800 Literatur und Rhetorik
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Im Folgenden soll die besondere Bedeutung von Musik und Geräuschen für den Roman 'Sound' aufgezeigt werden. Es gilt dabei nachzuweisen, auf welchen Ebenen und durch welche Elemente Klang Eingang in den Text findet, aber auch zu zeigen, wie die typographische Gestaltung des Romans zu einer besonderen Rezeptionsweise führt, die beim Leser auditive Prozesse einleitet. In diesem Zusammenhang soll analysiert werden, inwiefern die vom Protagonisten thematisierte Musik, also die Rezeption von Musik im Text, die Rezeption des Textes beeinflusst.
La littérature comparée est aujourd’hui solidement implantée dans les cursus universitaires français. Elle a engagé depuis le tournant des années 2000 une série de bilans et de réflexions sur son histoire, conditions d’un renouvellement pour affronter les nouveaux défis contemporains, notamment celui du numérique et de la mondialisation. On peut difficilement, de fait, comprendre sa place dans l’enseignement et la recherche français sans rappeler, même très brièvement, l’histoire de sa constitution en pratique de la critique et en discipline universitaire, et sans tenir compte des cadres institutionnels au sein desquels elle s’exerce. Cette présentation commencera donc par là, avant d’esquisser un état des lieux et des perspectives pour l’avenir.
Handschuhe sind Bindungswesen. Sie sind zunächst einmal genuin dual, denn sie kommen immer im Paar. Da ein einzelner Handschuh aber viel leichter verloren geht als etwa ein einzelner Schuh, ist die Welt trotzdem voll von einsamen Handschuhen, besonders im Winter. Sie liegen auf Bürgersteigen, Parkbänken oder in Treppenhäusern und geben ein trauriges Bild ab. Der eine ist nichts ohne den anderen. Vielmehr: Er ist zu nichts nutze.
"Im Land des Siegers hat man aufgebaut / Den Grabstein ihm, uns aber geht er um", so lauten die ersten beiden Verse eines Gedichts, das der Lyriker und Dramatiker Hans Schwarz 1924 unter dem Titel "Der unbekannte Soldat" veröffentlichte. Schwarz zufolge haben die Siegermächte ihre im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten anhand des - 1921 zeitgleich in London und Paris eingeweihten - Grabmals des 'Unbekannten Soldaten' demnach augenscheinlich zur Ruhe bringen können, während die toten deutschen Soldaten mangels eines vergleichbaren Symbols zu einer Art Gespenst mutieren mussten: "Und alle Nächte bricht die Wunde auf". Nimmt man Schwarz beim Wort, so ließe sich die Obsession, die der Erste Weltkrieg im gesellschaftspolitischen Diskurs der Weimarer Republik darstellte, in erster Linie darauf zurückführen, dass die gefallenen Deutschen real wie imaginär unbeerdigt geblieben waren. Die anhaltende Präsenz des Krieges wäre unter diesem Gesichtspunkt eher ein rituelles als ein im engeren Sinne politisches Problem.
In der Tat konnte sich der 'Unbekannte Soldat' in Frankreich wie in England nach anfänglich durchaus erhitzten Diskussionen bald als zentrales Monument des Totengedenkens durchsetzen, während man sich in Deutschland die 1920er und frühen 1930er Jahre hindurch sowohl über den Zuschnitt als auch über den potenziellen Standort eines vergleichbaren Grab- oder Denkmals notorisch uneinig blieb. Es waren zunächst unbestreitbar sowohl genuin föderalistische Interessenskonflikte als auch ideologische Grabenkämpfe, die der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz eines zentralen Gedenk- und Erinnerungsortes in Deutschland abträglich sein mussten, so dass man für die gesamte Zeit der Weimarer Republik von einem veritablen "Stellungskrieg der Denkmäler" sprechen kann.
"Auflösung des Judentums" : zu einem literaturwissenschaftlichen Großprojekt Friedrich Gundolfs
(2015)
Von seiner jüdischen Herkunft trägt das wissenschaftliche Werk Gundolfs keine merklichen Spuren. Im Gegenteil hat er solche Spuren systematisch verwischt. Völlig unkenntlich sind sie damit allerdings nicht geworden. Zwischen den Zeilen prägt just sein 'abgelegtes' Judentum wesentliche Teile von Gundolfs Wissenschaftskonzeption, so auch deren sprachliche Verfasstheit und den Zuschnitt ihrer wichtigsten Gegenstände. Auf der Grundlage dieser Annahme will ich im Folgenden ein paar Schlaglichter auf einige wenige, sehr wohl aber repräsentative Gundolf'sche Texte werfen. In Augenschein zu nehmen sind dabei zwei Themenkomplexe: Erstens Gundolfs Vorstellungen von Literatur, Heldentum und Geschichtsphilosophie, die einen zutiefst apolitischen Geschichtsbegriff zu erkennen geben, der ein Phänomen wie die deutsch-jüdische Geschichte nicht mehr erzählbar macht, der v. a. aber die Huldigung eines Kunstideals impliziert, das als heidnisch-christliche Symbiose imaginiert wird. In diesem Kontext wird durchgehend auch die Frage nach den Implikationen einer Wissenschaftsprosa virulent, die sich als performative Umsetzung eines Heldenkultes und säkularen Gottesdienstes begreift und die das Judentum religiös, historisch und kulturell gleichermaßen zur Leerstelle macht. Zweitens Gundolfs Konzeption des 'deutschen Geistes', wie sie prominent bereits im Titel seiner bekannten Habilitationsschrift 'Shakespeare und der deutsche Geist' aus dem Jahr 1911 auftaucht. Es ist in erster Linie die dezidiert transnationale Anlage des 'Deutschtums', die es hier zu analysieren gilt.
Skizzenhaft soll im Folgenden die von Mauthner entwickelte, spezifische Form politischer Sprachkritik im Lichte von Reflexionen seiner jüdischen Zugehörigkeit betrachtet werden. Mauthners Sprachkritik erweist sich in dieser Perspektive als eine eigenständige Form von 'Sprachpolitik', die mit den zeitgleich von Ferdinand de Saussure entwickelten Anfängen einer linguistischen Sprachwissenschaft ebenso wenig gemein hat wie mit der vergleichenden Sprachforschung des 19. Jahrhunderts. Gegen einen 'Fetischismus mit Worten' in den Wissenschaften setzt der stupend belesene Sprachphilosoph einen aufgewerteten Dilettantismus, pointierte Bonmots und parodistische Verfahren.
Dave Eggers' in seinem Roman 'The Circle' entfaltete Zukunftsvision erzählt vom Aufstieg des Konzerns Circle, eines Konglomerats aus Apple, Twitter, Facebook, PayPal und Google, des Erfolgreichsten sowie Umstrittensten also, was die momentane Debatte über Big Data, Datenschutz und Privatsphäre hergibt. Kein Wunder, dass der Roman, so rasch zum Bestseller avancierend wie ins todbringende Pantheon möglicher Schullektüre aufrückend, als 1984 fürs Internetzeitalter stürmisch begrüßt und als verstörend-düstere Prophetie gefeiert wird. Indes die Kritik auch deutliche Mängel diagnostiziert; so moniert man zumeist eine völlig unrealistische Naivität des Romanpersonals, allen voran der Hauptprotagonistin Mae Holland, die sich im Verlauf der Handlung immer vehementer mit der Konzernphilosophie identifiziert und am Ende bereitwillig in den Circle eingeht; bei weitem zu bereitwillig, wie einige Interpreten meinen: "Mae, The Circle's protagonist, is mealymouthed and naive. Other Circle employees wander about the page in raptures, gleeful about their Elysian employment. One has a hard time imagining why they'd be hired in the first place – their vision and intelligence is sorely limited." – "Der Roman malt schwarz und weiß, ganz bewusst", erklärt hingegen Adrian Daub, einen zornigen Autor deutend, der mit groben Effekten größte Wirkung zu erreichen suche, weshalb der Roman auch "absolut unironisch" gemeint sei und die Naivität der Helden damit allein notgedrungen brachiales Kriegswerkzeug eines im Grunde couragierten Kampfes sei, der eben nur noch mit harten Bandagen geführt werden könne. Diese in der grundsätzlichen Anlage sicherlich zutreffenden Interpretationen unterschlagen jedoch eine weitere höchst spannende, da äußerst strittige Lesart, nach welcher der Roman mit der produktiven Rezeption dystopischer Literatur hintergründig auch einen anthropologischen Umbruch verhandelt.
Franz Kafka hat als Angestellter einer Versicherungsgesellschaft auf abstrakter Ebene immer wieder mit Odradeks zu tun, womit die Verunfallten gemeint sind, welche die Grenzen jeder Statistik sprengen und nicht mehr auf herkömmliche Weise in ein Muster übersetzt werden können. Kafkas Behörde, der AUVA, ist es darum zu tun, diesen Ausfall aus dem Sinngefüge nachträglich einzureihen und zudem vorausgreifend in verhütender Manier zu verhindern - womit zu Kafkas Zeit ein gesellschaftspolitisches Programm formuliert wird, welches zwar schon länger im Diskurs pendelt, sich nun aber in der Alltagswelt zu etablieren beginnt: "Die AUVA war in Habsburg das Prunkstück [...] eines Staates, in dem Krankheit und Unfall als gesellschaftsbildend gelten, weil sie, einmal als soziale Übel erkannt, zur Solidarität zwingen; eines Staates, [...] der 'Vorsorge' betreibt und seinem immer drohenden Ruin zuvorkommt, indem er präventiv tätig wird und zur Prävention verpflichtet; und der schließlich sämtliche Individuen versichert, um sich ihrer zugleich zu versichern - der sie also allesamt in ein statistisches Feld der Normen und Abweichungen integriert." Ein schwieriges Unterfangen, denn wie ist ein Unfall, der als ein solcher per se im toten Winkel stattfindet oder diesen gar erst etabliert, mit statistischen Mitteln überhaupt zu beschreiben, wie einzuordnen - dies die Fragen, die ein soeben erst entstehender Versicherungsdiskurs sich stellt und die Kafka dann am heimischen Schreibtisch in Form seiner Schreibprojekte immer wieder künstlerisch dekliniert, um sie ins Allgemeine zu heben. Hat Kafka doch begriffen, dass die Tagesarbeit im Amt eine statistische Denkart zu entfalten beginnt, die bald schon jeden Bereich menschlichen Lebens zutiefst prägen sollte und sich spätestens Mitte des letzten Jahrhunderts vom Staat abkoppelt und zunehmend verselbständigt; seitdem werden die Verfahren vor allem zur ökonomisch begründeten Sondierung potentieller Konsumenten genutzt, ist es in einer Marktwirtschaft doch zu einer existentiellen Notwendigkeit geworden, den Menschen als Kunden so gut wie möglich zu kennen und hierzu eine Art "Kunden-Genom" zu extrapolieren. Bis sich infolge des "computational turn" die faktisch gegebene Möglichkeit etabliert, Statistiken zu entwickeln, die eigentlich keine mehr sind: "Because in the era of big data, more isn't just more. More is different."
Wenn es Ziel des literarischen Realismus ist, die Wirklichkeit darzustellen, dann stellt Theodor Storms Novelle 'Der Schimmelreiter' (1888) ein paradigmatisches Beispiel für diese Bewegung dar. Der Text ist nicht nur darin exemplarisch, dass er ein überlegenes Niveau an sozialer und psychologischer Wirklichkeitsnähe erreicht, sondern auch dadurch, dass er die eigentlichen Vorgänge und Begrenzungen, die jeder Darstellungsgeste eigen sind, dramatisch inszeniert. Storms Novelle legt die Sehnsüchte bloß, die Frustrationen und Opfer, die jeden Versuch, vorsprachliche Erfahrungen in sprachliche Form zu verwandeln, zwangsläufig begleiten. Anhand der unvergesslichen Schilderung seines Protagonisten, Hauke Haiens, der nahezu eigenhändig den Dorfbewohnern mehr bewohnbares Land verschafft, macht Storm die überzeitliche, mythische Konfrontation des Menschen mit dem unbändigen Meer zur Allegorie für das realistische Projekt. Vermittels eines allegorischen Schemas wird Hauke Haiens hydrotechnische Arbeit mit Storms literarischen Bemühungen parallelisiert. Diese miteinander verbundenen Aufgaben sind beide geographisch, insofern sie Einschreibungen in die Erde durch technē sind und das im doppelten Sinne des Wortes: als Technik und Kunst. Genauso wie der Deichgraf dem Meer mehr ertragreiches Land für seine Nachbarn entreißt, integriert der Schriftsteller mehr Wirklichkeit für seine Leser; genauso wie das neue Land durch den sorgfältigen Deichbau gesichert wird, ist die Erzählung durch eine Reihe vielschichtiger Rahmen geschützt; und genauso wie die erworbene Siedlung von Überschwemmungen bedroht bleibt, schließt die Geschichte, um beständig zu sein, ein widerspenstiges Element in sich ein, welches das ganze Unternehmen motiviert wie aber auch gefährdet. Dieser letzte Punkt wirkt sich vernichtend auf das realistische Darstellungsprojekt aus, das ja einen Sinngehalt artikulieren will, also eine Artikulation anvisiert, die sich direkt auf das Bild der Küste bezieht, genauer auf die Linie, welche Land und Meer voneinander trennt.
Der romantische Liedzyklus ist keiner, denn sein Held kehrt nicht zurück. Ausfahrt, Abenteuer und Wiederkunft, das ist das Modell, das das zyklische Denken der musikalischen Klassik strukturiert. Da geht es als Exposition, Durchführung und Coda in die Logik der Komposition ein. Wenn der romantische Held sich hingegen in die Welt begibt, neugierig, sehnsüchtig oder ausgetrieben aus dem nicht länger Erträglichen, so riegelt er das Heimische ab und treibt von nun an im Anderswo. Adornos Charakterisierung der romantischen Musik als Triumph der Variation über das Thema transponiert dieses Narrativ ins Strukturelle der Form, der nun im Sonatenhauptsatz das finale Glied amputiert wird. Noch bevor die Expressionisten sich des O-Mensch-Pathos von Nietzsches vielleicht bekanntestem Gedicht bemächtigten, hatte es schon ein Komponist für sich entdeckt. Im langsamen 4. Satz von Mahlers 3. Symphonie sträubt sich der misterioso vorzutragende Text gegen den vom Kinderchor gesungenen des darauffolgenden Satzes und produziert einen der Mahler'schen Brüche, die für den Hörer entweder eine neurotische Entgleisung oder eine lustvolle Reibungsfläche darstellen. Die Lektion der Mitternacht, die Dunkel über Tageslicht stellt und damit zum Ewigkeitsbezug führt, scheint nicht allzu weit entfernt von den Hymnen des Novalis, und in der Reihung Dunkel-Lust-Ewigkeit sind auch Tristan und Isolde nicht allzu fern.
Pascal Dusapin, geboren 1955, hat in Paris bei Xenakis studiert und ist anfänglich fasziniert von dessen, letztlich wohl von Edgar Varèse ausgehenden, Operationen mit Klangmassen, die er aber spätestens in den 1990er Jahren für deutlich filigranere Strukturen, die oftmals von Mikrotonalität geprägt sind, aufgibt. In seinen Kompositionen, die auf Textvorlagen zurückgreifen, lässt Dusapin sich wiederholt von der deutschen literarischen Tradition inspirieren. Eines seiner drei jeweils als Requiem bezeichneten Chorwerke aus den Jahren 1992-97 vertont acht mittelhochdeutsche Gedichte von Meister Eckhardt, wobei die sparsame Expansivität des Klangmaterials der intensiven Gottsuche des Mystikers nicht völlig gerecht zu werden scheint.
[Der] Status des Rechts [ist] in der Odyssee grundsätzlich ambivalent [...]: Auf der einen Seite grenzt sich Odysseus unter Berufung auf eine allgemeine "rechtliche Ordnung" (thémis) und die öffentliche Versammlung (agorá) von der rechtlosen Welt der Kyklopen ab, auf der anderen liegt Interpretation und Durchsetzung von Recht im Konfliktfall beim Einzelnen: Was "Recht" ist, wird zu einem großen Teil von Macht, Einfluss und Ansehen der Parteien bestimmt. Dennoch hieße es die Komplexität der in der Odyssee beschriebenen Ordnung zu vereinfachen, wollte man sie auf ein rohes Recht des Stärkeren zurückführen – Odysseus wird in seinem Epos schließlich gerade nicht durch Verbindlichkeit durchsetzende Stärke, sondern durch wendige, ja unverbindliche Listigkeit charakterisiert. Doch wie ließe sich dann die zuguterletzt wiederhergestellte rechtliche Ordnung differenziert beschreiben? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst eine Reflexion auf das grundsätzliche Verhältnis zwischen Recht und Epos vorzunehmen. Sie soll in den folgenden Abschnitten in der Diskussion einiger maßgeblicher rechtshistorischer Ansätze am Beispiel der Ilias geleistet werden. Im zweiten Hauptteil dieses Textes wird dann eine Lektüre der Odyssee unter dem Aspekt epischer Verbindlichkeit im Vordergrund stehen; sie wird in die Frage münden, in welchem Verhältnis die formale Geschlossenheit des Epos zur Herstellung von Ordnung steht. Die Problematik der epischen Form wird ihrerseits abschließend zum Verhältnis von Epos und Recht zurückführen, wobei nun allerdings das Epos als Gegenstand von mündlicher Überlieferung und (mythischer) Gesetzgebung im Zuge der pólis-Werdung Athens im Mittelpunkt steht.
In der Medien- und Filmwissenschaft, von deren semiologischen Ansätzen sich Pierre Bourdieu scharf abgrenzt, wird sein Konzept der symbolischen Herrschaft vergleichsweise wenig rezipiert. Darin selbst sind einige blinde Flecken, die von Bourdieu nicht reflektiert wurden. Zu den blinden Flecken gehören zum einen die Nichtberücksichtigung der darstellerischen, ästhetischen wie narrativen Eigenlogiken des Films, zum anderen die Nichtberücksichtigung der Eigensinnigkeit der ZuschauerInnen in der Rezeption und Aneignung filmischer Inhalte, zwei Aspekte, die die symbolische Herrschaft des oder im Film unterlaufen können. Da Bourdieu weder Filme inhaltlich analysiert noch Rezeptionsstudien durchführte, wird fälschlicherweise von der Form auf die Schichten der ZuschauerInnen geschlossen. Im Anschluss an die zentrale Thematik der symbolischen Herrschaft (symbolischen Gewalt, symbolischen Macht) lassen sich diese Konzepte allerdings gewinnbringend auf die verschiedensten Dimensionen und Instanzen der medialen Analyse an der Schnittstelle zwischen Medien- und Filmwissenschaft sowie der Filmsoziologie, im Folgenden insbesondere die Soziologie des Films respektive die Soziologie durch Film, anwenden.
Als Franz Horn, Vorreiter einer modernen Literaturgeschichtsschreibung, 1824 nach einer angemessenen Bezeichnung des Zeitraums zwischen 1750 und 1770 suchte, erinnerte er seine Leser daran, dass diese Jahre unlängst noch als das "goldene Zeitalter der deutschen Literatur" bezeichnet worden waren. Dessen Schriftsteller - so Horn bereits 1805 - hätten einen wichtigen Beitrag zum "Wiederaufblühen und der Reife unserer Literatur" geleistet. Genauso sahen es bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein zahlreiche Literaturhistoriker. Karl Herzog bilanziert 1831 die "Selbständigkeit der National-Literatur" unter der Überschrift "Von der Mitte des 18ten Jahrhunderts bis auf unsere Zeit"; für Christian Georg Friedrich Brederlow beginnt das "classische Zeitalter der deutschen Literatur" in der "Mitte des 18. Jahrhunderts", für Werner Hahn setzt die "Zeit der klassischen Vollendung der deutschen Poesie" mit "Klopstock 1748" ein, Karl Gustav Helbig periodisiert "vom zweiten Viertel des 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart", Joseph Hillebrand spricht von einer "nationalliterarischen Reformation unter Lessing", was zugleich "der Anfang ihrer klassischen Wiedergeburt" gewesen sei, und Heinrich Laube sieht mit Lessing gar "diejenige Literatur, welche man die klassische nennt", beginnen.
Was hier immer wieder wie eine zusammenhängende Periode erscheint, die ausgehend von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zu seinem Ende reicht, sollte schon bald zu einem mehrstufigen Entwicklungsmodell ausdifferenziert werden, an dessen Ende die Weimarer Klassik steht - als mondäner Gipfel, der einen großen Schatten werfen wird auf die vermeintlichen Niederungen der Literaturlandschaft.
Günter Eich, 1907–1972
(2015)
Günter Eich (1907–1972) zählt zu den bekanntesten und vor allem in den 50er und 60er Jahren nachhaltig rezipierten Dichtern, Hörspielautoren und Übersetzern der Nachkriegszeit. Der posthum 1976 erschienene gelbe Suhrkamp-Band mit dem Titel "Aus dem Chinesischen", in dem Eichs Anfang der 50er Jahre erschienene Übersetzungen versammelt sind, dürfte seine relativ weite Verbreitung und Bekanntheit dem Ruhm des Dichters verdanken.
Folgt man einem Eintrag in einer der meistbenutzten Online-Enzyklopädien, dann gehört Reinhart Koselleck in Frankreich zu den bekanntesten deutschen Historikern des 20. Jahrhunderts. Eine vergleichsweise lange Liste von Übersetzungen und kritischen Beiträgen bekräftigt dieses Urteil und unterstreicht zugleich die spezifischen Interessengebiete, die für die französische Rezeption Kosellecks wichtig wurden. Sie reichen von der Sozial- und Begriffsgeschichte über die Geschichte von Recht und Gerechtigkeit bis zu Problemen der Erinnerungskultur und der Theorie der Geschichte. Vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts erschien eine Reihe von Übersetzungen wesentlicher Beiträge Kosellecks zu diesen Themen ins Französische. Dass sich diese Periode mit einer Phase intensiver methodologischer und theoretischer Auseinandersetzungen unter französischen Historikern deckte, war für die Art und Weise, in der Kosellecks Arbeiten aufgenommen und diskutiert wurden, keineswegs unwichtig. Zeitweilig erwuchs daraus ein Dialog, der auf beiden Seiten des Rheins eine ganze Generation junger Historiker einschloss.
Biodiversität ist ein relativ junger Terminus, der in den knapp dreißig Jahren seines Bestehens eine erstaunliche Konjunktur erfahren hat. 1988 prägte der Entomologe Edward O. Wilson den Begriff. Biodiversität bezieht sich auf die Vielfalt des Lebens hinsichtlich dreier Ebenen. Unterschieden werden erstens die genetische, zweitens die organismische und drittens die ökologische Ebene. Anders gesagt umfasst Biodiversität den Bereich der Gene und damit die innerartliche Diversität, den Bereich der Taxa, wie etwa die Vielfalt der Arten, und den Bereich der Lebensgemeinschaften, also die Diversität der Ökosysteme.
Dabei ist Biodiversität keineswegs rein biowissenschaftlich bestimmt. Meilenstein der Debatten ist die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992, auf der die "Convention on Biological Diversity" beschlossen wurde. Sie beinhaltet Aspekte der ökonomischen Nutzbarkeit, der sozialen Gerechtigkeit und der Schutzverpflichtung des Menschen gegenüber der Natur und geht insofern weit über eine biowissenschaftliche Bedeutung hinaus. Biodiversität, das hat auch die Vilmer Sommerakademie 2002 klar herausgearbeitet, ist ein eminent politischer Begriff, der lanciert wurde, um die Mensch-Natur-Beziehung neu zu konstituieren. Uta Eser hat den Begriff Biodiversität daher als ein "Grenzobjekt" beschrieben, der zwischen Natur und Kultur vermittle.
Gerade als ein derartiges Grenzobjekt wird Biodiversität auch literarisch produktiv. Wie innerartliche Diversität, Artenvielfalt und Biotopschutz zu einem vielstimmigen Kunstwerk verknüpft werden können, zeigt Brigitte Kronauer in ihrem jüngsten Werk.
Auch wenn die hier skizzierten Aspekte von Geschichtstransformation als eines funktionalisierten produktiv-variierenden Reproduktionsakts notwendig vorläufig und schematisch geblieben sind, dienen sie doch als heuristische und begriffliche Hilfsmittel, die es erlauben, die einzelnen Transformationsfälle miteinander in Beziehungen zu setzen und innerhalb eines potentiellen Spektrums historischer Rezeption zu verorten, denen die vier Sektionen des Bandes Rechnung tragen. Dies ist umso wichtiger, als ein wesentliches Anliegen darin bestand, die Vergangenheitsaneignung in ihrer historischen Breite sowie ihrer formalen Variabilität zu erfassen: So reichen die Beispiele von der Vormoderne bis in die jüngste Gegenwart - mit Konzentration auf Zeiten intensivierter Geschichtsbezogenheit wie Renaissance und Frühe Neuzeit (Rau,Schirrmeister), Vormärz und Historismus (Immer, Jäger) oder Klassische Moderne (Meid, Modlinger, Wiegmann-Schubert). Der Verfahrens- und Funktionsvielfalt entsprechen die gewählten methodisch-theoretischen Paradigmen: Dass sich die einzelnen Konkretisierungen aus der Perspektive des Linguistic Turn (de Dobbeleer/Russell) ebenso erschließen wie im Rekurs auf narratologische (Geilert/Voorgang,Suslak), mythentheoretische (Lammel) oder postkoloniale (Sieber) Ansätze, indiziert die spezifische Anschlussfähigkeit des transdisziplinären Kulturphänomens "Geschichtstransformation".
Koselleck in Italien
(2015)
Das Werk Reinhart Kosellecks ist in Italien im Rahmen der Historiographie, der Theorie der Geschichte, der Philosophie und der Politikwissenschaft relativ bekannt. Im italienischen Sprachraum haben seine Theorie historischer Zeiten, seine begriffsgeschichtliche Methode und seine Historik eine weite Verbreitung erreicht. Etwas weniger bekannt sind seine Aufsätze zur politischen Ikonologie. Die Übersetzung der Schriften Kosellecks in die italienische Sprache begann erst in den 1970er Jahren. So wurde 1972 'Kritik und Krise', 1986 'Vergangene Zukunft', 1988 das Buch über Preußen, 1990 'Hermeneutik und Historik' und 1992 'Das Zeitalter europäischer Revolution 1780–1848' übersetzt. Die 'Studien zum Beginn der modernen Welt' erschienen im Jahre 1997 in einer italienischen Ausgabe. 2009 wurde eine Teilausgabe der 'Begriffsgeschichten' im Italienischen veröffentlicht. Außerdem sind mehrere Artikel Kosellecks aus den 'Geschichtlichen Grundbegriffen' (1991 'Fortschritt', 1993 'Demokratie', 2009 'Geschichte', 2012 'Krise') und einige Aufsätze ('Concepts of Historical Time and Social History' (1980), 'Das achtzehnte Jahrhundert als Beginn der Neuzeit' (1987), 'Die Transformation der politischen Totenmale im 20. Jahrhundert' (2002)) übersetzt worden. Koselleck wird in Italien meist als Begriffshistoriker wahrgenommen und ist für das italienische Publikum der wahrscheinlich bekannteste Vertreter der deutschen Begriffsgeschichte.
[Rezension zu:] Bescansa, Carme/Nagelschmidt, Ilse (Hgg.) : Heimat als Chance und Herausforderung
(2015)
Rezension zu Bescansa, Carme/Nagelschmidt, Ilse (Hgg.) (2014): Heimat als Chance und Herausforderung. Repräsentationen der verlorenen Heimat. Berlin: Frank & Timme, ISBN 978–3–7329–0027–5, 333 S.
Die Publikation besteht aus einer Auswahl von Beiträgen (insgesamt 17), die auf der Internationalen Tagung 'Repräsentationen der verlorenen Heimat in der deutschsprachigen Literatur Böhmens, Mährens, Schlesiens' an der Universität des Baskenlandes in Vitoria-Gasteiz im Juni 2013 gehalten wurden. Die Tagung wurde als Abschluss von zwei an der baskischen Universität in den Jahren 2010 und 2013 realisierten Forschungsprojekten realisiert. Den Untersuchungsgegenstand der literarischen Analysen stellt die Frage der verlorenen bzw. verschwindenden Heimat und Identität dar.
Während seines Aufenthaltes in Algerien hatte Pierre Bourdieu die eminente Bedeutung des Symbolischen erkannt. In der traditionellen Gesellschaft der Kabylei entdeckte er die relative Unabhängigkeit des Symbolischen (etwa der Ehre) gegenüber dem Ökonomischen. Mit Marx und Weber stimmte er darin überein, dass Sinnbeziehungen auf Machtbeziehungen beruhen. Während Marx in seiner antiidealistischen Haltung das Symbolische als eine bloße Widerspiegelung der ökonomisch- politischen Beziehungen betrachtete, unterstrich Bourdieu die Eigenlogik des Symbolischen, das nicht auf das Ökonomische im engeren Sinn reduziert werden kann. Der Begriff des symbolischen Kapitals wurde dann zu einer zentralen Kategorie des Theoriegebäudes von Bourdieu.
Wenn in Frankreich, wie Curtius schreibt, die Literatur zum repräsentativen Ausdruck der Nation geworden war, so hatte das historische Gründe, die auf das Zeitalter der Klassik und der absoluten Monarchie zurückgehen. Im heutigen Frankreich ist in der Tat die Klassik, namentlich das Zeitalter Ludwigs XIV., die entscheidende kulturelle Referenz. Die wichtigen Werke dieser Zeit sind im kulturellen Gedächtnis der Franzosen präsent, bilden einen bedeutenden Teil eines lebendigen Erbes. Der Höhepunkt der politischen Macht unter Ludwig XIV. war gleichzeitig eine kulturelle Blütezeit. Die Kultur war schon seit der Renaissance in das nationale Leben integriert. Dieser Integrationsprozess verdichtete sich indes in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Peter Burke und Louis Marin haben aufgezeigt, wie alle Künste, die Literatur, die Malerei, die Bildhauerei und die Architektur, dazu beitrugen, die symbolische Macht der absoluten Monarchie zu konstituieren, und zwar im zentralen Bereich der Zeichen und der Imagination, eine Macht, die vor allem in der Re-Präsentation bestand. Man wird sich aber vor der Vorstellung hüten müssen, die Künste seien vom Sonnenkönig nur instrumentalisiert worden. Wegen ihrer Integration in die zentralen Sphären der Gesellschaft erreichten sie gleichzeitig einen bedeutenden sozialen Status. Wenn der König sein Zeitalter immer wieder mit demjenigen von Augustus vergleichen ließ, dann war das gleichzeitig ein Anstoß und eine Verpflichtung zur Förderung der Künste.
Den wissenschaftlichen Historismus seit Leopold von Ranke und den ästhetischen Historismus des klassischen historischen Romans seit Walter Scott, der bis heute etwa im Wenderoman von Uwe Tellkamp seine Fortsetzung findet, scheint eher ein Verwandtschafts- als ein Transformationsverhältnis zu verbinden. Etablierte sich der historische Roman gerade dadurch als Gattung, dass er an der Geschichtswissenschaft und ihrem Wahrheitskriterium Maß nehmend Ebenbürtigkeit reklamierte, relativiert die postmoderne Historiografieforschung umgekehrt den Gültigkeitsanspruch der wissenschaftlich ermittelten Sinnhaftigkeit der Geschichte als Produkt narrativer Verfahren ihrer Darstellung. Die Transformation der Geschichtswissenschaft in den historischen Roman, so die These dieses Aufsatzes, betrifft weniger die Erzählverfahren als vielmehr die Sinndeutung: Die abstrakten Sinnzusammenhänge, die die Wissenschaft konstruiert, übersetzt der Roman zurück in konkreten Sinn, der der Geschichte die Aura von Subjektgemäßheit und Zustimmungswürdigkeit verleiht.
Interessiert man sich im Hinblick auf den Primitivismus für das Wechselverhältnis von Ethnologie, Kunstgeschichte und den Künsten, versprechen Carl Einsteins kunstwissenschaftliche Schrift 'Negerplastik' und sein kubistisch inspirierter Text 'Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders' aufschlussreich für eine Untersuchung zu sein. 'Negerplastik' erörtert kunstgeschichtliche Fragestellungen zur Raumdarstellung am Verhältnis von kubistischer und primitiver Kunst und diskutiert letztere unter einem mit der Ethnologie geteilten Interesse an Kult und Ritual. 'Bebuquin oder die Dilettanten des Wunders' wiederum macht kubistische Formprinzipien und die zirzensischen Künste als Importe des Primitiven in die moderne europäische Großstadt lesbar und betreibt dadurch eine literarische Variante innerkultureller Ethnographie. Die Hypothese teilend, Intermedialität stelle für den modernen Primitivismus ein konstitutives Moment dar, möchte ich ein Medium des Primitivismus in den Fokus rücken, das kulturelle Transfers bei der Konzeptualisierung und Repräsentation des Primitiven besonders greifbar und transparent macht: die Puppe.
Die rebellische Geste wie die intellektuelle Programmatik der Wende des jungen Scholem wird durch eine besondere Aufmerksamkeit auf die 'Sprache' im Allgemeinen und die 'deutsche' wie die 'hebräische' Sprache im Besonderen begleitet. Das Problem der Sprache stellte sich Scholem auf zwei Ebenen: auf derjenigen der 'parole', der Sprachpraxis, sowie auf derjenigen der 'langue', der Sprachtheorie. Im Fokus stehen hier primär zwei sprachpraktische Ebenen: erstens eine 'kulturpolitische', die von der Konkurrenz zwischen der bestehenden deutsch-jüdischen und einer entstehenden neuhebräischen Sprachkultur geleitet ist; zweitens eine 'historisch-philologische', die zunächst vom Problem des Übersetzens des Hebräischen ins Deutsche ausgeht und letztlich auf die Begründung eines neuen Begriffs der Philologie zielte. Darüber hinaus verhandelte Scholem die Sprache auch auf zwei theoretischen Ebenen: einer 'mathematisch-philosophischen', die die Wahrheitsfunktion der Sprache umfasst, sowie einer 'theologischen' und 'mystischen' bzw. 'kabbalistischen' und somit einer spekulativen Metaphysik der Sprache. Diese theoretisch-spekulativen Ebenen von Scholems Sprachreflexion begründen zwar auch seine Vorstellung der Sprachkultur der Juden, können hier aber im Hintergrund stehen.
Blaustrumpf
(2015)
Der Blaustrumpf ist ein merkwürdiges Textil, das bereits auf den ersten Blick eher geschriebener denn gestrickter Natur ist. Studieren lassen sich an ihm dennoch die enge Verwobenheit von Kleider- und Geschlechterordnungen ebenso wie verschiedene Übersetzungsvorgänge zwischen vestimentären und anderen kulturellen Codes.
Im Zentrum der vorliegenden Studie steht Benjamins Konzeption der Politik der "Entstaltung". Dabei soll gezeigt werden, dass diese vor allem einer "Gesellschaft des Spektakels" Paroli bietet, in welcher alles, selbst die Politik sich als Zurschaustellung und Aufführung inszeniert. Die Politik der "Entstaltung" zielt hingegen darauf ab, mit der gesellschaftlichen Inszenierung und Repräsentierbarkeit radikal zu brechen und jenseits dieser eine Politik des Nicht-Repräsentierbaren als wirkliche Demokratie zu ermöglichen. Sie setzt dort an, wo eine konstitutive Lücke in der Gesellschaft sichtbar wird. Sie ist in erster Linie nichts anderes als die Sichtbarmachung und Zurschaustellung einer solchen konstitutiven Lücke in der gesellschaftlichen Ordnung. Die Lücke ist das Moment, in dem die gesellschaftliche Repräsentation und Darstellung, das heißt die Mimesis endet und die Performanz als das radikal Undarstellbare ansetzt. Diese Lücke heißt bei Benjamin im Anschluss an Brecht "Zustand". Die Politik der Entstaltung hält daher an "Zuständen" (GS II, 521) fest, die noch inhaltsleer sind und als Orte des Übergangs fungieren.
Die vorliegende Studie verortet den Begriff der Entstaltung im Kontext der Theorien der Gestalt bei Goethe, Mach, Ehrenfels und in der Gestaltpsychologie. Benjamins Begriff der Entstaltung ist demnach als ein antimetaphysisches Gegenkonzept zur Gestalt aufzufassen. Diese Studie führt den Gegensatz von Gestalt und Entstaltung auf die Divergenz zwischen Goethe und der Romantik zurück. Sie verfolgt die These, dass die Phantasie als "Entstaltung des Gestalteten" (GS VI, 114) in Benjamins Konzeption der Politik eine wesentliche Rolle spielt.
Ausgehend von der Beobachtung, dass ökologische Fragen in Comics eine zunehmende Rolle spielen, liefert der Beitrag einen systematisierenden Einblick in den Variantenreichtum graphischer Umwelt- und Klimawandelliteratur und untersucht, auf welche Art und Weise Helden hier inszeniert werden. Dabei wird erkennbar, dass die Kritik an einer globalen Umweltkrise nicht nur im Rahmen der Handlung, sondern insbesondere durch erzählerische Mittel und Aspekte der Figurendarstellung vermittelt wird.
The article deals with Thomas Mann' s attitude to Stefan George and his work. The first part reproduces and comments on Mann's statements about George. It transpires that Thomas Mann's attitude to George was highly contradictory. This fact is mainly due to the self-searching of the North German author against the background of historical events. The article also contains an analysis of two short stories by Thomas Mann ('At the Prophet's' and 'Death in Venice') that have some relation to George (or his disciples) and thus clarify the issues in question.
Zu Beginn dieser Arbeit stand die Vermutung, dass die Klangsprache von Arnold Schönbergs Werk Pierrot lunaire stark durch Albert Girauds gleichnamigen, von Otto Erich Hartleben ins Deutsche übertragenen Gedichtzyklus beeinflusst worden ist.
Um genauer herauszuarbeiten, wie ein Gedichtzyklus die Klangsprache eines Komponisten beeinflussen kann, wurde zuerst Girauds Originaltext mithilfe der symbolistischen Ästhetik sowie der ästhetischen Kategorien des Capriccio und der Groteske analysiert. In einem zweiten Schritt wurde - mithilfe von Walter Benjamins Überlegungen zur Aufgabe des Übersetzers - Otto Erich Hartlebens Übertragung von Girauds Zyklus untersucht. Im Laufe dieser jeweiligen Analysen kristallisierte sich die Rolle des Ephemeren sowohl in der Gestaltung des Originaltextes als auch innerhalb des Vorgangs der Übersetzung heraus.
Das Wirken des Ephemeren im Kunstwerk wurde mithilfe von Theodor W. Adornos Ästhetische Theorie genauer dargestellt und mündete in der Hauptfrage der vorliegenden Untersuchung: Wie gestaltet das Ephemere den Pierrot lunaire bei Albert Giraud, Otto Erich Hartleben und Arnold Schönberg? In Bezug auf Schönbergs Werk wurden dabei in erster Linie der Sprechgesang, die Wechselwirkung von Instrumentation und Klangfarbe sowie einzelne Elemente der Klangsprache behandelt.
Selbstverständlich wird für die Verwirklichung der posthumanen Welt vorausgesetzt, dass der humanistisch-anthropozentrische Menschenbegriff bzw. seine Geschichte zu einem Ende gelangt sind. Denn die Idee des Posthumanen beinhaltet im wörtlichen Sinne eine Vorstellung des Menschen, der nach dem humanistischen Menschen kommt. Daher muss der posthumane Diskurs nicht im Kontext der apokalyptischen Weltanschauung als das Verschwinden der Menschheit oder als eine 'Auslöschungsfantasie' betrachtet werden, sondern in der kommenden historischen Phase als ein neues Ethos, wodurch man den neuen Menschen definieren kann.
Diese Ansicht wird im dritten Roman von Christian Kracht, Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten (2008), verdeutlicht: Der Roman wurde seit seinem Erscheinen zwar hauptsächlich als ein dystopischer Roman, eine Geschichte von der Endzeit aller Zivilisation gelesen, kann aber ebenso dahingehend verstanden werden, dass das Verschwinden der humanistischen Welt, die in Europa entwickelt worden ist, die Voraussetzung für den Anbruch eines neuen Zeitalters bzw. Menschen bildet. Im Folgenden werde ich mich zuerst den neuen Menschenbildern, die mit der Technik verbessert und zusammengeschlossen werden, annähern und einen Überblick über verschiedene Ausprägungen des Posthumanismus geben.
Aus dem Leben der Knöpfe
(2015)
Der Knopf ist ein diskretes und zugleich unabdingbares Teilstück textiler Verschlüsse und steht als solches im Zentrum erbitterter Kämpfe und subtiler Gunstbezeigungen: In seiner 'Rede an einen Knopf' aus dem Jahr 1915 gesteht Robert Walser einem schon ziemlich abgewetzten Hemdknopf seine Liebe; er dankt ihm für die in der "unauffälligsten Unauffälligkeit" zugebrachten Dienstjahre und seine weitgehend unbeachtete Leistung. In Louis Pergauds Roman 'La Guerre des boutons' (1912) hingegen wird eine Fehde zwischen den Heranwachsenden zweier südfranzösischer Dörfer als ein Kampf um Knöpfe ausgetragen, bei dem sich die Protagonisten der befeindeten Lager zwar nicht die Kehlen, wohl aber die Knopflöcher aufschlitzen und die Metallhaken und Knöpfe von Hemd und Hose schneiden.
Käte Hamburger nimmt im Folgenden mehr Raum ein, weil der Weg ihrer Theoriebildung vor dem Hintergrund der anderssprachlichen Exilerfahrung ein ungleich verwickelterer ist. Ihr Denkstil potenziert sich - anders als bei Susman, die ins Exil nach Zürich ging und den Verlust dialogischer Denk- und Schreibformen zeitlebens zu kompensieren suchte - im Gang durch die Fremdsprache auf der Folie der eigenen Sprache und Grammatik und erweist sich als konsequent monologischer. Einer Einführung zu den für die Theoriebildung symptomatischen Aspekten anhand einer kurzen biografischen Skizze Hamburgers folgt der Abschnitt "Wer spricht?", der die begriffliche Trennungsleistung Susmans und die Verwerfungsgeste Hamburgers als eine literaturwissenschaftliche Arbeit am Ich beleuchtet. Ein weiteres Kapitel konstelliert ungeschriebene und umgeschriebene Arbeiten der Autorinnen angesichts einer abgerissenen und von Hamburger als 'tot' bezeichneten Wissenschaftstradition. Der letzte Teil schließlich bündelt und ergänzt die Beobachtungen und bezieht sich zurück auf den Ausgangspunkt - die Auflösung von Denkräumen.
Der Mythos des Sklavenführers Toussaint Louverture aus der ehemals reichsten französischen Kolonie Saint-Domingue, der durch sein Wirken während der Haitianischen Revolution (1791-1804) den Weg zur Unabhängigkeit Haitis ebnete, erfuhr in der Zeit der französischen Romantik eine Transformation. Wurde er von aus Frankreich stammenden Zeit- und Augenzeugen noch überwiegend als grausamer und ungebildeter Afrikaner dargestellt, der die Franzosen um ihre schönste Kolonie gebracht hatte, wird Toussaint Louverture von Honoré de Balzac, François-René de Chateaubriand und Germaine de Staël als Widerpart Napoleons in Szene gesetzt. Diese neue Funktionalisierung des haitianischen Revolutionsführers wird im Beitrag herausgearbeitet und es wird mithilfe des historischen Kontexts der Frage nachgegangen, welche Gründe die Schriftsteller zu einer solchen Transformation Toussaints motivierten.
Stories can elicit powerful emotions. A key emotional response to narrative plots (e.g., novels, movies, etc.) is suspense. Suspense appears to build on basic aspects of human cognition such as processes of expectation, anticipation, and prediction. However, the neural processes underlying emotional experiences of suspense have not been previously investigated. We acquired functional magnetic resonance imaging (fMRI) data while participants read a suspenseful literary text (E.T.A. Hoffmann's "The Sandman") subdivided into short text passages. Individual ratings of experienced suspense obtained after each text passage were found to be related to activation in the medial frontal cortex, bilateral frontal regions (along the inferior frontal sulcus), lateral premotor cortex, as well as posterior temporal and temporo-parietal areas. The results indicate that the emotional experience of suspense depends on brain areas associated with social cognition and predictive inference.
Deutsch-jüdisch, griechisch-deutsch : Walter Benjamin, Maurice Blanchot und die 'reine Sprache'
(2015)
Zwar ist Benjamins Werk in deutscher Prosa verfasst, die ihresgleichen suchen muss, doch wird die deutsche Sprache in seinen sprachtheoretischen Schriften kaum behandelt. Vielmehr geht es Benjamin darin um eine tiefere Schicht der Sprache überhaupt, die er in ihrer ontologischen, metaphysischen und theologischen Erscheinungsform ins Auge fasst. Zudem spielt, nicht zuletzt über den Austausch mit Gershom Scholem, das Hebräische, dessen Benjamin allerdings kaum mächtig war, als Ursprache eine bedeutende Rolle. Die Rezeption der jüdischen Dimension von Benjamins Sprachtheorie, die sich explizit auf die hebräische Bibel beruft und zumindest teilweise kabbalistischen Vorstellungen entspringt, gilt es im Folgenden am Beispiel der Aufnahme von Benjamins Theorie der 'reinen Sprache' im Denken Maurice Blanchots zu erkunden.
"Aber ein Sturm weht vom Paradiese her", schreibt Walter Benjamin bekanntlich in seinen geschichtsphilosophischen Thesen, "während der Trümmerhaufen [...] zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm." Bei Zola heißt dieser Fortschritts-Sturm "Windstoß des Jahrhunderts, der den bröckligen Bau der alten Zeiten" davonbläst. Aus welchen Bestandteilen ist 'dieser' Windstoß, der vom "Paradies der Damen" her weht, zusammengesetzt? Anders gefragt: Wie konnte es Octave Mouret gelingen, innerhalb kürzester Zeit ein "millionenreicher Modehändler", zum "Bahnbrecher des neuen Handelswesens" zu werden? Genau davon handeln die 513 Seiten des Romans.
Thomas Manns Erzählung Der Erwählte steckt voller Bezüge zu anderen Texten. Spätestens an seinem Ende, noch nach dem "Valete", wird an dem, was in der Terminologie Genettes "Paratext" genannt wird, explizit ersichtlich, dass Der Erwählte eine Vorlage hat; dort steht: "Diese Erzählung gründet sich in den Hauptzügen auf das Versepos 'Gregorjus' des mittelhochdeutschen Dichters Hartmann von Aue, der seine 'Geschichte vom guten Sünder' aus dem Französischen ('Vie de Saint-Grégoire') übernahm.' Der Text ist die Übernahme einer Übernahme, bzw., wieder mit Genette, ein Hypertext auf einen Hypotext, der seinerseits ein Hypertext auf einen Hypotext ist usw., so dass man es hier an jeder Stelle mit Intertextualität zu tun hat. Dieser Tatbestand kann der gebildete Leser/die gebildete Leserin allerdings auch zuvor bemerken, wenn er/sie über Zitate, Plagiate und Anspielungen weiterer Texte stolpert. Das wurde natürlich längst auch schon bemerkt: Daraus besteht die Thomas-Mann-Quellenforschung. War aber beispielsweise Walter Berendsohn 1945 noch eher nett überrascht, bei einem Textvergleich zwischen Thomas Manns Tristan und Richard Wagners Tristan und Isolde zu dem Ergebnis zu kommen, "daß sich der Dichter einen recht ansehnlichen Teil seines Wortmaterials von dort geholt hat", sogar "ganze Sätze", so ist das zwanzig Jahre später im Thomas-Mann-Archiv etwas anders, wie Hans Wysling berichtet:
Als Thomas Manns Arbeitsweise bekannt wurde, war man zuerst ratlos. Es herrschte damals, um es drastisch zu sagen, eine dicke Luft im Archiv. [...] Waren Thomas Manns Werke denn alle ausgestopfte Vögel? War er ein 'arch-deceiver'? [...] Wir suchten nach einem angemessenen Montage-Begriff, wir suchten nach den verschiedenen Bedeutungen, die das Wort 'Quelle' für Thomas Mann hat
Für die stabile Weitergabe von phänotypischen Merkmalen an nachfolgende Generationen über die Keimbahn ist in der Biologie der Begriff der Vererbung reserviert. In diesem ist die Transgenerationalität immer schon mitgemeint, sie muss nicht gesondert angezeigt werden. Dies ist anders im Forschungsfeld der "Epigenetik". Hier werden seit einigen Jahren molekularbiologische Übertragungsprozesse mit dem Wort "transgenerationell" bezeichnet. Das Wort wird sowohl im Zusammenhang mit Übertragung ("transmission") als auch mit Vererbung ("inheritance") verwendet. "Transgenerational epigenetic inheritance" bezeichnet dabei die Weitergabe von epigenetischen Modifikationen von einer Organismen-Generation auf nachfolgende Generationen. Die Bezeichnung wird in Abgrenzung zur Weitergabe epigenetischer Modifikationen von einer Zelle an eine andere Zelle innerhalb somatischer Zellteilung (cell-cell inheritance) verwendet. Transgenerationelle epigenetische Vererbung meint also letztlich die über mehrere Generationen stabile Weitergabe epigenetischer Modifikationen in mehrzelligen Organismen. Dass der biologische Vererbungsbegriff im Zusammenklang mit "epigenetisch" den Zusatz "transgenerationell" benötigt, ist klärungsbedürftig. Hierin zeigt sich, so die These dieses Beitrags, dass der angenommene Übertragungsprozess instabil oder dessen Nachweis prekär ist. Im Folgenden werde ich zunächst drei historische Einschnitte skizzieren, die für diese Konnotation transgenerationeller Vererbung als "prekäre" Übertragung prägend waren: 1. die Verengung des biologischen Vererbungsbegriffs auf die Weitergabe über die Keimbahn und die Theorie der Konstanz des Keimplasmas von August Weismann; 2. die Unterscheidung zwischen Vererbung und kultureller oder psychosozialer Übertragung von Phänotypen in der frühen Entwicklungspsychologie; und 3. die familiale Übertragung psychischer Traumata von Holocaust-Überlebenden. Abschließend werde ich darstellen, wie in epigenetischer Forschung Transgenerationalität modelliert wird, und hieran die Prekarität der Übertragungsannahme diskutieren.
Dieser Bericht beschreibt meine Teilnahme am Workshop "Deutsche und Türkische Stereotype im Vergleich", der am 24. Oktober 2014 an der Marmara Universität von Dr. habil. Leyla Coşan (Projektvertreterin und Ansprechpartnerin in der Türkei) und Prof. Dr. Dr. h. c. Rupprecht S. Bauer und Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan (Projektleiter und Ansprechpartner in Deutschland) organisiert worden ist, um mit den Beteiligten konkrete Fragen in Hinblick auf die Planung und Realisierung des Projekts "Deutsche und Türkische Stereotype im Vergleich" zu besprechen.
Nachruf auf Eberhard Lämmert
(2015)
Den Erzähler Thomas Mann nannte der Germanist Eberhard Lämmert 'buchtenreich'. Auch sein eigenes OEuvre verdient indes diese Qualifikation: Es ist - natürlich - eines aus zahllosen literaturwissenschaftlichen Büchern, Aufsätzen, Vorworten, Nachbemerkungen, aus offiziellen Reden, öffentlichen Statements, Aufrufen, Gutachten und und und, die Themen sind vielfältig, die Beziehungen zwischen ihnen komplex.
Die Sowjetunion unter Stalin war ein Ort, an dem Terror und Gewalt herrschten, in der öffentlichen Propaganda aber wurde sie zeitgleich als Hort der "Brüderlichkeit" und "Völkerfreundschaft" inszeniert. Die Kulturpolitik jener Jahre zielte auf eine sowjetweite Repräsentation der nationalen Kulturen und die Etablierung einer "multinationalen" Sowjetliteratur bzw. Sowjetkultur. Ungeachtet der ideologischen Gleichschaltung war das Arsenal von Figuren des Nationalen keineswegs für alle gleich, sondern hing von den jeweiligen geschichtlichen und (religions-)kulturellen Traditionen der einzelnen Völker ab. Am Beispiel Georgiens lassen sich kulturelle Phänomene - wie etwa die Kolchis, das georgische Pantheon nationaler Heroen oder die Figur des mittelalterlichen Dichters Šota Rust'aveli - als "Figuren des Nationalen im Sowjetimperium" untersuchen. Georgien ist nicht nur deshalb ein interessantes Beispiel, weil Stalins Heimat in den offiziellen Diskursen viel Aufmerksamkeit erhielt. Die georgische Kultur - und damit gleichsam die Sowjetkultur generell - ließ sich auch durch ihre weit in die Vergangenheit zurückreichende kulturelle Tradition als eine besonders alte Kultur inszenieren.