700 Künste; Bildende und angewandte Kunst
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Wenn man heute nach dem ideellen Vermächtnis Aby Warburgs fragt, kommen konzeptuell aufgeladene Begriffe, oder besser gesagt Denkfiguren, wie 'Pathosformel', 'Denkraum' und 'Mnemosyne' in den Sinn. Es sind geniale Wortschöpfungen, die längst jenseits der spezifischen Warburg-Forschung Eingang in die geisteswissenschaftliche Terminologie gefunden haben. Warburg selbst nun, wäre er nach dem für seine lebenslange Forschung zentralen Axiom gefragt worden, hätte zweifellos das 'Nachleben' oder 'Fortleben' oder den 'Einfluss der Antike' genannt. Die Ergründung dieses Phänomens, von ihm immer wieder als "Problem" bezeichnet, das ihn lebenslang "kommandierte", stand nicht nur im Zentrum seiner Forschung, sie war auch das Leitmotiv der Anschaffungspolitik und Organisation seiner Bibliothek – regelrecht sein Programm.
Traumverloren schweift der Blick von der Horizontlinie nach oben gen Firmament – den Sternen entgegen. Wir träumen von ihrer Vielzahl, lassen uns in ferne Weiten entführen. Dort oben, heißt es, schwebt unser Müll, dort schwirren Massen an Satelliten- und Raketenteilen umher. Auch heben sich da oben bekannte Dimensionen auf: 147 bis 152 Millionen Kilometer trennen Mond und Sonne oder 15 Millionen Grad Celsius im Nukleus der Sonne.
Der Kunst- und Kulturhistoriker Aby Warburg zählt zu den Ahnherren der Bildwissenschaft, die in Frankreich, Deutschland und den USA ihre wichtigsten Vertreterinnen und Vertreter hat. Er ist sogar ihr erster Wortführer in Methode und Programm gewesen. Sein Interesse galt nicht nur Kunstwerken, sondern Bildern und ihren Wirkungen überhaupt. Er analysierte Gemälde Botticellis und Manets ebenso wie Briefmarken und Plakate. Überall fand Warburg Gesten und Gebärden, in denen tiefste Trauer oder höchster Triumph ausgedrückt waren und die Szenen mörderischer Verfolgung oder schützender Sorge zeigten. In seinem Dürer-Vortrag von 1905 fand er dafür den Begriff "Pathosformel", in der psychische Energie gebunden sei und die "archäologisch getreu" nachgewiesen werden könne. Pathosformeln wurden zum Instrument seiner kulturgeschichtlich weit ausholenden Studien. Warburg zufolge ist in Pathosformeln seit der Antike der Weg darstellbar, der "aus dem stereometrisch gestaffelt gedachten Aufstiegsraum der Seele" – wie ihn die Mystiker aller Religionen kennen – zum "unendlichen Raum" führe, den er selbst den "mathematischen und psychotechnischen Denkraum" nannte. Er hat ihn auf der dritten der programmatischen Tafeln des Bilderatlasses dargestellt. Dieser Weg war für ihn gleichbedeutend mit der Befreiung des Menschen aus Dämonenfurcht und Sternenglauben, aus Abhängigkeit und Angst. Endlich los kommen müssen wir (so Warburgs Appell) von der dämonischen Seite der heidnischen Götter, die die Rückenansicht ihrer olympischen Heiterkeit ist! In ihnen seien Logik und Magie vereint, die sich "wie Tropus und Metapher" verhielten, die "auf einem Stamme geimpfet blühten ". Warburg suchte nach dem unklassischen, weil ganz auf die Gegenwart bezogenen Nachleben der Antike in Wort und Bild.
Historisch und kulturell bestimmte Formen des Spiels gehören zweifellos zu den bedeutendsten Techniken der Subjektivierung. Inwieweit dies jenseits entwicklungsbiologischer und -psychologischer Aspekte auch für das erwachsene Subjekt gilt, dem gesellschaftlich determinierte Spielräume die Möglichkeit der Selbsterkundung und Selbsterprobung geben, war die Ausgangsfrage des interdisziplinären Symposiums 'Sich selbst aufs Spiel setzen. Spiel als Technik und Medium von Subjektivierung', das unter Federführung der Komparatisten Christian Moser (Bonn) und Regine Strätling (Berlin) veranstaltet wurde. Institutionell getragen wurde das Symposium vom Internationalen Graduiertenkolleg InterArt der Freien Universität Berlin in Kooperation mit der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft am Institut für Germanistik, Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn. Es basierte auf vorab zirkulierten schriftlichen Beiträgen und konzentrierte sich ganz auf deren Diskussion.
Die Ausstellung „Den Steinen zuhören/ Listening to the stones“ im Kunsthaus Dresden widmet sich anlässlich seines 30-jährigen Jubiläums und 160 Jahren Deutsch-Japanischer Freundschaft der Kontaktaufnahme zwischen Menschen und Steinen. Die Aufforderung im Ausstellungstitel erscheint zunächst absurd. Wie soll eine Verbindung unterschiedlichster Mineralien – oder einfach „toter Körper“ – auf akustischer Ebene mit Menschen kommunizieren und was haben sie uns mitzuteilen?
Fährt man in den Urlaub, weiß man eigentlich schon vorab, dass man als Reisende ob der eigenen Unwissenheit mehr bezahlt als die ortskundigen Locals. Man weiß, dass die meisten europäischen Urlaubsorte vom Tourismus leben und drückt im Stillen sein Einverständnis damit aus, indem man überhaupt reist. Gelegentlich aber zahlt man nicht nur etwas mehr, sondern wird beim Rückweg zum Flughafen von einem Taxifahrer, der kein Englisch spricht oder auch nur so tut, um die halbe Insel gefahren, obwohl man vom Beifahrersitz in sein Handy schaut und einem Google Maps einen wesentlich kürzeren Weg angezeigt hat. Man könnte sich aufregen, mit Hand und Fuß mit dem Taxifahrer schimpfen, die Türen des Wagens zuknallen und so dem eigenen Unmut Ausdruck verschaffen. Man kann aber auch ruhig bleiben, dem Taxifahrer thank you for showing us the whole island zurufen, zurückfliegen und eine Ausstellung organisieren, wie Cemile Deniz Alibas, Dominika Bednarsky, Un-Zu Ha-Nul Lee und Lena Stewens es getan haben. ...
Die Verunsicherung auf dem Feld zeitgenössischer Kunst berührt nicht nur die Frage nach der Qualität von Kunst, sondern auch jene der Grenze zwischen Kunst(werk) und ihrem (bzw. seinem) jeweiligen Außen. [...] Kunst, die einen herkömmlichen Werkbegriff in Frage stellt (und vom breiten Publikum oft abgelehnt wird), aber doch verortet und verortbar und daher, zumindest weitestgehend, als Kunst erkennbar ist, soll im folgenden Gegenwartskunst genannt werden, die in den Alltag integrierte und intervenierende und manchmal nicht als Kunst wahrgenommene Kunst als Situationskunst. Gegenwartskunst setzt ihre Autonomie und eine klare Grenze zwischen Kunst und Nicht-Kunst voraus, Situationskunst (die man als eine radikale Ausformung und somit als Teil der Gegenwartskunst ansehen könnte) sät Zweifel an der Kunstautonomie, auch wenn sie diese häufig als Argument gegen Anrufungen oder Übergriffe von Politik, Religion oder Alltagswirklichkeit verwendet bzw. verwenden 'muss'. Bei beiden Formen, die sich in vielen Fällen überschneiden, wird im herkömmlichen Sinne nichts mehr erschaffen ('poesis'), sondern etwas gefunden bzw. letztlich 'einfach' etwas getan ('praxis'). In beiden Fällen versteht sich nichts mehr von selbst: Es ist in der Rezeption - zumindest im ersten Moment - unklar, ob wir es überhaupt mit Kunst zu tun haben. In anderen Worten: Wir können uns im Moment des Ausstellungsbesuches also nicht auf unsere Sinneswahrnehmungen, auf unsere Erfahrung und auf unser implizites (Vor-)Wissen verlassen, wenn wir wissen wollen, womit wir es zu tun haben und was das alles soll. Wir benötigen also nicht zuletzt Erklärungen und Erläuterungen (die wieder zu implizitem Wissen gerinnen können) - und das ist ein Grund, warum zeitgenössische Kunst für die Komparatistik interessant sein könnte. Davon wird noch zu sprechen sein. Die Begriffe Gegenwarts- und Situationskunst decken einen sehr weiten Bereich von Phänomenen ab. Daher wird das Folgende eine kursorische Skizze werden, bei der in erster Linie auf solche Phänomene und ihre Gemeinsamkeiten abgezielt werden soll, die für die Komparatistik von Interesse sind. Im Zentrum steht nicht eine genaue Analyse und Interpretation von Phänomenen, sondern die Frage, was im Hinblick auf die Disziplin der Komparatistik spannend für Analyse und Interpretation wäre. Die im Folgenden diskutierten Phänomene und Beispiele befinden sich auf jeden Fall in der Peripherie der Komparatistik mit allen Nachteilen, welche die Arbeit in Peripherien mit sich bringt.