370 Bildung und Erziehung
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Vom 26. Juli bis 04. August 2015 veranstaltete die Akademie BURG FÜRSTENECK die 5. Hessische Schülerakademie für die Mittelstufe (Jgs. 7-9). Fünf Jahre Schülerakademie für die Mittelstufe – ein halbes Jahrzehnt Erfahrung und Entwicklung eines Projektes mit 12-15jährigen Schülerinnen und Schülern, hessischen Hochschullehrenden und Kulturschaffenden im Kontext von Engagement und überdurchschnittlicher Begabung!
Ziel dieser Studie ist eine videobasierte Analyse von Aufgaben im Unterricht zur Erklärung von Variationen des Beteiligungsverhaltens der Schüler/innen im Unterrichtsprozess. In der empirischen Unterrichtsforschung kommt dem Beteiligungsverhalten der Schüler/innen im Unterricht die Rolle einer Schlüsselvariable für die Wirksamkeit von Unterrichtsprozessen zu. Obwohl in theoretischen Modellen effektiven Unterrichts sowie in einer Reihe empirischer Untersuchungen die Qualität des Aufgabenangebots im Unterrichtsprozess als ein wichtiger Einflussfaktor für das Beteiligungsverhalten genannt wird, liegen kaum prozess-sensible Analysen zum Zusammenhang zwischen diesen beiden Geschehenskomponenten des Unterrichts vor. Die vorliegende, primär explorativ ausgerichtete Arbeit nimmt diesen Zusammenhang mittels videobasierter, quantitativ orientierter Verfahren systematischer Beobachtung in den Blick. Dazu wurden in sechs Klassen der 6. Jahrgangsstufe unterschiedlicher Schulformen jeweils vier Unterrichtsstunden des Faches Englisch videographiert. Im Vorfeld wurde mit den Schüler(inne)n (n=145) ein schriftlicher Leistungstest im Unterrichtsfach inklusive Fragen zur Person (Geschlecht und familiärer Sprachhintergrund) durchgeführt, sodass eine Differenzierung der im Unterrichtsprozess untersuchten Effekte nach unterschiedlichen Untergruppen möglich ist. Das Schülerbeteiligungsverhalten, operationalisiert als time on task, wurde mit einem niedrig-inferenten Beobachtungssystem im Intervallkodierungsverfahren erhoben, welches ein zeitlich vollständiges, individualisiertes Verlaufsprofil des Unterrichtsverhaltens aller Schüler/innen in der Klasse erlaubt. Die mittels Ereigniskodierverfahren erfassten Aufgaben wurden mit einem mehrdimensionalen, auf bestehenden Analyseinstrumentarien basierenden Kategoriensystem beschrieben.
In den Ergebnissen zeigt das Geschlecht als einzige Hintergrundvariable der Schüler/innen einen Einfluss auf die individuelle durchschnittliche Verhaltenstendenz im Unterricht. Bezogen auf die Hauptfrage der Studie lassen sich mit Blick in den Unterrichtsverlauf, das heißt auf Ebene der Einzelaufgabe, kaum belastbare Effekte von Variationen der erfassten Aufgabenmerkmale auf das Beteiligungsverhalten der Schüler/innen identifizieren. Bei Betrachtung des Aufgabenangebots auf Stundenebene sind hingegen eine Reihe schwacher bis mittlerer Zusammenhängen zwischen der stundenspezifischen Variabilität der Aufgabenmerkmale und dem durchschnittlichen on task-Niveau in der Klasse feststellbar, wobei sich die meisten dieser Effekte bei Berücksichtung von Untergruppen in der Klasse ausdifferenzieren. Insgesamt ergibt sich aus den vorliegenden Ergebnissen kein eindeutiges Bild zum Zusammenhang zwischen Eigenschaften des Aufgabenangebots im Unterricht und dem Beteiligungsverhalten der Schüler/innen. Die Befunde deuten vielmehr auf die Notwendigkeit zur Fokussierung einzelner Teilaspekte unter Schärfung der Analyseinstrumentarien sowie in Teilen der fokussierten Konstrukte hin. Die vorgelegten Ergebnisse bieten dafür zahlreiche Anschlussstellen und zeigen gleichzeitig Perspektiven zur Weiterentwicklung untersuchungs- bzw. auswertungsmethodischer Vorgehensweisen auf.
Um nachvollziehen zu können, in welchem forschungspraktischen Kontext diese Studie steht, ist Folgendes zu erläutern: Nachdem Anfang der 2000er Jahre die ersten Schulen ihre Schulprogramme vorgelegt hatten, führte eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Dr. Gruschka ein DFG-Projekt durch, dessen erste Ergebnisse im Jahr 2003 in den „Frankfurter Beiträgen zur Erziehungswissenschaft“ veröffentlicht wurden. Das von wissenschaftlicher Seite unbestätigte Postulat, Reformen könnten durch Schulprogrammarbeit initiiert werden, wurde in dieser Studie einer sachhaltigen Überprüfung unterzogen. Die Ausgangsfrage lautete: In welcher Weise bewirkt eine Kriseninduktion in Form administeriell verordneter Schulprogrammarbeit einen Prozess der inneren Schulreform? Um auf diese Frage eine wissenschaftlich begründete Antwort zu erhalten, wurden nicht nur Schulprogramme einzelner Schulen untersucht, sondern ebenso die von administerieller Seite angewandten Mittel, mit denen man die Krise zu induzieren gedachte. Zu zeigen war, in welcher in-haltlichen und formalen Weise sowohl die Kultusbürokratie wie auch die einzelnen Schulaufsichtsbehörden das Vorhaben begriffen und den Schulen vermittelten. Es ging in dieser Studie demnach nicht nur um das Schulprogramm selbst, sondern auch um den Induktionsprozess bzw. die einzelnen Vermittlungsinstanzen der Krisenin-duktion. Die letzte Instanz dieser Kette (bestehend aus Kultusbürokratie, Schulaufsichtsbehörde und Schulleiter) waren die Lehrer, die ja im Hinblick auf die Anfertigung des Schulprogramms die zentralen Akteure waren (bzw. zu sein hatten). Der zentrale Gegenstand dieser Studie – die Interviews mit den an der Schulprogrammarbeit beteiligten Lehrern – wurde im Rahmen dieses Forschungsprojekts erhoben. Die wissenschaftliche Rekonstruktion der Interviews ist also als eine Teilstudie des um-fassenderen DFG-Forschungsprojekts einzuordnen. Sie baut stellenweise inhaltlich auf ihr auf und wird sich final – im Interesse weiterführender Erkenntnisse – wieder auf sie rückbeziehen. Dieser enge inhaltliche und konzeptionelle Zusammenhang zwischen beiden Studien kommt auch darin zum Ausdruck, dass der 2003 vorgelegte Zwischenbericht von Gruschka et al. hier schlicht als „Schulprogrammstudie“ bezeichnet wird.