430 Germanische Sprachen; Deutsch
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Alle germanischen Sprachen haben in den nachchristlichen Jahrhunderten eine phonologische Umlautphase durchlaufen, allerdings mit je unterschiedlichen Resultaten. Dieser Umgang mit den Umlautprodukten wurde bisher nie vergleichend in den Blick genommen; vielmehr bekommt man in jeder Einzelphilologie den Eindruck, als habe die Umlautentwicklung nur so und nicht anders verlaufen können. Erst die historisch-kontrastive Perspektive erweist, dass sich drei Pfade systematisieren lassen: Der Umlaut wird konserviert (Isländisch), er wird eliminiert (Englisch, Niederländisch) – Schwedisch nimmt hier eine Zwischenposition ein –, oder er wird funktionalisiert (grammatikalisiert) und damit morphologisch ausgedehnt (Deutsch, Luxemburgisch).
Im Folgenden werden diese drei Wege nicht nur beschrieben, sondern auch begründet. Der konsequente Sprachwandelvergleich ermöglicht dabei das Verständnis von Zusammenhängen und erlaubt es, aus den Einzelphilologien abgeleitete Annahmen zu revidieren.
Die deutschen Präteritopräsentia sind, indem alte Perfektformen das heutige Präsens stellen, aus mehreren Gründen als hochgradig irregulär zu betrachten. Hinzu kommt ein bisher nicht geklärter Umlaut bei vier (von heute sieben) dieser Verben: „müssen“, „dürfen“, „können“ und „mögen“. Bisherige Erklärungsversuche werden diesem Problem nicht gerecht: Zwar versuchen sie durchaus, den Umlaut im Präsens zu motivieren, doch vermögen sie es nicht, sein ausschließliches Vorkommen im Plural des Präsens zu erklären. Hier wird für die These argumentiert, dass es sich um einen (verbalen) Pluralumlaut handelt, der insbesondere auch im Nominalbereich gang und gäbe ist und dort zur gleichen Zeit einen massiven Ausbau (Morphologisierung) erfährt. Damit handelt es sich um einen sog. transkategorialen Marker. In deutschen Dialekten haben auch andere Verben zu solchen Pluralumlauten gegriffen.