150 Psychologie
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Studentische Lehrevaluationsergebnisse sind ein weit verbreitetes Maß, um die Qualität universitärer Lehre zu erfassen. Diese Ergebnisse werden unter anderem dafür genutzt, Entscheidungen für die Modifikation des Lehrangebots zu treffen oder die Vergabe der Leistungsorientieren Mittelvergabe mitzubestimmen. Aufgrund dieser relevanten Folgen wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, wie ein angemessener Validierungsprozess bezüglich studentischer Lehrevaluationsergebnisse gestaltet werden könnte.
Bisherige Validierungsstudien zu studentischen Lehrevaluationsinventaren fokussierten sich meist auf die Überprüfung verschiedener Validitätsarten (inhaltsbezogene, kriteriumsbezogene oder faktorielle) und die Erfassung der Messfehlerfreiheit.
Allerdings ist zum einen zu hinterfragen, ob diese Ansätze grundsätzlich für alle Inventare geeignet sind. Weiterhin hat sich das Verständnis von dem verändert, was unter Validität verstanden wird: Von der Annahme von Validität als Testeigenschaft, verschiedener Validitätsarten und binärer Aussagen auf Basis von Einzelbefunden hin zu dem Verständnis von Validität bezogen auf die Testwert-Interpretation und Verwendung, zu einem einheitlichen Validitätskonzept und zu einer Validitäts-Argumentation. Diese Veränderungen werden in den neueren argumentationsbasierten Validitätsansätzen berücksichtigt und bieten einen Rahmen, der auf die jeweilige Intention ausgerichtet ist, einen Test oder Fragebogen einzusetzen.
Auf Grundlage dieser argumentationsbasierten Ansätze wird in dieser Arbeit die Interpretation studentischer Lehrevaluationsergebnisse überprüft, die als das Ausmaß an qualitätsbezogener Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Durchführung einer Lehrveranstaltung und der Vermittlung von Lehrinhalten angesehen werden. Der Validierungsprozess wird anhand der Lehrevaluationsdaten des Frankfurter Promotionskollegs am Fachbereich Medizin dargestellt. Dieser Prozess bestätigte weitgehend die beabsichtigte Interpretation, zeigte aber auch eine zumindest teilweise Revision des Inventars und eine weitere Überprüfung an. Eine Validierung bezüglich der Verwendung der Lehrevaluationsergebnisse sowie der auf diesen basierenden beabsichtigten Konsequenzen wird in einer Folgestudie überprüft.
Anhand dieser Arbeit wird Anwendern und Entwicklern von Lehrevaluationsinventaren eine Her- und Anleitung für den Validierungsprozess gegeben und die Vorteile argumentationsbasierter Ansätze aufgezeigt.
Eine in der Forschung häufig gestellte Frage ist, welche schädlichen Auswirkungen Ärger und vor allem Ärgerausdruck haben kann. Bei Ärgerausdruck wird dabei typischerweise in nach innen gerichteten (anger-in) und nach außen gerichteten Ärger (anger-out) unterschieden. Hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen gibt es Hinweise dafür, dass beide typischen Ärgerausdrucksformen - sowohl nach innen als auch nach außen gerichteter Ärger - mit Risiken für das kardiovaskuläre System einhergehen. Allerdings ist die Vorhersagekraft einzelner Variablen nur sehr gering, so dass die Kombination von Variablen vielversprechender wirkt. Ein aktuell diskutiertes Risikocluster für koronare Herzkrankheiten ist das Typ D-Konstrukt. In Studie 1 wurden die Zusammenhänge von Typ D und Ärger und Ärgerausdruck in einer klinischen sowie einer nichtklinischen Stichprobe mit Hilfe von Fragebögen überprüft. In beiden Teilstichproben wies Typ D Beziehungen mit Ärger und Ärgerunterdrückung sowie offenem Ärgerausdruck auf. Ärger und Ärgerausdruck scheinen also auch im Typ D-Konzept eine wichtige Rolle zu spielen. Außer Belegen für gesundheitliche Auswirkungen von Ärgerausdruck wurden in jüngerer Zeit auch Hinweise auf Einflüsse auf Leistungsaspekte gefunden. Forschung aus dem Bereich der Emotionsregulation wies darauf hin, dass respondente Emotionsregulation, d.h. die Regulierung des emotionalen Ausdrucks ohne Änderung der erlebten Emotion, eine negative Wirkung auf die Bewältigung von kognitiven Aufgaben haben kann. In Studie 2 und Studie 3 wurde untersucht, ob sich auch für die respondente Regulierung des Ärgerausdrucks ein Effekt auf Leistungsvariablen feststellen lässt. Es wurde davon ausgegangen, dass sich ein inkongruenter Ärgerausdruck, also ein Ausdruck, der mit dem erlebten Ärger nicht übereinstimmt, leistungsreduzierend auswirkt. Ärger wurde mittels Provokation eines Konföderierten induziert. Der Ärgerausdruck wurde durch die Instruktion manipuliert, während einer der kognitiven Aufgabe zusätzlich eine bestimmte Emotion (ärgerlich oder neutral) darzustellen. Im Sinne der Annahme ließen sich nach inkongruentem Ärgerausdruck Defizite in der freien Erinnerung und im Zahlenverbindungstest finden. Die durchgeführten Studien sprechen dafür, dass Ärgerausdruck sowohl nach außen als auch nach innen gerichtet schädliche für Gesundheit und Leistung sein kann, wenn er übertrieben oder mit dem eigenen Erleben inkongruent ist.
Als Ausgangspunkt dieser Arbeit dienen Ansätze, die eine narrative Perspektive für das Verständnis von Psychopathologie und die psychotherapeutische Praxis vorschlagen. Im Hinblick auf die Fragen, welche Vorteile die Analyse von Patient*innenerzählungen bieten kann, und durch welche Merkmale psychopathologische Narrative sich auszeichnen, wird ein Überblick über ausgewählte Fallberichte, empirische Untersuchungen und theoretische Überlegungen gegeben. Diese werden unter den drei Kategorien Kohärenz, „Agency“ und Perspektiven beschrieben. Die Arbeit mag einen Impuls geben, ein tieferes Verständnis für narrative Dysfunktionen zu entwickeln und ihre Ursprünge sowie ihre Bedeutung für psychische Störungen und deren Behandlung vermitteln.
Die Zunahme an Gewalttaten, insbesondere durch Kinder und Jugendliche, wird in der öffentlichen und pädagogischen Diskussion weithin beklagt. Zwar zeigen zeitvergleichende Analysen, dass von einer dramatischen Erhöhung der Gewalhandlungen keine Rede sein kann; eher ist die öffentliche Sensibilität für derartige Vorfälle gestiegen. Andererseits gibt es erschreckende Beispiele für besonders brutale Übergriffe, die im öffentlichen Bewusstsein naturgemäß dominieren. Eindeutig zugenommen haben in den letzten Jahren politisch motivierte Gewalttaten, insbesondere mit rechtsextremistischem Hintergrund. Doch unabhängig davon, ob und wo die Zahl der Gewalthandlungen angestiegen ist, beinhaltet jede einzelne Tat einen Angriff auf die Menschenwürde und die politische Kultur und ruft deshalb nach Gegenmaßnahmen.
Basierend auf dem kognitiv-motivationalen Prozessmodell von Vollmeyer und Rheinberg (1998) werden zwei Studien vorgestellt, die sich mit dem selbst regulierten Lernen mit Multimedia im Physikunterricht beschäftigen. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell beschreibt, wie die Eingangsmotivation über Mediatorvariablen auf die Leistung, in diesem Fall den Wissenserwerb, wirkt. Wie in früheren Studien gezeigt werden konnte, besteht die Eingangsmotivation aus vier voneinander unabhängigen Faktoren: Herausforderung, Interesse, Erfolgswahrscheinlichkeit und Misserfolgsbefürchtung. Als Mediatorvariablen wurden in beiden Studien die von Schülern verwendeten Strategien, der motivationale Zustand während des Lernens und der funktionale Zustand während des Lernens angenommen. Bei den Strategien handelt es sich genauer gesagt um das beobachtbare Verhalten der Schülers während des Lernens. Mit Motivationalem Zustand sind die gleichen Faktoren wie bei der Eingangsmotivation gemeint, nur dass jetzt die Lerner schon Erfahrung mit der Aufgabe haben. Der funktionale Zustand gibt an, wie sehr ein Lerner auf die Aufgabe konzentriert ist. Ein Konstrukt, das diesen Zustand gut beschreibt, ist Csikszentmihalyis Flow. Ziel der Pilotstudie war es, das Lernen im Schulalltag mit einem Physikprogramm am Computer zu untersuchen. Dazu wurden folgende Hypothesen aufgestellt: 1) Die Eingangsmotivation wirkt auf die Mediatoren. 2) Die Mediatoren wirken auf die Leistung. 3) Die Eingangsmotivation wirkt auf die Mediatoren und diese wiederum auf die Leistung (Prüfung des Prozessmodells). 4) Es gibt Geschlechtsunterschiede bei den Variablen: Eingangsmotivation, hier insbesonders beim Interesse, den Mediatoren und der Leistung. Schüler sollten bei allen Variablen besser abschneiden. In der Pilotstudie hatten 32 SchülerInnen einer 11. Klasse 30 Minuten Zeit, sich ein Physiklernprogramm zum Thema Drehmomente (Wünscher & Ehmke, IPN Kiel, 2002) selbständig zu erarbeiten. Neben der Eingangsmotivation vor Beginn des Lernens (FAM, Rheinberg, Vollmeyer & Burns, 2001) wurde die Motivation und Flow während des Lernens gemessen (FKS; Rheinberg, Vollmeyer & Engeser, 2003; 8 Items aus dem FAM). Die Vorgehensweise am PC wurde mit Hilfe eines Videoüberwachungsprogramms (ScreenVirtuoso) und eines Monitoringprogramms (StatWin) aufgezeichnet. Indikatoren für das Lernen waren die im Anschluss an die Bearbeitung des Lernprogramms in einem Lernfragebogen zu der Lerneinheit erzielte Punktzahl. Als Kontrollvariable wurde zu Beginn das Vorwissen erfasst. Indikatoren für die Strategien waren a) die Schnelligkeit der Bearbeitung (Anzahl der bearbeiteten Abschnitte und Bearbeitungszeit der einzelnen Abschnitte), b) die Aktivität (Mausklicks) und c) die Verwendung der Animationen (Schnelligkeit des Auffindens, Anzahl, Länge und Art und Weise der Nutzung). Die Hypothesen konnten bestätigt werden. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell konnte in den meisten Teilen bestätigt werden: Die Eingangsmotivation, vor allem das Interesse, wirkt über Mediatoren, hier besonders über die verwendeten Strategien, auf die Leistung. Die Geschlechtsunterschiede beim Lernen mit einem Physikprogramm am PC (in der Eingangsmotivation, den Vorgehensweisen, und der gezeigten Leistung) waren stärker als erwartet zu Gunsten der Schüler. Die Geschlechtsunterschiede waren bei allen Variablen signifikant. Damit Schülerinnen in dem untersuchten Bereich zukünftig bessere Ergebnisse erzielen, könnte es hilfreich sein, ihr situationales Interesse und die Erfolgszuversicht zu erhöhen. In der Hauptstudie wurde daher der Versuch gemacht, durch eine Veränderung der Instruktion die Motivation, besonders die der Schülerinnen, beim Arbeiten mit einem Physiklernprogramm zu steigern. Hier sollten besonders zwei Faktoren der Eingangsmotivation wichtig sein. Wenn es eine Rolle spielt, für wie fähig sich ein Schüler hält, dann müsste es möglich sein, durch entsprechende Instruktionen die Erfolgswahrscheinlichkeit zu stärken und damit das Lernergebnis zu verbessern. Dies erschien im Hinblick auf die schlechte Erfolgswahrscheinlichkeit der Schülerinnen in der Pilotstudie geboten. Weiterhin wurde der Einfluss, den das Interesse auf die Leistung hat, diskutiert und entsprechend in der Hauptstudie versucht, das Interesse der Schüler zu steigern. Die Hypothesen lauteten: 1) Bei den Experimentalgruppen wird durch die Instruktion die Eingangsmotivation verändert. 2) Da der Einfluss von Vorwissen nicht auszuschließen ist, wird es kontrolliert. Es wird erwartet, dass das Vorwissen mit der Leistung signifikant korreliert. Bei den Experimentalgruppen wird mehr Vorwissen aktiviert als bei der Kontrollgruppe. 3) Durch die Manipulation sollen sich auch die Mediatoren des Lernprozesses verändern. 4) Die Leistung soll sich in Abhängigkeit von der Instruktion in den Experimentalgruppen verbessern. Der Versuchsablauf blieb im Wesentlichen unverändert. In einem 3 x 2 Design wurden 60 Schüler (30 weiblich, 30 männlich) aus der Klassenstufe 11 getestet. Es gab eine Instruktion, worin die Schülerinnen über die Bedrohung durch Geschlechtsrollenstereotype informiert wurden und gebeten wurden, dagegen an zu arbeiten. In einer zweiten Experimentalgruppe sollte das Interesse aller Probanden erhöht werden. Die Ergebnisse waren weitgehend hypothesenkonform. Es konnte gezeigt werden, dass sich mittels der Instruktion die Eingangsmotivation verbesserte und sich dadurch auch Flow-Erleben und Motivation während des Lernens erhöhten, wodurch eine bessere Leistung zustande kommen konnte. Dies ist ein Ergebnis, das für den Schulalltag von Schülern und Lehrern berücksichtigt und umgesetzt werden sollte. Lehrer sollten Schülerinnen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern auf das Geschlechtsrollenstereotyp aufmerksam machen, da dies zu besseren Strategien und Leistungen bei deren Lernen führt. Sie sollten überdies das Interesse der Schülerinnen wecken, durch Betonung der persönlichen Relevanz des Themas ebenso wie durch noch zu untersuchende andere, Interesse besser weckende Instruktionen. Allerdings war in der Hauptstudie das Interesse in der Interessegruppe nicht wie erwartet gestiegen, dagegen veränderten sich andere Faktoren der Eingangsmotivation. Die Schüler hielten einen Erfolg für wahrscheinlicher, die Schülerinnen waren ängstlicher. Dennoch verhielten sich die Schülerinnen dieser Gruppe strategisch besser und erzielten auch bessere Leistungen. Die Schüler hatten ein höheres Flow-Erleben, erzielten aber keine besseren Leistungen. In der Stereotypgruppe gab es ebenfalls signifikante Verbesserungen bei allen Prozessvariablen bei den Schülerinnen. Sie hatten erwartungsgemäß eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit, zeigten bessere Lernstrategien und erzielten bessere Leistungen als die Schülerinnen der Kontrollgruppe. Während in der Kontrollgruppe fast alle Geschlechtsunterschiede der Pilotstudie repliziert wurden, gab es in den Experimentalgruppen keine Geschlechtsunterschiede mehr. Insbesondere die Schülerinnen hatten von der Manipulation profitiert. Die Gründe für die Veränderungen in den Experimentalgruppen wurden diskutiert und weitere Forschungsansätze aufgeführt. Erfreulich ist, dass im Schulalltag beim Lernen mit einem Computerprogramm Flow-Erleben erzeugt werden konnte. Ebenfalls erfreulich ist, dass der Benachteiligung von Schülerinnen beim Lernen mit Physikprogrammen wirksam begegnet werden konnte. Der Lernprozess konnte ein weiteres Stück im Schulalltag erforscht werden und mit Hilfe von Monitoringprogrammen konnten objektive Indikatoren für das Vorgehen bzw. die Strategien von Schülern beim Lernen am Computer bestimmt werden. Als günstiger Strategieindikator erwies sich vor allem die Länge und Güte der Nutzung von Animationen. Das kognitiv-motivationale Prozessmodell konnte erneut bestätigt werden und sollte in weiteren Forschungen als theoretischer Hintergrund herangezogen werden.
Tanzen ist eine Form des Umgangs mit Musik, die in allen Kulturen weltweit existiert. Eine der vielen Funktionen, die dem Tanzen im Laufe der Geschichte zugeschrieben wurden, ist sein Nutzen als heilkräftiges Medium. Bisher gibt es jedoch nur wenige Untersuchungen, die sich mit den potenziellen Effekten des Tanzens als gesundheitsfördernde Tätigkeit beschäftigt haben. Ziel der vorliegenden Arbeit war es einerseits, eine Orientierung in diesem zersplitterten und gleichwohl viel versprechendem Forschungsfeld zu bieten und andererseits die subjektiven Wirkungen des Amateur Tanzens, seine psychobiologischen Korrelaten, sowie die dabei zu Grunde liegenden Einflüsse von Musikstimulation und Partner zu untersuchen. Es wurde gezeigt, dass Tanzen eine multidimensionale Tätigkeit darstellt, die verschiedene gesundheitsfördernden Komponenten, nämlich Körperbewegung, soziale Interaktion und Musikstimulation, einschließt. Wahrgenommen werden positive Wirkungen des Tanzens auf das emotionale Befinden, das körperliche Wohlergehen, das Selbstwertgefühl, das Sozialempfinden sowie das spirituelle Wohlbefinden. Tanzen wird darüber hinaus als wichtige Strategie zur Stressbewältigung anerkannt. Die Untersuchung der Wirkung des Paartanzens auf den emotionalen Zustand sowie auf Cortisol- und Testosteronkonzentrationen ergab, dass Tanzen zu einem Anstieg des positiven und einem Absinken des negativen Affektes führt. In Bezug auf die psychobiologischen Parameter wurden Cortisolreduktionen nach dem Tanzen nachgewiesen, welche von der Musikstimulation abhängig waren, während Testosteronerhöhungen zu Beginn der Untersuchung mit der Präsenz des Partners assoziiert waren. Die hier skizzierten Studien geben Hinweise auf die gesundheitsfördernde Bedeutung des Amateurtanzens sowie auf seine subjektiven und neuroendokrinen Korrelate. Darüber hinaus trägt diese Arbeit dazu bei, die differentiellen Einflüsse von Musik und Partner beim Tanzen zu verstehen. Diese Befunde sollen zukünftige Forschungsvorhaben fördern, die den Nutzen des Tanzens als gesundheitsfördernde Tätigkeit weiter verdeutlichen und das Verständnis der dahinter liegenden psychobiologischen Mechanismen erweitern.
Für ein Assessment Center zur Auswahl von Versicherungs-Außendienstmitarbeitern wurde geprüft, ob Beobachterexperten und Beobachternovizen zu ähnlichen oder zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen über die Teilnehmer kommen. Eine ähnliche Schlussfolgerung sollte dabei Indikator dafür sein, dass ein Beobachtertraining (hier: Verbesserung der Beobachterexpertise durch wenigstens einmalige Teilnahme an einem AC als Beobachter) ohne Auswirkungen bleibt. Verglichen wurden die Ergebnisse dieser Beobachtergruppen mit dem AC-Leiter als "Oberexperten" und der AC-Assistenz. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurden die Daten von 37 AC mit insgesamt 267 Kandidaten und 171 Beobachtern in zwei unterschiedlichen Datensätzen überprüft. Es konnte nachgewiesen werden, dass sowohl Experten wie auch Novizen eine hohe Übereinstimmung mit der Gesamtrangfolge über die Teilnehmer hatten; hinsichtlich der übungsbezogenen und der merkmalsbezogenen mittleren Korrelationen sowie der mittleren Korrelationen innerhalb der einzelnen Übungen wurden kaum signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Beobachtergruppen festgestellt. Aus diesem Grunde kann geschlossen werden, dass die Teilnahme an einem AC als Beobachter nicht notwendigerweise die Beobachterexpertise verbessert. Angesichts der hohen Übereinstimmung der Beobachtergruppen mit der Gesamtrangfolge über die Teilnehmer kann geschlossen werden, dass für den vorliegenden einfachen AC-Typ verbunden mit der spezifischen Art der Ergebnisgewinnung der Verzicht auf ein Beobachtertraining nicht notwendigerweise eine Verschlechterung der AC-Ergebnisse bedeutet.
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland schneiden in nationalen und internationalen Schulleistungsstudien deutlich schlechter ab als Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund. Auch hinsichtlich der Lesekompetenz im Deutschen sind die Ergebnisse eines großen Teils der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund immer wieder bedenklich schlecht. Um die Frage, welche Förderung gegen Defizite in der Deutsch-Lesekompetenz bei dieser Schülergruppe eingesetzt werden sollte, hat sich in Deutschland eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit breiter öffentlicher Wirkung entwickelt. Die drei Beiträge der vorliegenden Dissertation liefern aus unterschiedlicher Perspektive einen Beitrag zur Erforschung der Lesekompetenz von Personen mit unterschiedlicher Sprachbiographie.
Beitrag I (Rauch & Hartig, 2010) zeigte, dass es möglich ist, mit den Mitteln der mehrdimensionalen Item Response Theorie den diagnostischen Nutzen eines Deutsch-Lesekompetenztests zu erhöhen. Für Schülerinnen und Schüler, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, zeigte sich, dass sie insbesondere bei Basisfähigkeiten, die zur Bewältigung höherer Lesekompetenzprozesse notwendig sind, gegenüber ihren deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern benachteiligt sind. Beitrag II (Rauch, Jurecka & Hesse, 2010) belegte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler über niedrigere Deutsch-Lesekompetenzen verfügen als ihre monolingual Deutsch aufgewachsenen Mitschülerinnen und Mitschüler. In der Englisch-Lesekompetenz wurde kein Gruppenunterschied nachgewiesen. Es fand sich darüber hinaus ein signifikant positiver Effekt der Türkisch-Lesekompetenz auf die Englisch-Lesekompetenz, aber nicht auf die Deutsch-Lesekompetenz. Beitrag III (Rauch, Jude & Naumann, in Druck) zeigte, dass Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in beiden Sprachen Texte selbständig lesen und verstehen können, besser im Englisch-Lesekompetenztest abschneiden als monolingual aufgewachsene Schülerinnen und Schüler. Türkisch-Deutsch bilinguale Schülerinnen und Schüler, die über niedrigere Lesekompetenzen im Türkischen und Deutschen verfügen, schnitten im Englisch-Lesekompetenztest schlechter ab als beide anderen Vergleichsgruppen. Zudem zeigte Beitrag III, dass Sprachbewusstheit den Zusammenhang zwischen Biliteralität und drittsprachlicher Lesekompetenz teilweise mediiert.
Aus den Ergebnissen kann gefolgert werden, dass es für die Förderung der Deutsch-Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern, die zu Hause nicht das Deutsche zur Kommunikation nutzen, sinnvoll ist, insbesondere auf die Förderung der Bildung von adäquaten Makrostrukturen und die Vermittlung von Lesestrategien abzuheben. Die unterschiedlichen Befunde zur Interdependenz von Kompetenzen im Türkischen einerseits und im Deutschen und Englischen andererseits wurden auf die Art des schulischen Unterrichts in Deutsch und Englisch zurückgeführt. Während Schülerinnen und Schüler mit Herkunftssprache Türkisch im Englischunterricht, der das Englische im formalen Sprachunterricht vermittelt, in der Lage sind, Bezüge zu ihrer Herkunftssprache herzustellen, ist dies im Deutschunterricht, der das Deutsche selbst weitgehend voraussetzt, nicht möglich. Ein Teil des wiederholt in der Literatur berichteten Befundes, dass bilinguale Schülerinnen und Schüler, die in ihren beiden Sprachen lesen können, in drittsprachlichen Lesekompetenztests besser abschneiden als monolinguale Schülerinnen und Schüler, scheint auf erhöhte Sprachbewusstheit zurückzuführen zu sein. Dieses besondere Potential bilingualer Schülerinnen und Schüler könnte durch Herkunftssprachlichen Leseunterricht und einen auf Sprachbewusstheit ausgerichteten Unterricht weiter ausgeschöpft werden.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Hypothese, dass der „Life Orientation Test (-Revised)“ (LOT-R), der als Selbstberichtsfragebogen zur Erfassung von dispositionellem Optimismus konstruiert wurde, nicht nur „Optimismus“ erfasse, sondern auch „Pessimismus“; Pessimismus wird im Rahmen dieser „OP-Hypothese“ nicht als der Gegenpol von Optimismus aufgefasst, sondern als ein partiell unabhängiges Konstrukt. Die OP-Hypothese wird typischerweise mit sog. „konfirmatorischen“ Faktorenanalysen untersucht. Die OP-Hypothese wird zunächst aus theoretischer Perspektive analysiert, insbesondere auch deshalb, weil die Begriffe „Optimismus“ und „Pessimismus“ im Rahmen der OP-Hypothese nicht auf dieselbe Art verwendet werden wie sonst in der Psychologie oder in anderen Wissenschaften üblich. Dabei zeigt sich, dass keine angemessene theoretische Herleitung der OP-Hypothese möglich ist: Was „Pessimismus“ ist, wenn es nicht der Gegenpol von Optimismus ist, bleibt unklar. Ausgehend von dem Befund, dass die theoretische Herleitung der OP-Hypothese unangemessen ist, wird diese Hypothese aus methodologisch-testtheoretischer Perspektive und mittels zweier empirischer Arbeiten kritisch überprüft. Aus methodologischer und mathematisch-statistischer Perspektive wird dargestellt, dass die empirischen Befunde, die für die OP-Hypothese sprechen, nicht eindeutig sind; die OP-Hypothese ist also unterdeterminiert. Die Gültigkeit eines reflexiven Messmodells, das für die Untersuchung der OP-Hypothese mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen erforderlich wäre, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden. Die mathematisch-statistischen Annahmen der „experimentellen Unabhängigkeit“ und der „lokalen Homogenität“, die ein reflexives Messmodell konstituieren, sind für Selbstberichtsfragebogen in vielen Fällen verletzt. Noch gravierender ist das Ergebnis, dass sich aus „konfirmatorischen“ Faktorenmodellen, die für die OP-Hypothese sprechen, keine ausreichenden Informationen über den empirischen Gehalt der Hypothese ergeben. In grundsätzlicher Form und anhand einfacher Beispiele wird gezeigt, dass für eine gegebene Kovarianzmatrix, die die Datenbasis einer „konfirmatorischen“ Faktorenanalyse darstellt, grundsätzlich unendlich viele Alter-nativmodelle konstruiert werden können, von denen zumindest eine Teilmenge auch mit sinnvollen Interpretationen verbunden ist. Angesichts der Existenz solcher Alternativmodelle müssen andere Kriterien zur Überprüfung der OP-Hypothese herangezogen werden als „konfirmatorische“ Faktorenmodelle. Anhand einer empirischen Untersuchung mit dem LOT-R wird gezeigt, dass ein „Methodeneffektmodell“ eine bessere Anpassung an die Daten ermöglicht als das mit der OP-Hypothese verbundene Modell. Das Methodeneffektmodell beinhaltet die Annahme, dass die Antworten auf LOT-R-Items nicht ausschließlich durch die individuelle Ausprägung in „Optimismus“ bedingt werden, sondern zum Teil auch unerwünschte Effekte der Itemformulierungen abbilden. Entsprechend lässt sich eine Korrelation des „Methodenfaktors“ mit sozial erwünschtem Antwortverhalten beobachten. Schließlich wird in einer weiteren empirischen Untersuchung gezeigt, dass mit der Skala „Personaler Optimismus“ ein Instrument zur Erfassung von dispositionellem Optimismus vorliegt, welches nicht unter der faktorenanalytischen Mehrdimensionalität leidet, die den LOT-R kennzeichnet. In der Zusammenschau der methodologischen und empirischen Ergebnisse muss die OP-Hypothese als zu gering begründet zurückgewiesen werden. Über den Rahmen des speziellen Inhaltsgebietes „Optimismus“ hinaus weist die vorliegende Arbeit aber auch auf die Notwendigkeit multipler Betrachtungsebenen bei der Untersuchung persönlichkeitspsychologischer Fragestellungen hin. Nachteilig für die persönlichkeitspsychologische Forschung könnten sich insbesondere die unreflektierte Verwendung von Selbstberichtsfragebogen auf der Seite der Datenerhebung und die unreflektierte Verwendung von „konfirmatorischen“ Faktorenanalysen auf der Seite der Datenauswertung auswirken.
Adorno und die Psychoanalyse
(2004)
Vortrag an der "Die Lebendigkeit kritischer Gesellschaftstheorie", einer Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno, die am 4. - 6. Juli 2003 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main statfand. Koordiniert von Prof. Dr. Andreas Gruschka und Prof. Dr. Ulrich Oevermann. Die Tagungsbeiträge können auch auf CD (je CD ein Vortrag) oder als DVD (alle Vorträge im MP3-Format) käuflich erworben werden. S.a. "Die Lebendigkeit der kritischen Gesellschaftstheorie", herausgegeben von Andreas Gruschka und Ulrich Oevermann. Dokumentation der Arbeitstagung aus Anlass des 100. Geburtstages von Theodor W. Adorno. Büchse der Pandora 2004, ISBN 3-88178-324-5
Seit seinem Erscheinen im Jahr 1919 stand das 'Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens' im Zentrum des öffentlichen Interesses. Die Aufzeichnungen, die von der zunächst anonym bleibenden Herausgeberin, der Wiener Kinder-Analytikerin Hermine Hug-Hellmuth, als "Kulturdenkmal unserer Zeit" präsentiert und von Sigmund Freud als kulturhistorisches Dokument ersten Ranges gewürdigt wurden, erwiesen sich nur wenige Jahre nach ihrer Publikation als Werk der Analytikerin selbst. Dass das Tagebuch als 'authentisches' Zeugnis so erfolgreich war - bereits in den ersten Jahren wurden 10.000 Exemplare verkauft - und sich als Fälschung so wirksam entfalten konnte, hatte mit seinem spezifischen kulturellen und wissenschaftlichen Umfeld zu tun. Denn Hug-Hellmuth war nicht nur fest in die psychoanalytische Bewegung eingebunden, auch hatte sie sich in dem im Entstehen begriffenen kinderpsychoanalytischen Diskurs der 1910er Jahre bereits einen Namen gemacht - und so die für eine Fälschung unabdingbaren Qualifikationen erworben. Vor allem aber lag die Durchschlagskraft des Tagebuchs in seiner wissenschaftsinternen Bedeutung: Versprach es doch, als gleichsam verschriftlichter 'Originalton', Freuds Theorie von der kindlichen und adoleszenten Sexualität sowie deren Bedeutung für die Ätiologie der Neurosen zu belegen und somit eine der wichtigsten Hypothesen der Psychoanalyse auf empirische Grundlagen zu stellen. So sollte das intime Jugendtagebuch, das sich schon qua Genre als 'unverfälschte' und unverstellte Selbstaussage präsentierte, den lang ersehnten Einblick in die Blackbox der adoleszenten Seele ermöglichen, jenen psychischen Raum also, der sich der pädagogischen Kontrolle ebenso wie der auf Erwachsene eingestellten Psychoanalyse entzog.
Double blind - psychogene und psychosomatische Sehstörungen nach Sigmund Freud und Georg Groddeck
(2019)
Die Psychoanalyse des frühen 20. Jahrhunderts nahm in ihren Überlegungen Sehstörungen zum Anlass, um das Funktionieren des gesunden Auges, vor allem aber die Funktionsweisen der menschlichen Psyche zu thematisieren. Anne-Kathrin Reulecke zeigt, dass sowohl Sigmund Freud als auch Georg Groddeck davon ausgingen, dass das Sehen keine rein physiologische Fähigkeit, sondern vielmehr eine psychologisch sowie sozial und kulturell präfigurierte Aktivität ist. Sie legt dar, dass Freud eine nichtorganisch bedingte Sehstörung, die sogenannte hysterische Blindheit, als Effekt eines innerpsychischen Triebkonflikts und als dessen gleichsam neurotischen Ausweg deutet. Groddeck hingegen bestimmt das gesunde Auge als Organ eines grundlegenden Nicht-alles-sehen-Könnens. Die Kurzsichtigkeit betrachtet er als sinnvolles Hilfsmittel des Körpers, das dann eingesetzt wird, wenn die normale Tätigkeit des Verdrängens beim Sehen, die Selektion gefährlicher Bilder, nicht ausreichend funktioniert.
Im Zuge der Modernisierung haben die religiösen Erzählungen ihre Einheit stiftende Kraft verloren. An ihre Stelle ist die menschliche Vernunft getreten und mit ihr die Logik eines rationalen, ganz auf Fortschritt ausgerichtetes Handelns, während Beziehungserfahrungen und mit ihr der unverzichtbare Wunsch nach Resonanz immer stärker in den Hintergrund treten. Menschen lassen sich auf Dauer aber nicht allein mit effizienzorientierten Rückmeldungen abspeisen. Sie warten auf Anerkennung, die von außen kommt; sie warten auf Resonanz. Hartmut Rosa hat die Vorstellung von einem Verstummen der Welt, in der der verzweifelte Ruf nach dem Anderen keine Antwort mehr findet, nicht umsonst als die tiefste Angst bezeichnet, der die Menschen heute umtreibt. Die Autorin beschreibt vor diesem Hintergrund die Erfahrung von Resonanz als menschliches Grundbedürfnis und zeigt als erstes an Beispielen aus der Literatur, wie diese sich dort in außergewöhnlichen Naturerlebnissen, in der Selbstentgrenzung von Liebesbeziehungen und in der präreflexiven Erfahrung Gottes, die keiner weiteren Begründung mehr bedarf, erfahrbar wird. Anschließend wendet sie sich Resonanzerfahrungen im Bereich der Psychoanalyse zu. Im letzten Abschnitt ihrer Arbeit befasst sie sich mit Resonanzerfahrungen in der pluralistischen Gesellschaft, in der es unterschiedliche Sinndeutungen gibt, die gleichermaßen legitim sind und nach Anerkennung verlangen.
Fragestellung: Es existiert eine Vielzahl von Begriffen für Verhaltenssüchte, die Mängel in Operationalisierung, Bezug zum Verhalten, Kompatibilität mit internationalen Klassifikationen sowie nicht stigmatisierender Nutzung aufweisen. Daher werden einheitliche Begriffe für Verhaltenssüchte benötigt. Methode: Im Rahmen einer Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung Internetbezogener Störungen wurden Lösungen in Form eines Expertenkonsens entwickelt. Ergebnisse: Als Grundlage wurde die Einteilung von Verhaltenssüchten in der 11. Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) genutzt. Es wurden die Begriffe Computerspielstörung (CSS) und Glücksspielstörung (GSS) für die beiden in ICD-11 enthaltenen Verhaltenssüchte gewählt sowie drei weitere spezifizierte Verhaltenssüchte vorgeschlagen: Soziale-Netzwerke-Nutzungsstörung (SNS), Shoppingstörung (ShS) und Pornografie-Nutzungsstörung (PNS). Für CSS, GSS und ShS wird weiterhin zwischen vorwiegend online oder vorwiegend offline unterschieden. Als Oberbegriff wird Störungen aufgrund von Verhaltenssüchten vorgeschlagen. Für Störungen aufgrund von Verhaltenssüchten, die sich vorwiegend auf online ausgeübte Verhaltensweisen beziehen, kann alternativ der Oberbegriff Internetnutzungsstörungen verwendet werden. Schlussfolgerung: Die vorgeschlagenen Termini weisen Verbesserungen im Vergleich zu uneindeutigen oder aus anderen Gründen ungünstigen Begriffen dar. Gleichzeitig konnte eine Kompatibilität mit der ICD-11 ermöglicht werden.
Rezension zu: Arno Gruen (2013): Dem Leben entfremdet. Warum wir wieder lernen müssen zu empfinden. Stuttgart: Klett-Cotta. Ca. 19,95.
Wir verlieren den Sinn für mitmenschliche Gefühle mit gravierenden Konsequenzen für uns selbst, die Gesellschaft und die Politik. Das meint der Psychoanalytiker Arno Gruen in seinem neuen Buch „Dem Leben entfremdet“. Es ist ein eindrücklicher und lebensnaher Anstoß, über uns selbst und unser Verhalten im Alltag nachzudenken.
Gedächtnisaspekte, die auch mit zunehmendem Alter stabil und zuverlässig bleiben, sind in heutiger Forschung von besonderem Interesse. Studien im Bereich des Gedächtnisses für einfache Handlungen konnten zeigen, dass dieses Itemmaterial besser erinnert wird, wenn es während der Einprägephase motorisch ausgeführt wird (vgl. z.B. Knopf, 1995) im Gegensatz zum rein verbalen Einprägen vergleichbaren Materials. Dieser Gedächtnisvorteil des handelnden Enkodierens, der so genannte Handlungseffekt, ist auch bei älteren Probanden zu beobachten. Da der Handlungseffekt altersübergreifend vergleichbar groß ist, erreichen Ältere auch bei handelndem Enkodieren nicht das Leistungsniveau Jüngerer (Alterseffekt, z.B. Knopf, 2005).
Die vorliegende Arbeit beschäftigte sich vor allen Dingen mit der Frage, ob die Gedächtnisleistung nach handelndem und verbalem Enkodieren bei einer Wiederholung der Lernaufgabe mit jeweils neuem Lernmaterial noch gesteigert werden kann. Dabei wurden mögliche enkodiertypabhängige sowie altersabhängige Leistungsunterschiede untersucht. Weiterhin wurde geprüft, ob eine beobachtete Leistungssteigerung nach wiederholtem Lernen mit jeweils neuem Lernmaterial auch nach einem halben Jahr noch zu beobachten ist. In zwei zusätzlichen Fragestellungen wurde theoretischen Erklärungen des Handlungseffektes nachgegangen, indem die seriellen Positionskurven sowie der zeitliche Verlauf des Abrufes untersucht wurden.
Zur Untersuchung der Fragestellungen wurden verschiedene Studien mit Jüngeren und Älteren durchgeführt. Das Lernmaterial bestand aus Serien von einfachen Handlungsphrasen, welche entweder durch Ausführen oder verbal enkodiert und in unmittelbaren freien Erinnerungstests reproduziert wurden. Zur Untersuchung einer möglichen Leistungssteigerung nach Wiederholung der Lernaufgabe mit jeweils unterschiedlichem Material wurden vier Termine in wöchentlichem Abstand angesetzt. Um die Stabilität der Leistung nach einem halben Jahr zu untersuchen, wurde ein fünfter Messzeitpunkt realisiert.
Die Ergebnisse zeigen eine Replikation von Handlungs- und Alterseffekt (Knopf, 2005). Eine Wiederholung der Aufgabe mit jeweils neuem Lernmaterial führt unabhängig vom Alter der Teilnehmer oder der Enkodierbedingung zu einer ähnlichen Steigerung der Gedächtnisleistung, die auch nach einem halben Jahr noch nachweisbar ist. Die Untersuchungen der seriellen Positionskurven des Abrufes zeigen, dass nach handelndem Enkodieren vor allen Dingen die letzten Items der zu lernenden Itemserie eine erhöhte Erinnerungswahrscheinlichkeit haben. Auch der Alterseffekt scheint eher in den letzteren seriellen Positionen einer Itemserie begründet zu sein, wobei diese Positionen bei verbalem und handelndem Enkodieren unterschiedlich sind. Die Leistungssteigerung zeigt sich bei beiden Enkodierbedingungen in einer signifikanten Steigerung der mittleren Positionen der seriellen Positionskurven, beim verbalen Enkodieren zusätzlich in einer Steigerung der letzen Positionen. Demnach führen bei den beiden Enkodierbedingungen unterschiedliche Veränderungen zum Leistungsanstieg. Bei der Betrachtung des zeitlichen Verlaufes des Abrufes kann zudem gezeigt werden, dass der Abruf nach handelndem Enkodieren schneller abzulaufen scheint.
Zum Andenken an A. Fick
(1902)
Im Bachelorstudiengang Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt wurde im Rahmen des Programms „Starker Start ins Studium“ ein Modul zur Verbesserung der Studieneingangsphase implementiert (Höhler et al., 2012). Im vorliegenden Beitrag wird beschrieben, inwiefern die Umsetzung des Lehrkonzepts zur fachlichen und sozialen Integration von Studienanfängern beiträgt und erste Evaluationsergebnisse werden vorgestellt.
Behaviorale und neuronale Effekte eines Emotionserkennungstrainings bei Autismus-Spektrum-Störungen
(2010)
Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Wirksamkeit eines computerbasierten Emotionserkennungstrainings bei Personen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) zu überprüfen. Dies geschieht durch den Vergleich einer mit dem Frankfurter Training des Erkennens von fazialem Affekt (FEFA) trainierten und einer nicht trainierten Personengruppe mit ASS. Das FEFA ist das einzige deutschsprachige Emotionserkennungstraining, das mit dem Ziel entwickelt wurde, die Erkennung von Basisemotionen in Gesichtsausdrücken bei autistischen Menschen zu verbessern. Da ASS mit deutlichen, nicht ursächlich behandelbaren Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und Kommunikation einhergehen, bieten übende Verfahren eine Möglichkeit, soziale Fertigkeiten aufzubauen und die Symptomatik abzumildern. Das Erkennen emotionaler Zustände anderer Personen stellt eine relevante Basisfähigkeit für angemessenes sozial-kommunikatives Verhalten dar. Autistischen Personen gelingt die Emotionserkennung oft nicht und es gibt Hinweise, dass sie emotionale Gesichtsausdrücke neuronal anders verarbeiten als nicht autistische Menschen. Daher werden in dieser Studie neben Testverfahren zur Emotionserkennung funktionelle Bildgebungsverfahren (fMRT) eingesetzt, um neuronale Aktivierungsmuster mitzuerfassen. Die Studie gliedert sich in zwei Teile. Im ersten Teil wird ein Querschnittsvergleich durchgeführt, bei dem die Emotionserkennungsfertigkeiten durchschnittlich begabter Personen mit ASS (n=40) sowie deren neuronale Aktivierungsmuster bei der Wahrnehmung emotionaler, fazialer Reize mit denen einer, nach Alter und nonverbaler Intelligenz parallelisierten, unauffälligen Kontrollgruppe (n=26) verglichen werden. Diese Vergleiche zeigen, dass der ASS-Gruppe in den verwendeten Emotionserkennungstests deutlich weniger korrekte Zuordnungen gelingen als der unauffälligen Kontrollgruppe. Darüber hinaus weist die ASS-Gruppe auch in einem Gesichtererkennungstest und einem Wortschatztest gegenüber den unauffälligen Kontrollen Beeinträchtigungen auf. In fMRT-Aufgaben zur impliziten Emotionserkennung ist bei den unauffälligen Kontrollen eine Mehraktivierung in neuronalen Arealen, die mit sozial-emotionaler Reizverarbeitung in Zusammenhang stehen, feststellbar, und zwar im fusiformen Gyrus, der Amygdala und auch im dorsalen lateralen präfrontalen Kortex. Bei Aufgaben zur expliziten Emotionserkennung und der Wahrnehmung neutraler Gesichter bestehen keine Unterschiede in den neuronalen Aktivierungen zwischen den Gruppen in den interessierenden Regionen (Regions of Interest). Der zweite Teil der Studie umfasst die Trainingsevaluation. Hierzu wird das FEFA-Training mit 15 autistischen Personen in acht Einzelstunden innerhalb eines Zeitraums von fünf bis sechs Wochen durchgeführt. Die parallelisierte ASS-Kontrollgruppe besteht ebenfalls aus 15 Personen, die keine Intervention erhalten. Die vor dem Training (bzw. der Wartezeit) erfassten Emotionserkennungsfähigkeiten und neuronalen Aktivierungsmuster werden mit den unmittelbar nach dem Training (bzw. der Wartezeit) erhobenen verglichen. Zudem werden zu einem dritten Messzeitpunkt, etwa vier Wochen nach Beendigung des Trainings, die Testleistungen der beiden ASS-Gruppen einander erneut gegenüber gestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die trainierte ASS-Gruppe in allen verwendeten Tests zur Erkennung von Basisemotionen deutliche, stabile Verbesserungen erreicht, die mit einer Mehraktivierung im fusiformen Gyrus und der Amygdala bei Aufgaben zur impliziten Emotionserkennung einhergehen. Keine Verbesserungen werden bei der Erkennung komplexer emotionaler und mentaler Zustände sowie in der, von den Eltern eingeschätzten, affektiven Reaktivität im Alltag erzielt. In einem visuellen Gedächtnistest und einem Konzentrationstest, die zur Kontrolle der Spezifität des Trainings zu allen Messzeitpunkten angewendet werden, sind keine Verbesserungen in der trainierten ASS-Gruppe feststellbar. Somit kann davon ausgegangen werden, dass keine emotionsunspezifischen Fertigkeiten trainiert wurden. Das FEFA-Training wird von den Teilnehmern hinsichtlich des Ablaufs und des subjektiv erlebten Behandlungserfolges als überwiegend positiv bewertet. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die Anwendung des FEFA-Trainings über einen relativ kurzen Zeitraum bei autistischen Personen mit normativer Intelligenz die Emotionserkennungsleistung verbessert, allerdings sind darüber hinaus weitere Interventionen erforderlich, um einen Transfer in den Alltag zu ermöglichen.
Basierend auf dem im Wissenschaftskontext diskutierten Postulat, dass ADHS-Symptomatiken auf Defizite in der Selbstregulation zurückzuführen sind, befasst sich die vorliegende Arbeit auf theoretischer und empirischer Ebene mit verschiedenen Facetten kognitiver und emotionaler Selbstregulation bei Kindern mit ADHS.
In diesem Zusammenhang wurde unter Verwendung eines computerbasierten Task-Switching-Paradigmas die kognitive Flexibilität von Kindern mit und ohne ADHS in den Blick genommen. Hierbei zeigte sich, dass die Bewältigung des flexiblen Aufgabenwechsels vergleichsweise höhere Anforderungen an die ADHS-betroffenen Kinder stellt. So ließen sich im Task-Switching-Paradigma zwar bezüglich der generellen Wechselkosten keine Gruppenunterschiede auffinden. Jedoch wurden für die ADHS-betroffenen Kinder signifikant höhere spezifische Wechselkosten aufgefunden als für die Kontrollkinder. Dieser Gruppenunterschied war auch dann zu beobachten, wenn Differenzen in der Inhibitionsleistung statistisch kontrolliert wurden.
Im Rahmen einer weiteren Untersuchung, bei welcher der Fragebogen zur Erhebung der Emotionsregulation bei Kindern und Jugendlichen (FEEL-KJ; Grob & Smolenski, 2005) zum Einsatz gebracht wurde, wurde zudem überprüft, ob sich Kinder mit und ohne ADHS im Hinblick auf die von ihnen im Alltag angewandten Strategien der Emotionsregulation unterscheiden. Zusammengenommen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Kinder mit ADHS zur Regulation ihrer negativen Emotionen vergleichsweise seltener von adaptiven Strategien Gebrauch machen, während sich im berichteten Gebrauch von maladaptiven Strategien keine Gruppenunterschiede zeigten. Des Weiteren wurde deutlich, dass diejenigen ADHS-betroffenen Kinder, die in ihrem Alltag besonders selten adaptive Emotionsregulationsstrategien einsetzen, auch besonders stark unter psychosozialen Beeinträchtigungen leiden.
Schließlich wurde in einer anwendungsorientierten Studie untersucht, welchen Beitrag der kombinierte Einsatz selbstberichtsbezogener und computergestützter Messungen der Selbstregulation zur Absicherung von ADHS-Diagnosen leistet. Hierbei wurden im Rahmen von ROC-Analysen für (1.) eine computerbasierte GoNoGo-Aufgabe, (2.) die Impulsivitätsskala des Inventars zur Erfassung von Impulsivität, Risikoverhalten und Empathie bei 9- bis 14-jährigen Kinder (IVE; Stadler, Janke & Schmeck, 2004) und (3.) den z-transformierten Summenwert aus beiden Verfahren die jeweilige diagnostische Sensitivität und Spezifität bestimmt. Dabei konnte nur für das kombinierte Messverfahren ein klinischer Cut-Off-Wert bestimmt werden, der eine perfekte Sensitivität bei gleichzeitig zufrieden stellender Spezifität gewährleistete. Folglich belegen die Studienergebnisse insgesamt gesehen, dass selbstregulationsbezogene Messverfahren einen Beitrag zur ADHS-Diagnosestellung leisten können, wobei eine Kombination mehrerer Messverfahren zu einer deutlich gesteigerten Diskriminationsfähigkeit führt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass den Ergebnissen der vorliegenden Dissertationsschrift folgend ADHS als eine Störung der Selbstregulation beschrieben werden kann. Im Speziellen unterstützen die gewonnenen Befundmuster die in der Forschung zunehmend diskutierte Auffassung, dass ADHS auf divergente Selbstregulationsdefizite zurückzuführen ist, die sich sowohl auf die kognitiven als auch auf die emotionalen Facetten der Selbstregulation beziehen. Dieses Wissen kann aus anwendungsbezogener Perspektive einen zentralen Beitrag zur Verbesserung der diagnostischen und therapeutischen Praxis leisten.
Trotz der Relevanz des Themas Suizidalität und gut bekannter Risikofaktoren gibt es bisher keine deutsche Leitlinie zur Suizidalität im Erwachsenenalter. In diesem Beitrag werden zunächst die Geschichte und die Hintergründe der Arbeit mit Leitlinien beschrieben. Der aktuelle Stand der Leitlinien für psychische Erkrankungen in Deutschland wird dargestellt und auf suizidpräventive Inhalte hin untersucht. Die Notwendigkeit evidenzbasierter Suizidprävention und einer spezifischen Leitlinie zur Suizidprävention bei Erwachsenen wird diskutiert.
Nur durch gezielte Suizidpräventionsstrategien und Interventionen für die jeweiligen Risikogruppen und unter Beachtung von Alters- und Geschlechtsspezifität kann für alle Betroffenen eine flächendeckende, gut erreichbare, bedarfs- und versorgungsgerechte, finanzierbare sowie nachhaltige medizinische Versorgung auf einem hohen Niveau sichergestellt werden. Dies gilt für den ambulanten und den stationären Bereich sowie für deren Schnittstellen. Bei Suizidalität handelt es sich um ein diagnoseübergreifendes, in unterschiedlichen Versorgungskontexten auftretendes Syndrom mit komplexem Behandlungsbedarf, weshalb intersektorale und multiprofessionelle Aspekte in einer entsprechenden Leitlinie besonders zu adressieren sind. Wissenschaftliche Evidenz und interdisziplinärer Konsens unter Expertinnen und Experten zum Umgang mit suizidalem Verhalten in der medizinischen Versorgung können dazu beitragen, Morbidität und Mortalität im Zusammenhang mit Suizidalität zu reduzieren. Im August 2021 wurde die Finanzierung einer S3-Leitlinie „Umgang mit Suizidalität“ vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses bewilligt.
Den Stand der Psychoanalyse in Deutschland kann man nicht anders beschreiben, als indem man konstatiert, sie stehe im Mittelpunkte der wissenschaftlichen Diskussion und rufe bei Ärzten wie bei Laien Äußerungen entschiedenster Ablehnung hervor […].
Mit dieser Beschwerde, die hier den Anfang machen soll, kommt Sigmund Freud in seinem 1914 erstmals veröffentlichten Aufsatz "Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung" auf die Widerstände zurück, denen die Psychoanalyse seit ihrem Auftritt auf der Bühne der Wissenschaft ausgesetzt ist. Genau 50 Jahre später wird Jacques Lacan, dessen vielzitierte "Rückkehr zu Freud" den wohl konsequentesten Versuch einer Fortführung der Freudschen Lehre darstellen dürfte, sich an ebenso grundlegender Stelle, in einem Seminar über "Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse", über ganz ähnliche Probleme beklagen. Ähnlich, aber nicht identisch - denn Lacan klagt über seine "Exkommunikation" aus der psychoanalytischen Vereinigung Frankreichs, also über die Wider stände, die seiner Lehre von Seiten seiner Analytiker-Kollegen entgegengebracht werden, just zu dem Zeitpunkt, als er auf das zurückkommen will, was bisher nie analysiert worden ist: das Begehren Freuds. Wer also allgemein nach dem unbewussten Begehren der Menschen fragt, hat mit Widerständen von Laien und Wissenschaftlern zu rechnen, wer nach dem unbewussten Begehren Freuds fragt, mit denen der Analytiker. Widerstände aber, so lehrt die Psychoanalyse, gehen vom Unbewussten aus und treten dort auf, wo der Patient mit verdrängten und somit Unlust erregenden Vorstellungen konfrontiert wird.
Anhand der Faktorenanalyse konnten vier voneinander inhaltlich abgrenzbare Konstrukte identifiziert und die Multidimensionalität des SBK-Self-Reports etabliert werden. Die Faktorladungen gaben zudem Aufschluss über die inhaltliche Gestaltung der Skalen und liessen eine Konkretisierung der Skalendefinitionen zu. Aus testtheoretischer Sicht kann den vier SBK-Skalen ausreichend bis zufriedenstellende Reliabilitäten bestätigt werden (r = ,70 bis r = , 79). Die Skalen sind inhaltlich voneinander abgrenzbar, zeigen allerdings, wie erwartet Beziehungen zueinander auf. Die Annahme der Kriteriumsvalidität des SBK-Self-Reports kann, mit Ausnahme der Nonverbalen Sensitivität, für die Skalen Verbale Sensitivität, Verbale Regulation und Nonverbale Regulation durch die Ergebnisse unterstützt werden. Mit Blick auf die Konstruktvalidierung, kann den SBK-Skalen hinreichend konvergente und diskriminante Validität zugesprochen werden. Die sozialen Basis-Kompetenzen können als von der akademischen Intelligenz unabhängige Konstrukte betrachtet werden und lassen sich unter Gesichtspunkten der Abgrenzungsproblematik sozialer Intelligenz von der sprachgebundenen Intelligenz deutlich trennen. Mit dem Ziel elementare Bestandteile sozial kompetenten Verhaltens in Arbeitssituationen zu erfassen, lassen sich bei dieser Stichprobe insbesondere Indizien für die Zentralität der sozialen Basis-Kompetenz „Verbale Regulation“ finden. Die Verbale Regulation weist direkte Bezüge zu fast allen sozialen Kompetenzen in den hier erfassten Arbeitssituationen auf und eignet sich zur Prädiktor sozial kompetenten Verhaltens im Arbeitskontext. Gründe für die nicht gefundenen Effekte der anderen sozialen Basis-Kompetenz-Skalen können unterschiedlicher Natur sein: Möglich wäre, dass nonlineare Zusammenhänge zwischen den abhängigen und unabhängigen Variablen bestehen. Ursachen können ebenso in der Stichprobe liegen. Eine Untersuchung, die auf soziale Berufsfelder zugeschnitten wäre (z.B. Krankenschwestern, Pflegepersonal), würde vermutlich deutlichere Indizien für eine Beziehung zwischen den Sensitivitätsebenen der Basis-Kompetenzen und sozial kompetenten Verhalten zulassen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den potentiellen Ursachen wäre folglich für weiterführende Untersuchungen anzuregen. Gemeinsam leisten die Verbale Regulation, Persönlichkeitsfaktoren und kognitive Variablen einen substantiellen Beitrag zur Varianzaufklärung des sozial kompetenten Verhaltens in sozialen Arbeitssituationen. Hinsichtlich den Persönlichkeitsvariablen, hat sich insbesondere die „Offenheit für Erfahrung“ als bedeutender Prädiktor erwiesen. Im Rahmen der kognitiven Variablen scheint insbesondere das sprachgebundene Intelligenzmerkmal „Sprachgefühl“ zur Vorhersage vieler sozialer Kompetenzen geeignet zu sein. Allerdings ist ebenso festzuhalten, dass je nach sozialer Kompetenz und Arbeitssituation teilweise zusätzliche und unterschiedliche kognitive Variablen Relevanz besitzen. In bezug auf den relativen Einfluss der Variablenblöcke, können die kognitiven Variablen über die Persönlichkeitsvariablen hinaus Varianz in den sozialen Kompetenzen aufklären. Allerdings beweist sich die soziale Basis-Kompetenz Verbale Regulation, als effizientester Prädiktor, der über die Persönlichkeitsvariablen und kognitiven Variablen hinaus zusätzliche Varianz in den arbeitsbezogenen sozialen Kompetenzen aufklären kann und die Vorhersage massgeblich verbessert. Die Verbale Regulation zeigte sich insgesamt als konsistentester Prädiktor über die Situationen und Kompetenzen hinweg. Auch wenn durch die Hinzunahme der Persönlichkeits- und/oder kognitiven Variablen sich der Varianzbeitrag der sozialen Basis-Kompetenzen prozentual verringerte und die Prädiktoren daher nicht durchgängig additiv zu betrachten sind, konnte den sozialen Basis-Kompetenzen ein bedeutsamer Einzelbeitrag zugeschrieben werden. Die Stärke der positiven Beziehung zwischen Verbaler Regulation und den sozialen Kompetenzen war im Rahmen dieser Stichprobe, abhängig von der Interaktions-Angst, Zustandsangst und Neurotizismus. Ergebnisse der moderierten Regressionen zeigen, dass hohe Interaktions-Ängste und hohe Zustandsangst den positiven Zusammenhang zwischen Verbaler Regulation und sozial kompetenten Verhalten in den meisten Fällen mindern kann. Personen erzielen die besten Resultate in den sozialen Kompetenzen, wenn sie über eine hohe sprachliche Regulation verfügen und kaum Angst empfinden. Ein ähnlicher Interaktionseffekt ist bei Neurotizismus und Verbaler Regulation zu beobachten. Dabei fördert die emotionale Stabilität den positiven Zusammenhang zwischen Verbaler Regulation und den sozialen Kompetenzen. Personen, die eine hohe Verbale Regulationsfertigkeit besitzen, schneiden bei einer hohen emotionalen Stabilität, am besten in den sozialen Kompetenzen ab. Eine Ausnahme dieser Form der Wechselwirkung ist lediglich bei einigen Interaktionseffekten in den Gruppensituationen zu finden. Hier kann eine ausgeprägte Teamfähigkeit erzielt werden, wenn eine hohe Verbale Regulation mit hoher Angst oder Neurotizismus einhergeht. Im Zusammenhang mit Nonverbaler Regulation, Verbaler Sensitivität und Nonverbaler Sensitivität konnten lediglich bei einzelnen aufgabenbezogenen Sozialen Kompetenzen und Situationen, Interaktionseffekte von Neurotizismus, Interaktions-Angst und Angst als Zustand festgestellt werden. Der Interaktionseffekt war bei Verbaler Regulation und den postulierten Moderatoren über die sozialen Kompetenzen und Situationen hinweg am konsistentesten. Post hoc wurde angenommen, dass eine hohe Nonverbaler Sensitivität nur in Abhängigkeit mit einer guten Urteilsfähigkeit sich positiv auf sozial kompetentes Verhalten auswirkt. Diese Erwartung bestätigte sich in vielen Fällen. Personen wurden in den Kompetenzen am begabtesten bewertet, wenn sowohl die Urteilsbildung als auch Nonverbale Sensitivität hoch ausgeprägt war. Allerdings stellten wir darüber hinaus fest, dass Personen die sowohl eine geringe Urteilsbildung besassen, als auch nonverbal unaufmerksam waren, dennoch besser in den sozialen Kompetenzen abschnitten, als wenn sie lediglich eine hohe Nonverbale Sensitivität aufwiesen. Eine geringe Urteilsbildung kann daher im Zusammenhang mit einer hohen Nonverbalen Sensitivität am stärksten soziales Fehlverhalten hervorrufen.
Vorausgehende Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass die Identifikation von Mitarbeitern mit Ihrer Organisation ein zentraler Prädiktor für wünschenswerte Einstellungen und Verhaltensweisen wie Arbeitszufriedenheit, Leistung und Extrarollenverhalten ist (Riketta, 2005). Folglich entwickelte sich in den vergangenen Jahren ein zunehmendes Forschungsinteresse an den Faktoren, die die organisationale Identifikation von Mitarbeitern beeinflussen (Ashforth et al., 2008). Ein vielversprechender Ansatzpunkt scheint die Rolle des Führungsverhaltens zu sein. Die selbstkonzeptbasierten Theorien der Führung postulieren, dass die Effektivität von Führungskräften im Wesentlichen darauf beruht, dass sie die Identifikation ihrer Mitarbeiter mit der Arbeitsgruppe oder dem Unternehmen stärken (Shamir et al., 1993; van Knippenberg et al., 2004). Basierend auf dieser Erkenntnis haben van Dick et al. (2007) ein Transfermodell der organisationalen Identifikation entwickelt. Dieses geht davon aus, dass sich die organisationale Identifikation von Vorgesetzten auf ihr Führungsverhalten auswirkt und die organisationale Identifikation ihrer Mitarbeiter beeinflusst. Nach diesem Modell sollten die Mitarbeiter hochidentifizierter Führungskräfte eine stärkere organisationale Identifikation aufweisen als Mitarbeiter von weniger stark identifizierten Vorgesetzten. Die erhöhte Identifikation der Mitarbeiter sollte wiederum positiv auf ihre Arbeitszufriedenheit, Leistung und Extrarollenverhalten wirken. Eine Serie von querschnittlichen Feldstudien brachte erste empirische Belege für diese Annahmen (van Dick et al., 2007; Wieseke et al., 2009). Vor diesem Hintergrund war es das Ziel der vorliegenden Arbeit, das Transfermodell von van Dick und Kollegen (2007) weiteren empirischen Tests zu unterziehen und theoretisch zu erweitern. Hierzu wurden drei Fragestellungen näher untersucht: Zunächst wurden zwei experimentelle Studien durchgeführt, um den angenommenen kausalen Einfluss der Vorgesetzten-Identifikation auf die organisationale Identifikation der Mitarbeiter zu testen (Manuskript 1). Die Ergebnisse der Studien stützen die Hypothese, dass sich die organisationale Identifikation der Führungskräfte auf die Identifikation der Mitarbeiter auswirkt. Darüber hinaus zeigte sich ein Effekt auf die Leistung der Mitarbeiter. Probanden, die für einen hochidentifizierten Vorgesetzten arbeiteten, zeigten eine bessere Leistung als Mitarbeiter einer weniger stark identifizierten Führungskraft. Im zweiten Schritt der vorliegenden Arbeit wurde das Führungsverhalten untersucht, das dem Identitätstransfer zugrunde liegt (Manuskript 2). Basierend auf den selbstkonzeptbasierten Theorien der Führung wurde angenommen, dass es vor allem transformationale Führungsverhaltensweisen sind, die für den Identitätstransfer verantwortlich sind. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurden Befragungen von Führungskräften und Mitarbeitern durchgeführt. Eine Befragung fand in Deutschland, die zweite in China statt. Wie erwartet zeigte sich, dass transformationale Führung die Beziehung zwischen Führungskraft-Identifikation und organisationaler Identifikation der Mitarbeiter mediierte. Zudem fand sich in der chinesischen Stichprobe eine dreigliedrige Mediation: Transformationales Führungsverhalten und organisationale Identifikation der Mitarbeiter mediierten in Serie den Zusammenhang zwischen der Führungskräfte- und Mitarbeiter-Identifikation. Das Ziel des dritten Papers war die Erweiterung des Transfermodells um die Kundenperspektive. Es wurde angenommen, dass sich organisationale Identifikation nicht nur von Vorgesetzten auf Mitarbeiter, sondern auch von Mitarbeitern auf ihre Kunden überträgt. Eine Befragung von Führungskräften, Mitarbeitern und Kunden stützte diese Annahme. Neben einem positiven Zusammenhang von Vorgesetzten- und Mitarbeiter-Identifikation, fand sich auch die erwartete positive Korrelation zwischen der organisationalen Identifikation der Mitarbeiter und der ihrer Kunden. Zudem zeigte sich, dass die Kundenorientierung der Mitarbeiter und die organisationale Identifikation der Kunden den Zusammenhang zwischen Mitarbeiter- Identifikation auf der einen Seite und Kundenzufriedenheit und Empfehlungsverhalten der Kunden auf der anderen Seite mediierte. Insgesamt leisten die vorgelegten Arbeiten einen Beitrag zur empirischen Validierung und Weiterentwicklung des Transfermodells der organisationalen Identifikation. Sie überprüfen die Kausalitätsannahme des Transferprozesses, untersuchen den zugrunde liegenden Mechanismus und erweitern das Modell um die Perspektive der Kunden. Die Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit der organisationalen Identifikation der Vorgesetzten für die Einstellungen und Verhaltensweisen ihrer Mitarbeiter. Zudem legen sie nahe, dass sich die Identifikation der Führungskräfte, vermittelt durch die Mitarbeiter, auch auf die Zufriedenheit und das Verhalten der Kunden auswirkt. Diese Befunde sprechen dafür, dass Führungskräfte als Multiplikatoren der organisationalen Identifikation dienen können. Eine Führungskraft beeinflusst eine Vielzahl an Mitarbeitern, die dann wiederum mit einer größeren Anzahl an Kunden interagieren. Initiativen und Maßnahmen, die die organisationale Identifikation von Führungskräften fördern, können daher ein effizienter Weg sein, um die Leistungsfähigkeit und Kundenzufriedenheit einer Organisation zu fördern.
'Mut zur Angst' oder 'angstfreies Leben'? : philosophische Überlegungen zu einem bedrohlichen Thema
(2016)
Anlässe, über das Thema 'Angst' nachzudenken, gibt es in diesen Tagen mehr als genug. Weihnachtsmarkt und Karneval sind längst vorbei, aber die Terrorgefahr hat sich in Alltag und Lebenswelt verankert. Vor einiger Zeit galt das Thema 'Angst' noch als überschätzt. Gern wurde auf die sprichwörtliche 'german angst' hingewiesen: Vor 30 Jahren hatten wir Angst vor dem Waldsterben, vor 20 Jahren vor dem Wettrüsten und heute vor der Weltklimakatastrophe. Auf Menschen in Ländern mit weniger komfortablen sozialen Bedingungen kann solch diffuse Ängstlichkeit hysterisch wirken. So etwas ist für distanzierte, wissenschaftliche Beobachter geradezu eine Einladung zur Entdramatisierung. 2014 erschien das Buch 'Gesellschaft der Angst' des Soziologen Heinz Bude. Dieser gefragte Vertreter seiner Zunft zählt allerlei Angstphänomene auf: "Schulängste, Höhenängste, Verarmungsängste […], Abstiegsängste, Bindungsängste, Inflationsängste". Und überhaupt: "Ängste vor der Zukunft […], weil bisher alles so gut geklappt hat". Für Bude sind diese öffentlich beschworenen Ängste "offensichtlich" diffus. Er nimmt die Vogelperspektive der Systemtheorie ein und sieht von konkreten Inhalten der Ängste erst einmal ab. Stattdessen betrachtet er sie als soziales Blutdruckmessgerät. Budes These lautet: Ungerichtete Angstgefühle sind ein probates Mittel, mit dem "sich Gesellschaftsmitglieder über den Zustand ihres Zusammenlebens [verständigen]: Wer weiterkommt und wer zurückbleibt; wo es bricht und wo sich schwarze Löcher auftun, was unweigerlich vergeht und was vielleicht doch noch bleibt". Für solche kollektiven Selbstdiagnosen ist es notwendig, dass die Angstgefühle diffus sind. Sonst könnte man sie nicht wie ein Passepartout auf allerlei Sorgen ganz unterschiedlicher Menschen legen und nicht so gut darüber reden und schreiben.
Das ist eine sozialfunktionalistische Perspektive. Man kann sich der Thematik freilich auch aus anderen methodologischen Perspektiven nähern und fragen, was Angst denn nun eigentlich ist. Philosophen, Soziologen und Psychologen haben hier verschiedene, mitunter gegensätzliche Erklärungen
Intelligenz : ein relevantes differenzialdiagnostisches Merkmal bei Sprachentwicklungstörungen?
(2003)
Die Spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) ist als erwartungswidrige Minderleistung der Sprachentwicklung im Vergleich zur kognitiven Entwicklung definiert. Untersucht wird, (1) ob sich für SSES-Kinder im Vergleich zu unterdurchschnittlich intelligenten sprachentwicklungsgestörten Kindern (SES-Lb) ein typisches Muster von sprachlichen Leistungen sowie von Teilleistungsstörungen nachweisen lässt, das für eine Differenzialdiagnostik und damit für eine Untergruppenbildung sprachentwicklungsgestörter Kinder nutzbringend eingesetzt werden kann, (2) ob und in welcher Weise eine solche Differenzierung Konsequenzen für die Diagnostik und nachfolgend für eine Therapie zeitigt und (3) ob es Defizite in umschriebenen Leistungsbereichen gibt, die als Bedingungsfaktoren für eine Sprachentwicklungsstörung gelten, sich aber als unabhängig von der Intelligenz erweisen. Eine Gruppe von 138 fünf- und sechsjährigen Kindern mit einer schweren Sprachentwicklungsstörung, von denen 108 eine normale nonverbale Intelligenz aufwiesen, wurde anhand von IDIS (Inventar diagnostischer Informationen bei Sprachentwicklungsauffälligkeiten) untersucht. Erfasst wurden neben den sprachlichen Fähigkeiten auf der phonetisch-phonologischen, der semantisch-lexikalischen, der morphologisch-syntaktischen und der pragmatischen Ebene auch die Intelligenz, die auditive und visuelle Wahrnehmung, die auditive und visuelle Merkfähigkeit, sowie die Fein- und Grobmotorik. In den meisten geprüften Bereichen zeigt sich ein deutlicher Effekt der Intelligenz auf die Leistungen, der nicht nur auf Unterschiede in der Profilhöhe, sondern auch im Profilverlauf, also auf strukturelle Leistungsdifferenzen, hinweist. Als ein von der Intelligenz unabhängiger Bedingungsfaktor für eine Sprachentwicklungsstörung gilt eine gestörte phonologische Schleife, das auditive Subsystem des Arbeitsgedächtnisses. Für die Beibehaltung der Differenzierung der Sprachentwicklungsstörungen nach der kognitiven Leistungsfähigkeit wird nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Leistungsstrukturen plädiert, sondern auch, weil die therapeutischen Möglichkeiten in Abhängigkeit von der Intelligenz als verschiedenartig eingeschätzt werden.
Das jüngste und älteste Kind
(1927)
Auf das richtige Maß kommt es an : wie beeinflussen digitale Medien unser Denken und Handeln?
(2020)
Welchen Einfluss haben digitale Technologien auf das menschliche Wahrnehmen, Denken und Handeln? Schaden Computerspiele der Entwicklung junger Gehirne? Und gibt es tatsächlich so etwas wie eine »digitale Demenz«, eine durch die Nutzung moderner Technologien bedingte wachsende Vergesslichkeit? Auf einige dieser Fragen gibt es bereits Antworten, die empirisch belegt sind.
In den vorgelegten drei Studien wurden Lebenserzählungen zum einen über die Adoleszenzentwicklung und zum anderen im Adult Attachment Interview textanalytisch, über semantisch-syntaktische Kodes, untersucht. Die ersten beiden Studien untersuchen die Variablen globale Kohärenz, bzw. narrative Verantwortungsübernahme in Lebenserzählungen von 102 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (8, 12, 16 und 20 Jahre). Hypothesen sind, dass beide Variablen in der Adoleszenz aufgrund der Identitätsentwicklung ansteigen. Die Haupthypothesen zeigen sich als bestätigt. In der dritten Studie wird die narrative Verantwortungsübernahme anhand einer Sekundäranalyse von Adult Attachment Interviews von 28 Frauen untersucht. Die Hypothese lautet, dass sichere Bindungsrepräsentationen mehr narrative Verantwortungsübernahme zeigen als unsichere Bindungsrepräsentationen und dass unsichere Bindungsrepräsentationen mehr narrative Abstufungen von Verantwortung zeigen als sichere Bindungsrepräsentationen. Während die erste Hypothese keine signifikanten Ergebnisse zeigt, stellt sich die zweite Hypothese als bestätigt dar. Die Ergebnisse werden in den ersten beiden Studien in Bezug auf die Identitätsentwicklung und in der dritten Studie im Zusammenhang mit einer Grammatik von unsicherer Bindung diskutiert. Enth. 3 Sonderabdr. aus verschiedenen Zeitschr: Developmental Psychology 2008, Vol. 44, No. 3, 707–721 The Development of Global Coherence in Life Narratives Across Adolescence: Temporal, Causal, and Thematic Aspects de Silveira, Cybèle and Habermas, Tilmann(2011) 'Narrative Means to Manage Responsibility in Life Narratives Across Adolescence', The Journal of Genetic Psychology, 172: 1, 1 — 20 de Silveira, Cybèle and Habermas, Tilmann(2010) 'Narrative Grading of Responsibility of Secure and Insecure Attachment Representations in the Adult Attachment Interview'
Body Integrity Identity Disorder (BIID) ist eine bisher kaum erforschte Störung, bei der die Betroffenen den Wunsch beziehungsweise das Verlangen nach einer Körperbehinderung verspüren. In den meisten Fällen, wie auch in dieser Studie, ist eine Oberschenkelamputation die gewünschte Modifikation. Durch die Amputation erhoffen die Betroffenen endlich sie selbst zu werden, da sie sich mit ihrem realen Körperbild nicht identifizieren können. Ihr vorgestelltes Körperbild ist das eines Amputierten. Die Störung manifestiert sich bereits im Kindesalter. Im Laufe der Zeit nimmt das Verlangen der Amputation zu, so dass es neben der vermehrten Beschäftigung sogar zu lebensgefährlichen Selbstverletzungen im Zuge einer Verwirklichung kommen kann.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich erstmalig mittels funktioneller Magnetresonanztomographie mit der neuronalen Repräsentation der Störung BIID beim Anblick des eigenen realen und des gewünschten amputierten Körpers. Für die Studie wurden Fotos von den Probanden und einer fremden Person gemacht und mit einer Software so modifiziert, dass die Probanden in sechs verschiedenen Kategorien sowohl sich selbst real, sowie amputiert und mit Prothese als auch die fremde Person real, amputiert und mit Prothese gezeigt bekamen. Dasselbe Design wurde auch einer gesunden Kontrollgruppe vorgeführt. Aufgrund der Datenmenge wird in dieser Studie nur der reale und der amputierte Körper berücksichtigt.
Es zeigen sich deutliche Aktivierungsunterschiede zwischen der BIID Gruppe und der Kontrollgruppe beim Anblick des eigenen realen Körpers und beim Anblick des eigenen amputierten Körpers. Beim Anblick des eigenen realen Körpers zeigt die Kontrollgruppe gegenüber der BIID Gruppe einen stärkeren Selbstbezug zu ihrem Körper durch Aktivierungen des medialen frontalen Gyrus, des postzentralen Gyrus oder der Amygdala und einen positiver valenzierten Anblick, der sich im Gruppenvergleich durch eine Mehraktivierung im superioren temporalen Gyrus ausdrückt sowie durch die Ergebnisse der post-fMRT-Fragebögen unterstützt wird. Beim Anblick des eigenen amputierten Körpers zeigt sich durch ein fronto-parietales Netzwerk der stärkere Selbstbezug bei der BIID Gruppe. Die deutliche emotionale Involviertheit wird repräsentiert durch große Teile des limbischen Systems sowie durch präfrontale Bereiche. Hinzu kommen Aktivierungen, die eine deutliche Beteiligung des episodisch-autobiographischen und prozeduralen Gedächtnisses zeigen. So ist eine vollständig geplante Bewegungsabfolge der BIID Probanden beim Anblick ihres amputierten Körpers anhand der aktivierten Areale darstellbar, einschließlich der Feinregulationen in den Basalganglien, dem Nucleus ruber und dem Kleinhirn.
Die Ergebnisse zeigen neuronale Netzwerke der Körperrepräsentation, bei denen fehlende Aktivierungen der BIID Probanden beim Anblick des eigenen realen Körpers auf eine Fehlfunktion hindeuten könnten. Sie zeigen aber auch ein Netzwerk aus Erinnerungen und erlernten Prozessen, die mit Hilfe des mesolimbischen Dopaminsystems zur Aufrechterhaltung der Störung beitragen könnten. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das amputierte Wunschkörperbild neuronal stark und breitgefächert verankert ist und viel dominanter repräsentiert ist als das reale Körperbild. Durch die dargestellten Aktivierungen und Regelkreise leiten sich vor allem neue therapeutische Ansätze ab, die zu einer Linderung der Symptome von BIID beitragen könnten und vielleicht auch neue Anstöße in Hinblick auf eine Heilung der Störung liefern.
Im Mittelpunkt des Interesses stehen nämlich verschiedene Erlebnisformen, die noch vielmehr als die oben beschriebenen Aktivitäten im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit bzw. Kritik stehen und Kirchenvertreter, Pädagogen, Psychologen, Polizei und Politiker, aber auch die bürgerliche Öffentlichkeit wachrufen. Viele Menschen suchen Situationen, in denen außeralltägliche Körpererfahrungen und mentale Grenzgänge in engem Zusammenhang mit gewaltaffinen oder gewalttätigen Handlungen stehen. Exemplarisch werde ich dies an drei Beispielen bzw. emotionalen Erfahrungsräumen erläutern, die seit Beginn der achtziger und neunziger Jahre immer wieder auf sich aufmerksam machen: 1) Sadomasochismus, 2) Paintball/Gotcha und 3) das Phänomen der Hooligans. Die drei Themen bzw. Gruppen mögen auf den ersten Blick wenig Gemeinsamkeiten aufweisen. "Das Auge des Ethnographen" (Leiris 1985) jedoch zeigt, dass es eine Vielzahl motivationaler und struktureller Übereinstimmungen gibt.
Zentraler Stellenwert wird dem Thema Sadomasochismus eingeräumt, mit dem ich mich bereits seit Ende der achtziger Jahre theoretisch und empirisch beschäftige (vgl. Steinmetz 1990). Es nimmt somit den größten Teil der Arbeit ein.
Die Einstellung von onkologisch tätigen Ärzten zur psychoonkologischen Versorgung von Krebspatienten
(2015)
Eine Krebserkrankung stellt für die Betroffenen und deren Angehörige eine große körperliche und psychische Belastung dar. Obwohl die psychoonkologische Betreuung den Patienten nachweislich hilft und die Belastung vieler Patienten sehr hoch ist, erhält nur cirka jeder fünfte therapiebedürftig belastete Krebspatient eine psychoonkologische Behandlung. Für die Umsetzung einer flächendeckenden psychoonkologischen Betreuung der Patienten nehmen die onkologisch tätigen Ärzte eine Schlüsselrolle ein. Deshalb ist für die Implementierung und das Gelingen eines Screenings bzw. der psychoonkologischen Versorgung der Patienten das Engagement und die psychosoziale Kompetenz der behandelnden Ärzte eine entscheidende Größe.
Um die Einstellung von onkologisch tätigen Ärzten zur psychoonkologischen Versorgung zu erfassen, wurde ein Fragebogen als Erhebungsinstrument konstruiert. Die Konstruktion des Fragebogens erfolgte auf Grundlage der Theorie des geplanten Handelns nach Ajzen (2002). Zusätzlich zu der Einstellung der behandelten Ärzte erfasst der Fragebogen die Selbstwirksamkeit der Ärzte in Bezug auf psychosoziale Kompetenzen, sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen in der Klinik.
Zwischen September und Dezember 2013 wurden an der Universitätsklinik Frankfurt am Main insgesamt 120 Fragebögen an onkologisch tätige Ärzte ausgeteilt von denen 102 beantwortet wurden (Rücklaufquote von ca. 85%). Zur Validierung des Fragebogens wurde die Korrelation einzelner Skalen mit der Skala „Interaktion und Verhalten“ nach Spearman berechnet. Insgesamt korrelierten die Skalen in die zu erwartende Richtung, jedoch waren die Korrelationskoeffizienten geringer ausgeprägt als erhofft (zwischen 0,26 und 0,36). Die interne Konsistenz (nach Cronbachs Alpha) der Skalen erreichte bis auf eine Ausnahme ein akzeptables bis gutes Niveau.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen keinen Hinweis darauf, dass die Diskrepanz zwischen der hohen Anzahl an belasteten Krebspatienten und der seltenen Inanspruchnahme von psychoonkologischen Behandlungen durch die Einstellung der Ärzte zur Psychoonkologie erklärt werden kann. Im Gegenteil, in dieser Studie wird der psychoonkologischen Versorgung von Patienten eine hohe Wertigkeit zugeschrieben: 76 % der Ärzte sind der Meinung, sie würden, wenn sie selbst erkranken, davon profitieren mit einem Psychoonkologen zu sprechen. Auch empfehlen 79 % der Befragten ihren Freunden oder Angehörigen im Falle einer Krebserkrankung eine psychoonkologische Beratung. Trotz der über die Stichprobe insgesamt sehr positiven Einstellung gegenüber der psychoonkologischen Versorgung, divergieren die Aussagen hinsichtlich der Häufigkeit, in der Skala „Umsetzung und Interaktion“, die erfasst wie häufig psychoonkologische Aspekte in die Behandlung von onkologischen Patienten integriert werden, immens.
Die individuelle Handhabung der Weitergabe von Informationen von Seiten der Ärzte in dieser Studie kann teilweise durch mangelhafte organisatorische Rahmenbedingungen erklärt werden: So gibt fast die Hälfte der Befragten (45 %) an, in ihrer Abteilung gebe es kein standardisiertes Screeningverfahren, um psychisch belastete Patienten zu identifizieren. Ebenso sind bei ca. der Hälfte der Ärzte (45 %) keine klaren Richtlinien vorhanden, wann eine psychoonkologische Beratung indiziert ist.
Die Erkenntnisse dieser Studie geben Hinweise darauf, dass für die Verbesserung der psychoonkologischen Versorgung von Patienten die organisatorischen Rahmenbedingungen an den Kliniken optimiert werden müssen.
Die vorliegende quasiexperimentelle Studie geht der Frage nach, welche kognitiven Merkmale sich im hohen Alter als trennscharf für die Abgrenzung einer beginnenden Alzheimer-Demenz von einer Major-Depression erweisen. 186 hochaltrige Patienten, die von April 2001 bis April 2007 in einer geriatrischen Abteilung eines Akutkrankenhauses stationär aufgenommen waren, wurden nach einem bewährten Prozedere fünf Untersuchungsgruppen (Kontrollgruppe, Gruppe der Major-Depression, Gruppe der leichten kognitiven Beeinträchtigung, Gruppe der Alzheimer-Demenz und Gruppe der Alzheimer-Demenz mit einer gleichzeitig bestehenden Major-Depression) zugewiesen. Eine sich anschließende neuropsychologische Untersuchung erfasste kognitive Leistungen wie die verzögerte Reproduktion von verbalem Material, Intrusionsfehler, visuell-räumliche Leistungen, formallexikalische und semantische Wortflüssigkeitsleistungen sowie Benennleistungen. Es zeigte sich, dass kognitive Merkmale wie das mittelfristige verbale Neugedächtnis, geprüft über die verzögerte Reproduktionsrate, die semantische Wortflüssigkeit sowie visuelle Benennleistungen wirksam zwischen einer beginnenden Alzheimer-Demenz und einer Major-Depression unterscheiden. Wenig aussagefähig sind dagegen eine quantitative Analyse von Intrusionsfehlern und eine Prüfung visuell-räumlicher Leistungen mit oder ohne expliziten Sprachbezug. Das in der Literatur vielfach beschriebene spezifische kognitive Profil der Depression der deutlich verminderten exekutiven Leistungen konnte in der hier zugrunde liegenden Studie nicht nachgewiesen werden. Kognitive Plastizitätskennwerte wie Retest- oder Trainingseffekte haben sich im Funktionsbereich des Benennens als differenzialdiagnostisch nicht bedeutsam erwiesen. Auch weisen Trainingseffekte keine größere prognostische Validität auf als Retesteffekte. Interessanterweise konnten bei Alzheimer-Patienten im Funktionsbereich des Benennens erwartungskonträre Retest- und Trainingseffekte nicht unerheblichen Ausmaßes gefunden werden. Diese sind auf weitgehend erhaltene perzeptive Priming-Effekte zurückzuführen und weisen bei Alzheimer-Patienten auf Lernressourcen hin, die rehabilitativ genutzt werden sollten. Verminderte konzeptuelle Priming-Effekte deuten auf eine beginnende Alzheimer-Erkrankung hin, was der Differenzialdiagnostik eine neue Perspektive eröffnet. Da ein zufälliges, gemeinsames Auftreten der beiden Krankheitsbilder Major-Depression und beginnende Alzheimer-Demenz nicht auszuschließen ist, bleibt trotz einer sorgfältigen evidenzbasierten Diagnostik insbesondere bei älteren oder hochbetagten Patienten die Abgrenzung von einer beginnenden Alzheimer-Demenz und einer Major-Depression schwierig.
Amblyopie (griech.: amblyopia = stumpfes Auge) bezeichnet eine nichtorganische Sehschwäche eines, oder deutlich seltener beider, Augen, die durch eine beeinträchtige Seherfahrung während der frühkindlichen Entwicklung des visuellen Systems entsteht. Die durch die Amblyopie entstehenden Beeinträchtigungen sind sehr gravierend und können die Sehschärfe, die binokulare Interaktion sowie die Kontrastsensitivität betreffen. Darüber hinaus können auch Fehllokalisationen visueller Reize sowie ausgeprägte räumliche Verzerrungen und zeitliche Instabilitäten beobachtet werden (Sireteanu, 2000a). Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es, die funktionellen Defizite in der amblyopen Sicht in drei verschiedenen Studien zu untersuchen und Hinweise auf die Beeinträchtigungen des ventralen und auch dorsalen kortikalen Verarbeitungspfades zu finden. Die erste Untersuchung, an der 22 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen teilnahmen, befasst sich mit der qualitativen Erfassung der amblyopen visuellen Wahrnehmung bei vier standardisierten Reizmustern. Bei allen Versuchsteilnehmern treten Verzerrungen auf, die jedoch schwächer sind, als in der Literatur bislang beschrieben. Die ausgeprägtesten Verzerrungen finden sich bei der Gruppe der Schielamblyopen. Unabhängig von der Ätiologie zeigt sich jedoch, dass das Ausmaß der Verzerrung bei stärkerer Amblyopie größer ist. Die von Barrett et al. (2003) vorgeschlagenen Kategorien konnten weitgehend repliziert werden und erweiter werden (Schattierungen, partiell vergrößerte bzw. verkleinerte Wahrnehmungen sowie Farbwahrnehmungen). In der zweiten Studie, an der 22 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen und neun normalsichtige Kontrollprobanden teilnahmen, wurde das zweidimensionale Verzerrungsmuster anhand einer Punkt-Lokalisations-Aufgabe im zentralen visuellen Feld untersucht. Schieler mit und ohne Anisometropie zeigen konsistente Verzerrungen, in Form von Erweiterung, Einschrumpfung oder Drehung von Bereichen des getesteten visuellen Feldes. Reine anisometrope Amblyope und Schieler mit alternierender Fixation weisen eine erhöhte räumliche Unsicherheit, jedoch keine konsistenten Verzerrungen auf. In der dritten Studie, einem Streckenteilungsparadigma, nahmen 23 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen sowie sieben normalsichtige Kontrollprobanden teil. Die Aufgabe bestand darin, eine horizontale Strecke in der Mitte zu teilen. Normalsichtige Kontrollprobanden weisen eine konsistente Linksverschiebung („Pseudoneglect“), Schieler mit und ohne Anisometropie hingegen eine konsistente Rechtsverschiebung („Minineglect“) auf. Die Rechtsverschiebung ist bei beiden Augen vorhanden, jedoch beim amblyopen Auge stärker ausgeprägt. Reine anisometrope Amblyope zeigen ähnliche Effekte das amblyope Auge betreffend. Die Gruppe der Schieler mit alternierender Fixation unterscheidet sich nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der durchgeführten Studien bestätigen und ergänzen die bekannten Beeinträchtigungen des ventralen visuellen Pfades und liefern darüber hinaus Hinweise auf eine funktionelle Dysfunktion des dorsalen visuellen Pfades.
Die vorliegende Dissertation befasst sich mit Flow-Zuständen beim Lesen fiktiver Texte. Das 1975 von Mihaly Csikszentmihalyi vorgestellte Konzept des Flow bezieht sich auf das völlige Aufgehen in einer optimal herausfordernden Tätigkeit, das mit Absorption, Verarbeitungsflüssigkeit und intrinsische Freude einhergeht. Bislang wurde Flow zumeist im Kontext motorischer und leistungsorientierter Aktivitäten empirisch untersucht und in erster Linie theoretisch mit Lesefreude in Verbindung gebracht. Ziel der drei Studien, die diese Dissertation umfasst, war es daher einerseits, Flow beim Lesen erstmals anhand größerer Leser-Stichproben und mithilfe von psychometrischen Gütekriterien genügenden Messinstrumenten nachzuweisen. Andererseits sollte Flow im Rahmen eines Modells für positives Leseerleben mit anderen in der Leseforschung diskutierten Konzepten in Verbindung gebracht und im Hinblick auf potenzielle psychophysiologische Korrelate untersucht werden.
In der ersten Studie wurde eine in der allgemeinen Flow-Forschung verbreitete Kurz-Skala an den Lesekontext adaptiert und anhand einer 229 Leser umfassenden Stichprobe psychometrisch getestet. Hierzu wurden die Teilnehmer im Rahmen einer Online-Studie gebeten, nach 20-minütigem Lesen in einem selbstgewählten Roman Fragebögen zu ihrem Leseerleben auszufüllen. Zufriedenstellende Reliabilitätskoeffizienten, positive Korrelationen mit konvergenten Maßen, die faktoranalytische Unterscheidbarkeit zu diskriminanten Maßen und die erwartete Assoziation mit einem Flow-Kriterium bestätigten die Güte der Flow-Skala. Eine Explorative Faktorenanalyse ergab jedoch, dass fast alle Items auf dem Faktor Absorption luden. Zudem ließ die zweifakorielle Skalenstruktur keine abschließende Aussage zur Legitimierung eines globalen Flow-Scores zu. Daher wurde in der zweiten Studie auf Basis der ersten Skala und der aus der Theorie bekannten Flow-Komponenten ein umfassenderer lesespezifischer Flow-Fragebogen entwickelt. Dessen Reliabilität und Validität konnte anhand einer Online-Studie mit 373 Teilnehmern, in deren Rahmen ein Kapitel aus Homers Odyssee gelesen wurde, bestätigt werden. Neben Hinweisen zur konvergenten und diskriminanten Konstrukt- und zur Kriteriumsvalidität stützten die Ergebnisse einer Konfirmatorischen Faktorenanalyse eine theoretisch angemessene Skalenstruktur, mit den einzelnen Komponenten, mit Absorption, Verarbeitungsflüssigkeit und intrinsischer Freude als Subdimensionen und mit Flow als übergeordnetem Faktor. Mittels eines Strukturgleichungsmodells konnte zudem demonstriert werden, dass der auf Basis dieses Fragebogens gemessene Flow eine zentrale Rolle beim Leseerleben einnehmen kann. So wurde Flow als Mediator für andere, ebenfalls erhobene Erlebnisformen beim Lesen wie etwa Identifikation oder Spannung bestätigt. Von diesen Konzepten klärte Flow den größten Anteil an Varianz in Lesefreude und Textverständnis auf, die als Outcomes von positivem Leseerleben modelliert wurden. Da Flow gegenüber anderen Konzepten der Leseforschung den Vorteil hat, die Ableitung experimenteller Paradigmen und psychophysiologischer Hypothesen zu ermöglichen, wurden in der dritten Studie über die Manipulation des stilistischen Herausforderungsgrades eines weiteren Odyssee-Kapitels unterschiedliche Lese-Bedingungen hergestellt und kardiovaskuläre Daten gemessen. Es zeigten sich zwar keine signifikanten Gruppenunterschiede im Flow-Erleben, jedoch Interaktionen zwischen der Lesebedingung und kardiovaskulären Indikatoren bei der Vorhersage von Flow. So scheinen parasympathische Dominanz und ein entsprechender innerer Entspannungszustand, indiziert durch eine geringe Herzrate und hohe Herzratenvariabilität, Flow beim Lesen zu begünstigen, wenn der Text stilistisch anspruchsvoll ist. Es fanden sich hingegen keine Hinweise dafür, dass Flow-Erleben die Herzaktivität von Lesern verändert oder sich durch sie objektiv erfassen lässt.
Insgesamt sprechen die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes somit für das Auf-treten von Flow beim Lesen sowie für dessen zentrale Rolle bei positiven Leseerlebnissen. Außerdem zeigen sie das Potenzial des Flow-Konzeptes für die Leseforschung auf, insbesondere hinsichtlich psychophysiologischer Experimentalstudien.
Optischer Raumsinn
(1913)