300 Sozialwissenschaften
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Vor rund 60 Jahren ist das Buch Mensch und Raum von Otto Friedrich Bollnow erstmals erschienen. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, inwieweit die Überlegungen des Philosophen (unter bestimmten Aspekten) noch heute aktuell sind. Bollnows Raum-Verständnis weicht in seiner phänomenologischen Orientierung geradezu grundlegend vom heute vorherrschenden sozialwissenschaftlichen Raumdenken ab. Umso mehr regt Bollnow dazu an, die Lehren des wissenschaftlichen Mainstream kritisch gegen den Strich zu lesen. Ins Zentrum der Suche nach heute möglicherweise bedeutsamen Themen und Methoden des Denkens rückt das Wohnen. Wie denkt Bollnow das Wohnen, und was sagt uns dies in einer Zeit, in der die Menschen ganz anders wohnen als in den 1950er Jahren? Brücken zu methodologisch benachbarten Theorien und Philosophen werden ebenso geschlagen (z. B. Heidegger, Dürckheim, Müller-Freienfels) wie zu anderen thematisch relevanten Arbeiten von Bollnow.
Auf Basis ethnographischer Feldforschung untersucht der Beitrag den Zusammenhang zwischen prekären Wohnverhältnissen und der Entstehung politischer Kollektivität unter Mieter*innen. Theoretisch-konzeptionell knüpft er dabei an Debatten der kritischen Stadtforschung zu Verdrängungsprozessen, Forschungsarbeiten zu Prekarisierung sowie poststrukturalistisch inspirierte Perspektiven der sozialen Bewegungsforschung an. Empirisch ist der Blick gerichtet auf die Lebensrealitäten von Bewohner*innen einer Frankfurter Vonovia-Wohnsiedlung. Gefragt wird danach, wie Mieter*innen ihre Wohnsituation in Anbetracht drohender Mieterhöhungen infolge von Modernisierungsarbeiten wahrnehmen, welche Bedeutung sie der Wohnungsfrage zuschreiben und welche sozialräumlichen Bedingungen, Handlungspraktiken und diskursiven Deutungsmuster die Entwicklung einer kollektiven politischen Handlungsfähigkeit erschweren.
Frankfurt ist Knotenpunkt globaler Güter-, Finanz-, Wissens- und Migrationsbewegungen. Die Arbeitsmärkte und -verhältnisse in der Stadt sind Ausdruck einer globalen Verwobenheit, die diskursiv oft mit dem Label der ›Global City‹ markiert wird. In einer Zeit, in der Arbeit als Feld der Produktion und Reproduktion weitreichenden Transformationsprozessen ausgesetzt ist, in der das sogenannte Normalarbeitsverhältnis zunehmend erodiert, in der Arbeitsverhältnisse oft räumlich, sozial und zeitlich entgrenzt und flexibilisiert sind und in der gut bezahlte Jobs und schlecht- bezahlte, teils prekarisierte Formen der Beschäftigung koexistieren – zum Teil im gleichen Betrieb –, muss es Aufgabe wirtschaftsgeographischer Forschung sein, die Lebenswelten von Arbeitenden in einer räumlichen Perspektive zu beleuchten. Genau dies will der vorliegende Band tun. Er versammelt engagierte, theoretisch gesättigte und empirisch geerdete Beiträge von Studierenden des Instituts für Humangeographie, die einen kritischen Blick auf die Formen, Praktiken, Beziehungen und gesellschaftliche Einbettung von Arbeit in unterschiedlichen Branchen in der ›Global City‹ Frankfurt werfen.
In recent years, many European cities have developed strategies to improve the quality of urban life by reducing car traffic and increasing the attractiveness of alternative modes and the built environment for residents. Frequently, at least in German cities, improvements to the cycling infrastructures play a key role in this transformation of urban spaces. One of those transformative interventions took place in 2020 in Frankfurt am Main (Germany). The city redesigned an arterial road close to the city centre, the Friedberger Landstrasse, by converting two car lanes to bicycle lanes. It is the aim of this study to analyse the effects of this change on the quality of urban life of its residents using a quantitative before-and-after study. The results demonstrate the expected improvements in the perceived quality of urban life for residents after the intervention. A more detailed analysis, however, shows that the residents’ perceptions vary according to their own mode use on the Friedberger Landstrasse and other sociodemographic characteristics. Thus, better cycling infrastructure does not only improve conditions for cyclists, but also contributes to a higher quality of urban life for residents and, therefore, improves the liveability of a city in two ways. We conclude that local transport policies are not only relevant for a modal shift, but also for the quality of urban life and, thus, related urban development strategies.
This article aims to show that a perspective that understands urban protests as a conflict between two or more interest-driven actors falls short. For a more comprehensive analysis, the complex fabric of multiple power-laden discourses, processes, networks and spatial conditions in which such conflicts are embedded must be taken into account. To this end, this article adopts an assemblage perspective. Taking the protests around the inner-city marina Port Vell in Barcelona as an example, this perspective is used to elaborate the various spatial conditions that shape this conflict.
Im Sinne einer nachhaltigen Stadt- und Verkehrsentwicklung verspricht das Konzept autoreduzierter Quartiere, die Autonutzung und den Autobesitz der Bewohnenden zu verringern sowie deren autounabhängige Mobilität zu fördern. Der Forschungsstand zeigt indes, dass nicht automatisch davon auszugehen ist, dass die gelebte Praktik der Planungsvision entspricht, da die Mobilität nicht nur von oben herab geplant, sondern auch von unten, also den Bewohnenden selbst sowie den Mobilitätskontexten, geprägt ist.
Anhand zweier autoreduziert entwickelter Quartiere in Darmstadt verfolgt die Arbeit deshalb das Ziel, mittels eines planungskritischen Ansatzes zunächst die Narrative autoreduzierter Quartiere zu identifizieren, um die Planungsvision zu ergründen. Des Weiteren werden mithilfe eines biographisch inspirierten, praxistheoretischen Ansatzes die mobilitätsbezogenen Praktiken autoreduzierter Quartiere sowie etwaige Veränderungen dieser nach dem Wohnortwechsel analysiert, um das Verständnis der Alltagsmobilität und deren Wandel zu verbessern sowie Potenziale und Grenzen der Umsetzung solcher Quartierskonzepte zu ermitteln. Abschließend soll der Vergleich beider Perspektiven dazu beitragen, besser zu verstehen, was eine nachhaltige Stadt- und Verkehrsgestaltung sowie eine autounabhängige Mobilität und ein autofreies Leben unterstützt bzw. behindert.
Zur Identifikation der Narrative wurden Expert*inneninterviews mit verschiedenen Personen durchgeführt, die am Planungs- und Umsetzungsprozess beider Quartiere beteiligt waren. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Entwicklung autoreduzierter Quartiere (i) bewusst in die Nachhaltigkeitsdebatte eingebettet und (ii) von Machtverhältnissen geprägt ist sowie (iii) normativen Indikatoren folgt und (iv) deren Planungsideale im Kontrast zur gelebten Realität stehen können.
Zur Analyse der mobilitätsbezogenen Praktiken sowie der Veränderungen derselben wurden Bewohnende qualitativ interviewt. Dabei zeigt sich, dass der materielle Kontext eines autoreduzierten Quartiers sowie die persönlich-zeitlichen und soziokulturellen Kontexte der Mobilitätspraktiken die Autounabhängigkeit der Bewohnenden stabilisieren und fördern. Behindert wird sie dagegen vom materiellen Kontext außerhalb der Quartiere, der Verwobenheit des Autofahrens mit anderen Alltagspraktiken sowie der affektiven Zufriedenheit mit der Autonutzung und dem Autobesitz.
Aus dem Vergleich beider Erhebungen und damit der Gegenüberstellung der Planungsvision mit der gelebten Praktik lässt sich schlussfolgern, dass trotz feststellbarer Unterschiede die Realität im autoreduzierten Quartier größtenteils dem Ideal einer autounabhängigen Mobilität entspricht. Dagegen erweisen sich ein autofreies Leben und die Parkrestriktionen weiterhin als kontroversere Themen. Schließlich offenbart die Arbeit sowohl Veränderungen in der Mobilitätsgestaltung von oben als auch in der Mobilitätspraktik von unten, gleichzeitig aber auch persistente automobile Abhängigkeiten, weshalb sie im Sinne der Verkehrs- und Mobilitätswende einen kontinuierlichen materiellen und immateriellen Wandel fordert.
The future of work has become a pressing matter of concern: Researchers, business consultancies, and industrial companies are intensively studying how new work models could be best implemented to increase workplace flexibility and creativity. In particular, the agile model has become one of the “must-have” elements for re-organizing work practices, especially for technology development work. However, the implementation of agile work often comes together with strong presumptions: it is regarded as an inevitable tool that can be universally integrated into different workplaces while having the same outcome of flexibility, transparency, and flattened hierarchies everywhere. This paper challenges such essentializing assumptions by turning agile work into a “matter of care.” We argue that care work occurs in contexts other than feminized reproductive work, namely, technology development. Drawing on concepts from feminist Science and Technology Studies and ethnographic research at agile technology development workplaces in Germany and Kenya, we examine what work it takes to actually keep up with the imperative of agile work. The analysis brings the often invisibilized care practices of human and nonhuman actors to the fore that are necessary to enact and stabilize the agile promises of flexibilization, co-working, and rapid prototyping. Revealing the caring sociotechnical relationships that are vital for working agile, we discuss the emergence of power asymmetries characterized by hierarchies of skills that are differently acknowledged in the daily work of technology development. The paper ends by speculating on the emancipatory potential of a care perspective, by which we seek to inspire careful Emancipatory Technology Studies.
The segregation of refugees in collective accommodation centres represents an integral component of the European border regime and its complex interplay of inclusion and exclusion. The corresponding spatial, symbolic and discursive demarcations, however, are not simply implemented politically from above, but negotiated on the ground on a daily basis. One crucial group of actors in the German context are neighbourhood-based volunteers. These groups frequently accompany accommodation centres with support structures. Based on contributions in the field of critical border studies and on the example of a municipal accommodation facility in Frankfurt, Germany, this paper demonstrates how volunteers, through their practices and engagement with refugees and others, on one hand, and dominant discourses, institutions and regulations on the other, participate in the production of locally specific spaces of asylum that are marked by simultaneous and contradictory processes of bordering and debordering.
Today in the United States, the notion that ‘the rise of the far right’ poses the greatest threat to democratic values, and by extension, to the nation itself, has slowly entered into common sense. The antecedent of this development is the object of our study. Explored through the prism of what we refer to as the domestication of the War on Terror, this publication adopts and updates the theoretical approach first forwarded in Policing the Crisis: Mugging, the State, the Law and Order (Hall et al. 1978). Drawing on this seminal work, a sequence of three disparate media events are explored as they unfold in the United States in mid-2015: the rise of the Trump campaign; the release of an op-ed in The New York Times warning of a rise in right-wing extremsim; and a mass shooting at a historic African American church in Charleston, South Carolina. By the end of 2015, as these disparate events converge into what we call the public face of the rise of the far right phenomenon, we subsequently turn our attention to its origins in policing and the law in the wake of the global War on Terror and the Great Recession. It is only from there, that we turn our attention to the poltical class struggle as expressed in the rise of 'populism' on the one hand, and the domestication of the War on Terror on the other, and in doing so, attempt to situate the role of the rise of the far right phenomenon within it.