte zugeschrieben wurden, ist sein Nutzen als heilkräftiges Medium. Bisher gibt es jedoch nur wenige Untersuchungen, die sich mit den potenziellen Effekten des Tanzens als gesundheitsfördernde Tätigkeit beschäftigt haben. Ziel der vorliegenden Arbeit war es einerseits, eine Orientierung in diesem zersplitterten und gleichwohl viel versprechendem Forschungsfeld zu bieten und andererseits die subjektiven Wirkungen des Amateur Tanzens, seine psychobiologischen Korrelaten, sowie die dabei zu Grunde liegenden Einflüsse von Musikstimulation und Partner zu untersuchen. Es wurde gezeigt, dass Tanzen eine multidimensionale Tätigkeit darstellt, die verschiedene gesundheitsfördernden Komponenten, nämlich Körperbewegung, soziale Interaktion und Musikstimulation, einschließt. Wahrgenommen werden positive Wirkungen des Tanzens auf das emotionale Befinden, das körperliche Wohlergehen, das Selbstwertgefühl, das Sozialempfinden sowie das spirituelle Wohlbefinden. Tanzen wird darüber hinaus als wichtige Strategie zur Stressbewältigung anerkannt. Die Untersuchung der Wirkung des Paartanzens auf den emotionalen Zustand sowie auf Cortisol- und Testosteronkonzentrationen ergab, dass Tanzen zu einem Anstieg des positiven und einem Absinken des negativen Affektes führt. In Bezug auf die psychobiologischen Parameter wurden Cortisolreduktionen nach dem Tanzen nachgewiesen, welche von der Musikstimulation abhängig waren, während Testosteronerhöhungen zu Beginn der Untersuchung mit der Präsenz des Partners assoziiert waren. Die hier skizzierten Studien geben Hinweise auf die gesundheitsfördernde Bedeutung des Amateurtanzens sowie auf seine subjektiven und neuroendokrinen Korrelate. Darüber hinaus trägt diese Arbeit dazu bei, die differentiellen Einflüsse von Musik und Partner beim Tanzen zu verstehen. Diese Befunde sollen zukünftige Forschungsvorhaben fördern, die den Nutzen des Tanzens als gesundheitsfördernde Tätigkeit weiter verdeutlichen und das Verständnis der dahinter liegenden psychobiologischen Mechanismen erweitern.
Für ein Assessment Center zur Auswahl von Versicherungs-Außendienstmitarbeitern wurde geprüft, ob Beobachterexperten und Beobachternovizen zu ähnlichen oder zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen über die Teilnehmer kommen. Eine ähnliche Schlussfolgerung sollte dabei Indikator dafür sein, dass ein Beobachtertraining (hier: Verbesserung der Beobachterexpertise durch wenigstens einmalige Teilnahme an einem AC als Beobachter) ohne Auswirkungen bleibt. Verglichen wurden die Ergebnisse dieser Beobachtergruppen mit dem AC-Leiter als "Oberexperten" und der AC-Assistenz. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden die Daten von 37 AC mit insgesamt 267 Kandidaten und 171 Beobachtern in zwei unterschiedlichen Datensätzen überprüft. Es konnte nachgewiesen werden, dass sowohl Experten wie auch Novizen eine hohe Übereinstimmung mit der Gesamtrangfolge über die Teilnehmer hatten; hinsichtlich der übungsbezogenen und der merkmalsbezogenen mittleren Korrelationen sowie der mittleren Korrelationen innerhalb der einzelnen Übungen wurden kaum signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Beobachtergruppen festgestellt. Aus diesem Grunde kann geschlossen werden, dass die Teilnahme an einem AC als Beobachter nicht notwendigerweise die Beobachterexpertise verbessert. Angesichts der hohen Übereinstimmung der Beobachtergruppen mit der Gesamtrangfolge über die Teilnehmer kann geschlossen werden, dass für den vorliegenden einfachen AC-Typ verbunden mit der spezifischen Art der Ergebnisgewinnung der Verzicht auf ein Beobachtertraining nicht notwendigerweise eine Verschlechterung der AC-Ergebnisse bedeutet.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland schneiden in nationalen und internationalen Schulleistungsstudien deutlich schlechter ab als Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund. Auch hinsichtlich der Lesekompetenz im Deutschen sind die Ergebnisse eines großen Teils der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund immer wieder bedenklich schlecht. Um die Frage, welche Förderung gegen Defizite in der Deutsch-Lesekompetenz bei dieser Schülergruppe eingesetzt werden sollte, hat sich in Deutschland eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit breiter öffentlicher Wirkung entwickelt. Die drei Beiträge der vorliegenden Dissertation liefern aus unterschiedlicher Perspektive einen Beitrag zur Erforschung der Lesekompetenz von Personen mit unterschiedlicher Sprachbiographie.
Beitrag I (Rauch & Hartig, 2010) zeigte, dass es möglich ist, mit den Mitteln der mehrdimensionalen Item Response Theorie den diagnostischen Nutzen eines Deutsch-Lesekompetenztests zu erhöhen. Für Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, zeigte sich, dass sie insbesondere bei Basisfähigkeiten, die zur Bewältigung höherer Lesekompetenzprozesse notwendig sind, gegenüber ihren deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern benachteiligt sind. Beitrag II (Rauch, Jurecka & Hesse, 2010) belegte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler über niedrigere Deutsch-Lesekompetenzen verfügen als ihre monolingual Deutsch aufgewachsenen Mitschülerinnen und Mitschüler. In der Englisch-Lesekompetenz wurde kein Gruppenunterschied nachgewiesen. Es fand sich darüber hinaus ein signifikant positiver Effekt der Türkisch-Lesekompetenz auf die Englisch-Lesekompetenz, aber nicht auf die Deutsch-Lesekompetenz. Beitrag III (Rauch, Jude & Naumann, in Druck) zeigte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in beiden Sprachen Texte selbständig lesen und verstehen können, besser im Englisch-Lesekompetenztest abschneiden als monolingual aufgewachsene Schülerinnen und Schüler. Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die über niedrigere Lesekompetenzen im Türkischen und Deutschen verfügen, schnitten im Englisch-Lesekompetenztest schlechter ab als beide anderen Vergleichsgruppen. Zudem zeigte Beitrag III, dass Sprachbewusstheit den Zusammenhang zwischen Biliteralität und drittsprachlicher Lesekompetenz teilweise mediiert.
Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, dass es für die Förderung der Deutsch-Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, sinnvoll ist, insbesondere auf die Förderung der Bildung von adäquaten Makrostrukturen und die Vermittlung von Lesestrategien abzuheben. Die unterschiedlichen Befunde zur Interdependenz von Kompetenzen im Türkischen einerseits und im Deutschen und Englischen andererseits wurden auf die Art des schulischen Unterrichts in Deutsch und Englisch zurückgeführt. Während Schülerinnen und Schüler mit Herkunftssprache Türkisch im Englischunterricht, der das Englische im formalen Sprachunterricht vermittelt, in der Lage sind, Bezüge zu ihrer Herkunftssprache herzustellen, ist dies im Deutschunterricht, der das Deutsche selbst weitgehend voraussetzt, nicht möglich. Ein Teil des wiederholt in der Literatur berichteten Befundes, dass bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in ihren beiden Sprachen lesen können, in drittsprachlichen Lesekompetenztests besser abschneiden als monolinguale Schülerinnen und Schüler, scheint auf erhöhte Sprachbewusstheit zurückzuführen zu sein. Dieses besondere Potential bilingualer Schülerinnen und Schüler könnte durch Herkunftssprachlichen Leseunterricht und einen auf Sprachbewusstheit ausgerichteten Unterricht weiter ausgeschöpft werden.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Hypothese, dass der „Life Orientation Test (-Revised)“ (LOT-R), der als Selbstberichtsfragebogen zur Erfassung von dispositionellem Optimismus konstruiert wurde, nicht nur „Optimismus“ erfasse, sondern auch „Pessimismus“; Pessimismus wird im Rahmen dieser „OP-Hypothese“ nicht als der Gegenpol von Optimismus aufgefasst, sondern als ein partiell unabhängiges Konstrukt. Die OP-Hypothese wird typischerweise mit sog. „konfirmatorischen“ Faktorenanalysen untersucht. Die OP-Hypothese wird zunächst aus theoretischer Perspektive analysiert, insbesondere auch deshalb, weil die Begriffe „Optimismus“ und „Pessimismus“ im Rahmen der OP-Hypothese nicht auf dieselbe Art verwendet werden wie sonst in der Psychologie oder in anderen Wissenschaften üblich. Dabei zeigt sich, dass keine angemessene theoretische Herleitung der OP-Hypothese möglich ist: Was „Pessimismus“ ist, wenn es nicht der Gegenpol von Optimismus ist, bleibt unklar. Ausgehend von dem Befund, dass die theoretische Herleitung der OP-Hypothese unangemessen ist, wird diese Hypothese aus methodologisch-testtheoretischer Perspektive und mittels zweier empirischer Arbeiten kritisch überprüft. Aus methodologischer und mathematisch-statistischer Perspektive wird dargestellt, dass die empirischen Befunde, die für die OP-Hypothese sprechen, nicht eindeutig sind; die OP-Hypothese ist also unterdeterminiert. Die Gültigkeit eines reflexiven Messmodells, das für die Untersuchung der OP-Hypothese mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen erforderlich wäre, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden. Die mathematisch-statistischen Annahmen der „experimentellen Unabhängigkeit“ und der „lokalen Homogenität“, die ein reflexives Messmodell konstituieren, sind für Selbstberichtsfragebogen in vielen Fällen verletzt. Noch gravierender ist das Ergebnis, dass sich aus „konfirmatorischen“ Faktorenmodellen, die für die OP-Hypothese sprechen, keine ausreichenden Informationen über den empirischen Gehalt der Hypothese ergeben. In grundsätzlicher Form und anhand einfacher Beispiele wird gezeigt, dass für eine gegebene Kovarianzmatrix, die die Datenbasis einer „konfirmatorischen“ Faktorenanalyse darstellt, grundsätzlich unendlich viele Alter-nativmodelle konstruiert werden können, von denen zumindest eine Teilmenge auch mit sinnvollen Interpretationen verbunden ist. Angesichts der Existenz solcher Alternativmodelle müssen andere Kriterien zur Überprüfung der OP-Hypothese herangezogen werden als „konfirmatorische“ Faktorenmodelle. Anhand einer empirischen Untersuchung mit dem LOT-R wird gezeigt, dass ein „Methodeneffektmodell“ eine bessere Anpassung an die Daten ermöglicht als das mit der OP-Hypothese verbundene Modell. Das Methodeneffektmodell beinhaltet die Annahme, dass die Antworten auf LOT-R-Items nicht ausschließlich durch die individuelle Ausprägung in „Optimismus“ bedingt werden, sondern zum Teil auch unerwünschte Effekte der Itemformulierungen abbilden. Entsprechend lässt sich eine Korrelation des „Methodenfaktors“ mit sozial erwünschtem Antwortverhalten beobachten. Schließlich wird in einer weiteren empirischen Untersuchung gezeigt, dass mit der Skala „Personaler Optimismus“ ein Instrument zur Erfassung von dispositionellem Optimismus vorliegt, welches nicht unter der faktorenanalytischen Mehrdimensionalität leidet, die den LOT-R kennzeichnet. In der Zusammenschau der methodologischen und empirischen Ergebnisse muss die OP-Hypothese als zu gering begründet zurückgewiesen werden. Über den Rahmen des speziellen Inhaltsgebietes „Optimismus“ hinaus weist die vorliegende Arbeit aber auch auf die Notwendigkeit multipler Betrachtungsebenen bei der Untersuchung persönlichkeitspsychologischer Fragestellungen hin. Nachteilig für die persönlichkeitspsychologische Forschung könnten sich insbesondere die unreflektierte Verwendung von Selbstberichtsfragebogen auf der Seite der Datenerhebung und die unreflektierte Verwendung von „konfirmatorischen“ Faktorenanalysen auf der Seite der Datenauswertung auswirken.
Adorno und die Psychoanalyse
(2004)
Vortrag an der "Die Lebendigkeit kritischer Gesellschaftstheorie", einer Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno, die am 4. - 6. Juli 2003 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main statfand. Koordiniert von Prof. Dr. Andreas Gruschka und Prof. Dr. Ulrich Oevermann. Die Tagungsbeiträge können auch auf CD (je CD ein Vortrag) oder als DVD (alle Vorträge im MP3-Format) käuflich erworben werden. S.a. "Die Lebendigkeit der kritischen Gesellschaftstheorie", herausgegeben von Andreas Gruschka und Ulrich Oevermann. Dokumentation der Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno. Büchse der Pandora 2004, ISBN 3-88178-324-5
Seit seinem Erscheinen im Jahr 1919 stand das 'Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens' im Zentrum des öffentlichen Interesses. Die Aufzeichnungen, die von der zunächst anonym bleibenden Herausgeberin, der Wiener Kinder-Analytikerin Hermine Hug-Hellmuth, als "Kulturdenkmal unserer Zeit" präsentiert und von Sigmund Freud als kulturhistorisches Dokument ersten Ranges gewürdigt wurden, erwiesen sich nur wenige Jahre nach ihrer Publikation als Werk der Analytikerin selbst. Dass das Tagebuch als 'authentisches' Zeugnis so erfolgreich war - bereits in den ersten Jahren wurden 10.000 Exemplare verkauft - und sich als Fälschung so wirksam entfalten konnte, hatte mit seinem spezifischen kulturellen und wissenschaftlichen Umfeld zu tun. Denn Hug-Hellmuth war nicht nur fest in die psychoanalytische Bewegung eingebunden, auch hatte sie sich in dem im Entstehen begriffenen kinderpsychoanalytischen Diskurs der 1910er Jahre bereits einen Namen gemacht - und so die für eine Fälschung unabdingbaren Qualifikationen erworben. Vor allem aber lag die Durchschlagskraft des Tagebuchs in seiner wissenschaftsinternen Bedeutung: Versprach es doch, als gleichsam verschriftlichter 'Originalton', Freuds Theorie von der kindlichen und adoleszenten Sexualität sowie deren Bedeutung für die Ätiologie der Neurosen zu belegen und somit eine der wichtigsten Hypothesen der Psychoanalyse auf empirische Grundlagen zu stellen. So sollte das intime Jugendtagebuch, das sich schon qua Genre als 'unverfälschte' und unverstellte Selbstaussage präsentierte, den lang ersehnten Einblick in die Blackbox der adoleszenten Seele ermöglichen, jenen psychischen Raum also, der sich der pädagogischen Kontrolle ebenso wie der auf Erwachsene eingestellten Psychoanalyse entzog.
Double blind - psychogene und psychosomatische Sehstörungen nach Sigmund Freud und Georg Groddeck
(2019)
Die Psychoanalyse des frühen 20. Jahrhunderts nahm in ihren Überlegungen Sehstörungen zum Anlass, um das Funktionieren des gesunden Auges, vor allem aber die Funktionsweisen der menschlichen Psyche zu thematisieren. Anne-Kathrin Reulecke zeigt, dass sowohl Sigmund Freud als auch Georg Groddeck davon ausgingen, dass das Sehen keine rein physiologische Fähigkeit, sondern vielmehr eine psychologisch sowie sozial und kulturell präfigurierte Aktivität ist. Sie legt dar, dass Freud eine nichtorganisch bedingte Sehstörung, die sogenannte hysterische Blindheit, als Effekt eines innerpsychischen Triebkonflikts und als dessen gleichsam neurotischen Ausweg deutet. Groddeck hingegen bestimmt das gesunde Auge als Organ eines grundlegenden Nicht-alles-sehen-Könnens. Die Kurzsichtigkeit betrachtet er als sinnvolles Hilfsmittel des Körpers, das dann eingesetzt wird, wenn die normale Tätigkeit des Verdrängens beim Sehen, die Selektion gefährlicher Bilder, nicht ausreichend funktioniert.
Im Zuge der Modernisierung haben die religiösen Erzählungen ihre Einheit stiftende Kraft verloren. An ihre Stelle ist die menschliche Vernunft getreten und mit ihr die Logik eines rationalen, ganz auf Fortschritt ausgerichtetes Handelns, während Beziehungserfahrungen und mit ihr der unverzichtbare Wunsch nach Resonanz immer stärker in den Hintergrund treten. Menschen lassen sich auf Dauer aber nicht allein mit effizienzorientierten Rückmeldungen abspeisen. Sie warten auf Anerkennung, die von außen kommt; sie warten auf Resonanz. Hartmut Rosa hat die Vorstellung von einem Verstummen der Welt, in der der verzweifelte Ruf nach dem Anderen keine Antwort mehr findet, nicht umsonst als die tiefste Angst bezeichnet, der die Menschen heute umtreibt. Die Autorin beschreibt vor diesem Hintergrund die Erfahrung von Resonanz als menschliches Grundbedürfnis und zeigt als erstes an Beispielen aus der Literatur, wie diese sich dort in außergewöhnlichen Naturerlebnissen, in der Selbstentgrenzung von Liebesbeziehungen und in der präreflexiven Erfahrung Gottes, die keiner weiteren Begründung mehr bedarf, erfahrbar wird. Anschließend wendet sie sich Resonanzerfahrungen im Bereich der Psychoanalyse zu. Im letzten Abschnitt ihrer Arbeit befasst sie sich mit Resonanzerfahrungen in der pluralistischen Gesellschaft, in der es unterschiedliche Sinndeutungen gibt, die gleichermaßen legitim sind und nach Anerkennung verlangen.
Fragestellung: Es existiert eine Vielzahl von Begriffen für Verhaltenssüchte, die Mängel in Operationalisierung, Bezug zum Verhalten, Kompatibilität mit internationalen Klassifikationen sowie nicht stigmatisierender Nutzung aufweisen. Daher werden einheitliche Begriffe für Verhaltenssüchte benötigt. Methode: Im Rahmen einer Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung Internetbezogener Störungen wurden Lösungen in Form eines Expertenkonsens entwickelt. Ergebnisse: Als Grundlage wurde die Einteilung von Verhaltenssüchten in der 11. Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) genutzt. Es wurden die Begriffe Computerspielstörung (CSS) und Glücksspielstörung (GSS) für die beiden in ICD-11 enthaltenen Verhaltenssüchte gewählt sowie drei weitere spezifizierte Verhaltenssüchte vorgeschlagen: Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung (SNS), Shoppingstörung (ShS) und Pornografie-Nutzungsstörung (PNS). Für CSS, GSS und ShS wird weiterhin zwischen vorwiegend online oder vorwiegend offline unterschieden. Als Oberbegriff wird Störungen aufgrund von Verhaltenssüchten vorgeschlagen. Für Störungen aufgrund von Verhaltenssüchten, die sich vorwiegend auf online ausgeübte Verhaltensweisen beziehen, kann alternativ der Oberbegriff Internetnutzungsstörungen verwendet werden. Schlussfolgerung: Die vorgeschlagenen Termini weisen Verbesserungen im Vergleich zu uneindeutigen oder aus anderen Gründen ungünstigen Begriffen dar. Gleichzeitig konnte eine Kompatibilität mit der ICD-11 ermöglicht werden.
Rezension zu: Arno Gruen (2013): Dem Leben entfremdet. Warum wir wieder lernen müssen zu empfinden. Stuttgart: Klett-Cotta. Ca. 19,95.
Wir verlieren den Sinn für mitmenschliche Gefühle mit gravierenden Konsequenzen für uns selbst, die Gesellschaft und die Politik. Das meint der Psychoanalytiker Arno Gruen in seinem neuen Buch „Dem Leben entfremdet“. Es ist ein eindrücklicher und lebensnaher Anstoß, über uns selbst und unser Verhalten im Alltag nachzudenken.
Gedächtnisaspekte, die auch mit zunehmendem Alter stabil und zuverlässig bleiben, sind in heutiger Forschung von besonderem Interesse. Studien im Bereich des Gedächtnisses für einfache Handlungen konnten zeigen, dass dieses Itemmaterial besser erinnert wird, wenn es während der Einprägephase motorisch ausgeführt wird (vgl. z.B. Knopf, 1995) im Gegensatz zum rein verbalen Einprägen vergleichbaren Materials. Dieser Gedächtnisvorteil des handelnden Enkodierens, der so genannte Handlungseffekt, ist auch bei älteren Probanden zu beobachten. Da der Handlungseffekt altersübergreifend vergleichbar groß ist, erreichen Ältere auch bei handelndem Enkodieren nicht das Leistungsniveau Jüngerer (Alterseffekt, z.B. Knopf, 2005).
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich vor allen Dingen mit der Frage, ob die Gedächtnisleistung nach handelndem und verbalem Enkodieren bei einer Wiederholung der Lernaufgabe mit jeweils neuem Lernmaterial noch gesteigert werden kann. Dabei wurden mögliche enkodiertypabhängige sowie altersabhängige Leistungsunterschiede untersucht. Weiterhin wurde geprüft, ob eine beobachtete Leistungssteigerung nach wiederholtem Lernen mit jeweils neuem Lernmaterial auch nach einem halben Jahr noch zu beobachten ist. In zwei zusätzlichen Fragestellungen wurde theoretischen Erklärungen des Handlungseffektes nachgegangen, indem die seriellen Positionskurven sowie der zeitliche Verlauf des Abrufes untersucht wurden.
Zur Untersuchung der Fragestellungen wurden verschiedene Studien mit Jüngeren und Älteren durchgeführt. Das Lernmaterial bestand aus Serien von einfachen Handlungsphrasen, welche entweder durch Ausführen oder verbal enkodiert und in unmittelbaren freien Erinnerungstests reproduziert wurden. Zur Untersuchung einer möglichen Leistungssteigerung nach Wiederholung der Lernaufgabe mit jeweils unterschiedlichem Material wurden vier Termine in wöchentlichem Abstand angesetzt. Um die Stabilität der Leistung nach einem halben Jahr zu untersuchen, wurde ein fünfter Messzeitpunkt realisiert.
Die Ergebnisse zeigen eine Replikation von Handlungs- und Alterseffekt (Knopf, 2005). Eine Wiederholung der Aufgabe mit jeweils neuem Lernmaterial führt unabhängig vom Alter der Teilnehmer oder der Enkodierbedingung zu einer ähnlichen Steigerung der Gedächtnisleistung, die auch nach einem halben Jahr noch nachweisbar ist. Die Untersuchungen der seriellen Positionskurven des Abrufes zeigen, dass nach handelndem Enkodieren vor allen Dingen die letzten Items der zu lernenden Itemserie eine erhöhte Erinnerungswahrscheinlichkeit haben. Auch der Alterseffekt scheint eher in den letzteren seriellen Positionen einer Itemserie begründet zu sein, wobei diese Positionen bei verbalem und handelndem Enkodieren unterschiedlich sind. Die Leistungssteigerung zeigt sich bei beiden Enkodierbedingungen in einer signifikanten Steigerung der mittleren Positionen der seriellen Positionskurven, beim verbalen Enkodieren zusätzlich in einer Steigerung der letzen Positionen. Demnach führen bei den beiden Enkodierbedingungen unterschiedliche Veränderungen zum Leistungsanstieg. Bei der Betrachtung des zeitlichen Verlaufes des Abrufes kann zudem gezeigt werden, dass der Abruf nach handelndem Enkodieren schneller abzulaufen scheint.
Zum Andenken an A. Fick
(1902)
Im Bachelorstudiengang Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt wurde im Rahmen des Programms „Starker Start ins Studium“ ein Modul zur Verbesserung der Studieneingangsphase implementiert (Höhler et al., 2012). Im vorliegenden Beitrag wird beschrieben, inwiefern die Umsetzung des Lehrkonzepts zur fachlichen und sozialen Integration von Studienanfängern beiträgt und erste Evaluationsergebnisse werden vorgestellt.