830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Hofmannsthals vielleicht dunkelste Verse, in ihrem Wortlaut auf vielerlei Weise verstanden und mißverstanden, enthalten doch eines, das nicht widerleglich ist: die Gebärde des Spätgeborenen, der nimmt und vergeudet, in dessen Händen das Überlieferte flüssig wird und sich in neuer Fülle verströmt. Dies gilt für Themen und Motive des kulturellen Erbes, dies gilt vielleicht noch mehr für die Traditionen der Gattungen, die in HofmannsthaIs Werk noch einmal aufleben. Der Einakter als literarische Form ist kein nationales, er ist ein europäisches Phänomen. Vielleicht gibt es keinen Autor der Jahrhundertwende, dem diese Tradition verfügbarer wäre als gerade Hugo von Hofmannsthal: die spanische Welt des Theaters und seiner Entreméses aus dem Goldenen Zeitalter, die französische Überlieferung von Rousseau über Musset und Carmontelle bis zu Mallarme und zu dem Flamen Maeterlinck, die englischen wie die italienischen Quellen - sie flossen für den jungen Österreicher gleichermaßen, wie ihm gleichermaßen auch die Zeugen der großen musikdramatischen Überlieferung gegenwärtig waren. Alle diese Elemente sind es, die, aus fremden Händen in seine übergehend, sich an die neue Form verschwenden, mit der er auf die Wahrnehmungskrise der Jahrhundertwende schreibend und verwandelnd reagiert: an den Einakter in seiner wiedererstandenen Gestalt als 'lyrisches Drama'.
Im Frühwerk Hugo von Hofmannsthals folgen die dramatischen Revenants einander dicht auf dem Fuße. Totentänze, Moralitäten, Lehrgedichte, platonische Dialoge - Formen vorbürgerlicher Theaterkunst, mit dem Odium des Undramatischen sämtlich behaftet, wagen sich nach langem Schweigen wieder auf die Bühne. Wiederbelebt gehen sie aus dem dramatischen Laboratorium eines frühreifen Alchimisten hervor und fordern flüchtige Aufmerksamkeit dort, wo der feste hölzerne Halt des großen Dramas zu schwanken begann. In der Reihe der poetischen Wiedergänger ist dem "Prolog", oder, in unscharfer Trennung von diesem, dem "Vorspiel" ein nicht geringer Platz angewiesen. Eigenen und fremden Stücken setzt Hofmannsthal einleitende, einstimmende Verse voran, Prologe und Vorspiele erweisen sich als irreduzible Bestandteile seiner Dramatik. So ist das Fragment »Der Tod des Tizian«, so sind "Der Tor und der Tod", "Die Frau am Fenster" mit einem poetischen Vorspann ausgestattet, so wird Schnitzlers "Anatol" eine sanfte Ouverture vorangestellt, so werden Pagen, Studenten und Dramaturgen mit einer Rede an das Publikum beauftragt und die Aufführungen griechischer Tragiker und Komödiendichter mit einem prologischen Kommentar versehen.
Unter den Werken Goethes sind insbesondere die "Wanderjahre" und der "Faust II" immer wieder als Ratgeber für das rechte Fortschrittsbewußtsein herangezogen worden. So etwa vom ersten deutschen Reichspräsidenten in seinem Plädoyer für einen demokratischen Neubeginn: Nach dem Ersten Weltkrieg beschwor Friedrich Ebert den "Geist von Weimar", der "die großen Gesellschaftsprobleme" so behandeln müsse, wie "Goethe sie im zweiten Teil des Faust und in Wilhelm Meisters Wanderjahren erfaßt" habe; d.h. nach der Devise: "mit klarem Blick und fester Hand ins praktische Leben hineingreifen!" ...
The reading of Kafka's "Metamorphosis" that I propose on the following pages is based on two assumptions that are derived from widely divergent approaches to Kafka's writings. The first is the offspring of psychological interpretation and recognizes that homologous unconscious strategies are operative in the "Letter to his father" and Kafka's tale. Josef Rattner, writing about the "Ur-Situationen", the "primal situations" that Kafka experienced as a child and which produced in him his most basic psychological attitudes (Rattner calls them Grundhaltungen), concludes: "Kafka's life is an incessant attempt to cope with his father-experience. His father is at the base of his anxiety of life and his crippling hypochondria. … Sadism and masochism are distinctive features of Kafka's works."
"Mit dem Ursprunge einer Sache entgeht uns ein Theil ihrer Geschichte, die doch so viel in ihr erklären muß, und meistens der wichtigste Theil." Herders Plädoyer zugunsten einer genetischen Erklärungsweise verdient im Hinblick auf die Romantikforschung und ihren Zugang zum Werk Wilhelm Heinrich Wackenroders, dessen um die Mitte des Jahres 1796 erschienenes "Ehrengedächtniß unsers ehrwürdigen Ahnherrn Albrecht Dürers" als das erste literarische Zeugnis der Frühromantik gilt, besondere Beachtung. Sucht man nämlich das schmale Werk des bereits vierundzwanzigjährig verstorbenen Berliner Juristen rückblikkend an der Elle desjenigen zu messen, was Novalis und die Brüder Schlegel in einem intensiven und breit überlieferten Reflexionsprozeß als philosophisch-poetologisches Konzept "der" Frühromantik erarbeiteten, erscheint Wackenroders Beitrag - zumal das Bild des Autors bis heute unter der romantisierenden Gleichsetzung mit der Erzählerfigur des Klosterbruders leidet - allzu leicht als kindlich-naives Präludium ohne theoretisches Fundament.
This contribution was prompted by events in East Germany that ultimately led to German unification. Many forces contributed to the collapse of the GDR as a separate state, the final and most visible was the mass exodus via Hungary and Czechoslovakia. The Communist regime resisted change when change was taking place in most of East Germanys neighbors to the east and southeast. But an ever increasing number of increasingly restless citizens insisted on it and, not given a chance to change matters by improving the system, effected the most radical change of all: they swept away an unresponsive, cynical and calcified government.
Eine Notiz Hofmannsthals aus dem Jahr 1918 lautet:
Takt - den wunderbarsten Takt hat die Natur in ihrer unaufhörlichen Chiffernsprache, den Tieren. Die wundervolle Uebereinstimmung bei einem Reh zwischen der Intellektualität, der horchenden neugierigen Weise, der bestimmten Geschlechtlichkeit, der Aufmerksamkeit auf alles - der Abstand vom Reh zum hinbrütenden Raubtier - die Singvögel, die unaufhörliche Sprache, dies sich Hergeben in der kleinen Geschäftigkeit, die Unsichtbarkeit des Geschlechtes.
1921 zeichnet er auf:
Tiere haben mit dem Menschen das Werk gemeinsam, aber die Rede und die Tat, diese beiden Magieen sind dem Menschen vorbehalten.
Diese beiden Bestimmungen, einmal der Eigenart der einzelnen Tier-Chiffern, einmal dem Verhältnis von Mensch und Tier geltend, sollen Orientierungshilfen bieten bei dem Versuch, die Besonderheit der Tierbilder innerhalb von Hofmannsthals poetischer Zeichensprache zu erfassen. Der Versuch ist nicht einfach.
Die literarische Moderne hat sich zwar in den großen Kulturzentren ausgebildet, ist aber ein gesamt-europäisches Phänomen. Gemeinsam ist den verschiedenen Ausformungen der literarischen Moderne nicht nur die im Ganzen einheitliche Tradition, aus der sie herkommen, sondern ein Merkmal, das sie gegenüber anderen Epochen zur spezifischen macht: die vorherrschende Unverständlichkeit ihrer Texte. Unverständlich sind Texte wohl auch früher gewesen, wahrscheinlich in der Geschichte aller Literaturen sogar häufig. Was solche frühere "Unverständlichkeit" von derjenigen der Moderne unterscheidet, ist die Notwendigkeit, mit der sie hier auftritt. Auch bestimmte Texte von Goethe ("Werther", "West-östlicher Divan"), Mörike ("Maler Nolten"), Büchner ("Woyzeck"), Lenz ("Hofmeister") oder Jean Paul mögen den Zeitgenossen nicht recht verständlich gewesen sein. Für viele ist das geradezu belegt. Dennoch waren sie es in einer anderen Weise: innerhalb eines bestimmten Systems, ohne dass dieses System, das eines der Verständigung war oder sein sollte, gestört gewesen wäre. Das bedeutet, dass sie bei einiger Bemühung verständlich werden konnten und es de facto auch wurden, wenngleich oft erst Jahre später.