150 Psychologie
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'Mut zur Angst' oder 'angstfreies Leben'? : philosophische Überlegungen zu einem bedrohlichen Thema
(2016)
Anlässe, über das Thema 'Angst' nachzudenken, gibt es in diesen Tagen mehr als genug. Weihnachtsmarkt und Karneval sind längst vorbei, aber die Terrorgefahr hat sich in Alltag und Lebenswelt verankert. Vor einiger Zeit galt das Thema 'Angst' noch als überschätzt. Gern wurde auf die sprichwörtliche 'german angst' hingewiesen: Vor 30 Jahren hatten wir Angst vor dem Waldsterben, vor 20 Jahren vor dem Wettrüsten und heute vor der Weltklimakatastrophe. Auf Menschen in Ländern mit weniger komfortablen sozialen Bedingungen kann solch diffuse Ängstlichkeit hysterisch wirken. So etwas ist für distanzierte, wissenschaftliche Beobachter geradezu eine Einladung zur Entdramatisierung. 2014 erschien das Buch 'Gesellschaft der Angst' des Soziologen Heinz Bude. Dieser gefragte Vertreter seiner Zunft zählt allerlei Angstphänomene auf: "Schulängste, Höhenängste, Verarmungsängste […], Abstiegsängste, Bindungsängste, Inflationsängste". Und überhaupt: "Ängste vor der Zukunft […], weil bisher alles so gut geklappt hat". Für Bude sind diese öffentlich beschworenen Ängste "offensichtlich" diffus. Er nimmt die Vogelperspektive der Systemtheorie ein und sieht von konkreten Inhalten der Ängste erst einmal ab. Stattdessen betrachtet er sie als soziales Blutdruckmessgerät. Budes These lautet: Ungerichtete Angstgefühle sind ein probates Mittel, mit dem "sich Gesellschaftsmitglieder über den Zustand ihres Zusammenlebens [verständigen]: Wer weiterkommt und wer zurückbleibt; wo es bricht und wo sich schwarze Löcher auftun, was unweigerlich vergeht und was vielleicht doch noch bleibt". Für solche kollektiven Selbstdiagnosen ist es notwendig, dass die Angstgefühle diffus sind. Sonst könnte man sie nicht wie ein Passepartout auf allerlei Sorgen ganz unterschiedlicher Menschen legen und nicht so gut darüber reden und schreiben.
Das ist eine sozialfunktionalistische Perspektive. Man kann sich der Thematik freilich auch aus anderen methodologischen Perspektiven nähern und fragen, was Angst denn nun eigentlich ist. Philosophen, Soziologen und Psychologen haben hier verschiedene, mitunter gegensätzliche Erklärungen
Intelligenz : ein relevantes differenzialdiagnostisches Merkmal bei Sprachentwicklungstörungen?
(2003)
Die Spezifische Sprachentwicklungsstörung (SSES) ist als erwartungswidrige Minderleistung der Sprachentwicklung im Vergleich zur kognitiven Entwicklung definiert. Untersucht wird, (1) ob sich für SSES-Kinder im Vergleich zu unterdurchschnittlich intelligenten sprachentwicklungsgestörten Kindern (SES-Lb) ein typisches Muster von sprachlichen Leistungen sowie von Teilleistungsstörungen nachweisen lässt, das für eine Differenzialdiagnostik und damit für eine Untergruppenbildung sprachentwicklungsgestörter Kinder nutzbringend eingesetzt werden kann, (2) ob und in welcher Weise eine solche Differenzierung Konsequenzen für die Diagnostik und nachfolgend für eine Therapie zeitigt und (3) ob es Defizite in umschriebenen Leistungsbereichen gibt, die als Bedingungsfaktoren für eine Sprachentwicklungsstörung gelten, sich aber als unabhängig von der Intelligenz erweisen. Eine Gruppe von 138 fünf- und sechsjährigen Kindern mit einer schweren Sprachentwicklungsstörung, von denen 108 eine normale nonverbale Intelligenz aufwiesen, wurde anhand von IDIS (Inventar diagnostischer Informationen bei Sprachentwicklungsauffälligkeiten) untersucht. Erfasst wurden neben den sprachlichen Fähigkeiten auf der phonetisch-phonologischen, der semantisch-lexikalischen, der morphologisch-syntaktischen und der pragmatischen Ebene auch die Intelligenz, die auditive und visuelle Wahrnehmung, die auditive und visuelle Merkfähigkeit, sowie die Fein- und Grobmotorik. In den meisten geprüften Bereichen zeigt sich ein deutlicher Effekt der Intelligenz auf die Leistungen, der nicht nur auf Unterschiede in der Profilhöhe, sondern auch im Profilverlauf, also auf strukturelle Leistungsdifferenzen, hinweist. Als ein von der Intelligenz unabhängiger Bedingungsfaktor für eine Sprachentwicklungsstörung gilt eine gestörte phonologische Schleife, das auditive Subsystem des Arbeitsgedächtnisses. Für die Beibehaltung der Differenzierung der Sprachentwicklungsstörungen nach der kognitiven Leistungsfähigkeit wird nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Leistungsstrukturen plädiert, sondern auch, weil die therapeutischen Möglichkeiten in Abhängigkeit von der Intelligenz als verschiedenartig eingeschätzt werden.
Das jüngste und älteste Kind
(1927)
Auf das richtige Maß kommt es an : wie beeinflussen digitale Medien unser Denken und Handeln?
(2020)
Welchen Einfluss haben digitale Technologien auf das menschliche Wahrnehmen, Denken und Handeln? Schaden Computerspiele der Entwicklung junger Gehirne? Und gibt es tatsächlich so etwas wie eine »digitale Demenz«, eine durch die Nutzung moderner Technologien bedingte wachsende Vergesslichkeit? Auf einige dieser Fragen gibt es bereits Antworten, die empirisch belegt sind.
In den vorgelegten drei Studien wurden Lebenserzählungen zum einen über die Adoleszenzentwicklung und zum anderen im Adult Attachment Interview textanalytisch, über semantisch-syntaktische Kodes, untersucht. Die ersten beiden Studien untersuchen die Variablen globale Kohärenz, bzw. narrative Verantwortungsübernahme in Lebenserzählungen von 102 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen (8, 12, 16 und 20 Jahre). Hypothesen sind, dass beide Variablen in der Adoleszenz aufgrund der Identitätsentwicklung ansteigen. Die Haupthypothesen zeigen sich als bestätigt. In der dritten Studie wird die narrative Verantwortungsübernahme anhand einer Sekundäranalyse von Adult Attachment Interviews von 28 Frauen untersucht. Die Hypothese lautet, dass sichere Bindungsrepräsentationen mehr narrative Verantwortungsübernahme zeigen als unsichere Bindungsrepräsentationen und dass unsichere Bindungsrepräsentationen mehr narrative Abstufungen von Verantwortung zeigen als sichere Bindungsrepräsentationen. Während die erste Hypothese keine signifikanten Ergebnisse zeigt, stellt sich die zweite Hypothese als bestätigt dar. Die Ergebnisse werden in den ersten beiden Studien in Bezug auf die Identitätsentwicklung und in der dritten Studie im Zusammenhang mit einer Grammatik von unsicherer Bindung diskutiert. Enth. 3 Sonderabdr. aus verschiedenen Zeitschr: Developmental Psychology 2008, Vol. 44, No. 3, 707–721 The Development of Global Coherence in Life Narratives Across Adolescence: Temporal, Causal, and Thematic Aspects de Silveira, Cybèle and Habermas, Tilmann(2011) 'Narrative Means to Manage Responsibility in Life Narratives Across Adolescence', The Journal of Genetic Psychology, 172: 1, 1 — 20 de Silveira, Cybèle and Habermas, Tilmann(2010) 'Narrative Grading of Responsibility of Secure and Insecure Attachment Representations in the Adult Attachment Interview'
Body Integrity Identity Disorder (BIID) ist eine bisher kaum erforschte Störung, bei der die Betroffenen den Wunsch beziehungsweise das Verlangen nach einer Körperbehinderung verspüren. In den meisten Fällen, wie auch in dieser Studie, ist eine Oberschenkelamputation die gewünschte Modifikation. Durch die Amputation erhoffen die Betroffenen endlich sie selbst zu werden, da sie sich mit ihrem realen Körperbild nicht identifizieren können. Ihr vorgestelltes Körperbild ist das eines Amputierten. Die Störung manifestiert sich bereits im Kindesalter. Im Laufe der Zeit nimmt das Verlangen der Amputation zu, so dass es neben der vermehrten Beschäftigung sogar zu lebensgefährlichen Selbstverletzungen im Zuge einer Verwirklichung kommen kann.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich erstmalig mittels funktioneller Magnetresonanztomographie mit der neuronalen Repräsentation der Störung BIID beim Anblick des eigenen realen und des gewünschten amputierten Körpers. Für die Studie wurden Fotos von den Probanden und einer fremden Person gemacht und mit einer Software so modifiziert, dass die Probanden in sechs verschiedenen Kategorien sowohl sich selbst real, sowie amputiert und mit Prothese als auch die fremde Person real, amputiert und mit Prothese gezeigt bekamen. Dasselbe Design wurde auch einer gesunden Kontrollgruppe vorgeführt. Aufgrund der Datenmenge wird in dieser Studie nur der reale und der amputierte Körper berücksichtigt.
Es zeigen sich deutliche Aktivierungsunterschiede zwischen der BIID Gruppe und der Kontrollgruppe beim Anblick des eigenen realen Körpers und beim Anblick des eigenen amputierten Körpers. Beim Anblick des eigenen realen Körpers zeigt die Kontrollgruppe gegenüber der BIID Gruppe einen stärkeren Selbstbezug zu ihrem Körper durch Aktivierungen des medialen frontalen Gyrus, des postzentralen Gyrus oder der Amygdala und einen positiver valenzierten Anblick, der sich im Gruppenvergleich durch eine Mehraktivierung im superioren temporalen Gyrus ausdrückt sowie durch die Ergebnisse der post-fMRT-Fragebögen unterstützt wird. Beim Anblick des eigenen amputierten Körpers zeigt sich durch ein fronto-parietales Netzwerk der stärkere Selbstbezug bei der BIID Gruppe. Die deutliche emotionale Involviertheit wird repräsentiert durch große Teile des limbischen Systems sowie durch präfrontale Bereiche. Hinzu kommen Aktivierungen, die eine deutliche Beteiligung des episodisch-autobiographischen und prozeduralen Gedächtnisses zeigen. So ist eine vollständig geplante Bewegungsabfolge der BIID Probanden beim Anblick ihres amputierten Körpers anhand der aktivierten Areale darstellbar, einschließlich der Feinregulationen in den Basalganglien, dem Nucleus ruber und dem Kleinhirn.
Die Ergebnisse zeigen neuronale Netzwerke der Körperrepräsentation, bei denen fehlende Aktivierungen der BIID Probanden beim Anblick des eigenen realen Körpers auf eine Fehlfunktion hindeuten könnten. Sie zeigen aber auch ein Netzwerk aus Erinnerungen und erlernten Prozessen, die mit Hilfe des mesolimbischen Dopaminsystems zur Aufrechterhaltung der Störung beitragen könnten. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das amputierte Wunschkörperbild neuronal stark und breitgefächert verankert ist und viel dominanter repräsentiert ist als das reale Körperbild. Durch die dargestellten Aktivierungen und Regelkreise leiten sich vor allem neue therapeutische Ansätze ab, die zu einer Linderung der Symptome von BIID beitragen könnten und vielleicht auch neue Anstöße in Hinblick auf eine Heilung der Störung liefern.
Im Mittelpunkt des Interesses stehen nämlich verschiedene Erlebnisformen, die noch vielmehr als die oben beschriebenen Aktivitäten im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit bzw. Kritik stehen und Kirchenvertreter, Pädagogen, Psychologen, Polizei und Politiker, aber auch die bürgerliche Öffentlichkeit wachrufen. Viele Menschen suchen Situationen, in denen außeralltägliche Körpererfahrungen und mentale Grenzgänge in engem Zusammenhang mit gewaltaffinen oder gewalttätigen Handlungen stehen. Exemplarisch werde ich dies an drei Beispielen bzw. emotionalen Erfahrungsräumen erläutern, die seit Beginn der achtziger und neunziger Jahre immer wieder auf sich aufmerksam machen: 1) Sadomasochismus, 2) Paintball/Gotcha und 3) das Phänomen der Hooligans. Die drei Themen bzw. Gruppen mögen auf den ersten Blick wenig Gemeinsamkeiten aufweisen. "Das Auge des Ethnographen" (Leiris 1985) jedoch zeigt, dass es eine Vielzahl motivationaler und struktureller Übereinstimmungen gibt.
Zentraler Stellenwert wird dem Thema Sadomasochismus eingeräumt, mit dem ich mich bereits seit Ende der achtziger Jahre theoretisch und empirisch beschäftige (vgl. Steinmetz 1990). Es nimmt somit den größten Teil der Arbeit ein.
Die Einstellung von onkologisch tätigen Ärzten zur psychoonkologischen Versorgung von Krebspatienten
(2015)
Eine Krebserkrankung stellt für die Betroffenen und deren Angehörige eine große körperliche und psychische Belastung dar. Obwohl die psychoonkologische Betreuung den Patienten nachweislich hilft und die Belastung vieler Patienten sehr hoch ist, erhält nur cirka jeder fünfte therapiebedürftig belastete Krebspatient eine psychoonkologische Behandlung. Für die Umsetzung einer flächendeckenden psychoonkologischen Betreuung der Patienten nehmen die onkologisch tätigen Ärzte eine Schlüsselrolle ein. Deshalb ist für die Implementierung und das Gelingen eines Screenings bzw. der psychoonkologischen Versorgung der Patienten das Engagement und die psychosoziale Kompetenz der behandelnden Ärzte eine entscheidende Größe.
Um die Einstellung von onkologisch tätigen Ärzten zur psychoonkologischen Versorgung zu erfassen, wurde ein Fragebogen als Erhebungsinstrument konstruiert. Die Konstruktion des Fragebogens erfolgte auf Grundlage der Theorie des geplanten Handelns nach Ajzen (2002). Zusätzlich zu der Einstellung der behandelten Ärzte erfasst der Fragebogen die Selbstwirksamkeit der Ärzte in Bezug auf psychosoziale Kompetenzen, sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen in der Klinik.
Zwischen September und Dezember 2013 wurden an der Universitätsklinik Frankfurt am Main insgesamt 120 Fragebögen an onkologisch tätige Ärzte ausgeteilt von denen 102 beantwortet wurden (Rücklaufquote von ca. 85%). Zur Validierung des Fragebogens wurde die Korrelation einzelner Skalen mit der Skala „Interaktion und Verhalten“ nach Spearman berechnet. Insgesamt korrelierten die Skalen in die zu erwartende Richtung, jedoch waren die Korrelationskoeffizienten geringer ausgeprägt als erhofft (zwischen 0,26 und 0,36). Die interne Konsistenz (nach Cronbachs Alpha) der Skalen erreichte bis auf eine Ausnahme ein akzeptables bis gutes Niveau.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen keinen Hinweis darauf, dass die Diskrepanz zwischen der hohen Anzahl an belasteten Krebspatienten und der seltenen Inanspruchnahme von psychoonkologischen Behandlungen durch die Einstellung der Ärzte zur Psychoonkologie erklärt werden kann. Im Gegenteil, in dieser Studie wird der psychoonkologischen Versorgung von Patienten eine hohe Wertigkeit zugeschrieben: 76 % der Ärzte sind der Meinung, sie würden, wenn sie selbst erkranken, davon profitieren mit einem Psychoonkologen zu sprechen. Auch empfehlen 79 % der Befragten ihren Freunden oder Angehörigen im Falle einer Krebserkrankung eine psychoonkologische Beratung. Trotz der über die Stichprobe insgesamt sehr positiven Einstellung gegenüber der psychoonkologischen Versorgung, divergieren die Aussagen hinsichtlich der Häufigkeit, in der Skala „Umsetzung und Interaktion“, die erfasst wie häufig psychoonkologische Aspekte in die Behandlung von onkologischen Patienten integriert werden, immens.
Die individuelle Handhabung der Weitergabe von Informationen von Seiten der Ärzte in dieser Studie kann teilweise durch mangelhafte organisatorische Rahmenbedingungen erklärt werden: So gibt fast die Hälfte der Befragten (45 %) an, in ihrer Abteilung gebe es kein standardisiertes Screeningverfahren, um psychisch belastete Patienten zu identifizieren. Ebenso sind bei ca. der Hälfte der Ärzte (45 %) keine klaren Richtlinien vorhanden, wann eine psychoonkologische Beratung indiziert ist.
Die Erkenntnisse dieser Studie geben Hinweise darauf, dass für die Verbesserung der psychoonkologischen Versorgung von Patienten die organisatorischen Rahmenbedingungen an den Kliniken optimiert werden müssen.
Die vorliegende quasiexperimentelle Studie geht der Frage nach, welche kognitiven Merkmale sich im hohen Alter als trennscharf für die Abgrenzung einer beginnenden Alzheimer-Demenz von einer Major-Depression erweisen. 186 hochaltrige Patienten, die von April 2001 bis April 2007 in einer geriatrischen Abteilung eines Akutkrankenhauses stationär aufgenommen waren, wurden nach einem bewährten Prozedere fünf Untersuchungsgruppen (Kontrollgruppe, Gruppe der Major-Depression, Gruppe der leichten kognitiven Beeinträchtigung, Gruppe der Alzheimer-Demenz und Gruppe der Alzheimer-Demenz mit einer gleichzeitig bestehenden Major-Depression) zugewiesen. Eine sich anschließende neuropsychologische Untersuchung erfasste kognitive Leistungen wie die verzögerte Reproduktion von verbalem Material, Intrusionsfehler, visuell-räumliche Leistungen, formallexikalische und semantische Wortflüssigkeitsleistungen sowie Benennleistungen. Es zeigte sich, dass kognitive Merkmale wie das mittelfristige verbale Neugedächtnis, geprüft über die verzögerte Reproduktionsrate, die semantische Wortflüssigkeit sowie visuelle Benennleistungen wirksam zwischen einer beginnenden Alzheimer-Demenz und einer Major-Depression unterscheiden. Wenig aussagefähig sind dagegen eine quantitative Analyse von Intrusionsfehlern und eine Prüfung visuell-räumlicher Leistungen mit oder ohne expliziten Sprachbezug. Das in der Literatur vielfach beschriebene spezifische kognitive Profil der Depression der deutlich verminderten exekutiven Leistungen konnte in der hier zugrunde liegenden Studie nicht nachgewiesen werden. Kognitive Plastizitätskennwerte wie Retest- oder Trainingseffekte haben sich im Funktionsbereich des Benennens als differenzialdiagnostisch nicht bedeutsam erwiesen. Auch weisen Trainingseffekte keine größere prognostische Validität auf als Retesteffekte. Interessanterweise konnten bei Alzheimer-Patienten im Funktionsbereich des Benennens erwartungskonträre Retest- und Trainingseffekte nicht unerheblichen Ausmaßes gefunden werden. Diese sind auf weitgehend erhaltene perzeptive Priming-Effekte zurückzuführen und weisen bei Alzheimer-Patienten auf Lernressourcen hin, die rehabilitativ genutzt werden sollten. Verminderte konzeptuelle Priming-Effekte deuten auf eine beginnende Alzheimer-Erkrankung hin, was der Differenzialdiagnostik eine neue Perspektive eröffnet. Da ein zufälliges, gemeinsames Auftreten der beiden Krankheitsbilder Major-Depression und beginnende Alzheimer-Demenz nicht auszuschließen ist, bleibt trotz einer sorgfältigen evidenzbasierten Diagnostik insbesondere bei älteren oder hochbetagten Patienten die Abgrenzung von einer beginnenden Alzheimer-Demenz und einer Major-Depression schwierig.
Amblyopie (griech.: amblyopia = stumpfes Auge) bezeichnet eine nichtorganische Sehschwäche eines, oder deutlich seltener beider, Augen, die durch eine beeinträchtige Seherfahrung während der frühkindlichen Entwicklung des visuellen Systems entsteht. Die durch die Amblyopie entstehenden Beeinträchtigungen sind sehr gravierend und können die Sehschärfe, die binokulare Interaktion sowie die Kontrastsensitivität betreffen. Darüber hinaus können auch Fehllokalisationen visueller Reize sowie ausgeprägte räumliche Verzerrungen und zeitliche Instabilitäten beobachtet werden (Sireteanu, 2000a). Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es, die funktionellen Defizite in der amblyopen Sicht in drei verschiedenen Studien zu untersuchen und Hinweise auf die Beeinträchtigungen des ventralen und auch dorsalen kortikalen Verarbeitungspfades zu finden. Die erste Untersuchung, an der 22 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen teilnahmen, befasst sich mit der qualitativen Erfassung der amblyopen visuellen Wahrnehmung bei vier standardisierten Reizmustern. Bei allen Versuchsteilnehmern treten Verzerrungen auf, die jedoch schwächer sind, als in der Literatur bislang beschrieben. Die ausgeprägtesten Verzerrungen finden sich bei der Gruppe der Schielamblyopen. Unabhängig von der Ätiologie zeigt sich jedoch, dass das Ausmaß der Verzerrung bei stärkerer Amblyopie größer ist. Die von Barrett et al. (2003) vorgeschlagenen Kategorien konnten weitgehend repliziert werden und erweiter werden (Schattierungen, partiell vergrößerte bzw. verkleinerte Wahrnehmungen sowie Farbwahrnehmungen). In der zweiten Studie, an der 22 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen und neun normalsichtige Kontrollprobanden teilnahmen, wurde das zweidimensionale Verzerrungsmuster anhand einer Punkt-Lokalisations-Aufgabe im zentralen visuellen Feld untersucht. Schieler mit und ohne Anisometropie zeigen konsistente Verzerrungen, in Form von Erweiterung, Einschrumpfung oder Drehung von Bereichen des getesteten visuellen Feldes. Reine anisometrope Amblyope und Schieler mit alternierender Fixation weisen eine erhöhte räumliche Unsicherheit, jedoch keine konsistenten Verzerrungen auf. In der dritten Studie, einem Streckenteilungsparadigma, nahmen 23 amblyope bzw. alternierende Versuchspersonen sowie sieben normalsichtige Kontrollprobanden teil. Die Aufgabe bestand darin, eine horizontale Strecke in der Mitte zu teilen. Normalsichtige Kontrollprobanden weisen eine konsistente Linksverschiebung („Pseudoneglect“), Schieler mit und ohne Anisometropie hingegen eine konsistente Rechtsverschiebung („Minineglect“) auf. Die Rechtsverschiebung ist bei beiden Augen vorhanden, jedoch beim amblyopen Auge stärker ausgeprägt. Reine anisometrope Amblyope zeigen ähnliche Effekte das amblyope Auge betreffend. Die Gruppe der Schieler mit alternierender Fixation unterscheidet sich nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Die Ergebnisse der durchgeführten Studien bestätigen und ergänzen die bekannten Beeinträchtigungen des ventralen visuellen Pfades und liefern darüber hinaus Hinweise auf eine funktionelle Dysfunktion des dorsalen visuellen Pfades.
Die vorliegende Dissertation befasst sich mit Flow-Zuständen beim Lesen fiktiver Texte. Das 1975 von Mihaly Csikszentmihalyi vorgestellte Konzept des Flow bezieht sich auf das völlige Aufgehen in einer optimal herausfordernden Tätigkeit, das mit Absorption, Verarbeitungsflüssigkeit und intrinsische Freude einhergeht. Bislang wurde Flow zumeist im Kontext motorischer und leistungsorientierter Aktivitäten empirisch untersucht und in erster Linie theoretisch mit Lesefreude in Verbindung gebracht. Ziel der drei Studien, die diese Dissertation umfasst, war es daher einerseits, Flow beim Lesen erstmals anhand größerer Leser-Stichproben und mithilfe von psychometrischen Gütekriterien genügenden Messinstrumenten nachzuweisen. Andererseits sollte Flow im Rahmen eines Modells für positives Leseerleben mit anderen in der Leseforschung diskutierten Konzepten in Verbindung gebracht und im Hinblick auf potenzielle psychophysiologische Korrelate untersucht werden.
In der ersten Studie wurde eine in der allgemeinen Flow-Forschung verbreitete Kurz-Skala an den Lesekontext adaptiert und anhand einer 229 Leser umfassenden Stichprobe psychometrisch getestet. Hierzu wurden die Teilnehmer im Rahmen einer Online-Studie gebeten, nach 20-minütigem Lesen in einem selbstgewählten Roman Fragebögen zu ihrem Leseerleben auszufüllen. Zufriedenstellende Reliabilitätskoeffizienten, positive Korrelationen mit konvergenten Maßen, die faktoranalytische Unterscheidbarkeit zu diskriminanten Maßen und die erwartete Assoziation mit einem Flow-Kriterium bestätigten die Güte der Flow-Skala. Eine Explorative Faktorenanalyse ergab jedoch, dass fast alle Items auf dem Faktor Absorption luden. Zudem ließ die zweifakorielle Skalenstruktur keine abschließende Aussage zur Legitimierung eines globalen Flow-Scores zu. Daher wurde in der zweiten Studie auf Basis der ersten Skala und der aus der Theorie bekannten Flow-Komponenten ein umfassenderer lesespezifischer Flow-Fragebogen entwickelt. Dessen Reliabilität und Validität konnte anhand einer Online-Studie mit 373 Teilnehmern, in deren Rahmen ein Kapitel aus Homers Odyssee gelesen wurde, bestätigt werden. Neben Hinweisen zur konvergenten und diskriminanten Konstrukt- und zur Kriteriumsvalidität stützten die Ergebnisse einer Konfirmatorischen Faktorenanalyse eine theoretisch angemessene Skalenstruktur, mit den einzelnen Komponenten, mit Absorption, Verarbeitungsflüssigkeit und intrinsischer Freude als Subdimensionen und mit Flow als übergeordnetem Faktor. Mittels eines Strukturgleichungsmodells konnte zudem demonstriert werden, dass der auf Basis dieses Fragebogens gemessene Flow eine zentrale Rolle beim Leseerleben einnehmen kann. So wurde Flow als Mediator für andere, ebenfalls erhobene Erlebnisformen beim Lesen wie etwa Identifikation oder Spannung bestätigt. Von diesen Konzepten klärte Flow den größten Anteil an Varianz in Lesefreude und Textverständnis auf, die als Outcomes von positivem Leseerleben modelliert wurden. Da Flow gegenüber anderen Konzepten der Leseforschung den Vorteil hat, die Ableitung experimenteller Paradigmen und psychophysiologischer Hypothesen zu ermöglichen, wurden in der dritten Studie über die Manipulation des stilistischen Herausforderungsgrades eines weiteren Odyssee-Kapitels unterschiedliche Lese-Bedingungen hergestellt und kardiovaskuläre Daten gemessen. Es zeigten sich zwar keine signifikanten Gruppenunterschiede im Flow-Erleben, jedoch Interaktionen zwischen der Lesebedingung und kardiovaskulären Indikatoren bei der Vorhersage von Flow. So scheinen parasympathische Dominanz und ein entsprechender innerer Entspannungszustand, indiziert durch eine geringe Herzrate und hohe Herzratenvariabilität, Flow beim Lesen zu begünstigen, wenn der Text stilistisch anspruchsvoll ist. Es fanden sich hingegen keine Hinweise dafür, dass Flow-Erleben die Herzaktivität von Lesern verändert oder sich durch sie objektiv erfassen lässt.
Insgesamt sprechen die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes somit für das Auf-treten von Flow beim Lesen sowie für dessen zentrale Rolle bei positiven Leseerlebnissen. Außerdem zeigen sie das Potenzial des Flow-Konzeptes für die Leseforschung auf, insbesondere hinsichtlich psychophysiologischer Experimentalstudien.
Optischer Raumsinn
(1913)
Während der wissenschaftliche Nachwuchs im Forschungsbereich strategisch und wissenschaftlich fundiert samt diversen Prüfungen (Bachelor, Master, Promotion, ggf. auch Habilitation) ausgebildet wird, existiert im Bereich der Lehre nichts auch nur annährend Vergleichbares. Die übliche „Qualifizierung“ des Nachwuchslehrenden findet meist nur „On-the-job“ (vgl. Conradi, 1983) statt, d.h. durch eigenes Ausprobieren nach Beobachtung anderer Lehrender während des eigenen Studiums. Unter guten Bedingungen hat der Lehrende vorab oder begleitend Weiterbildungen zu guter Lehre besucht. Eine strategische Einbettung dieser Personalentwicklungsmaßnahmen, wie es seitens der Forschung intendiert wird, ist nicht vorhanden. Dieser Beitrag stellt mögliche Formen vor und führt exemplarisch eine darunter näher aus.
Theoretischer Hintergrund: Für die Behandlung der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) im Jugend- und jungen Erwachsenenalter liegen diverse evidenzbasierte Interventionen (EBIs) vor. Fragestellung: Inwiefern sind EBIs für Jugendliche und junge Erwachsene mit PTBS nach sexualisierter und physischer Gewalt in Deutschland verfügbar? Methode: Es wurden die Daten von 39 Teilnehmenden einer multizentrischen Behandlungsstudie analysiert, die für die Diagnose einer PTBS ambulante Behandlungsempfehlungen erhalten hatten. Ergebnisse: In den folgenden sieben Monaten erhielten 21 der Teilnehmenden eine Behandlung; bei nur acht wurden in deren Rahmen die traumatischen Erfahrungen adressiert. Alle Teilnehmenden verbesserten sich hinsichtlich der PTBS-Symptomatik unabhängig von der Art der Behandlung. Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse weisen auf Barrieren für den Zugang zu EBIs in unserer Stichprobe hin. Künftige Forschung sollte die Hintergründe für diese Barrieren fokussieren.
Liest man heute, fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung, Alexander und Margarete Mitscherlichs "Die Unfähigkeit zu trauern", so kann man überrascht werden. Das Buch ist ein Klassiker und sein Titel zum Schlagwort geworden: für die Verzögerung der Vergangenheitsbewältigung, für die Verspätung, mit der sich die Deutschen mit den Verbrechen des Nationalsozialismus auseinandergesetzt haben, für den Unwillen, deren Opfer anzuerkennen. Im Buch liest sich das allerdings etwas anders, denn dass die Deutschen nicht getrauert hätten, bezieht sich nicht primär - wie wir wohl erwarten würden - auf die Opfer
Um den aktuellen Bildungsstand einer Gesellschaft abbilden zu können müssen Resultate von Bildungsprozessen, wie erworbenes Wissen oder ausgebildete Fähigkeiten, modelliert und gemessen werden (Leutner, Klieme, Fleischer & Kuper, 2013). Im Rahmen sogenannter Large-Scale-Assessments (LSAs) werden Kompetenzen in bestimmten Bereichen definiert und erfasst, die generell für die gesellschaftliche Teilhabe benötigen werden (bspw. Fraillon, Schulz & Ainley, 2013). Durch die fortschreitende Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche ist der kompetente Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Teilhabe an unserer modernen Wissensgesellschaft. Die detaillierte Beschreibung solcher, auch als ICT-Skills bezeichneter Kompetenzen, und die Entwicklung von theoriebasierten Instrumenten zu deren Erfassung ist von großer Bedeutung, um mögliche sozial bedingte Disparitäten aufzudecken.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden Annahmen, Ergebnisse und Daten aus dem Projekt CavE-ICT, in dem verhaltensnahe simulationsbasierte Items zur Erfassung von ICT-Skills entwickelt wurden, aufgegriffen und weitergenutzt mit dem Ziel eine besonders effiziente und ökonomisch Messung von ICT-Skills im LSA-Kontext und darüber hinaus zu ermöglichen. Ein vielversprechender Ansatz durch den Testzeiten verkürzt und/oder die Messpräzision erhöht werden kann ist das computerisierte adaptive Testen (CAT; bspw. Frey, 2012). Beim adaptiven Testen orientiert sich die Auswahl der Items am Antwortverhalten der untersuchten Person, so dass durch die Berücksichtigung der individuellen Fähigkeit einer Person Items mit möglichst viel diagnostischer Information administriert werden können. Damit auch bei der Vorgabe unterschiedlicher Items in unterschiedlicher Reihenfolge Testleistungen von Personen miteinander verglichen werden können, stellen Modelle der Item-Response-Theorie (IRT; bspw. Hambleton & Swaminathan, 2010) die Basis der Anwendung von CAT dar.
Im Rahmen dieser Arbeit wurde untersucht, wie ICT-Skills auf Basis der Item-Response-Theorie und unter Einsatz computerisierter Messinstrumente erfasst werden können. Dabei setzten die empirischen Studien dieser Arbeit unterschiedliche Testformen um und an unterschiedlichen Punkten im Prozess der Testentwicklung an. Studie I setzt noch vor der Entwicklung von Items zur Messung von ICT-Skills an und zielt darauf ab Hinweise zum Umfang des zu erstellenden ICT-Itempools und zur Testlänge eines adaptiven Messinstruments bereitzustellen. Studie II baut direkt auf Studie I auf und nutzt die im Rahmen des Projekts CavE-ICT entwickelten und kalibrierten Items beziehungsweise ihre ermittelten Itemeigenschaften zur weiteren Erprobung verschiedener CAT-Algorithmen. Es werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie multidimensionales adaptives Testen zur Messung von ICT-Skills gewinnbringend eingesetzt werden kann, und zudem eine differenzierte Messung auf Ebene der verschiedenen kognitiven Prozesse von ICT-Skills erlaubt. Dabei werden explizit Möglichkeiten exploriert Items die unterschiedliche kognitive Prozesse von ICT-Skills abbilden sequentiell geordnet und trotzdem adaptiv vorzulegen. Die durch Studie II erarbeiteten Erkenntnisse können insbesondere für die Erfassung von multidimensionalen Konstrukten oder facettierten Merkmalen in LSAs genutzt werden. Durch den Vergleich der Ergebnisse von Studie I und II ergeben sich zudem Implikationen für ein angemessenes Design von Simulationsstudien die insbesondere noch vor der eigentlichen Test- beziehungsweise Itementwicklung ansetzen. In Studie III werden lineare Kurztests zur Messung von ICT-Skills zusammengestellt. Durch die gezielte Auswahl geeigneter ICT-Items soll bei möglichst geringer Testzeit zugleich eine hohe Messgenauigkeit und Zuverlässigkeit realisiert werden. Die in Studie III manuell und automatisiert computerbasiert zusammengestellten Tests werden hinsichtlich des Einsatzes sowohl auf Populationsebene, im Sinne einschlägiger LSAs, als auch darüber hinaus für gruppen- und individualdiagnostische Zwecke evaluiert und Empfehlungen für den Kurztesteinsatz abgeleitet.
Ausgehend vom Freud'schen Verständnis des Unheimlichen beleuchtet Roman Widholm aus psychoanalytischer Perspektive, wie sich Autismus nicht nur für den Behandelten, sondern auch für den Behandelnden zeigt und welche Phänomene der Übertragung und Gegenübertragung dabei beobachtet werden können. Gleichzeitig wird der Fokus auf die praktischen Folgen der fast vollständigen Beseitigung der Psychoanalyse aus dem Feld der Therapie und Betreuung von Menschen mit Autismus gerichtet. Das seit Mitte der 1990er Jahre erforschte 'Affective Computing', die technische Emulation menschlicher Gefühlsbewegungen in Computermodellen, wird schließlich zum Anlass genommen, um behavioristische neurowissenschaftliche Ansätze als Techniken zu kritisieren, die vor allem dazu geeignet sind, sich Gefühlen der Angst und des Unheimlichen in der Auseinandersetzung mit Autismus zu entziehen.
Mystische Blendung : zu Gustav Theodor Fechners Selbstversuchen und seinem panpsychistischen System
(2005)
Vielleicht könnte man behaupten, daß im Fall Fechner die humanwissenschaftliche Erkenntnisbeziehung modellhaft zum Vorschein kommt, modellhaft nämlich in ihrer, wie Michel Foucault sagt, doppelten Qualität, "gleichzeitig gefährlich und gefährdet" zu sein, und in ihrer Eigenart, den Menschen als ihre Möglichkeitsbedingung und ihren positiven Gegenstand auszuzeichnen, als "Subject und Object der inneren Erfahrung zugleich", wie es in den Elementen der Psychophysik (1860) heißt. Fechner entwickelte als erblindeter Selbstbeobachter nicht nur eine Theorie über die Blindheit als solche, sondern über die an und für sich: die Blindheit des Sehens für seine eigenen Möglichkeitsbedingungen, die eine Blindheit des denkenden Ichs beim Denken seiner selbst vorstellt. Dem Auge, das ohne Vermittlung oder prothetische Unterstützung sich selbst nicht erblicken kann, kommt hierfür in doppelter Hinsicht eine Schlüsselfunktion zu. Denn was sowohl dem anschaulichen als auch dem begrifflichen Denken undenkbar bleiben muß, obschon es erkannt werden soll, wird zu einem Gegenstand von Dichtung oder Experimentalwissenschaft.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Arbeitsgedächtnisleistungen zweier sprachlicher Sondergruppen und der Möglichkeit über die Leistung des Arbeitsgedächtnisses validere Prognosen des weiteren sprachlichen bzw. schriftsprachlichen Entwicklungsverlaufs zu erreichen, als dies über eine ausschließliche Erhebung der Sprachleistung möglich ist. Die Basis dieser Untersuchungen bilden zwei Längsschnittstudien. Die Daten der sprachlichen Sondergruppe der Late Talker (kognitive Aspekte) wurden in Heidelberg an der Universität und dem Frühinterventionszentrum (FRIZ) zwischen dem zweiten und dem neunten Lebensjahr der Kinder (N=93 mit n1=59 Late Talkers und n2=34 Kontrollkindern) in bestimmten Abständen erhoben. Neben den sprachlichen und kognitiven Leistungstests wurde zum letzten Messzeitpunkt zusätzlich die Arbeitsgedächtnisleistung erfasst. Dabei sollte untersucht werden, ob die Leistungen im Arbeitsgedächtnis valide unterscheiden können zwischen Kindern mit persistierenden Sprachentwicklungsproblemen und Kindern, die das Defizit im weiteren Entwicklungsverlauf aufholen (Late Bloomer). Die Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der Leistungen in der Phonologischen Schleife eine sehr gute Trennung der Late Bloomer von den Kindern, die weiter eine Sprachproblematik aufweisen, vorgenommen werden kann. Ein Hinzuziehen der zentral-exekutiven Leistungen bringt hingegen keine Verbesserung in der Vorhersagegenauigkeit.
Der zweiten Untersuchung liegen zum einen die Daten der Normierung der Arbeitsgedächtnistestbatterie für Kinder von fünf bis zwölf Jahren (AGTB 5-12 {Hasselhorn et al., 2012}) zugrunde (N=1.669 davon 243 Kinder mit Migrationshintergrund), anhand derer überprüft wurde, ob Kinder mit Migrationshintergrund in irgendeiner Weise durch die Nutzung der Testbatterie benachteiligt werden, sei es 1. Durch die ungeprüfte Übernahme des Arbeitsgedächtnismodells (nach dem Vorbild von Baddeley (1986)), dass für Muttersprachler bereits bestätigt werden konnte, 2. Durch Benachteiligungen in bestimmten Untertests und 3. Durch die Testbatterie im Allgemeinen, die Art der Testung und die Wahl bestimmter Items. Zur Überprüfung, inwieweit Prädiktoren, die bei Muttersprachlern valide Prognosen der späteren schriftsprachlichen Leistungen erlauben, auch bei Kindern mit Migrationshintergrund genutzt werden können, wird ein weiterer längsschnittlicher Datensatz herangezogen. Von den 127 Kindern der Längsschnittstudie des Projekts ANNA „Gedächtnis und Schulfähigkeit“ (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk am Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung - DIPF) weisen 60 Kinder einen Migrationshintergrund auf. Auf Basis beider Datensätze konnte nachgewiesen werden, dass das Modell des Arbeitsgedächtnisses auch bei Kindern mit Migrationshintergrund Anwendung findet und die Benachteiligungen bei der Testung besonders gering ausfallen, je früher die Kinder untersucht werden. Es zeigt sich aber auch, dass die AGTB 5-12 an manchen Stellen überarbeitet werden sollte, um mögliche Benachteiligungen noch weiter zu verringern. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich auch bei Kindern mit Migrationshintergrund valide Prognosen späterer schriftsprachlicher Leistungen anhand ihrer Arbeitsgedächtnisleistungen treffen lassen und hier hauptsächlich auf Basis der phonologischen Gesamtleistungen (alle Untertests).
In der vorliegenden Studie wurden Adoptierte auf Merkmale wie Selbstbewusstsein, Widerstandsfähigkeit und Bindungseinstellungen in Abhängigkeit verschiedener möglicher Einflussfaktoren wie beispielsweise Heimaufenthalten untersucht. Mittelpunkt der Forschung war die Exploration der Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen in Abhängigkeit der verschiedenen Adoptionsformen, die den Kontakt zu den leiblichen Eltern möglich machen oder verhindern. Untersuchungen an erwachsenen Adoptierten sind noch selten, ebenso gibt es keine wissenschaftlichen Studien in Deutschland, die sich mit dem Thema der Adoption befassen. Auch die Forschung auf dem Gebiet der verschiedenen Adoptionsformen und ihrer Auswirkung auf die Entwicklung von Persönlichkeitsmerkmalen bei Adoptierten ist noch sehr jung. Dies wurde mit der vorliegenden Studie deutschlandweit erstmalig in Angriff genommen. Die Ergebnisse zeigten, dass Heimaufenthalte, je häufiger sie sind, zu einer verminderten Widerstandsfähigkeit der Adoptierten führten. Heimaufenthalte konnten als starker Prädiktor für verminderte Resilienz identifiziert werden. Ebenso sanken die Werte auf manchen Skalen der Multidimensionalen Selbstwertskala wie beispielsweise die Wertschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit. Adoptierte wurden mit steigender Anzahl an Heimaufenthalten neurotischer. Leider konnte aufgrund mangelhafter Angaben die Dauer der Heimaufenthalte und Aufenthalte in Pflegefamilien nicht in die Auswertung mit einbezogen werden, darüber hinaus auch nicht die Qualität der Erinnerungen an diese Heimaufenthalte. Dennoch lässt sich feststellen, dass Heimaufenthalte das Selbstwertgefühl und die Selbstsicherheit Adoptierter nachhaltig beeinträchtigen können. Sie sollten so gering wie möglich gehalten werden. Auf die Bindungseinstellungen zeigten sie keine Auswirkungen. Hier könnte zukünftig eine genauere Untersuchung des Einflusses von Heimaufenthalten erfolgen, die unter anderem die Dauer und zusätzliche Wechsel von Pflegefamilien mit einbezieht. Bezüglich der Adoptionsformen offene Adoption vs. Inkognitoadoption konnte gezeigt werden, dass es für die Entwicklung der untersuchten Persönlichkeitsmerkmale keine Rolle zu spielen scheint, ob die Adoptierten die Möglichkeit des Kontaktes zu ihren leiblichen Eltern haben oder nicht. Dennoch führte die positive Bewertung dieses Kontaktes zu besseren Ergebnissen bezüglich des Selbstwertes als die negative Bewertung des Kontaktes zu den leiblichen Eltern. Interessant ist, dass Adoptierte, die keine Kontaktmöglichkeit zu ihren leiblichen Eltern hatten, bessere Werte bezogen auf Facetten des Selbstwertgefühles zeigten als Adoptierte, die diesen Kontakt negativ bewerteten. Es scheint, als wäre es für das eigene Selbstbewusstsein gesünder, keinen Kontakt zu haben als ihn letztendlich negativ zu bewerten. Positiv empfundener Kontakt konnte das Selbstwertgefühl und die Bindungseinstellungen nicht zusätzlich verbessern. Allerdings kann keine sinnvolle Konsequenz aus diesen Ergebnissen gezogen werden. Im Voraus ist selten zu beurteilen, wie der / die Adoptierte das Treffen und den Kontakt zu den leiblichen Eltern bewerten wird. Dies hängt mit Sicherheit nicht nur vom Adoptierten selbst, sonder mitunter von einer Anzahl an Faktoren ab, nicht zuletzt von dem Vorhandensein früher Vorurteile und der Unterstützung seitens des Adoptivelternhauses. Es ist nicht verantwortlich und angemessen, aus reiner Spekulation über den möglichen Ausgang eines Kontaktes diesen im Voraus zu verhindern und dem Kind diese Möglichkeit zu versagen. Laut den Ergebnissen ist ein anderes Ereignis im Leben eines Adoptierten für sein Selbstwertgefühl und sein Bindungsverhalten entscheidender. Dies bezieht sich auf die Kommunikation der Adoptiveltern mit ihrem Kind. Wichtigster Prädiktor für ein gesundes Selbstbewusstsein und günstige Bindungseinstellungen war laut den Ergebnissen das Geständnis der Eltern über die Adoption. Eltern, die diesbezüglich offen und ehrlich ihren Kindern gegenüber waren, wurden in ihrem Erziehungsverhalten von diesen als emotional wärmer und weniger kontrollierend bewertet als Eltern, die ihre Kinder nicht über die Adoption aufgeklärt hatten. Adoptierte, die über ihre eigene Adoption nicht aufgeklärt wurden, zeigten vermindertes Selbstwertgefühl, verminderte Widerstandsfähigkeit und schlechtere Bindungseinstellungen, wobei die Skala „Nähe“, das heißt die Messung zur Fähigkeit, andere Menschen an sich heran zu lassen, Werte außerhalb des Normbereiches aufzeigte und man hier sogar von einem pathologisch veränderten Persönlichkeitsmerkmal sprechen kann. Auch das Alter bei Aufklärung spielt eine wichtige Rolle. Frühe Aufklärung über die Adoption, in der vorliegenden Studie wurde ein Zeitpunkt bis zum neunten Lebensjahr als früh definiert, führte zu höherem allgemeinen Selbstwertgefühl und einer erhöhten Widerstandsfähigkeit. Auf die Bindungseinstellungen schien der Zeitpunkt der Aufklärung keine Auswirkung zu haben. Eltern, die ihre Kinder früh über ihre Adoption informierten, wurden als weniger überbehütend und kontrollierend bewertet. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Werte bei den Rechnungen der Gruppenvergleiche, mit Ausnahme des oben erwähnten Wertes für die Skala „Nähe“ der Adult Attachment Scale, alle im Normbereich lagen. Es liegen also, auch im Vergleich mit den Normstichproben, keine Befunde vor, die bei der adoptierten Stichprobe auf Pathologien hinweisen. Zu finden sind jedoch leichte Abweichungen von der Norm, die statistisch gesehen von Signifikanz sind und auch inhaltlich wichtige Hinweise auf die Folgen von Adoption liefern. Obwohl der Großteil der Adoptierten (90.3%) über ihre Adoption aufgeklärt worden war und dies laut oben beschriebener Ergebnisse eine günstiger Faktor bezüglich der Entwicklung von Selbstwert und Bindung ist, lässt sich feststellen, dass Adoptierte im Vergleich zu den nicht adoptierten Normstichproben ein vermindertes Selbstwertgefühl und ungünstigere Bindungseinstellungen aufwiesen. Weitere Einflussfaktoren dieser Persönlichkeitsmerkmale im Leben eines Adoptierten müssten zukünftig identifiziert werden. Seelische Vorerkrankungen, wie beispielsweise eine Depression, könnten einen solchen Einflussfaktor darstellen. 20.6% der Adoptierten der vorliegenden Studie gaben an, seelisch erkrankt zu sein, darunter waren 12.1% depressiv, was zu zusätzlichen Rechnungen veranlasste. Bei diesen Berechnungen mit dem Vergleich von depressiven Adoptierten versus seelisch gesunden Adoptierten fiel auf, dass die depressive Gruppe niedrigere Werte auf Skalen des Selbstwertes und der Resilienz aufwies, sowie schlechtere Bindungseinstellungen hatte als die seelisch gesunde Gruppe. Depressive Adoptierte waren zusätzlich neurotischer und bewerteten ihre Elternhäuser als emotional kühler. Ebenso hatten sie mehr Ablehnung und Strafe durch die Mütter erfahren. Besonders hervorzuheben sind jedoch die Ergebnisse auf den Skalen der emotionalen Selbstwertschätzung und der Bindungseinstellung Angst. Hierbei lagen die Werte der depressiven adoptierten Gruppe deutlich außerhalb des Normbereichs und wiesen auf pathologisch veränderte Persönlichkeitsmerkmale hin. Depressive hatten somit deutlich schlechtere Einstellungen gegenüber sich selbst als Adoptierte, die nicht depressiv waren. Ebenso hatten sie eine sehr schlechte Selbstachtung und litten vermehrt unter Ängsten. Es bleibt also die Frage offen, inwiefern seelische Vorerkrankungen, die in der vorliegenden Studie zu einem hohen Prozentsatz vertreten waren, zu den schlechteren Ergebnissen bezüglich Selbstwert und Bindung Adoptierter im Vergleich zu Normstichproben beitragen. Es bleibt offen, ob Adoption alleine ein Risikofaktor für vermindertes Selbstbewusstsein und schlechte Bindungseinstellungen ist oder ob diese Ergebnisse nicht vielmehr durch andere Faktoren, wie seelische Erkrankungen, beeinflusst werden. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Ehrlichkeit der Adoptiveltern und der offene Umgang mit dem Thema der Adoption entscheidend zur Bildung eines gesunden Selbstwertes und günstiger Bindungseinstellungen ihres Kindes beitragen. Ebenso sollten Adoptierte nicht lange in Unwissenheit über ihre Herkunft gelassen werden. Ein früher Zeitpunkt der Aufklärung über die eigene Adoption hat positiven Einfluss auf die Entwicklung des Selbstwertes, der Widerstandsfähigkeit und der Bindungseinstellung. Weiterhin ist zu sehen, dass die reine Kontaktmöglichkeit zu den leiblichen Eltern für die Entwicklung von Selbstwertgefühl, Resilienz und Bindung keine entscheidende Rolle zu spielen scheint. Eine offene Adoptionsform alleine, in der der Kontakt zwischen Adoptivfamilie und leiblichen Eltern von Anfang an aufrechterhalten bzw. zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wird, scheint für die Entwicklung des Adoptivkindesnicht die entscheidende Rolle zu spielen. Interessant bleibt die Frage nach dem Einfluss von Adoption als Risikofaktor für die Entwicklung von seelischen Erkrankungen und hierunter insbesondere Depression. Ein hoher Prozentsatz der Adoptierten dieser Studie gab an, seelisch erkrankt zu sein (20.6%), die häufigste genannte Diagnose darunter war die Depression (12.1%). Die Diagnosehäufigkeiten und Prädiktoren für die Entwicklung von Depressionen müssen zukünftig genauer untersucht werden. Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine anonymisierte Fragebogenstudie ohne zusätzliche Führung von Interviews handelte, war es nicht möglich, Fragen zu Angaben der Probanden zu beantworten und Missverständnisse zu klären. Manches Ergebnis, wie die Angabe der Probanden, depressiv zu sein, oder die Untersuchung der Anzahl von Heimaufenthalten schien sehr fraglich. Zukünftige Studien sollten zusätzlich Interviews mit den Teilnehmern beinhalten, da sich so Missverständnisse am leichtesten klären lassen und Rückfragen möglich sind. Zur Erfassung von seelischen und körperlichen Erkrankungen können Testverfahren wie das Brief Symptom Inventory (Franke 2000) und die Hospital Anxiety and Depression Scale (Lingen, Buss, Snaith 2005) verwendet werden. Die Teilnehmerzahl der Studie belief sich auf 165 Probanden. Bei 75.8% der Probanden handelte es sich um weibliche Teilnehmerinnen. Da Studien bereits belegt haben, dass das Geschlecht einen entscheidenden Einfluss auf die Ergebnisse bei Untersuchungen zu Persönlichkeitsmerkmalen hat (Freeark, Rosenberg et al.2005), müsste man die Unterteilung in männliche und weibliche Probandengruppen vornehmen. Aufgrund der zu kleinen Teilnehmerzahl an Männern konnte diesin der vorliegenden Studie nicht geschehen. Ebenso betrifft dies die Einteilung der Probanden in die Altersgruppen bei Aufklärung über die Adoption. Hier konnte aufgrund der kleinen Teilnehmerzahl nur eine Unterteilung in ein Alter bis zum neunten Lebensjahr und ab dem zehnten Lebensjahr erfolgen. Bis zum neunten Lebensjahr durchläuft das Kind jedoch wichtige Entwicklungsschritte auf den Gebieten der Bindung zu Bezugspersonen, Entwicklung eines Selbstbildes und Integration in eine Gemeinschaft, in denen das Kind die Information über die eigene Adoption unterschiedlich verarbeitet. Anhand größerer Teilnehmerzahlen kann eine genauere Einteilung in verschiedene Altersklassen auch vor dem neunten Lebensjahr erfolgen und so der optimale Zeitpunkt der Aufklärung über die Adoption genauer festgelegt werden. Ebenso wichtig wäre eine weitere Einteilung in Inlands- vs. Auslandsadoptionen. Kinder, die aus dem Ausland adoptiert wurden, haben vermehrt Integrationsschwierigkeiten aufgrund ihres andersartigen Erscheinungsbildes, die sich auch auf die Entwicklung von Selbstbewusstsein auswirken können (von Borczyskowski, Hjern et al. 2006). Dies müsste man anhand der Unterteilung in Inlands –und Auslandsadoptionen genauer untersuchen. Die Probanden der vorliegenden Studie gaben an, ein emotional wärmeres und empathischeres Elternhaus gehabt zu haben als die Normstichprobe. Bei der Bewertung des Elternhauses handelt es sich jedoch lediglich um die Einschätzung der Teilnehmer, es ist eine subjektive Bewertung. Über die Qualität der Elternhäuser an sich kann man aus objektiver Sicht keine Aussage machen. Weitere Testverfahren zur Messung der Beziehungsqualitäten zwischen den Adoptierten und ihren Eltern und/oder der Persönlichkeitsmerkmale der Adoptiveltern müssten hierfür herangezogen werden. Ebenso wenig kann mit der Adult Attachment Scale das tatsächliche Bindungsverhalten gemessen werden. Vielmehr gibt dieses Testverfahren einen Hinweis auf die Bindungseinstellungen der Probanden. Zur Untersuchung von Bindungsverhalten liegen keine Testverfahren in Fragebogenform vor, dies müsste auf andere Weise erfolgen, beispielsweise mit Hilfe des Adult Attachment Interviews. Es lässt sich also feststellen, dass zur genaueren Untersuchung von Adoptierten eine größere Teilnehmerzahl erforderlich wird. Eine erweiterte Testbatterie und die Führung von Interviews können Missverständnisse und offene Fragen aus dem Weg räumen und ermöglichen so eine differenziertere Auswertung der Ergebnisse.
Klugheit wird gemeinhin als das Gegenteil von Torheit aufgefasst. Auf diese Weise erfährt sie eine sprachlich vorstrukturierte positive Bewertung und erhält einen ausgezeichneten gesellschaftlichen Status. "Positiv" bedeutet eine Verknüpfung mit spezifischen je gesellschaftlich richtigen Wertmassstäben, die aber in unterschiedlichen Milieus und Regionen durchaus verschieden ausfallen. Diese bilden den impliziten Subtext für die alltägliche Zuschreibung von "Klugheit". Klugheit fokussiert das Verhalten der Menschen, die Handlungen, die Performanz. Klugheit wird denjenigen Personen zugeschrieben, die "das Richtige" tun, und nachdem sie das Richtige getan haben, etabliert sich erst das Kriterium für die Richtigkeit dieser Beurteilung: der Ausgang der Geschichte. Klugheit wird zwar im vornhinein behauptet, stellt sich aber erst im Nachhinein heraus: denn sie misst sich nicht an der vorgeführten Handlung selbst, sondern am Ausgang der "Geschichte". Eine Bauerntochter handelt dann klug, wenn ihre Handlungen zu einem – im Sinne des Erzählers – guten Ende führen, zu einem Happy-End sozusagen. ...
Kinder aus zugewanderten Familien und aus den unteren Sozialschichten haben es an deutschen Schulen schwer. Zu ihrer Unterstützung werden vielfältige Fördermaßnahmen angeboten. Welche Art der Förderung insbesondere Familien mit Migrationshintergrund benötigen, wird in der vorliegenden Schrift besprochen.
Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein Familien-Bildungsprogramm - mittels qualitativer und quantitativer Erhebungsmethoden - evaluiert. In dem Programm werden Familien über die Dauer von zwei Jahren (im Übergang von der 4. in die 5. Klasse) eng begleitet. Das vielfältige Unterstützungsangebot ist dahingehend ausgerichtet, die teilnehmenden Kinder auf ihrem schulischen Weg zu unterstützen. Ebenso möchte das Programm zur Erhöhung der gesellschaftlichen Teilhabe der Familien beitragen.
Erhebliche Leistungsfortschritte erreichen fast alle Kinder im Kompetenzbereich Lesen. Besonders die leistungsschwächeren Kinder haben von der Förderung profitiert. Auch die Rechtschreibkompetenzen haben sich im Schnitt verbessert. Das schulbezogene Fähigkeitsselbstkonzept der Kinder sowie ihre Lern- und Leistungsmotivation bleibt von der Förderung relativ unbeeinflusst. Die Eltern profitieren insbesondere von dem Zugewinn einer konstanten Ansprechperson. Es gelingt den Mitarbeiterinnen ein Stützungs-Setting aufzubauen, welches den Eltern Sicherheit vermittelt und sie zuversichtlicher werden lässt. Daneben wurde eine Reihe differentieller Wirksamkeiten ermittelt (wie Entlastung, Aktivierung, Qualifizierung). Das Ausmaß der Wirksamkeit wird durch spezielle Bedingungen - auf Seite der Teilnehmer und auf Seite der Ausführenden - moderiert.
Die vorliegenden Ergebnisse werden mit Bezug auf Implikationen für die Praxis (in Schulen und Bildungsprogrammen) diskutiert.
Erstmalig begrüßen Sie zwei Veranstalter zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Im Namen der Goethe-Universität und des DIPF heißen wir Sie zum 51. DGPs-Kongress in Frankfurt herzlich willkommen. Unser diesjähriges Motto "Psychologie gestaltet" stellt die Bedeutung der wissenschaftlichen Psychologie für die Bewältigung individueller und gesellschaftlicher Herausforderungen in den Mittelpunkt. Als Forschende haben wir in vielen Bereichen die Möglichkeit, positiv zur Gestaltung menschlichen Lebens und Zusammenlebens beizutragen. In diesem Sinne freuen wir uns auf einen anregenden Kongress, gestaltet durch die rund 2400 wissenschaftlichen Beiträge aus allen Gebieten der Psychologie. ...
Der Ukrainekrieg und seine psychologischen Folgen : Hilfe für Geflüchtete in Frankfurt und vor Ort
(2022)
Die Psychosoziale Beratungsstelle für Flüchtlinge der Goethe-Universität (PBF) unter Leitung von Prof. Dr. Ulrich Stangier beschäftigt sich angesichts der aktuellen Zuwanderung Geflüchteter aus der Ukraine mit den psychischen Folgen von Migration und Flucht im Rahmen der Ukrainekrise. Durch die Unterstützung der Freunde und Förderer der Goethe-Universität sowie die Polytechnische Gesellschaft konnten in Kooperation mit der Stadt Frankfurt die Angebote der Beratungsstelle an den gestiegenen Bedarf und die Bedürfnisse ukrainischer Geflüchteter angepasst werden. Weiterhin werden im Rahmen einer Kooperation mit ukrainischen Kolleg*innen in der Ukraine Workshops zum Umgang mit psychischen Kriegsfolgen angeboten.
"Riezlern XIV" bestätigt, dass sich unsere Riezlern-Seminare auch im vierzehnten Jahr ihres Bestehens weiterhin großer Beliebtheit erfreuen und eine feste Einrichtung in unserem Ausbildungs-programm darstellen. Es handelt sich dabei eine Seminarreihe besonderen Stils, welche ich (Prof. Moosbrugger) 1992 gemeinsam mit Prof. Dirk Frank, meinem damaligen Mitarbeiter, ins Leben gerufen hatte. .... Als Ergebnis der seminaristischen Arbeit legen wir nun einen weiteren Band unserer "Riezlern-Reader" vor. Er befasst sich neben einem Einführungskapitel über rechtliche Grundlagen und aktuelle Studien in 17 von den Seminaristen aufbereiteten Kapiteln mit vier großen Themenbereichen, nämlich mit - methodischen Grundlagen - Operationalisierungen des Studienerfolgs - Möglichen Prädiktoren des Studienerfolgs sowie mit - Beispielen für Studierendenauswahltests.