150 Psychologie
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Anfang April 1884 entdeckte Freud im "Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften" eine Rezension zu einem kurzen Aufsatz Theodor Aschenbrandts. Aschenbrandts Artikel war vier Monate zuvor in der "Deutschen Medicinischen Wochenschrift" erschienen und stellte einen in Europa noch weitgehend unbekannten Wirkstoff vor, an dessen Erforschung nun Sigmund Freud erhebliche Zukunftshoffnungen knüpfte.
Aschenbrandt hatte in seiner Studie vom 12. Dezember 1883 in der "Medicinischen Wochenschrift" während einer Waffenübung eines bayerischen Armeekorps den Soldaten Kokain verabreicht und dabei eine beträchtliche Erhöhung der Leistungsfähigkeit, insbesondere der Marschfähigkeit unter erschwerten Bedingungen, sowie länger ausbleibende Erschöpfung durch Nahrungs- und Schlafentzug festgestellt. Das weckte das Interesse Freuds, der 1884 als schlecht bezahlter Assistenzarzt des Wiener Allgemeinen Krankenhauses ein verstärktes Interesse daran hatte, sich durch wissenschaftliche Forschungen einen Namen zu machen
Gegenstand der Untersuchung ist eine umfassende Analyse der zeitgenössischen Medienprominenz, hier deutschsprachige Singer-Songwriter, eingebettet in die Kontexte ‘psychische Störungen‘ (erhoben mit dem SKID-II/M.I.N.I.), ‘Kreativität‘ (TSD-Z) und ‘Perfektionismus hinsichtlich des Aussehens‘ (AAS), mit der Zielsetzung dieses heterogene Phänomen mittels einer ganzheitlichen Perspektive zu erfassen. An der Studie nahmen insgesamt 31 prominente und 31 nicht promiente deutschsprachige Singer-Songwriter teil, wobei 15 der prominenten Singer-Songwriter in Besitz von mindestens einem ‘ECHO‘, 14 in Besitz von mindestens einer ‘Goldenen Schallplatte‘ und 2 mit mehr als 200 Nennungen in der Gruner + Jahr Pressedatenbank verzeichnet sind. Zunächst geht die Arbeit der Fragestellung nach, ob sich die prominenten Singer-Songwriter in den Störungsbildern ‘affektive Störung‘, ‘narzisstische Persönlichkeitsstörung‘, ‘Borderline-Persönlichkeitsstörung‘, ‘Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit und ‘Substanzmissbrauch/-abhängigkeit‘ von den nicht prominenten Singer-Songwritern unterscheiden. Die Ergebnisse zeigen auf, dass prominente Singer-Songwriter signifikant häufiger unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, Alkoholabhängigkeit und Substanzmissbrauchs leiden als nicht prominente Singer-Songwriter. Außerdem wird ersichtlich, dass die prominenten Singer-Songwriter vermehrt Kokain und die nicht prominenten Singer-Songwriter vermehrt Marihuana konsumieren. Die Werte der prominenten und nicht prominenten Singer-Songwriter in Bezug auf die narzisstische Persönlichkeitsstörung sowie Alkoholmissbrauch/-abhängigkeit übersteigen bei weitem die Prävalenzzahlen der deutschen Allgemeinbevölkerung. Als nächstes wurde geprüft, ob prominente Singer-Songwriter kreativer sind als nicht prominente Singer-Songwriter. Diese Annahme konnte, ebenso wie die darauffolgende Annahme, nämlich dass die Kreativität den Zusammenhang zwischen einer psychischen Störung und der Prominenz erklärt, nicht bestätigt werden. Die Kreativität stellt des Weiteren auch kein Moderatoreffekt dar und wirkt somit nicht, gemeinsam mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, verstärkend auf die Prominenz. Wiederum ergab sich hypothesenkonform, dass prominente Singer-Songwriter perfektionistischer hinsichtlich ihres Aussehens eingestellt sind als nicht prominente Singer-Songwriter. Zuletzt zeigen die Ergebnisse, dass die Prominenz den Zusammenhang zwischen einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und der perfektionistischen Einstellung hinsichtlich des Aussehens nicht erklärt, jedoch verstärkt die Prominenz den Einfluss einer Depression auf die soziale Isolation.
Im Zuge der Modernisierung haben die religiösen Erzählungen ihre Einheit stiftende Kraft verloren. An ihre Stelle ist die menschliche Vernunft getreten und mit ihr die Logik eines rationalen, ganz auf Fortschritt ausgerichtetes Handelns, während Beziehungserfahrungen und mit ihr der unverzichtbare Wunsch nach Resonanz immer stärker in den Hintergrund treten. Menschen lassen sich auf Dauer aber nicht allein mit effizienzorientierten Rückmeldungen abspeisen. Sie warten auf Anerkennung, die von außen kommt; sie warten auf Resonanz. Hartmut Rosa hat die Vorstellung von einem Verstummen der Welt, in der der verzweifelte Ruf nach dem Anderen keine Antwort mehr findet, nicht umsonst als die tiefste Angst bezeichnet, der die Menschen heute umtreibt. Die Autorin beschreibt vor diesem Hintergrund die Erfahrung von Resonanz als menschliches Grundbedürfnis und zeigt als erstes an Beispielen aus der Literatur, wie diese sich dort in außergewöhnlichen Naturerlebnissen, in der Selbstentgrenzung von Liebesbeziehungen und in der präreflexiven Erfahrung Gottes, die keiner weiteren Begründung mehr bedarf, erfahrbar wird. Anschließend wendet sie sich Resonanzerfahrungen im Bereich der Psychoanalyse zu. Im letzten Abschnitt ihrer Arbeit befasst sie sich mit Resonanzerfahrungen in der pluralistischen Gesellschaft, in der es unterschiedliche Sinndeutungen gibt, die gleichermaßen legitim sind und nach Anerkennung verlangen.
Der Aufsatz sieht in Freuds Begriff des Unheimlichen einen Schlüssel zu seiner Poetik. Den Ausgangspunkt der Untersuchung bietet allerdings nicht seine bekannte Interpretation des Textes von E.T.A. Hoffmann, sondern die narrativen Elemente des Textes, in denen er auf indirekte Weise Aufschluss über seinen Begriff der Psychoanalyse gibt. Als Theorie und Praxis der Dichtung ist Freuds Aufsatz über Das Unheimliche nicht nur eine Theorie ein wichtiger Bestandteil seiner Poetik.
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entwicklung und Validierung eines Messinstrumentes zur Erfassung von psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften, dem Fragebogen Psychopathischer Persönlichkeitseigenschaften (FPP), mit der Entwicklung eines Messinstrumentes, das antisoziales Verhalten und Kriminalität getrennt erfasst, der Checkliste für antisoziale Verhaltensweisen und Kriminalität (CAV/K) und mit der differenzierten Untersuchung der Vorhersage von Kriminalität durch psychopathische Eigenschaften.
Psychopathie ist eines der wichtigsten Konstrukte in der Vorhersage von kriminellem und antisozialem Verhalten (Hemphill, Hare & Wong, 1998). Die Konzeption der psychopathischen Persönlichkeit stellt affektive und interpersonelle Eigenschaften in den Vordergrund und definiert Kriminalität als Konsequenz statt Kernsymptom der Psychopathie (Skeem & Cooke, 2010a). Bisherige Ergebnisse zur prädiktiven Validität von psychopathischen Eigenschaften hinsichtlich krimineller Rückfälligkeit weisen allerdings darauf hin, dass affektive und interpersonelle Facetten der Psychopathie keinen Erklärungswert über eine kriminelle Vorgeschichte hinaus haben (Eher, Schilling, Mönichweger, Haubner-MacLean & Rettenberger, 2012; Walters, Knight, Grann & Dahle, 2008; Walters, Wilson & Glover, 2011). Des Weiteren wird im Rahmen der adaptiven Psychopathie postuliert, dass psychopathische Eigenschaften auch hoch ausgeprägt sein können, ohne dass sich die Personen kriminell verhalten (Hall & Benning, 2006). Ergebnisse aus einer Metananalyse eines etablierten Fragebogens zur Psychopathie, dem Psychopathic Personality Inventory (PPI; Lilienfeld & Andrews, 1996) ergaben, dass der erste von zwei Faktoren nicht mit Indizes antisozialer Verhaltensweisen korrelieren. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass der Zusammenhang zwischen Psychopathie und Kriminalität genauer untersucht werden muss, da ein Fehlen dieser Assoziation das Konstrukt Psychopathie obsolet erscheinen lässt.
Voraussetzung für die valide Untersuchung dieses Zusammenhangs ist die Verfügbarkeit von psychometrisch hochwertigen und validen Instrumenten zur Erfassung der Variablen. Die Erfassung von psychopathischen Eigenschaften im Selbstbericht ist ökonomisch und Beurteilungen fallen valide aus (Ray et al., 2013). Der Fragebogen PPI (Lilienfeld & Andrews, 1996) ist bereits gut etabliert, weist jedoch einige methodische Schwächen auf, wie z. B. eine Vielzahl von Items sowie eine schwer replizierbare Faktorenstruktur.
Deshalb wurde im ersten Schritt der Fragebogen Psychopathischer Persönlichkeitseigenschaften (FPP, Etzler & Rohrmann, 2017a, 2017b) entwickelt, der die Kritikpunkte des PPI überwindet und psychopathische Persönlichkeitseigenschaften mit hoher psychometrischer Gute misst. Der FPP erfasst sechs Facetten der Psychopathie, die theoretisch hergeleitet wurden: Fehlende Empathie, Furchtlosigkeit, Narzisstischer Egozentrismus, Impulsivität, Soziale Manipulation und Macht. Diese Facetten unterscheiden sich bis auf Furchtlosigkeit von den Skalen des PPI. Die Items sind kurz und inhaftierungsadäquat formuliert und weisen eine mittlere Situationsspezifität auf. Die Itemselektion basierte auf einer Stichprobe von n = 173 Straftätern und n = 132 Zivilpersonen, was repräsentativ für den Anwendungsbereich des FPP ist. Ergebnisse weisen auf gute psychometrische Eigenschaften, wie Itemkennwerte und Reliabilität (ω = .85) hin, auf überwiegend gleiche Messeigenschaften in Zivil- und Haftstichprobe sowie auf eine Konvergenz mit dem PPI (r = .677∗∗) in erwarteter Höhe. Erwartungskonforme Zusammenhänge mit weiteren Konstrukten, Korrelationen mit antisozialem Verhalten, Disziplinarmaßnahmen in Haft und Inhaftierung selbst unterstützen die Kriteriumsvalidität des FPP.
Die Vorhersage von Kriminalität setzt des Weiteren eine präzise Definition ebendieser Variable voraus. Allerdings wurde Kriminalität bis dato in den publizierten Studien uneinheitlich definiert und operationalisiert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde Kriminalität als soziologisches Konstrukt definiert, das maßgeblich von der Gesetzgebung des Landes und weiteren Faktoren abhängt, die außerhalb einer Person liegen (Eysenck, 1977). Demgegenüber wurde antisoziales Verhalten psychologisch definiert, als Verhalten, das anderen Personen schadet aber dem Akteur selbst von Vorteil ist. Da für die Erfassung von antisozialem Verhalten und Kriminalität bis dato noch kein Messinstrument vorliegt, wurde die Checkliste für Antisoziale Verhaltensweisen und Kriminalität (CAV/K, Etzler & Rohrmann, 2017a) entwickelt, die beide Variablen getrennt voneinander aber dennoch simultan erfasst.
Nach Bereitstellung der Definitionen und Messinstrumente wurde untersucht, wie Kriminalität durch psychopathische Eigenschaften vorhergesagt werden kann (Etzler, Rettenberger & Rohrmann, eingereicht). Im Rahmen der adaptiven Psychopathie wurde angenommen, dass Moderatorvariablen den Zusammenhang zwischen Psychopathie und Kriminalität beeinflussen, wobei verbale Intelligenz hierbei eine zentrale Rolle spielt (Wall, Sellbom & Goodwin, 2013). Antisoziales Verhalten und Kriminalität (als offizielle Verurteilung) wurden getrennt voneinander definiert. Es zeigte sich im Rahmen eines moderierten Mediationsmodells, dass psychopathische Eigenschaften antisoziales Verhalten mit hoher Präzision vorhersagen konnten, insbesondere war die Wahrscheinlichkeit, dafür verurteilt zu werden und damit offiziell kriminell zu sein höher für Personen mit niedriger verbaler Intelligenz als für Personen mit höherer Intelligenz, da für verbale Intelligenz ein protektiver Effekt hinsichtlich Kriminalität gefunden wurde.
Die vorliegende Studie verfolgt einen integrativen Ansatz, indem Eigenschaften untersucht werden, die bei Straftätern und Zivilpersonen gleichermaßen vorliegen. Der FPP kann in der Forschung als ökonomisches Instrument eingesetzt werden sowie als Screeninginstrument in der Praxis, z. B. für die Planung des Vollzugsverlaufs in Haft. Anhand der Ergebnisse des FPP können antisoziale Verhaltensweisen in vielen Kontexten (z. B. Mobbing in Unternehmen, deviantes Verhalten in Haft) vorhergesagt werden und unter Hinzunahme weiterer Moderatoren, wie etwa verbale Intelligenz, kann eine präzisere Vorhersage von Kriminalität anhand psychopathischer Eigenschaften erfolgen.
Das Strukturgleichungsmodell (SEM) wird in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften oft verwendet, um die Beziehung zwischen latenten Variablen zu modellieren. In der Analyse dieser Modelle spielt die Bewertung der Modellgüte eine wesentliche Rolle, wobei geprüft werden soll, ob das untersuchte Modell (Zielmodell) zu den erhobenen Daten passt. Dafür werden verschiedene inferenzstatistische und deskriptive Gütemaße verwendet. In nichtlinearen SEM, in denen nichtlineare Effekte, wie beispielsweise Interaktionseffekte, modelliert werden, gibt es bisher allerdings keine Verfahren, um die Modellgüte ausreichend prüfen zu können. Insbesondere der χexp2-Test ist für verschiedene nichtlineare SEM nicht geeignet (vgl. Klein & Schermelleh-Engel, 2010; Mooijaart & Satorra, 2009).
In dieser Arbeit werden zwei unterschiedliche nichtlineare SEM betrachtet. Das erste dieser Modelle wird für die Analyse von Interaktions- und quadratischen Effekten verwendet (quadratisches SEM, QSEM). Das zweite Modell ist das Heterogene Wachstumskurvenmodell (HGM; Klein & Muthén, 2006). In diesem Modell wird das latente Wachstumskurvenmodell (LGM), mit dem individuelle Wachstumsverläufe modelliert werden können, um eine heterogene Varianzkomponente des Slope-Faktors erweitert. Diese Heterogenität des Slope-Faktors ist abhängig von den Ausgangswerten und Kovariaten.
Ziel dieser Arbeit war es, die Bewertung der Modellgüte für das QSEM und das HGM zu verbessern. Für das QSEM und das HGM wurde jeweils ein globaler Modelltest entwickelt („Quasi-Likelihood-Ratio-Test“; QLRT). Darüber hinaus wurden Differenztests für diese Art der Modelle diskutiert. Außerdem wurde für beide Modelle je ein Gütemaß bereitgestellt, um fehlende Nichtlinearität, wie fehlende nichtlineare Terme bzw. fehlende Heterogenität der Slope-Varianzen, aufdecken zu können (der Homoscedastic Fit Index, HFI, für das QSEM und der hhet-Test für das HGM).
Die Entwicklung der neuen Gütemaße ist im Wesentlichen von der verwendeten Schätzmethode abhängig. Für beide Modelle, das QSEM und das HGM, wurde in dieser Arbeit die Quasi-Maximum-Likelihood-Methode (Quasi-ML-Methode; Wedderburn, 1974) ausgewählt, mit der für beide betrachteten Modelle geeignete Schätzungen erzielt werden können (Klein & Muthén, 2006, 2007). Die Quasi-ML-Methode ist vergleichbar mit der Maximum-Likelihood-Methode, berücksichtigt allerdings Fehlspezifikationen der LogLikelihood-Funktion, wie beispielsweise kleinere Abweichungen von der angenommenen Verteilung. Für das QSEM wurde im Rahmen der Entwicklung der Modelltests eine zur Schätzung von QSEM entwickelte Quasi-ML-Methode (QML-Methode; Klein & Muthén, 2007) vereinfacht zu der „simplified QML“-Methode (sQML-Methode; Büchner & Klein, 2019). Für die sQML-Methode ist es erheblich einfacher als für die QML-Methode einen globalen Modelltest zu entwickeln. In einer Simulationsstudie konnte gezeigt werden, dass die sQML-Methode ähnlich gute Schätzeigenschaften wie die QML-Methode aufweist.
Die Idee der neuen globalen Modelltests für das QSEM und das HGM besteht darin, statt des für das lineare SEM verwendeten χexp2-Tests, der ein Likelihood-Quotienten-Test („Likelihood Ratio Test“, LRT) ist, einen Quasi-LRT (QLRT) zu verwenden, der auf der Quasi-ML-Methode basiert (Büchner & Klein, 2019; Büchner, Klein & Irmer, 2019). Wie für den χexp2-Test soll das Zielmodell mit einem unbeschränkten Vergleichsmodell verglichen werden. Ist der Unterschied zwischen den Modellen groß, wird darauf geschlossen, dass das Zielmodell nicht gut zu den Daten passt. Die Schwierigkeit bei der Entwicklung solcher QLRT liegt dabei in der Definition eines Vergleichsmodells. Die hier verwendete Idee für solche Vergleichsmodelle besteht darin, wie im χexp2-Test, die Beschränkungen durch das Zielmodell im Vergleichsmodell aufzuheben. Eine weitere Herausforderung ist die Bestimmung der asymptotischen Verteilung der QLRT-Statistiken, die nicht, wie viele LRT-Statistiken, asymptotisch χexp2-verteilt sind. Deshalb wurde die korrekte asymptotische Verteilung dieser Teststatistiken bestimmt, die das Ermitteln von p-Werten ermöglicht.
Globale Modelltests sind zwar geeignet, wichtige Aussagen zur Passung des Modells zu machen, ermöglichen aber keine direkte Aussage über den Vergleich zweier konkurrierender Modelle. Ein solcher Modellvergleich ist aber wichtig, um ein möglichst sparsames Modell zu erhalten. Zum Vergleich ineinander geschachtelter Modelle werden häufig Differenztests verwendet. Diese werden auch in der Arbeit mit dem QSEM und dem HGM empfohlen. Allerdings ist zu beachten, dass die Teststatistiken für mit der Quasi-MLMethode geschätzten Modelle nicht χexp2-verteilt sind. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine korrekte asymptotische Verteilung angegeben. Im Speziellen wurde der Differenztest für den Vergleich zwischen einem HGM und einem LGM vorgestellt, mit dem getestet wird, ob die im HGM modellierten heterogenen Slope-Varianzen notwendig sind.
Ein weiteres Ziel bestand darin, fehlende Nichtlinearität, die nicht in einem Modell berücksichtigt ist, aufzudecken. Dafür wurde ein Test für Regressionsmodelle, der hhet-Test (Klein, Gerhard, Büchner, Diestel & Schermelleh-Engel, 2016), angepasst. Für das SEM wurde dieser Test zu einem Fit-Index, dem HFI (Gerhard, Büchner, Klein & SchermellehEngel, 2017), weiterentwickelt und darin die Verteilung der Residuen der abhängigen Variable bewertet. Der HFI deckt dabei Veränderungen in der Verteilung auf, die durch fehlende nichtlineare Terme verursacht sind. Für das LGM wird der hhet-Test verwendet, um fehlende heterogene Entwicklungsverläufe aufzudecken. Es wird die Verteilung der mit dem LGM standardisierten beobachteten Variablen geprüft.
Für alle vorgeschlagenen Gütemaße wurden Simulationsstudien durchgeführt, um ihre Eignung für die Bewertung des QSEMs bzw. des HGMs zu prüfen. Die α-Fehler-Raten waren meistens nahe an dem erstrebten 5%-Niveau. Für den QLRT für das QSEM bei kleinen Stichproben und für den HFI bei komplexeren Modellen waren sie allerdings erhöht. Darüber hinaus zeigten die Tests insgesamt eine gute Teststärke für das Aufdecken von Fehlspezifikationen. Wie in allen statistischen Tests muss dafür die Stichprobengröße ausreichend groß sein. Die praktische Anwendbarkeit der beiden QLRTs, des hhet-Tests und des Differenztests für das HGM wurde anhand von empirischen Beispielen aufgezeigt.
Ausgehend vom Freud'schen Verständnis des Unheimlichen beleuchtet Roman Widholm aus psychoanalytischer Perspektive, wie sich Autismus nicht nur für den Behandelten, sondern auch für den Behandelnden zeigt und welche Phänomene der Übertragung und Gegenübertragung dabei beobachtet werden können. Gleichzeitig wird der Fokus auf die praktischen Folgen der fast vollständigen Beseitigung der Psychoanalyse aus dem Feld der Therapie und Betreuung von Menschen mit Autismus gerichtet. Das seit Mitte der 1990er Jahre erforschte 'Affective Computing', die technische Emulation menschlicher Gefühlsbewegungen in Computermodellen, wird schließlich zum Anlass genommen, um behavioristische neurowissenschaftliche Ansätze als Techniken zu kritisieren, die vor allem dazu geeignet sind, sich Gefühlen der Angst und des Unheimlichen in der Auseinandersetzung mit Autismus zu entziehen.
Jan Niklas Howe untersucht Freuds Modell des Unheimlichen im Hinblick auf ästhetische und reale Emotionen und bezieht sich dabei auf neuere psychologische Forschungen von 'mere exposure', 'prototypicality' und 'cognitive fluency'. Das Gefühl des Unheimlichen lässt sich Howe zufolge auf Wiederholungsprozesse zurückführen und als Rekontextualisierung ästhetischer Lust beschreiben, die notwendig zu höchst realer ästhetischer Unlust führt.
Von Okkultisten und Spiritisten an- und aufgeführte 'Geister-Zitationen' waren auch Sigmund Freud nicht entgangen. Sein Begriff einer 'Technik der Magie' nimmt in mehrfacher Hinsicht, so Rupert Gaderer in seinen Überlegungen, eine zentrale Rolle für das 'dynamische' Modell des Unheimlichen ein. Einerseits ist die 'Technik der Magie' ein Referenzpunkt zum 'primitiven' Zeitalter des Animismus, andererseits kann sie als spezifische Operation verstanden werden, die ein ambivalentes Wissen über das Unheimliche entstehen lässt. Dem folgend weist Gaderer darauf hin, dass Freuds Analyse der 'Technik der Magie' die Psychoanalyse selbst hat unheimlich werden lassen.
Wer sich heute in die öffentlichen Räume begibt, ist sofort in eine unendliche Dichte der Oberflächen, der Design- und der medialen Räume versetzt, die er freilich nicht als solche in ihren Widersprüchen, Paradoxien und Rätseln erkennen, lesen und wahrnehmen muß. Denn diese Design- und Medienräume sind nicht einfach so und nicht anders, vielmehr wurden sie unter Bedingungen. Ihr Gewordensein verschwindet und wohnt in den realen oder virtuellen Räumen als ihr stillgestelltes Resultat, das noch zu entziffern bleibt. Was einmal mit der Prêt-á-porter-Mode begonnen hat, vorher in der Haute Couture des beginnenden Kapitalismus (das heißt dem Manufakturzeitalter) und als Kleiderordnung von Klassen und Schichten seinen Sitz in den kleinen Oberschichten, Chefetagen oder Werbeagenturen hatte, ist in der formlosen, deregulierten global-verdichteten Zeit auch ins Innere der Menschen eingewandert, ohne daß jene äußere Macht aufgehört hätte zu existieren. Eine Mode, die nun vom ganzen Kollektiv im Narzißmus der kleinen Differenz verinnerlicht worden ist, so daß ein äußerlich oktroyiertes Modediktat nicht mehr notwendig ist. Ist aber dieser äußerliche Modezwang auch ins Innere des universellen Modekollektivs übergegangen, so hat jene "Schaustellung der industriellen Macht" ihren bloß äußeren Zwangscharakter verloren. Sie wird zu einem universellen Sozialisationszwang, wie zu einer Kraft, die im Innern des Modekollektivs als Trieb und Neuerungssucht wirkt, aber darin als latenter Untergrund verleugnet wird. Etwas, das auf das Nachleben der Antike in diesem Design- und Medienraum als Zeichen eines Widerholungszwangs deutet, wie darin die Schrift des ganz Anderen markiert.
Mystische Blendung : zu Gustav Theodor Fechners Selbstversuchen und seinem panpsychistischen System
(2005)
Vielleicht könnte man behaupten, daß im Fall Fechner die humanwissenschaftliche Erkenntnisbeziehung modellhaft zum Vorschein kommt, modellhaft nämlich in ihrer, wie Michel Foucault sagt, doppelten Qualität, "gleichzeitig gefährlich und gefährdet" zu sein, und in ihrer Eigenart, den Menschen als ihre Möglichkeitsbedingung und ihren positiven Gegenstand auszuzeichnen, als "Subject und Object der inneren Erfahrung zugleich", wie es in den Elementen der Psychophysik (1860) heißt. Fechner entwickelte als erblindeter Selbstbeobachter nicht nur eine Theorie über die Blindheit als solche, sondern über die an und für sich: die Blindheit des Sehens für seine eigenen Möglichkeitsbedingungen, die eine Blindheit des denkenden Ichs beim Denken seiner selbst vorstellt. Dem Auge, das ohne Vermittlung oder prothetische Unterstützung sich selbst nicht erblicken kann, kommt hierfür in doppelter Hinsicht eine Schlüsselfunktion zu. Denn was sowohl dem anschaulichen als auch dem begrifflichen Denken undenkbar bleiben muß, obschon es erkannt werden soll, wird zu einem Gegenstand von Dichtung oder Experimentalwissenschaft.
Seit seinem Erscheinen im Jahr 1919 stand das 'Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens' im Zentrum des öffentlichen Interesses. Die Aufzeichnungen, die von der zunächst anonym bleibenden Herausgeberin, der Wiener Kinder-Analytikerin Hermine Hug-Hellmuth, als "Kulturdenkmal unserer Zeit" präsentiert und von Sigmund Freud als kulturhistorisches Dokument ersten Ranges gewürdigt wurden, erwiesen sich nur wenige Jahre nach ihrer Publikation als Werk der Analytikerin selbst. Dass das Tagebuch als 'authentisches' Zeugnis so erfolgreich war - bereits in den ersten Jahren wurden 10.000 Exemplare verkauft - und sich als Fälschung so wirksam entfalten konnte, hatte mit seinem spezifischen kulturellen und wissenschaftlichen Umfeld zu tun. Denn Hug-Hellmuth war nicht nur fest in die psychoanalytische Bewegung eingebunden, auch hatte sie sich in dem im Entstehen begriffenen kinderpsychoanalytischen Diskurs der 1910er Jahre bereits einen Namen gemacht - und so die für eine Fälschung unabdingbaren Qualifikationen erworben. Vor allem aber lag die Durchschlagskraft des Tagebuchs in seiner wissenschaftsinternen Bedeutung: Versprach es doch, als gleichsam verschriftlichter 'Originalton', Freuds Theorie von der kindlichen und adoleszenten Sexualität sowie deren Bedeutung für die Ätiologie der Neurosen zu belegen und somit eine der wichtigsten Hypothesen der Psychoanalyse auf empirische Grundlagen zu stellen. So sollte das intime Jugendtagebuch, das sich schon qua Genre als 'unverfälschte' und unverstellte Selbstaussage präsentierte, den lang ersehnten Einblick in die Blackbox der adoleszenten Seele ermöglichen, jenen psychischen Raum also, der sich der pädagogischen Kontrolle ebenso wie der auf Erwachsene eingestellten Psychoanalyse entzog.
Die Psychologie unterscheidet interpersonelle Konflikte – also Konflikte zwischen verschiedenen Personen – von intrapsychischen Konflikten – also Konflikten, die sich innerhalb einer Person abspielen. Psychotherapeutisch behandelt werden können Konflikte, wenn alle Konfliktparteien anwesend sind und angesprochen werden können. Insofern kann die Psychoanalyse einzelner Personen vor allem bei intrapsychischen Konflikten helfen, die nach unserem Verständnis psychischen Problemen und Störungen zugrunde liegen. Interpersonelle Konflikte können von Psychotherapeuten in Paar- oder Familientherapien angegangen werden.
"Eigentlich können wir auf nichts verzichten, wir vertauschen nur eines mit dem andern; was ein Verzicht zu sein scheint, ist in Wirklichkeit eine Ersatz- oder Surrogatbildung." Die kühne Behauptung, mit der Sigmund Freud in seiner Abhandlung 'Der Dichter und das Phantasieren' (1908) dem Leser entgegentritt, fand er unter anderem im Rauchen bestätigt. Es sei ein Ersatz für die Onanie, den Prototyp aller Süchte, so erklärte er, der Raucher par excellence, der bereits in jungen Jahren nikotinabhängig war und es bis zum Ende seines Lebens bleiben sollte - und dies, obgleich er im Alter von 67 Jahren, aller Wahrscheinlichkeit nach seines exzessiven Tabakkonsums wegen, an Gaumenkrebs erkrankte. Infolgedessen musste er sich zahlreichen, zum Teil schweren Operationen unterziehen, bei denen eine Resektion des größeren Teils des rechten Oberkiefers, eines beträchtlichen Teils des Unterkiefers, des rechten weichen Gaumens sowie der Backen- und Zungenschleimhaut vorgenommen wurde. Seitdem musste Freud eine Kieferprothese tragen, die für ihn zu einer niemals versiegenden Quelle von Schmerzen und anderem Ungemach wurde.
Angesichts seiner leidigen Erfahrungen mit dem "Ungeheuer" dürfte kein allzu großer Zweifel daran bestehen, dass Freud sehr genau wusste, was er unter einer Prothese zu verstehen hatte - und zwar das, was auch die landläufige Meinung in ihr erkennt: einen künstlichen Ersatz, der an das unwiederbringlich verloren gegangene Ersetzte nicht im Mindestens heranreicht, es durch seine Defizienz ihm gegenüber jedoch stetig präsent hält und somit gleichsam zum Anwesend-Abwesenden werden lässt. Dass der Prothese eine auf Ergänzung, Erweiterung oder gar Verbesserung des Bestehenden abzielende Qualität innewohnen könnte - immerhin geht der Begriff nicht zuletzt auf das griechische prósthesis ("das Hinzufügen") zurück -, bleibt hierbei komplett außen vor. Und doch fällt, wenn ebendiese Qualität zur Sprache kommt bzw. vom so genannten prosthetic impulse die Rede ist, mit schöner Regelmäßigkeit der Name Freuds, was sich einer Passage, oder vielleicht sollte man besser sagen: einer Lesart einer Passage aus dessen 1930 erschienenem Spätwerk 'Das Unbehagen in der Kultur' verdankt, in welcher der mit seinen technischen "Hilfsorgane[n]" ausgestattete Mensch als "eine Art Prothesengott" tituliert wird.
'Mut zur Angst' oder 'angstfreies Leben'? : philosophische Überlegungen zu einem bedrohlichen Thema
(2016)
Anlässe, über das Thema 'Angst' nachzudenken, gibt es in diesen Tagen mehr als genug. Weihnachtsmarkt und Karneval sind längst vorbei, aber die Terrorgefahr hat sich in Alltag und Lebenswelt verankert. Vor einiger Zeit galt das Thema 'Angst' noch als überschätzt. Gern wurde auf die sprichwörtliche 'german angst' hingewiesen: Vor 30 Jahren hatten wir Angst vor dem Waldsterben, vor 20 Jahren vor dem Wettrüsten und heute vor der Weltklimakatastrophe. Auf Menschen in Ländern mit weniger komfortablen sozialen Bedingungen kann solch diffuse Ängstlichkeit hysterisch wirken. So etwas ist für distanzierte, wissenschaftliche Beobachter geradezu eine Einladung zur Entdramatisierung. 2014 erschien das Buch 'Gesellschaft der Angst' des Soziologen Heinz Bude. Dieser gefragte Vertreter seiner Zunft zählt allerlei Angstphänomene auf: "Schulängste, Höhenängste, Verarmungsängste […], Abstiegsängste, Bindungsängste, Inflationsängste". Und überhaupt: "Ängste vor der Zukunft […], weil bisher alles so gut geklappt hat". Für Bude sind diese öffentlich beschworenen Ängste "offensichtlich" diffus. Er nimmt die Vogelperspektive der Systemtheorie ein und sieht von konkreten Inhalten der Ängste erst einmal ab. Stattdessen betrachtet er sie als soziales Blutdruckmessgerät. Budes These lautet: Ungerichtete Angstgefühle sind ein probates Mittel, mit dem "sich Gesellschaftsmitglieder über den Zustand ihres Zusammenlebens [verständigen]: Wer weiterkommt und wer zurückbleibt; wo es bricht und wo sich schwarze Löcher auftun, was unweigerlich vergeht und was vielleicht doch noch bleibt". Für solche kollektiven Selbstdiagnosen ist es notwendig, dass die Angstgefühle diffus sind. Sonst könnte man sie nicht wie ein Passepartout auf allerlei Sorgen ganz unterschiedlicher Menschen legen und nicht so gut darüber reden und schreiben.
Das ist eine sozialfunktionalistische Perspektive. Man kann sich der Thematik freilich auch aus anderen methodologischen Perspektiven nähern und fragen, was Angst denn nun eigentlich ist. Philosophen, Soziologen und Psychologen haben hier verschiedene, mitunter gegensätzliche Erklärungen
Kinder aus zugewanderten Familien und aus den unteren Sozialschichten haben es an deutschen Schulen schwer. Zu ihrer Unterstützung werden vielfältige Fördermaßnahmen angeboten. Welche Art der Förderung insbesondere Familien mit Migrationshintergrund benötigen, wird in der vorliegenden Schrift besprochen.
Zur Beantwortung dieser Frage wurde ein Familien-Bildungsprogramm - mittels qualitativer und quantitativer Erhebungsmethoden - evaluiert. In dem Programm werden Familien über die Dauer von zwei Jahren (im Übergang von der 4. in die 5. Klasse) eng begleitet. Das vielfältige Unterstützungsangebot ist dahingehend ausgerichtet, die teilnehmenden Kinder auf ihrem schulischen Weg zu unterstützen. Ebenso möchte das Programm zur Erhöhung der gesellschaftlichen Teilhabe der Familien beitragen.
Erhebliche Leistungsfortschritte erreichen fast alle Kinder im Kompetenzbereich Lesen. Besonders die leistungsschwächeren Kinder haben von der Förderung profitiert. Auch die Rechtschreibkompetenzen haben sich im Schnitt verbessert. Das schulbezogene Fähigkeitsselbstkonzept der Kinder sowie ihre Lern- und Leistungsmotivation bleibt von der Förderung relativ unbeeinflusst. Die Eltern profitieren insbesondere von dem Zugewinn einer konstanten Ansprechperson. Es gelingt den Mitarbeiterinnen ein Stützungs-Setting aufzubauen, welches den Eltern Sicherheit vermittelt und sie zuversichtlicher werden lässt. Daneben wurde eine Reihe differentieller Wirksamkeiten ermittelt (wie Entlastung, Aktivierung, Qualifizierung). Das Ausmaß der Wirksamkeit wird durch spezielle Bedingungen - auf Seite der Teilnehmer und auf Seite der Ausführenden - moderiert.
Die vorliegenden Ergebnisse werden mit Bezug auf Implikationen für die Praxis (in Schulen und Bildungsprogrammen) diskutiert.
Den Stand der Psychoanalyse in Deutschland kann man nicht anders beschreiben, als indem man konstatiert, sie stehe im Mittelpunkte der wissenschaftlichen Diskussion und rufe bei Ärzten wie bei Laien Äußerungen entschiedenster Ablehnung hervor […].
Mit dieser Beschwerde, die hier den Anfang machen soll, kommt Sigmund Freud in seinem 1914 erstmals veröffentlichten Aufsatz "Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung" auf die Widerstände zurück, denen die Psychoanalyse seit ihrem Auftritt auf der Bühne der Wissenschaft ausgesetzt ist. Genau 50 Jahre später wird Jacques Lacan, dessen vielzitierte "Rückkehr zu Freud" den wohl konsequentesten Versuch einer Fortführung der Freudschen Lehre darstellen dürfte, sich an ebenso grundlegender Stelle, in einem Seminar über "Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse", über ganz ähnliche Probleme beklagen. Ähnlich, aber nicht identisch - denn Lacan klagt über seine "Exkommunikation" aus der psychoanalytischen Vereinigung Frankreichs, also über die Wider stände, die seiner Lehre von Seiten seiner Analytiker-Kollegen entgegengebracht werden, just zu dem Zeitpunkt, als er auf das zurückkommen will, was bisher nie analysiert worden ist: das Begehren Freuds. Wer also allgemein nach dem unbewussten Begehren der Menschen fragt, hat mit Widerständen von Laien und Wissenschaftlern zu rechnen, wer nach dem unbewussten Begehren Freuds fragt, mit denen der Analytiker. Widerstände aber, so lehrt die Psychoanalyse, gehen vom Unbewussten aus und treten dort auf, wo der Patient mit verdrängten und somit Unlust erregenden Vorstellungen konfrontiert wird.
Er ist ein wenig Mode geworden in der Alltagssprache: der Begriff der Ambivalenz. In Psychologie und Soziologie gilt er als ein hilfreiches Konzept für die Betrachtung von Übergangsphasen in Leben und Gesellschaft. Das Pilotprojekt ALMA an der Goethe-Universität greift darauf zurück, um die Situation alleinlebender Männer im Alter besser verstehen zu können.
Die Fähigkeit, negative und belastende Ereignisse in Worte zu fassen und sich mit den damit verbundenen Emotionen und Gedanken auseinanderzusetzen, ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe des Kindesalters, die entscheidend von den Eltern geprägt wird (Nelson & Fivush, 2004). Mit Hilfe von Emotionsworten, mentalen Verben (kognitiv, perzeptiv und volitional) und globalen Evaluationen, zusammengefasst unter dem Begriff internal state language (ISL), kann das innere Befinden während eines Ereignisses ausgedrückt werden. Neben der Verwendung von ISL wird auch die Entwicklung der Emotionsregulation im Kindesalter insbesondere durch die Eltern geprägt (Morris, Silk, Steinberg, Myers & Robinson, 2007). Während sowohl die Verwendung von ISL als auch die die mütterliche Unterstützung bei der Emotionsregulation im Kindesalter bislang vielfach untersucht wurde, fehlen mitunter Studien im Jugendalter. Dabei ist diese Entwicklungsphase von besonderer Bedeutung, da hier u.a. kognitive sowie Emotionsregulationsfähigkeiten ausreifen, ebenso wie die Geschlechtsidentität (z.B. Hill & Lynch, 1983; Powers & Casey, 2015).
Die vorliegende kumulative Dissertation beschäftigte sich daher zum einen mit der Frage, ob das Alter und Geschlecht der Jugendlichen einen Einfluss darauf haben, wie sie und ihre Mütter von emotionalen Erlebnissen erzählen. Zum anderen wurde untersucht, wie Mütter ihre jugendlichen Kinder bei der Verarbeitung dieser Erlebnisse unterstützen. Zur Beantwortung dieser Frage wurden 60 Mutter-Kind Paare im Jugendalter von 12, 15 und 18 Jahren (gleichverteilt über Geschlecht und Alter) gebeten, sowohl allein als auch gemeinsam von drei emotionalen Ereignissen (Traurigkeit, Ärger, Glück) zu erzählen.
Das erste Manuskript untersuchte die Verwendung von ISL in allein erzählten Emotionserzählungen der Jugendlichen und konnte zeigen, dass ältere Jugendliche weniger Emotionsworte und mehr mentale Verben verwenden als jüngere. Während die selbstempfundene Emotionsintensität über alle Altersgruppen hinweg gleich blieb, wirkten Trauer- und Ärgererzählungen von älteren Jugendlichen auf unabhängige Beurteiler emotionaler als von jüngeren. Die Verwendung von ISL korrelierte nicht mit der selbstempfundenen Emotionsintensität, die Verwendung von kognitiven Verben allerdings mit der von Beurteilern eingeschätzten Emotionalität. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass im Verlauf des Jugendalters zunehmend kognitive Verben die Aufgabe übernehmen, Emotionalität zu vermitteln.
Das zweite Manuskript untersuchte die Verwendung von ISL in allein erzählten Emotionserzählungen der Jugendlichen sowie in gemeinsamen Mutter-Kind Erzählungen. Entgegen der Erwartung verwendeten Mütter Emotionsworte und globale Evaluationen gleich häufig mit Töchtern und Söhnen, jedoch mehr mentale Verben mit Jungen als mit Mädchen. Zudem benannten sie Traurigkeit gleich häufig über beide Geschlechter, Ärger aber häufiger mit Töchtern als mit Söhnen. Ebenfalls entgegen der Erwartung verwendeten weibliche und männliche Jugendliche Emotionsworte und mentale Verben gleich häufig. Lediglich globale Evaluationen wurden von Mädchen häufiger verwendet als von Jungen, jedoch nur in den allein erzählten Emotionserzählungen. Traurigkeit und Ärger wurden von beiden Geschlechtern gleich häufig benannt. Die Ergebnisse deuten an, dass sich die Geschlechtsunterschiede des Kindesalters im Jugendalter aufzulösen scheinen.
Das dritte Manuskript untersuchte, wie Mütter ihre jugendlichen Kinder bei der narrativen Emotionsregulation unterstützen. Anhand der Trauererzählung einer 12- und eines 18-Jährigen konnte exemplarisch gezeigt werden, dass Mütter die narrative Emotionsregulation durch die Identifizierung und Rechtfertigung von Emotionen, als auch durch die Neubewertung der Ereignisse unterstützen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Mütter auch im Jugendalter einen wichtigen Beitrag zur Emotionsregulation ihrer Kinder leisten.
Insgesamt tragen die Ergebnisse wesentlich zum Verständnis dessen bei, wie Jugendliche emotionale Erlebnisse sprachlich verarbeiten und wie Mütter sie bei der Verarbeitung dieser Erlebnisse unterstützen.
Bindung bildet in der Erforschung langfristiger psychosozialer Entwicklung ein zentrales Konstrukt. In Bezug auf die Phase der mittleren Kindheit liegt dabei jedoch oft eine eingeschränkte Forschungsperspektive vor: dem Konzept der Monotropie folgend, wird trotz des wachsenden sozialen Umfelds allein Eltern eine besondere Aufmerksamkeit in ihrer Rolle als Bindungsfiguren zugeordnet. Zudem fehlen Studien jenseits westlich-europäischer Entwicklungsverläufe. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die explorative Erforschung der transkulturellen Spannbreite und der kontextspezifischen Adaptivität in der Auswahl und Funktionalität von Bindungsfiguren der mittleren Kindheit. Dazu werden Daten in zwei ökokulturell gegensätzlichen Settings erhoben, um kontextspezifische und globale Trends betrachten zu können.
Zunächst erfolgt eine ethnologische Annäherung an die frühste Kindheit im kamerunischen Setting der Nseh entlang des Tragetuchs als zentralem Care-Objekt. Diese offenbart eine symbiotische Beziehungsgestaltung, aber auch strenge Regeln des Aufbaus und der Abgrenzung im geteilten Care-System.
Anschließend wird eine methodische Strategie zur Erforschung der mittleren Kindheit entwickelt, die eine Netzwerkperspektive beinhaltet und der kindlichen Wahrnehmung folgt. Dabei werden teilnehmende Beobachtungen mit Photo Elicitation Interviews verbunden, um das vollständige Kollektiv der Bindungsfiguren zu identifizieren und in ihren soziostrukturellen und funktionellen Eigenschaften zu charakterisieren. Indem das Setting zum inhärenten Teil der Datenerhebung wird, werden dabei adaptive Prozesse zugänglich.
In Umsetzungen dieser kontextualisierend explorativen Strategie bei den kamerunischen Nseh und im deutschen Bad Nauheim werden die Bindungsnetzwerke der mittleren Kindheit erfasst und in ihrer Adaptivität diskutiert. Der Kontrastvergleich offenbart, dass die Kinder der Nseh im Vergleich zu den Kindern aus Bad Nauheim in der Altersstruktur vielfältigere, räumlich enger begrenzte und zeitlich stabilere Netzwerke beschreiben. In beiden Settings identifizieren die Kinder eine Aufteilung der inhaltlich-funktionelle Verantwortlichkeiten, die bei den Nseh gemäß den Altersgruppen verläuft.
Insgesamt zeichnet sich für die mittlere Kindheit ein komplexes Bindungsumfeld ab. Dabei verbinden sich settingspezifische Kindheitsbedingungen mit globalen Entwicklungsthemen. Das mehrdimensionale kindliche Sicherheitsgefühl kann auf die Wirkung eines Kollektivs an Bindungsfiguren zurückgeführt werden, zu dem kontextunabhängig in einem bedeutsamen Ausmaß auch Peers gehören.
Erstmalig begrüßen Sie zwei Veranstalter zum Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs). Im Namen der Goethe-Universität und des DIPF heißen wir Sie zum 51. DGPs-Kongress in Frankfurt herzlich willkommen. Unser diesjähriges Motto "Psychologie gestaltet" stellt die Bedeutung der wissenschaftlichen Psychologie für die Bewältigung individueller und gesellschaftlicher Herausforderungen in den Mittelpunkt. Als Forschende haben wir in vielen Bereichen die Möglichkeit, positiv zur Gestaltung menschlichen Lebens und Zusammenlebens beizutragen. In diesem Sinne freuen wir uns auf einen anregenden Kongress, gestaltet durch die rund 2400 wissenschaftlichen Beiträge aus allen Gebieten der Psychologie. ...
Das Ziel der vorliegenden publikationsbasierten Dissertation liegt darin, ein Erhebungskonzept zu entwickeln, das es erlaubt, ICT-Skills – das heißt Fertigkeiten für das Lösen von Aufgaben in einer Informations- und Kommunikationstechnologie-Umgebung – theoretisch fundiert zu erheben sowie die Validität der intendierten Testwerteinterpretation empirisch zu untersuchen. Die Testwerte sollen als ICT-spezifische Fertigkeiten höherer Ordnung interpretiert werden.
Für die Erfassung von ICT-Skills kann auf keine lange Forschungstradition zurückgegriffen werden. Daher ist es das Ziel der ersten Arbeit, eine Rahmenkonzeption zur Messung von ICT-Skills zu erstellen. Dabei werden drei Ziele verfolgt: Erstens soll für die Itementwicklung spezifiziert werden, auf welchen generischen und ICT spezifischen Fertigkeiten ICT-Skills basieren. Mithilfe etablierter psychologischer Theorien aus den relevanten Fertigkeitsbereichen werden kognitive Schwierigkeiten bei der Bewältigung von ICT-Aufgaben beschrieben, die als Grundlage für die Entwicklung der Items dienen. Zweitens werden für die Implementierung der Items Rationale für deren Erstellung in einer simulationsbasierten Umgebung formuliert, die es erlauben sollen, die intendierten kognitiven Prozesse realitätsnah in den Items abzubilden. Obgleich diese Arbeit einen konzeptionellen Fokus hat, besteht das dritte Ziel darin, die Rahmenkonzeption empirisch zu erproben, um zu beurteilen, ob die Rahmenkonzeption zur Itementwicklung und -implementierung geeignet war.
Aus der Rahmenkonzeption, die ein breites Spektrum relevanter ICT-Aufgaben für die Erfassung sowie eine simulationsbasierte Erhebung vorsieht, resultieren sehr heterogene Items. Deshalb unterscheiden sich ICT-Skills-Items von eher homogenen Itempools, wie sie typischerweise zur Erfassung von Konstrukten der psychologischen Leistungsdiagnostik, etwa zur Intelligenzdiagnostik, verwendet werden. Aus diesem Grund ist für die Konstruktvalidierung der Testwerteinterpretation, die das Ziel der zweiten und dritten Arbeit darstellt, zunächst konzeptionelle Forschungsarbeit nötig, um angemessene Validierungsstrategien für heterogene Items zu entwickeln. Diese in der zweiten und dritten Arbeit erforderlichen konzeptionellen Beiträge bedingen die Struktur dieses Rahmentextes, in dem zunächst die konzeptionellen Beiträge aller drei Arbeiten vorgestellt und anschließend alle empirischen Ergebnisse berichtet werden. Die konzeptionellen Entwicklungen für die Validierung der intendierten Interpretation der Testwerte orientieren sich an Vorgehensweisen der psychologischen Leistungsdiagnostik, der nomothetischen Spanne und der Konstruktrepräsentation (vgl. Embretson, 1983). Mit diesen wird untersucht, inwiefern sich die zentralen Annahmen der Rahmenkonzeption aus der ersten Arbeit, nämlich die bei der Aufgabenlösung involvierten Fertigkeiten und kognitiven Prozesse, in den Testwerten widerspiegeln.
Das Ziel der zweiten Arbeit besteht darin, die nomothetische Spanne von ICT-Skills zu untersuchen und den postulierten Zusammenhang mit generischen und ICT-spezifischen Fertigkeiten empirisch zu untersuchen. Neben dem klassischen Ansatz, der Zusammenhänge über alle Items hinweg betrachtet, wird das Zusammenspiel verschiedener Fertigkeiten auch auf Itemebene analysiert. Darüber hinaus sollen potentielle Variationen in den Zusammenhängen über die sehr heterogenen Items durch Merkmale erklärt werden, welche für diese Heterogenität bezeichnend sind. Die empirischen Ergebnisse dienen – basierend auf den in der Rahmenkonzeption definierten Fertigkeiten – als Evidenzen für die Validität der Testwerteinterpretation.
Das Ziel der dritten Arbeit ist es, die Konstruktrepräsentation zu untersuchen, indem Evidenzen für die intendierten kognitiven Prozesse in der Itembearbeitung gesammelt werden. Klassischerweise werden in homogenen Itempools Itemmerkmale zwischen Items verglichen und wenn möglich quantifiziert, um die Schwierigkeit in Items zu beschreiben. Da die Items sehr heterogen sind, wurden zwei experimentelle Ansätze entwickelt, die diese kognitiven Prozesse in Itemvarianten verändern oder eliminieren. Die Auswirkungen dieser Manipulationen werden in Bezug auf die Itemschwierigkeit und den Zusammenhang mit anderen Konstrukten untersucht. Verändert werden die in der Rahmenkonzeption abgeleiteten schwierigkeitsdeterminierenden Merkmale, um zu untermauern, dass die ICT Skills Items ICT-spezifische Fertigkeiten erfordern. Eliminiert werden alle Merkmale die Fertigkeiten höherer Ordnung erfordern sollten. Mit diesen experimentellen Strategien können die zentralen Punkte der intendierten Testwerteinterpretation untersucht werden.
Neben den empirischen Ergebnissen zur Untermauerung der intendierten Testwerteinterpretation für den entwickelten ICT-Skills-Test ist der Erkenntnisgewinn dieser Arbeit auch in den konzeptionellen Beiträgen zu sehen. Mit diesen wurde exemplarisch gezeigt, wie ein Konstrukt wie ICT-Skills erfasst werden kann, indem man sich an den Vorgehensweisen der psychologischen Leistungsdiagnostik orientiert und dabei auf Annahmen kognitiver Prozesse zurückgreift.
Die vorliegende Arbeit befasst sich damit, wie die spezifische Durchführung eines besonderen psychologischen Laborexperiments in eine allgemeine, kausale Form übersetzt wird. Anstatt dazu formale Kriterien der Validität heranzuziehen, wird ein experimenteller Forschungsprozess ethnographisch begleitet.
Forschungsgegenstand ist ein Verhaltensexperiment aus der allgemeinen Psychologie zur Trainierbarkeit des Arbeitsgedächtnisses. Im Rahmen der Ethnographie werden teilnehmende Beobachtungen, Interviews und Dokumentensammlung kombiniert eingesetzt. Die Auswertung der Materialien erfolgt mithilfe der Situationsanalyse nach Clarke (2012), einer qualitativen Auswertungsmethode im Anschluss an die Grounded Theory.
In dieser Arbeit wird das Verhalten der Versuchsperson ins Zentrum gerückt, das die Messung in Gang setzt und hält und die Entstehung von zahlenförmigen Daten ermöglicht. Dazu wird in Orientierung an neueren Science & Technology Studies eine begriffliche Systematisierung der Experimentalpraxis aus dem empirischen Material herausgearbeitet, mit dem die Konstruktion und Transformation des Verhaltens der Versuchsperson im Verlauf des Datenerhebungs- Auswertungs- und Interpretationsprozesses beschrieben werden kann.
Die Ergebnisse der Ethnographie legen nahe, dass dieses Verhalten der Versuchsperson - korrespondierend zum kausal verfassten Endprodukt des Experiments - von der komplexen Erhebungssituation abhängig und paradoxerweise gleichzeitig unabhängig ist. Damit wird in Anlehnung an Latour (2002) zwischen konstruktivistischen und objektivistischen Positionen vermittelt. Zudem weisen die erforschten Praktiken die epistemische Stellung der Versuchsperson aus. Diese wird im Anschluss an die Terminologie von Rheinberger (2001/ 2006) als Mischform von epistemischem Ding (Neues) und technischem Ding (Bekanntes) bestimmt.
Die vorliegende Arbeit befasst sich damit, wie die spezifische Durchführung eines besonderen psychologischen Laborexperiments in eine allgemeine, kausale Form übersetzt wird. Anstatt dazu formale Kriterien der Validität heranzuziehen, wird ein experimenteller Forschungsprozess ethnographisch begleitet.
Forschungsgegenstand ist ein Verhaltensexperiment aus der allgemeinen Psychologie zur Trainierbarkeit des Arbeitsgedächtnisses. Im Rahmen der Ethnographie werden teilnehmende Beobachtungen, Interviews und Dokumentensammlung kombiniert eingesetzt. Die Auswertung der Materialien erfolgt mithilfe der Situationsanalyse nach Clarke (2012), einer qualitativen Auswertungsmethode im Anschluss an die Grounded Theory.
In dieser Arbeit wird das Verhalten der Versuchsperson ins Zentrum gerückt, das die Messung in Gang setzt und hält und die Entstehung von zahlenförmigen Daten ermöglicht. Dazu wird in Orientierung an neueren Science & Technology Studies eine begriffliche Systematisierung der Experimentalpraxis aus dem empirischen Material herausgearbeitet, mit dem die Konstruktion und Transformation des Verhaltens der Versuchsperson im Verlauf des Datenerhebungs- Auswertungs- und Interpretationsprozesses beschrieben werden kann.
Die Ergebnisse der Ethnographie legen nahe, dass dieses Verhalten der Versuchsperson - korrespondierend zum kausal verfassten Endprodukt des Experiments - von der komplexen Erhebungssituation abhängig und paradoxerweise gleichzeitig unabhängig ist. Damit wird in Anlehnung an Latour (2002) zwischen konstruktivistischen und objektivistischen Positionen vermittelt. Zudem weisen die erforschten Praktiken die epistemische Stellung der Versuchsperson aus. Diese wird im Anschluss an die Terminologie von Rheinberger (2001/ 2006) als Mischform von epistemischem Ding (Neues) und technischem Ding (Bekanntes) bestimmt.
Studentische Lehrevaluationsergebnisse sind ein weit verbreitetes Maß, um die Qualität universitärer Lehre zu erfassen. Diese Ergebnisse werden unter anderem dafür genutzt, Entscheidungen für die Modifikation des Lehrangebots zu treffen oder die Vergabe der Leistungsorientieren Mittelvergabe mitzubestimmen. Aufgrund dieser relevanten Folgen wird in dieser Arbeit der Frage nachgegangen, wie ein angemessener Validierungsprozess bezüglich studentischer Lehrevaluationsergebnisse gestaltet werden könnte.
Bisherige Validierungsstudien zu studentischen Lehrevaluationsinventaren fokussierten sich meist auf die Überprüfung verschiedener Validitätsarten (inhaltsbezogene, kriteriumsbezogene oder faktorielle) und die Erfassung der Messfehlerfreiheit.
Allerdings ist zum einen zu hinterfragen, ob diese Ansätze grundsätzlich für alle Inventare geeignet sind. Weiterhin hat sich das Verständnis von dem verändert, was unter Validität verstanden wird: Von der Annahme von Validität als Testeigenschaft, verschiedener Validitätsarten und binärer Aussagen auf Basis von Einzelbefunden hin zu dem Verständnis von Validität bezogen auf die Testwert-Interpretation und Verwendung, zu einem einheitlichen Validitätskonzept und zu einer Validitäts-Argumentation. Diese Veränderungen werden in den neueren argumentationsbasierten Validitätsansätzen berücksichtigt und bieten einen Rahmen, der auf die jeweilige Intention ausgerichtet ist, einen Test oder Fragebogen einzusetzen.
Auf Grundlage dieser argumentationsbasierten Ansätze wird in dieser Arbeit die Interpretation studentischer Lehrevaluationsergebnisse überprüft, die als das Ausmaß an qualitätsbezogener Zufriedenheit der Teilnehmer mit der Durchführung einer Lehrveranstaltung und der Vermittlung von Lehrinhalten angesehen werden. Der Validierungsprozess wird anhand der Lehrevaluationsdaten des Frankfurter Promotionskollegs am Fachbereich Medizin dargestellt. Dieser Prozess bestätigte weitgehend die beabsichtigte Interpretation, zeigte aber auch eine zumindest teilweise Revision des Inventars und eine weitere Überprüfung an. Eine Validierung bezüglich der Verwendung der Lehrevaluationsergebnisse sowie der auf diesen basierenden beabsichtigten Konsequenzen wird in einer Folgestudie überprüft.
Anhand dieser Arbeit wird Anwendern und Entwicklern von Lehrevaluationsinventaren eine Her- und Anleitung für den Validierungsprozess gegeben und die Vorteile argumentationsbasierter Ansätze aufgezeigt.
Der Aufbau unserer Umwelt folgt bestimmten Regelmäßigkeiten, die für uns so selbstverständlich sind, dass wir ihrer kaum bewusst sind. Doch würden Sie die Milch unter dem Bett suchen oder das Kissen in der Badewanne? Wohl kaum. Die Psychologin Prof. Melissa Lê-Hoa Võ untersucht das erlernte Regelwerk, die Entwicklung von sogenanntem Szenenwissen, mithilfe psychophysischer Verfahren, Blickbewegungsund Hirnpotenzialmessungen.
Die vorliegende Dissertation befasst sich mit dem Umstieg von papierbasiertem (PBA) auf computerbasiertes Assessment (CBA), insbesondere in Large-Scale-Studien. In der Bildungsforschung war Papier lange Zeit das Medium für Assessments, im Zuge des digitalen Zeitalters erhält der Computer aber auch hier Einzug. So sind die großen Bildungsvergleichsstudien, wie PISA (Programme for International Student Assessment) oder PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies), und nationalen Studien über Bildungsverläufe und -entwicklungen im Rahmen des NEPS (Nationales Bildungspanel) bereits umgestiegen oder befinden sich im Prozesses des Umstiegs von PBA auf CBA. Findet innerhalb dieser Studien ein Moduswechsel statt, dann muss die Vergleichbarkeit zwischen den Ergebnissen der unterschiedlichen Administrationsmodi gewährleistet werden. Unterschiede in den Eigenschaften der Modi, wie beispielsweise im Antwortformat, können sich dabei auf die psychometrischen Eigenschaften der Tests auswirken und zu sogenannten Modus Effekten führen. Diese Effekte wiederum können sich in Unterschieden zwischen den Testscores widerspiegeln, sodass diese nicht mehr direkt miteinander vergleichbar sind. Die zentrale Frage dabei ist, ob es durch den Moduswechsel zu einer Veränderung des gemessenen Konstruktes kommt. Ist dies der Fall, so können Testergebnisse aus unterschiedlichen Administrationsmodi nicht miteinander verglichen und die Ergebnisse aus dem computerbasierten Test nicht analog zu den Ergebnissen aus dem papierbasierten Test interpretiert werden. Auch Veränderungen, die aus Messungen zu verschiedenen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Modi resultieren, lassen sich dann nicht mehr beschreiben. Es kann jedoch auch Modus Effekte geben, die zwar nicht das gemessene Konstrukt betreffen, aber sich beispielsweise in der Schwierigkeit der Items niederschlagen. Solange aber das erfasste Konstrukt bei einem Moduswechsel unverändert bleibt, können diese Modus Effekte bei der Berechnung der Testscores berücksichtigt und die Vergleichbarkeit gewährleistet werden. Somit ist, nicht nur im Hinblick auf gültige Trendschätzungen, der Analyse von Modus-Effekten ein hoher Stellenwert beizumessen. Da die bisherige Befundlage in der Literatur zu Modus-Effekten sowohl hinsichtlich der Stärke der gefundenen Effekte, als auch in Bezug auf die verwendeten Methoden sehr heterogen ist, ist das Ziel des ersten Beitrags dieser publikationsbasierten Dissertation, eine Anleitung für eine systematische Durchführung einer Äquivalenzuntersuchung, speziell für Large-Scale Assessments, zu geben. Dabei wird die exemplarisch dargelegte Modus-Effekt-Analyse anhand von zuvor definierten und in ihrer Bedeutsamkeit belegten Kriterien auf der Test- und Item-Ebene illustriert. Zudem wird die Möglichkeit beschrieben, auftretende Effekte anhand von Eigenschaften des Administrationsmodus’, beispielsweise des Antwortformats oder der Navigationsmöglichkeiten innerhalb des Tests, zu erklären. Im zweiten und dritten Beitrag findet sich jeweils eine empirische Anwendung der im ersten Beitrag beschriebenen schematischen Modus-Effekt-Analyse mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Dazu wurden die Daten eines Leseverständnistests aus der Nationalen Begleitforschung von PISA 2012 sowie zweier Leseverständnistests im NEPS, die jeweils sowohl papier- als auch computerbasiert administriert wurden, analysiert. Das Kriterium der Konstrukt-Äquivalenz steht dabei als wichtigstes Äquivalenz-Kriterium im Fokus. Zusätzlich wurde Äquivalenz in Bezug auf die Reliabilität und die Item-Parameter (Schwierigkeit und Diskrimination) untersucht. Im zweiten Beitrag wurden darüber hinaus interindividuelle Unterschiede im Modus-Effekt in Bezug zu basalen Computerfähigkeiten und zum Geschlecht gesetzt. Der dritte Beitrag fokussiert die Item-Eigenschaften, die als mögliche Quellen von Modus-Effekten herangezogen werden können und bezieht diese zur Erklärung von Modusunterschieden in die Analyse mit ein. In beiden Studien wurde keine Evidenz gefunden, dass sich das Konstrukt bei einem Wechsel des Administrationsmodus ändert. Lediglich einzelne Items wiesen am Computer im Vergleich zum PBA eine erhöhte Schwierigkeit auf, wobei sich der größte Teil der Items als invariant zwischen den Modi erwies. Für zwei Item-Eigenschaften wurde ein Effekt auf die erhöhte Schwierigkeit der Items am Computer gefunden. Interindividuelle Unterschiede im Modus-Effekt konnten nicht durch basale Computerfähigkeiten oder das Geschlecht erklärt werden.
Diese Dissertation leistet einen wesentlichen Beitrag zur Systematisierung von Äquivalenzuntersuchungen, insbesondere solchen in Large-Scale Assessments, indem sie die wesentlichen Kriterien für die Beurteilung von Äquivalenz herausstellt und diskutiert sowie deren Analyse methodisch aufbereitet. Die Relevanz von Modus-Effekt Studien wird dabei nicht zuletzt durch die Ergebnisse der beiden empirischen Beiträge hervorgehoben. Schließlich wird der Bedeutung des Einbezugs von Item-Eigenschaften hinsichtlich der Beurteilung der Äquivalenz Ausdruck verliehen.
Rezension zu Gesine Lenore Schiewer (2014): Studienbuch Emotionsforschung. Theorien - Anwendugsfelder - Perspektiven. Darmstadt: WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), ISBN 978-3-534-26494-0, 216 S.
Die Emotionsforschung spielt in der gegenwärtigen Linguistik eine wichtige Rolle, wovon viele theoretische sowie empirische Studien mit verschiedenartigen Ansatzpunkten zeugen, die die Interdisziplinarität dieser Forschungsrichtung betonen. Die vorliegende Publikation stellt einen wichtigen Beitrag zu dieser Erforschung dar, vor allem wegen ihrer Komplexität und Übersichtlichkeit der theoretischen Ansatzpunkte.
Mit der von LORENZER begründeten Tiefenhermeneutik wird eine methodologisch und methodisch reflektierte Methode psychoanalytischer Forschung vorstellt, die im Rahmen der kritischen Sozialforschung der Frankfurter Schule entwickelt wurde. Die neue Art und Weise, wie ein Neonazi einen Besuch der Gedenkstätte Auschwitz dazu benutzt, um einen neuen Antisemitismus zu erzeugen, soll durch eine szenische Interpretation seiner medialen Auftritte als gut gelaunter Tourist, als zorniger Rechtsextremist, als sachlicher Experte und als trotziger Jugendlicher untersucht werden: Es wird zu zeigen sein, wie sich die Bedeutung dieser Rollenspiele in der Spannung zwischen einem manifesten und einem latenten Sinn entfaltet. Die Ergebnisse dieses Interpretationsprozesses bilden die Grundlage für die theoretische Klärung der Frage, welcher Sozialisationsmuster dieser "Yuppie-Nazi" sich bedient, um vor allem Jugendliche zu faszinieren. Schließlich soll analysiert werden, wie der Regisseur durch eine postmoderne Inszenierung Auschwitz als Testgelände zur Verfügung stellt, auf dem der Neonazi einen "fröhlichen Tanz auf dem Vulkan" aufführen kann.
Wolfgang KÖHLER's Monographie über das Verstehen einer Person als eines Individuums ist ein Versuch, den in der Alltagssprache undifferenziert gebrauchten Begriff des Fremdverstehens sowie den des Selbstverstehens, wie er in Aussagen wie "Maria versteht ihren Mann" oder "Ich verstehe mich selbst nicht mehr" vorkommt, durch eine philosophische Reflexion zu differenzieren. Durch diese Reflexion wird gezeigt, dass der Verstehensbegriff auf drei verschiedene Weisen gebraucht wird: mit dem Anspruch eines Wissens, eines Könnens und eines Fühlens. Es ergibt sich, dass das Verstehen der eigenen wie der fremden Person im Sinne eines Wissens eine Ausnahme bildet, zumal dieses Wissen in einer mehr oder weniger poetischen Beschreibung darzustellen ist. Der Normalfall des Verstehens einer Person als eines unverwechselbaren Individuums besteht dagegen in einem Können oder Fühlen – und verdient damit gar nicht, ein "Verstehen" genannt zu werden im Sinne eines Wissens, wer jemand und wer man selbst ist. Das Buch erlaubt es, kritisch zu prüfen, welche hohen Ansprüche an die Versuche zu stellen sind, andere Personen, aber auch sich selbst zu verstehen. KÖHLER bleibt dabei eng an seinem lebensweltlichen Gegenstand und klärt im besten Sinne über das Verstehen von Personen auf.
Haben Vorurteile einen Sinn? In der Entwicklungsgeschichte des Menschen vermutlich schon, um Freund und Feind unterscheiden zu können. Aber in der heutigen globalen, wenn auch komplexeren Welt ist es wichtig zu wissen, warum Vorurteile entstehen und welche Gruppenprozesse dahinterstecken. Die Sozialpsychologie kann seit den 1950er Jahren auf eine Vielzahl von Experimenten verweisen – mit spannenden Ergebnissen. Eines lautet: Je mehr Kontakt Menschen aus unterschiedlichen Gruppen miteinander haben, desto geringer sind auch die Vorurteile.
Vom Überleben des Wunsches als Todestrieb : Nachträglichkeit, Subjekt und Geschichte bei Freud
(2011)
Es ist nahe liegend, sich zum Thema 'Überleben' mit Freuds Schrift 'Jenseits des Lustprinzips' von 1920 zu beschäftigen, mit der traumatischen Neurose und mit Freuds Diktum, dass das Ziel des Lebens der Tod sei. Beginnt Freud doch damit, dass er gerade durch das Leiden derer, die den Krieg (oder einen schweren Unfall) überlebt haben, dazu kommt, ein Jenseits des Lustprinzips zu postulieren, einen Todestrieb einzuführen, da der traumatische Wiederholungszwang dem Lustprinzip so sehr zu widersprechen scheint, geht es doch um die Perpetuierung des Leidens, um die Wiederholung von etwas Schrecklichem. Ich möchte jedoch im Folgenden einen Umweg beschreiten und mit einer Konstellation aus den Anfängen der Psychoanalyse beginnen, von der sich ebenfalls sagen lässt, dass sie das Überleben behandelt, allerdings in einem gänzlich anderen Kontext, dem der Konstitution des Psychischen. Die Rede ist vom Befriedigungserlebnis und dem unbewussten Wunsch - zwei Konzepte, die für Freuds Denken um 1900 zentral sind.
Die Einstellung von onkologisch tätigen Ärzten zur psychoonkologischen Versorgung von Krebspatienten
(2015)
Eine Krebserkrankung stellt für die Betroffenen und deren Angehörige eine große körperliche und psychische Belastung dar. Obwohl die psychoonkologische Betreuung den Patienten nachweislich hilft und die Belastung vieler Patienten sehr hoch ist, erhält nur cirka jeder fünfte therapiebedürftig belastete Krebspatient eine psychoonkologische Behandlung. Für die Umsetzung einer flächendeckenden psychoonkologischen Betreuung der Patienten nehmen die onkologisch tätigen Ärzte eine Schlüsselrolle ein. Deshalb ist für die Implementierung und das Gelingen eines Screenings bzw. der psychoonkologischen Versorgung der Patienten das Engagement und die psychosoziale Kompetenz der behandelnden Ärzte eine entscheidende Größe.
Um die Einstellung von onkologisch tätigen Ärzten zur psychoonkologischen Versorgung zu erfassen, wurde ein Fragebogen als Erhebungsinstrument konstruiert. Die Konstruktion des Fragebogens erfolgte auf Grundlage der Theorie des geplanten Handelns nach Ajzen (2002). Zusätzlich zu der Einstellung der behandelten Ärzte erfasst der Fragebogen die Selbstwirksamkeit der Ärzte in Bezug auf psychosoziale Kompetenzen, sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen in der Klinik.
Zwischen September und Dezember 2013 wurden an der Universitätsklinik Frankfurt am Main insgesamt 120 Fragebögen an onkologisch tätige Ärzte ausgeteilt von denen 102 beantwortet wurden (Rücklaufquote von ca. 85%). Zur Validierung des Fragebogens wurde die Korrelation einzelner Skalen mit der Skala „Interaktion und Verhalten“ nach Spearman berechnet. Insgesamt korrelierten die Skalen in die zu erwartende Richtung, jedoch waren die Korrelationskoeffizienten geringer ausgeprägt als erhofft (zwischen 0,26 und 0,36). Die interne Konsistenz (nach Cronbachs Alpha) der Skalen erreichte bis auf eine Ausnahme ein akzeptables bis gutes Niveau.
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen keinen Hinweis darauf, dass die Diskrepanz zwischen der hohen Anzahl an belasteten Krebspatienten und der seltenen Inanspruchnahme von psychoonkologischen Behandlungen durch die Einstellung der Ärzte zur Psychoonkologie erklärt werden kann. Im Gegenteil, in dieser Studie wird der psychoonkologischen Versorgung von Patienten eine hohe Wertigkeit zugeschrieben: 76 % der Ärzte sind der Meinung, sie würden, wenn sie selbst erkranken, davon profitieren mit einem Psychoonkologen zu sprechen. Auch empfehlen 79 % der Befragten ihren Freunden oder Angehörigen im Falle einer Krebserkrankung eine psychoonkologische Beratung. Trotz der über die Stichprobe insgesamt sehr positiven Einstellung gegenüber der psychoonkologischen Versorgung, divergieren die Aussagen hinsichtlich der Häufigkeit, in der Skala „Umsetzung und Interaktion“, die erfasst wie häufig psychoonkologische Aspekte in die Behandlung von onkologischen Patienten integriert werden, immens.
Die individuelle Handhabung der Weitergabe von Informationen von Seiten der Ärzte in dieser Studie kann teilweise durch mangelhafte organisatorische Rahmenbedingungen erklärt werden: So gibt fast die Hälfte der Befragten (45 %) an, in ihrer Abteilung gebe es kein standardisiertes Screeningverfahren, um psychisch belastete Patienten zu identifizieren. Ebenso sind bei ca. der Hälfte der Ärzte (45 %) keine klaren Richtlinien vorhanden, wann eine psychoonkologische Beratung indiziert ist.
Die Erkenntnisse dieser Studie geben Hinweise darauf, dass für die Verbesserung der psychoonkologischen Versorgung von Patienten die organisatorischen Rahmenbedingungen an den Kliniken optimiert werden müssen.
Leidenschaft ist eine Emotion, die ganz und gar zum subjektiven Erleben eines Individuums gehört. Ein leidenschaftlich Handelnder ist offensichtlich so sehr von ihr ergriffen, dass sie sein Inneres vollkommen ausfüllt. Ebenso wie die Leidenschaft ganz zu ihm gehört, gehört auch er ganz seiner Leidenschaft. Es gibt dann keinen Raum in ihm für andere emotionale oder gar rationale Regungen.
An der Goethe-Universität Frankfurt/Main wurde ein Seminarkonzept zur Förderung von Kommunikations-, Arbeits- und Präsentationstechniken bei Studierenden entwickelt, dessen Einfluss auf die Präsentationsfertigkeit der Teilnehmenden im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die kein entsprechendes Treatment erhielt, untersucht wurde. Die Präsentationsfertigkeit wurde dabei multimethodal über Selbsteinschätzung sowie Fremdeinschätzung der jeweiligen Präsentation und über einen Wissensfragebogen erfasst. In einer multivariaten Varianzanalyse zeigte sich eine signifikante Überlegenheit der Experimentalgruppe über alle Aspekte der Präsentationsfertigkeit hinweg. Von einer höheren Präsentationsfertigkeit unter den Teilnehmenden des untersuchten Seminars kann dementsprechend ausgegangen werden, wobei eine weitere Untersuchung unter Berücksichtigung langfristiger Auswirkungen durchaus empfehlenswert erscheint.
Die vorliegende kumulative Dissertation befasst sich mit der Erfassung der Behandlungsintegrität bestehend aus psychotherapeutischer Adhärenz, Kompetenz sowie der Behandlungsdifferenzierung im Rahmen der Psychotherapieforschung. Die Überprüfung, ob Behandlungen bzw. Interventionen so wie intendiert durchgeführt wurden, ist für die Sicherstellung valider Schlussfolgerungen aus einer klinischen Studie von hoher Relevanz.
Die erste Studie untersucht, ob die Erfassung der Behandlungsintegrität ökonomischer gestaltbar ist. Es zeigte sich, dass Beurteilungen der Adhärenz und Kompetenz basierend auf Sitzungssegmenten im Vergleich zu ganzen Sitzungen keine Unterschiede aufweisen hinsichtlich Reliabilität, Validität und Prädiktion des Behandlungserfolgs.
In der zweiten Studie wird die Entwicklung und Validierung einer Adhärenz- und Kompetenzskala vorgestellt. Diese Studie weist zudem auf die Verwendung im Rahmen der Aus- und Weiterbildung von Therapeuten hin.
Die dritte Studie zeigt, dass in Psychotherapiestudien die im Vergleich stehenden Behandlungsbedingungen gut voneinander unterscheidbar sein müssen. Für die Beschreibung der Behandlungsdifferenzierung und -spezifität wurde der Behandlungs-Spezifitäts-Index entwickelt, dessen Eignung bestätigt werden konnte.
Die vierte Studie überprüft, ob sich erfolgreiche von nicht erfolgreichen Therapien hinsichtlich der psychotherapeutischen Kompetenz, Adhärenz und psychotherapeutischen Beziehung unterscheiden. Es zeigte sich, dass Adhärenz eine Voraussetzung für kompetentes Vorgehen darstellt. Kompetenz beeinflusst die psychotherapeutische Beziehung maßgebend, die mitentscheidend für den (Miss-)Erfolg einer Behandlung zu sein scheint.
Insgesamt tragen die Ergebnisse zu einer differenzierteren, spezifischeren und ökonomischeren Erfassung der Behandlungsintegrität innerhalb der Psychotherapieforschung bei. Gleichzeitig erweitern sie den Fokus auf neue Ansätze für zukünftige Forschungen.
Im Bachelorstudiengang Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt wurde im Rahmen des Programms „Starker Start ins Studium“ ein Modul zur Verbesserung der Studieneingangsphase implementiert (Höhler et al., 2012). Im vorliegenden Beitrag wird beschrieben, inwiefern die Umsetzung des Lehrkonzepts zur fachlichen und sozialen Integration von Studienanfängern beiträgt und erste Evaluationsergebnisse werden vorgestellt.
Freuds Referenzen
(2012)
in den letzten 15 Jahren haben Hochschulen neben den traditionellen Lehr- und Lernformen zahlreiche neue Lerndesigns entwickelt und etabliert, die vor allem auf dem Einsatz computer- und netzwerkbasierter Technologien beruhen. Sie führen zu einer Veränderung der Angebotsstrategien in der universitären Lehre, da neue Zielgruppen ansprechbar werden. Neue Lerndesigns sind vor allem dann effektiv, wenn eine strategische didaktische Verzahnung mit klassischen Lerndesigns im Sinne eines Blended Learning stattfindet.
Sedentäres Verhalten steht als Risikofaktor in Verbindung mit kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen sowie der Gesamtsterblichkeit. Die Unterbrechung sedentären Verhaltens durch körperlicher Aktivität wird mit einem verringerten Risiko für kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen in Zusammenhang gebracht. Ziel der Studie ist der Vergleich akuter Effekte aktiver Unterbrechungen während- und körperlicher Aktivität vor mehrstündigem sedentärem Verhalten auf metabolische Veränderungen, innerhalb einer Gruppe junger gesunder Frauen.
18 gesunde Frauen (25.6y±2.6, BMI 21.5 kg/m2±2.0) nahmen an einer balancierten Crossover-Studie mit Kontroll-(CTRL) und 2 verschiedenen Bewegungsarmen teil. Alle Studienarme umfassten eine 4 stündige Sitzphase und eine Frühstücksmahlzeit mit standardisierter Zusammensetzung und selbstgewählter Menge. Während der Bewegungsarme fuhren die Probandinnen 30min am Stück vor (PRE) oder in 5x je 6min als aktive Unterbrechung (BREAK) der Sitzphase auf einem Radergometer (70% VO2max). Es wurden Insulin-, Glucose- und Triacylglycerol-Blutwerte vor (Baseline) und zu 6 Zeitpunkten während der Sitzphase in allen 3 Studienarmen erfasst. Die Kinetik dieser metabolischen Parameter wurde mittels maximaler- und minimaler Differenz zum Baselinewert sowie „incremental Area Under the Curve“ (iAUC) als Hauptzielparameter erfasst. Die Untersuchung auf Unterschiede der Hauptzielparameter zwischen den Untersuchungsarmen wurde mittels Varianzanalysen unter Berücksichtigung der aufgenommenen Nahrungsmenge als Kovariate (ANCOVA) durchgeführt.
Die Analyse der Insulinkinetik zeigte geringere Serum Insulinkonzentrationen im Zeitverlauf (iAUC) im Untersuchungsarm mit aktiven Unterbrechungen (BREAK). Weiterhin war in BREAK die maximale Differenz zum Baselinewert der Insulinkonzentration verglichen zur Bedingung ohne Aktivität (CTRL) niedriger. Die Kinetik der Blutglukose und Serum Triacylglycerolkonzentration unterschied sich nicht zwischen den Untersuchungsarmen. Die aufgenommene Nahrungsmenge zeigte einen deutlichen Einfluss auf die Kinetik der Insulin und Glukosekonzentration.
Die Resultate bestätigen spezifische Effekte von aktiven Unterbrechungen auf die zelluläre Glukoseaufnahme während sedentären Verhaltens. Die Nahrungsmenge beeinflusst das Ausmaß der postprandialen metabolischen Veränderungen während sedentären Verhaltens. Zukünftige Studien sollten den Einfluss der Häufigkeit und zeitliche Anordnung von Pausen in Abhängigkeit der Nahrungsaufnahme überprüfen.
Während der wissenschaftliche Nachwuchs im Forschungsbereich strategisch und wissenschaftlich fundiert samt diversen Prüfungen (Bachelor, Master, Promotion, ggf. auch Habilitation) ausgebildet wird, existiert im Bereich der Lehre nichts auch nur annährend Vergleichbares. Die übliche „Qualifizierung“ des Nachwuchslehrenden findet meist nur „On-the-job“ (vgl. Conradi, 1983) statt, d.h. durch eigenes Ausprobieren nach Beobachtung anderer Lehrender während des eigenen Studiums. Unter guten Bedingungen hat der Lehrende vorab oder begleitend Weiterbildungen zu guter Lehre besucht. Eine strategische Einbettung dieser Personalentwicklungsmaßnahmen, wie es seitens der Forschung intendiert wird, ist nicht vorhanden. Dieser Beitrag stellt mögliche Formen vor und führt exemplarisch eine darunter näher aus.
Die diesjährige DVPW-Tagung Ende September sorgte für einige Unruhen in den Reihen der Vereinigung und darüber hinaus. Dabei geriet die eigentliche Tagung zum Thema „Vorsicht Sicherheit. Legitimationsprobleme der Ordnung von Sicherheit“ durch die Querelen auf der Mitgliederversammlung fast völlig aus dem Blick. Einen guten und umfassenden Tagungsbericht, um die inhaltliche Debatte nicht gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen, stellten die Kollegen des Theorieblogs zusammen (siehe hier ), live bloggten die Kollegen des Sicherheitsblogs (siehe hier)...
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Arbeitsgedächtnisleistungen zweier sprachlicher Sondergruppen und der Möglichkeit über die Leistung des Arbeitsgedächtnisses validere Prognosen des weiteren sprachlichen bzw. schriftsprachlichen Entwicklungsverlaufs zu erreichen, als dies über eine ausschließliche Erhebung der Sprachleistung möglich ist. Die Basis dieser Untersuchungen bilden zwei Längsschnittstudien. Die Daten der sprachlichen Sondergruppe der Late Talker (kognitive Aspekte) wurden in Heidelberg an der Universität und dem Frühinterventionszentrum (FRIZ) zwischen dem zweiten und dem neunten Lebensjahr der Kinder (N=93 mit n1=59 Late Talkers und n2=34 Kontrollkindern) in bestimmten Abständen erhoben. Neben den sprachlichen und kognitiven Leistungstests wurde zum letzten Messzeitpunkt zusätzlich die Arbeitsgedächtnisleistung erfasst. Dabei sollte untersucht werden, ob die Leistungen im Arbeitsgedächtnis valide unterscheiden können zwischen Kindern mit persistierenden Sprachentwicklungsproblemen und Kindern, die das Defizit im weiteren Entwicklungsverlauf aufholen (Late Bloomer). Die Ergebnisse zeigen, dass mithilfe der Leistungen in der Phonologischen Schleife eine sehr gute Trennung der Late Bloomer von den Kindern, die weiter eine Sprachproblematik aufweisen, vorgenommen werden kann. Ein Hinzuziehen der zentral-exekutiven Leistungen bringt hingegen keine Verbesserung in der Vorhersagegenauigkeit.
Der zweiten Untersuchung liegen zum einen die Daten der Normierung der Arbeitsgedächtnistestbatterie für Kinder von fünf bis zwölf Jahren (AGTB 5-12 {Hasselhorn et al., 2012}) zugrunde (N=1.669 davon 243 Kinder mit Migrationshintergrund), anhand derer überprüft wurde, ob Kinder mit Migrationshintergrund in irgendeiner Weise durch die Nutzung der Testbatterie benachteiligt werden, sei es 1. Durch die ungeprüfte Übernahme des Arbeitsgedächtnismodells (nach dem Vorbild von Baddeley (1986)), dass für Muttersprachler bereits bestätigt werden konnte, 2. Durch Benachteiligungen in bestimmten Untertests und 3. Durch die Testbatterie im Allgemeinen, die Art der Testung und die Wahl bestimmter Items. Zur Überprüfung, inwieweit Prädiktoren, die bei Muttersprachlern valide Prognosen der späteren schriftsprachlichen Leistungen erlauben, auch bei Kindern mit Migrationshintergrund genutzt werden können, wird ein weiterer längsschnittlicher Datensatz herangezogen. Von den 127 Kindern der Längsschnittstudie des Projekts ANNA „Gedächtnis und Schulfähigkeit“ (Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk am Deutschen Institut für internationale pädagogische Forschung - DIPF) weisen 60 Kinder einen Migrationshintergrund auf. Auf Basis beider Datensätze konnte nachgewiesen werden, dass das Modell des Arbeitsgedächtnisses auch bei Kindern mit Migrationshintergrund Anwendung findet und die Benachteiligungen bei der Testung besonders gering ausfallen, je früher die Kinder untersucht werden. Es zeigt sich aber auch, dass die AGTB 5-12 an manchen Stellen überarbeitet werden sollte, um mögliche Benachteiligungen noch weiter zu verringern. Außerdem konnte gezeigt werden, dass sich auch bei Kindern mit Migrationshintergrund valide Prognosen späterer schriftsprachlicher Leistungen anhand ihrer Arbeitsgedächtnisleistungen treffen lassen und hier hauptsächlich auf Basis der phonologischen Gesamtleistungen (alle Untertests).
Die Schizophrenie stellt eine sehr vielfältige und schwere psychische Erkrankung dar, die fundamentale Bereiche, wie Denken, Fühlen, Wahrnehmen, Willensbildung und Handeln beeinträchtigt (Kircher & Gauggel, 2008). Neben der Störung der Kognition und der Wahrnehmung sind es die Störungen der Emotionen, die das Krankheitsbild der Schizophrenie prägen. Eine Emotion ist Grundlage eines informativen Bedeutungssystems einer Person. Sie informiert über die Relevanz einer Situation sowie über Wohlbefinden, Wünsche und Bedürfnisse. Sie ermöglicht eine bedürfnis- und situationsgerechte Auswahl von Ver-haltensweisen, beeinflusst kognitive Prozesse, prägt die Entscheidungsfindung und Problemlösung. Durch den mimischen Ausdruck, der aus einer Emotion resultiert, bekommt sie eine kommunikative bzw. interpersonelle Funktion. Damit stellen Emotionen zentrale Phänomene des alltäglichen Lebens dar, die einen großen Einfluss auf Ver-halten, Lernen, Wahrnehmung und Gedächtnis haben.
Nicht immer ist es sinnvoll und funktional, Emotionen auszuagieren. Um adäquat mit Emotionen umgehen zu können, bedarf es der Emotionsregulation. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, bei dem beeinflusst wird, welche Emotionen wann und wie erlebt und ausgedrückt werden (Gross, 1998), um flexibel auf Umwelteinflüsse und den sozialen Kontext eingehen zu können (Thompson, 1994)...
Hochschuldidaktische Weiterbildungsveranstaltungen haben häufig nur eine geringe Akzeptanz bei etablierten Hochschullehrenden. Es wird angenommen, dass der Nachweis wissenschaftlicher Evidenz hochschuldidaktischer Maßnahmen deren Akzeptanz in Hochschulen erhöht. Zur Verknüpfung von empirischer Forschung und hochschuldidaktischen Weiterbildungen schlagen wir ein Spiralmodell vor. Praktisch werden ausgehend von theoretischen und empirischen Grundlagen relevante Ergebnisse für die Bearbeitung in hochschuldidaktischen Weiterbildungen entwickelt. Die Anwendung des Spiralmodells wird an einem Praxisbeispiel zum Themenfeld "Interkulturelle Kommunikation in der Hochschule" illustriert.
Die Internationalisierung der deutschen Hochschulen nahm in den letzten Jahren stark zu. Umgang mit Studierenden aus unterschiedlichen Kulturen bedeutet für Lehrende längst Alltag. Nicht immer jedoch verläuft die Kommunikation zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen reibungslos. Um möglichen Schwierigkeiten entgegenzuwirken, setzen einige Universitäten interkulturelle Trainings ein zur Sensibilisierung für interkulturelle Unterschiede. Die Autoren haben im Rahmen eines hochschuldidaktischen Weiterbildungsprogramms für Lehrende ein interkulturelles Training entwickelt und eingesetzt. Über den Aufbau und die Ziele des Trainings wird im vorliegenden Artikel berichtet. Weiterhin wird ein Untersuchungsdesign vorgestellt, mit welchem der Einfluss von Kultur auf die Online-Kommunikation in der Lehre untersucht wurde.
Im Rahmen des Bund-Länder-Programms "Qualitätspakt Lehre" hat die Goethe-Universität Frankfurt erfolgreich das Programm "Starker Start ins Studium" eingeworben. Dadurch verfügt das Institut für Psychologie nun über die personellen Möglichkeiten, die fachliche und soziale Integration neuer Psychologiestudierender im sechssemestrigen Bachelorstudiengang Psychologie zu verbessern. Hierzu wurden zwei obligate je zweisemestrige Lehrmodule entwickelt. In dem vorliegenden Beitrag wird das übergeordnete Lehrkonzept beschrieben und dessen Implementierung im Fach Psychologie als Praxisbeispiel illustriert.