830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Refine
Year of publication
Document Type
- Article (3038) (remove)
Language
- German (2661)
- Portuguese (233)
- Turkish (57)
- English (48)
- Spanish (18)
- French (9)
- Italian (6)
- Multiple languages (3)
- dut (2)
- cze (1)
Has Fulltext
- yes (3038)
Is part of the Bibliography
- no (3038) (remove)
Keywords
- Literatur (188)
- Deutsch (181)
- Hofmannsthal, Hugo von (180)
- Rezeption (111)
- Vormärz (110)
- Johann Wolfgang von Goethe (101)
- Übersetzung (69)
- Goethe, Johann Wolfgang von (64)
- Lyrik (57)
- Interkulturalität (56)
Institute
Der Sprung bezeichnet einen herausgehobenen Moment im Verlauf einer Bewegung - einen gleichsam emphatischen Augenblick der Still-Stellung.
Was aber macht den Sprung zum Sprung? Die Plötzlichkeit seines Auftretens? Die Dynamik der Zustandsänderung eines Körpers, ja der gewaltsame Bruch in einer Bewegungsrichtung? Oder der Effekt seiner Wirkung, der Sprung auch in der Wahrnehmung des unvermuteten Ereignisses: als Überraschung, Staunen, Schock?
Nach Hofmannsthals Konzeption sind einzig die Künste (und im besonderen die nonverbalen) geeignet, das kostbare kulturelle Potential sinnlicher Erfahrung zu stiften oder zu bezeugen. Wahrnehmungen und Gefühle lassen sich im System der Begriffssprache weder festhalten noch kommunizieren, sie lassen sich auch nicht einfach, wie es noch die von protokollierenden 'Registrierapparaten' träumenden Naturalisten glaubten, beschreiben.
Trotz seiner Abneigung gegen die lyrische Form schrieb Schmidt in den 1950er Jahren einige beachtliche Gedichte. [...] Obwohl gerade diese Gedichte mit ihrer ausgreifenden, originellen Metaphorik und ihren zahlreichen Anspielungen der Deutung bedürfen, ist bisher keines eingehend analysiert worden. Wo überhaupt einzelne Gedichte betrachtet wurden, ist dies in größeren Zusammenhängen ohne die eigentlich nötige genaue Ausdeutung geschehen. Die vorliegende Arbeit soll am Beispiel des 1950 entstandenen Widmungsgedichts zu "Brand's Haide" – "Der goldgetränkte Himmel über mir" – zeigen, dass eine tiefer gehende Analyse Schmidtscher Gedichte durchaus ergiebig sein und einen weiteren Blick auf die Werkgeschichte eröffnen kann. Auch zu diesem Gedicht liegt bisher – außer einigen Bemerkungen in zwei Überblicken über Schmidts lyrisches Schaffen bzw. über die Paratexte der Erstausgabe von "Brand's Haide – keine Interpretation vor.
Das [im Marmorbild] in Aussicht gestellte Leben ist […] das Band, das die Erzählung der Künste und der Liebe zusammenhält. In dieser Fügung von Kunst und Leben ist der Pygmalion-Mythos als Intertext der Eichendorffschen Novelle eingeschrieben. Die folgenden Überlegungen unternehmen den Versuch diese Textkonstellation unter dem Fokus der bildlichen Lebendigkeit zu lesen.
Wenn im Folgenden von Masken des Erzählens die Rede sein wird, dann geschieht dies durchaus absichtsvoll mit Blick auf das Verständnis von Maske als Verstellung und als einer Form des Verbergens. Hinter der (Gesichts-)Maske liegt das wahre Gesicht. Die Rhetorik der Maske ist mithin immer schon ein Spiel mit der Figur des wahren Antlitzes und des wahren Blickes, eine Szene des Sehens und des Gesehenwerdens. Als Spielform des literarischen Diskurses ist die Maske ein genuin theatrales Moment. Das lateinische 'persona' meint in diesem Kontext die Maske im Sinne der durch die Schauspieler dargestellten Figuren, die 'dramatis personae'. Im Drama wird die gegenständliche, leblose Maske zur personalen Identität, die durch den Schauspieler buchstäblich Stimme und Leben erhält. Aus dieser Perspektive mag es widersinnig erscheinen, von Masken des Erzählens zu sprechen, zeichnet sich doch gerade das narrative Moment durch die Diegese aus. Die Erzählung als solche bedarf gerade nicht der theatralen Maske als Vermittlungsinstanz. Der Erzähler übernimmt hier die Funktion, die im Drama die Maske einnimmt. Die 'persona' kommt dabei allenfalls in einer uneigentlichen Bedeutung zur Geltung, in der Figuren- oder Personenrede. In der narratologischen Textanalyse ist es üblich, die Form der Rede als dramatischen Modus zu bezeichnen. Insofern schreibt sich dann doch das theatrale Moment der Maske in den narrativen Text ein. Doch nur selten wird die Person als 'persona', die Maske als Maske gelesen. Der folgende Versuch, das Erzählen als ein Modell der Maske zu lesen, ist nicht einer spezifisch narratologischen Perspektive geschuldet, sondern einigen Textbeobachtungen anhand einer Lektüre von John von Düffels Roman 'Houwelandt'. Vergleichend wird außerdem die Schlusssequenz aus Thomas Manns 'Buddenbrooks' in den Blick genommen, in der von Düffels narratives Masken-Spiel schon vorgezeichnet ist.
Die globalen Waren, mit denen die Literatur handelt, sind oftmals Gegenstände, die sich der Wertform des Kapitals entziehen: Sie sind Gaben, die - etwa im Sinne Greenblatts - eine Zirkulation sozialer Energien bewirken oder - im Sinne Derridas - ein die Ökonomie des Tauschprinzips unterbrechendes Ereignis stiften können. Das globale Moment der Literatur bestünde demnach darin, dass, wie es Goethe in "Dichtung und Wahrheit" formuliert hat, "die Dichtkunst überhaupt eine Welt- und Völkergabe sei". Diesem Verständnis von Literatur als "Welt- und Völkergabe" ist auch Paul Celans Werk verpflichtet. In der Gabenstruktur seiner Gedichte, die sich in der bewussten Hinwendung zum Anderen anzeigt, kommt auch der Weltbezug dieser Dichtung zum Ausdruck. Diesen vielfältigen Facetten von Celans literarischem Weltbezug sind die in diesem Themenschwerpunkt versammelten Beiträge gewidmet. Dem Werk Celans muss die Struktur der Globalisierung nicht erst künstlich zugeschrieben werden: Sie ist ihm inhärent. Denn zum einen hat die Erfahrung von Migration und Mehrsprachigkeit Celans Schreiben in hohem Maß geprägt; zum anderen ist aber auch die globale Dimension der Literatur, nämlich der weltliterarische Gestus seines Schreibens, in den Texten stets präsent.
Die Meridian-Rede ist als die zentrale poetologische Schrift Celans anzusehen, in der er sich mit unterschiedlichen poetologischen und philosophischen Konzepten auseinandersetzt. Im Folgenden werden die vielen für die Rede bedeutsamen Intertexte jedoch nicht nochmals thematisiert; es soll vielmehr das Augenmerk auf die Rhetorik des Raums gerichtet werden. [...] Aufbauend auf Celans Poetik des globalen Raums soll der Versuch unternommen werden, dessen Konzeption einer dichterischen Toposforschung anhand eines Gedichts aus dem im Jahr 1967 erschienenen Band "Atemwende" plausibel zu machen. Es handelt sich um das letzte Gedicht des zweiten Zyklus und trägt den Titel "Hafen".
Bei Helmut Brall-Tuchel geht es um die Prozesse der inneren und äußeren Wahrnehmung. Diese Analyse, die sich mit den Affekten befaßt (vor allem mit der Bildsprache des Schreckens im Parzival) und mit der Beziehung des Erzählers zu den Wahrnehmungen seiner Figuren, konzentriert sich auf einen kulturanthropologischen Gesichtspunkt.
1958 schrieb Theodor W. Adorno:
Den Nimbus, der den Namen von Georg Lukács heute noch, [...] umgibt, verdankt er den Schriften seiner Jugend, dem Essay-Band 'Die Seele und die Formen', der 'Theorie des Romans', den Studien 'Geschichte und Klassenbewußtsein', in denen er als dialektischer Materialist die Kategorie der Verdinglichung erstmals auf die philosophische Problematik prinzipiell anwandte. Ursprünglich etwa von Simmel und Kassner angeregt, dann in der südwestdeutschen Schule gebildet, setzte Lukács bald dem psychologischen Subjektivismus eine objektivistische Geschichtsphilosophie entgegen, die bedeutenden Einfluß ausübte. Die 'Theorie des Romans' zumal hat durch Tiefe und Elan der Konzeption ebenso wie durch die nach damaligen Begriffen außerordentliche Dichte und Intensität seiner Darstellung einen Maßstab philosophischer Ästhetik aufgerichtet, der seitdem nicht wieder verloren ward. Als, schon in den frühen zwanziger Jahren, der Lukácssche Objektivismus sich, nicht ohne anfängliche Konflikte, der offiziellen kommunistischen Doktrin beugte, hat Lukács nach östlicher Sitte jene Schriften revoziert; hat die subalternsten Einwände der Parteihierarchie unter Mißbrauch Hegelscher Motive sich gegen sich selbst zu eigen gemacht und jahrzehntelang in Abhandlungen und Büchern sich bemüht, seine offenbar unverwüstliche Denkkraft dem trostlosen Niveau der sowjetischen Denkerei gleichzuschalten [...].
Wenn heute - über ein halbes Jahrhundert später - diese Zeilen wie eine unverändert gültige Charakterisierung des Philosophen und Literaturhistorikers anmuten, so nicht nur, da sich mit der Auflösung der Sowjetunion und dem Ende des realen Sozialismus in Ostmittel- und Osteuropa die politischen Rahmenverhältnisse, die Lukács' Arbeit in vielfacher Weise bestimmt hatten, aufgelöst haben. Schon deutlich früher war das Werk des ungarischen Intellektuellen ins Abseits des europäischen Gedächtnisses gedrängt worden.
Hofmannsthal und Majakowskij. Hofmannsthal und Picasso. Hofmannsthal und Malewitsch. Hofmannsthal und Beuys. - Was Hofmannsthal seinem Chandosbrief nachgerufen hatte - "fernes Fremdes als nah verwandt spüren zu machen" (BW Andrian 161) -, kann als Leitsatz gelten für den vorliegenden Beitrag, der Hofmannsthal mit Namen in Verbindung bringt, von denen man bisher ziemlich genau wußte, wie wenig sie mit diesem Dichter zu tun haben.
Hak ve adalet, bunların aksamasından kaynaklı sıkıntılar ve hak arayışı evrenselliğini daima koruyacak gerçeklerdir. Tarih boyunca toplumlar ve onların kurdukları devletler düzeni sağlamak adına kanun ve yasalara başvurmuşlar, ancak kimi zaman bu mekanizma çatlaklara, aksamalara ve yok sayılmalara maruz kalmıştır. Bu çalışmada Türk ve Alman edebiyatından seçilen eserlerde adaletsizliğin sebep olduğu problemler isyan ve eşkıyalık kavramı bağlamında mercek altına alınacaktır. Eşkıyalık, olumlu ve olumsuz etki ve işlevleri olması bakımından farklı şekillerde değerlendirilmiştir. Bunlardan olumlu olan görüş, yani eşkıyalığın mevcut düzensizliğe düzen getirme girişimi olarak değerlendirilmesi, incelenen romanlarda ağır basmaktadır. Birbirinden farklı zamanlarda ve toplumlarda yaşamış yazarların eserlerinde kahramanların maruz kaldıkları adaletsizlik karşısında isyana başvurarak gidişatı değiştirme çabaları, hak arayışının her çağda ve toplumda gerekli olduğunu gösterir. Bu çalışmada Sabahattin Ali'nin "Kuyucaklı Yusuf" adlı eseri ile Heinrich von Kleist'ın "Michael Kohlhaas" adlı eserinde işlenen adaletsizliğin doğurduğu isyan eylemi, benzer ve farklı yönleri karşılaştırılarak metne odaklı yorumsayıcı bir yöntem ile değerlendirilecektir.
Der Zugriff auf Lessings berühmte Bogenfabel, die den Auftakt zum dritten Buch seiner 1759 erschienenen Fabeln gibt, erfolgt aus der Überlegung heraus, daß da, wo die Erzählung der Geschichte einer zerbrechenden Intentionalität zur Anschrift gelangen soll, diese besonders dann den Status illustrativer Exemplarität zugewiesen bekommt, wenn sie im Umfeld eines Diskurses situiert ist, dem das Operieren mit dem Intentionalitätskonzept historisch eingezeichnet ist. Nicht zuletzt dürfte sich der konjunkturelle Aufschwung der Fabelproduktion zwischen 1740 und 1770 dem Umstand verdanken, daß die beiden maßgeblichen Konstituenten der Textsorte, die "fabula" einerseits und die "fabula docet" andererseits, sich exzellent in den durch die Frühaufklärung abgemessenen intentionalistischen Großrahmen des "docere" fügen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzt sich die Tendenz durch, das Epimythion zunehmend wegzulassen. Lessing geht diese Entwicklung grundsätzlich mit. Gerade die Bogenfabel wird diesbezüglich gerne als Musterbeispiel veranschlagt. Der über die strukturnarratologische Reduktion "in nuce" eingeleiteten Entwicklung einer De-intentionalisierung der Fabel zum Trotz gibt sich der personal gebundene Reflex von der Fabel auf die dichterische Intention als Operation einer sich kurrent gemacht habenden Form von Hermeneutik überdeutlich zu erkennen.
Hartmann and his Prague friends, whether German-Gentile or German-Jewish, rallied enthusiastically to the cause of what at first was a reawakening of suppressed Bohemic cultural nationalism and a move towards across-fertilisation of the two main lingual cultures (Czech/German) andthe three main ethnicities (Czech/German/Jewish) of the country. They soon saw themselves as a "Jungböhmische Bewegung" to correspond to Young Germany. The Prague writer Rudolf Glaser founded a literary journal called 'Ost und West' for the express purpose of bringing together German and Slavic literary impulses under the Goethean motto: "Orient und Occident sind nicht mehr zu trennen". With Bohemia as the bridge, 'Ost und West' published German translations from all the Slavic languages including Pushkin and Gogol, contributions by German writers sympathetic to the cause of emerging nations like Heinrich Laube, Ferdinand Freiligrath, Ernst Willkomm, but above all the Prague circle of Young Bohemians like Alfred Meissner, Isidor Heller, Uffo Horn, Gustav Karpeles and Ignatz Kuranda. Also Hartmann made his literary debut in the journal with a love poem entitled "Der Drahtbinder", and featuring a subtitle which was in keeping with the spirit of the times: "nach einem slavischen Lied".
Most Germans went first to Great Britain to witness and describe what in comparison to the conditions in the German petty principalities was very progressive in its industrial advancement, free trade, extraordinary wealth-creation, very advanced civil rights and parliamentary democracy and to hold it up as a model to the Germans. Some then added on a trip to Ireland, which after all was a part of the political entity "The United Kingdom", to see, as they thought, more of the same. Instead they came face to face with the most abject poverty any of them had ever experienced, including the professional ethnographer Johann Georg Kohl, who had been all over Europe and as far as Siberia. For the Vormärz authors this raised questions as to why "John Bull's other island", as George Bernhard Shaw would much later call Ireland, was so utterly neglected
Du dilettantisme = Über den Dilettantismus / herausgegeben und übersetzt von Rudolf Brandmeyer
(2016)
Der hier übersetzte Text ist das zweite Kapitel einer Renan-Studie, die Bourget 1882 in einer französischen Zeitschrift veröffentlichte: Paul Bourget: Psychologie contemporaine. Notes et portraits. M. Ernest Renan. In: La Nouvelle Revue, 15. Jg., 15. März 1882, S. 233–271, hier S. 245–254: II. Du dilettantisme.
Die Titelgebung zeigt die relative Selbstständigkeit des Kapitels an: Abweichend von den anderen Kapitelüberschriften dieser Studie wird die behandelte Person nicht genannt und eine für Abhandlungen typische Überschriftsform gewählt. In diesem Punkt ist das Kapitel der "Théorie de la décadence" aus Bourgets Baudelaire-Studie von 1881 verwandt, gibt es doch ebenso wie jene "Théorie" eine aus dem Werk des behandelten Autors gewonnene, aber Anschlussfähigkeit suchende Analyse und Kritik des eigenen Zeitalters. Für deren Diagnose gab Bourget mit diesen beiden Texten wesentliche und prägende Vorgaben. Die Renan-Studie bildet das zweite Stück einer Serie von insgesamt zehn Aufsätzen zur "psychologie contemporaine", die in der "Nouvelle Revue" von November 1881 bis Oktober 1885 erschienen.
Théorie de la décadence = Theorie der Dekadenz / herausgegeben und übersetzt von Rudolf Brandmeyer
(2015)
Der hier edierte und übersetzte Text ist das vierte Kapitel einer Baudelaire-Studie, die Bourget 1881 in einer französischen Zeitschrift veröffentlichte:
Psychologie contemporaine. Notes et Portraits: Charles Baudelaire. In: La Nouvelle Revue, Bd. 13, 1881, Jg. 3 (5. November), S. 398-416, hier S. 412-416: IV. Théorie de la décadence.
Die "Théorie de la décadence" bildet das Ende der Studie, aber nicht deren Resümee. "Décadence" ist vielmehr der Leitbegriff einer Stilanalyse und einer kulturkritischen, von Baudelaire ausgehenden Diagnose von Bourgets eigener Zeit. Mit diesen beiden Themen wurde der kleine, relativ selbstständige Textabschnitt zu einem der wichtigen Stichwortgeber des europäischen Dekadenz-Diskurses am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Baudelaire-Studie bildet das erste Stück einer Serie von insgesamt zehn Aufsätzen zur "psychologie contemporaine", die in der "Nouvelle Revue" von November 1881 bis Oktober 1885 erschienen. In zwei textkritisch relevanten Ausgaben erschienen sie gesammelt in Buchform:
Paul Bourget, Essais de psychologie contemporaine. 2 Bde. Paris: Lemerre 1883 u. 1886, unser Text: 1883, S. 23-31.
Paul Bourget, OEuvres complètes. Critique I: Essais de psychologie contemporaine. Paris: Plon 1899, unser Text: S. 14-19.
"Es ist mir völlig die Fähigkeit abhanden gekommen, über irgend etwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen." Wohl kein Leser hat es versäumt, den Widerspruch zu bemerken, daß der berühmte Satz einer Erfahrung gilt, die Lord Chandos macht oder erleidet, nicht aber den Sätzen, in denen er diese Erfahrung formuliert und mitteilt. Um die Paradoxie zu erklären, möchte ich vorschlagen, den Chandos-Brief als poetologisches Experiment zu lesen. Hofmannsthal zerstört - oder setzt für die Dauer eines Textes außer Kraft - , was man die Spielregel der kreativen Reproduktion nennen könnte. Seit der Goethezeit und das 19. Jahrhundert hindurch stellte sie eine unantastbare Einheit dar: als jene persönliche Instanz, die Welt vernimmt oder wahrnimmt und dem Vernommenen oder Wahrgenommenen wiederum Ausdruck gibt. Diese Instanz entfällt; nicht nur die Sprache, auch Lord Chandos selber zerfällt in Teile, in eine erlebende und in eine erzählende Person. Eine Anregung hierfür, das wäre mein zweiter Vorschlag, konnte Hofmannsthal den Schriften Ernst Machs entnehmen, zumal dem ebenso berühmt gewordenen Satz "Das Ich ist unrettbar". Was geschieht, wenn man diesen Satz auf die Autorschaft anwendet? Schließlich und drittens wäre zu bedenken, ob nicht die Erlebnisse eines Autors, dem sich der Ausdruck versagt, gleichwohl Manifestationen von Kreativität sein könnten. In diesem Sinne möchte ich besonders die "guten Augenblicke" (S. 50) des Lord Chandos erörtern. ...
Die skandalumwitterte und erfolgreiche Schriftstellerin Ida Gräfin Hahn-Hahn (1805-1880) war ihr Leben lang auf Reisen; sie war im ständigen Grenzenüberqueren zu Hause. In ihren Romanen und Reiseberichten hat sie Spiegelbilder ihrer eignen Seele und ihrer Zeit entworfen. "Ich reise, um zu leben" hat sie behauptet und sich damit ein wesentliches Motiv ihres Daseins bewußt gemacht. - Angesichts ihres ungewöhnlichen Lebenslaufs und ihrer unzähligen vorübergehenden Aufenthalte an unterschiedlichsten Orten ist man gleichwohl verblüfft und fühlt sich angehalten, wirkliche Erklärungen zu finden. Persönliche Sinnsuche scheint in diesem Fall ein lebenslänglicher Leitfaden gewesen zu sein. Die biographischen Hintergründe der Hahn-Hahnschen Reiselust liefern den Beleg.
Ich werde im folgenden einige Aspekte des Romans unter dem Gesichtspunkt ihrer konfessionellen Signifikanz beleuchten. Es wird sich zeigen, daß entscheidende Merkmale des Texts, und zwar gerade auch diejenigen, die im Kontext einer späteren Moderne anschließbar geblieben sind, aus der konfessionellen Differenz von frühromantischem Diskurs und Brentanoscher Adaption hervorgehen. Dabei soll die kulturelle Differenz selbst als Motor der Diskurserneuerung sichtbar werden, indem sie zu motivieren vermag, was sonst allein der Singularität des Dichters zugeschrieben werden müßte.