830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Der folgende Beitrag handelt nicht eigentlich über Theodor von Neuhoff (1694 bis 1756), jenen Sproß einer westfälischen Adelsfamilie, der sich in den Aufstand der Bevölkerung Korsikas gegen die Republik Genua verwickeln ließ, 1736 als Theodor I. zum König gewählt und gekrönt wurde und, nach Jahren scheiternd, bis kurz vor seinem Tod in einem Londoner Schuldgefängnis leben mußte. Dieser Mann, den so unterschiedliche Literaten wie Voltaire, Karl August Varnhagen von Ense und Theodor Heuss – um nur je einen Namen pro Jahrhundert anzuführen – als einen ›Abenteurer‹ entweder verspottet (Voltaire) oder mit Sympathie gezeichnet haben (Varnhagen und Heuss), hat nicht nur die Historiographen, sondern auch die Romanciers und Librettisten inspiriert. Der folgende Beitrag handelt über eben diese Fiktionen, zu denen die Lebensgeschichte des Barons und Königs schon im 18. Jahrhundert (und übrigens noch jüngst in einem deutschen Roman) Anlaß gegeben hat.1 Er beginnt mit zwei knappen Abschnitten über Neuhoffs fiktionale Existenz vor dem Zugriff von Christian August Vulpius auf den Stoff (Abschnitt 1) und über die Semantik des Abenteuerlichen in Nachschlagewerken des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts (Abschnitt 2). Die Analyse von Theodor König der Korsen unter der im Titel formulierten Fragestellung macht naturgemäß den Hauptteil aus (Abschnitte 3 und 4). Abgeschlossen werden Analyse und Beitrag durch eine Deutung der von Vulpius in den Roman eingefügten Figur des Ewigen Juden (Abschnitt 5).
Daß die Deutung eines Textes meist vor einem anderen Text erfolgt, den der Deutende schon verstanden hat, dieses Phänomen (von der hermeneutischen Konstellation, daß immer auf einen Fragehorizont hin gedeutet wird, klar zu unterscheiden) läßt sich in der schmalen Forschungsgeschichte zu Goethes »Unterhaltungen« darum besonders gut erkennen, weil die »Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten« selbst bei denen, die sie schätzen, als ein Werk geringeren Gewichts gelten und also der Anlehnung auf jeden Fall bedürfen.
Für den Zeitraum von 1770 bis 1790, in dem sich die moderne Literaturgesellschaft herausbildet, ist es typisch, daß überlieferte Denk- und Wertvorstellungen in Frage gestellt und neue Konzeptionen oft stürmisch und kontrovers entwickelt werden, die dann um und nach 1800 in umfassenden Systemsynthesen gebändigt werden. Dies trifft auch für die Festlegung männlicher und weiblicher Rollenbilder zu: mit Recht wurde gesagt, daß die bis weit in unser Jahrhundert hinein gültigen psychosozialen Geschlechtercharakteristika „[...] im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erfunden´“ wurden [1]. Zuvor waren einzelne Aspekte der Geschlechterbestimmung - sieht man von der Satire, der Komödie und ihren einschlägigen Thementopoi ab - innerhalb der moralischen Naturlehre, Verhaltenskasuistik und der Reformerziehung behandelt worden; an der Festlegung einer generell gültigen ‘Geschlechtercharakteristik’ bestand kein Interesse [2]. Ab ca. 1770 ändert sich das Bild. Die singulären, bisher auch mit Berufung auf Konvention und Tradition begründeten, stets streng standesbezogenen Pflichten von Mann und Frau werden von der jungen bürgerlichen Bildungselite innerhalb des neu expandierenden moralessayistischen Schrifttums generalisiert und in standesübergreifende und möglichst ‘natur’-begründete Werte umgewandelt, für die breite, wenn nicht universale Geltung beansprucht wird. Gegen Ende des Jahrhunderts markieren Bezeichnungen und Titel wie „Charakter des Geschlechts“, „Charakteristik dieses Geschlechts“ (I. Kant) [3]; „Charakteristik des weiblichen Geschlechts“ bzw. „Der Mann. Ein anthropologisches Charaktergemälde seines Geschlechts“ (C. Fr. Pockels) [4], „Der Charakter und die Bestimmung des Mannes” (Fr. Ehrenberg) [5] dieses neue Interesse an prinzipieller Festlegung der Geschlechterrollen.
Nähert man sich dem gewaltigen Werk Titan von Jean Paul ganz arglos und unvorbereitet, so begreift man rasch zweierlei: einmal, daß hier in schöner Hemmungslosigkeit das ganze romantische Inventar in Szene gesetzt wird, das bis hin zum Schauerroman hinlänglich bekannt ist, also Geister, Mönche, Geheimnisse, enigmatische Anweisungen, Testamente, Prophezeihungen, Verwechslungen, Liebes- und Todesdramatik usw., zum anderen, daß hier eine schier unerträgliche Spannung zwischen Natur und Künstlichkeit, zwischen Seelenphatos und Theaterwelt aufgebaut wird und daß die Grenzen zwischen diesen Bereichen immer wieder verschwimmen, sich auflösen, ineinanderlaufen, so daß es bis zum Ende hin schwer bleibt, sie voneinander zu scheiden. Das liegt nicht zuletzt an der Substanz, die gleichsam die heimliche ‚Heldin‘ des Romans ist: das Wasser; genauer: das Liquide, die Flüssigkeit, der ganz besondere Saft, der nicht nur das Blut (aber doch auch) als vielmehr die Tränen sind. Es wird viel geweint in diesem Buch, sei’s aus Kummer, sei’s vor Glück, sei‘s vor Lachen, und während man sich noch ratlos all die verweinten Gesichter vorzustellen sucht, die jede Gefühlsbewegung begleiten, versteht man, daß auch innerhalb dieses idealistischen Mediums der Tränen das Gleiche doch nicht dasselbe ist. Im unendlichen (Ver-)Wechselspiel von echten und unechten Doppelgängern, von scheinbaren und wirklichen Blutsverwandten, von himmlischer und irdischer Liebe oder gelebter und fantasierter Freundschaft verändern sich über mehr als 700 Seiten hin die Positionen immer wieder so unerwartet, so dramatisch bis hin zum Tragischen, so komisch bis zur Groteske und so geheimnisvoll einem unsichtbaren Ariadnefaden der inneren Psycho-Logik folgend, daß erst vom Fluchtpunkt der letzten Seite aus das ganze Gemälde überschaubar erscheint und alles in die rechte Perspektive rückt.
In meinem Vortrag habe ich einige Beispiele von Verführung in den Märchen der Brüder Grimm kommentiert, wo Tiere, Hexen, kleine Männchen, Menschen oder sogar der Teufel als Verführer erscheinen. Meiner Meinung nach spielt die Verführung in den Märchen eine erziehende Rolle, denn die meisten Kinder lesen diese Märchen nicht, sondern hören sie von ihren Eltern oder Großeltern, die ihnen beim Märchenerzählen die genauen Erklärungen geben können, weil das Märchenerzählen eine zwischenmenschliche Beziehung ist, an der Erwachsene und Kinder gleichermaßen teilnehmen, wobei das Kind daraus lernen kann, was erlaubt ist, was verboten ist, was schlimm ist, was gut ist, oder wo Gefahr lauert.
Defoes großer, dreibändiger Versuch, das Licht der Aufklärung in die Welt zu tragen, unter anderem für religiöse Toleranz, gegen die Sklaverei, für Humanismus und besonders für die Anerkennung der ›Wilden‹ aus der Karibik und aus Afrika als Menschen einzutreten, wurde vielfach heruntergespielt auf eine spannende Abenteuergeschichte, von deren eigentlichem Wesen fast gar nichts mehr übrig geblieben ist. Aber immerhin einen Vorteil hat diese rezeptionsgeschichtliche Dauerflut: Die Handlung des Robinson Crusoe braucht man nicht nachzuerzählen – sie gehört fest ins kulturelle Gedächtnis, und es ist auch heute reichlich schwer, jemand zu finden, der gar nichts weiß von Robinsons Insel, von seinem Gefährten Freitag und den Kannibalen, vor denen Robinson ihn rettet. Wenngleich heute nur ein winziger Detailaspekt aus der unübersehbaren Fülle dieser Rezeptionsgeschichte angesprochen werden soll, so macht das doch ein relativ weites Ausholen und einen relativ langen Atem notwendig. Denn das Bild von Robinsons Freitag, wie es die Kinderbücher der deutschen Nachkriegsjahre vermitteln, steht in einem Diskurs, der eine lange Geschichte hat – und von dieser Geschichte gilt es zunächst ein wenig zu sprechen.
Bisherige Untersuchungen über die Religiosität des Dichters Rainer Maria Rilke zeigen zwei stark divergierende Ergebnisse: Während der Religionspädagoge Anton Bucher auf der Basis einer strukturgenetischen Analyse Rilkescher Schriften zu dem Schluss kommt, Rilke sei eine sehr reife religiöse Persönlichkeit gewesen, sieht der Literaturwissenschaftler Eudo C. Mason, der mit psychodynamischen Kriterien arbeitet, in Rilke einen reinen Narzissten und Atheisten. Die folgende Untersuchung vergleicht diese beiden Zugänge und versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen dem "religiös reifen Rilke" und dem "atheistisch-narzisstischen Rilke".
Die "Werther"-Allusionen in zwei repräsentativen Dramen des Naturalismus – Arno Holz’ und Johannes Schlafs "Familie Selicke" und Gerhart Hauptmanns "Vor Sonnenaufgang" – dienen zum einen dazu, Milieu und Protagonisten zu charakterisieren und ihre Prägung durch bürgerliche Moralvorstellungen zu illustrieren. Zum anderen zeigt eine intensive Kontextualisierung der punktuellen Anspielungen, dass die naturalistischen Dramatiker damit programmatisch gegen die bürgerliche Goethe-Verehrung der Zeit und die Dominanz traditioneller Kunstanschauungen opponieren, die ihrer sozial-analytischen Dramatik im Wege stand.
Zwischen Anfang 1787 und Ende 1789 erscheint in der Zeitschrift Thalia Schillers Roman "Der Geisterseher", der zunächst zeigt, wie die nüchterne Vernunft über scheinbar rätselhafte Geschehnisse triumphiert; er kann aber auch Ausgangspunkt sein, um Schiller mit drängenden Fragen zur Relevanz der Geisteswissenschaften zu konfrontieren, zumal dieser als Professor selbst über einen Wissenschaftlertypus nachgedacht hat, der ständig darum bemüht ist (und bemüht sein muss), die Bedingungen zu erfüllen, unter denen er sein Amt angetreten hat, der – wie es heißt – "beim Eintritt in seine akademische Laufbahn keine wichtigere Angelegenheit" hat, "als die Wissenschaften, die er Brotstudien nennt, von allen übrigen, die den Geist nur als Geist vergnügen, auf das sorgfältigste abzusondern".
Hauptsacht. 1.1867[21 u. 23/24]: Frankfurter Pechfackel, die man in die Hand nehmen kann, ohne sich zu besudeln, aber nicht angreifen 1.1867,[22] nicht erschienen. Zusatz zum Hauptsachtitel : Nr. 6 [=21] : Ein Gedenkblatt an den Brand des Kaiserdoms und Pfarrthurms zu Frankfurt am 15 August 1867 Nr. 23 & 24 : Ein Erinnerungs-Blatt für rückständige Dombau-Beitragende und solche, die es werden wollen Die anderen Hefte erschienen unter dem Titel: Der wahre Jacob : ein gemüthliches Mainlinienblatt ohne Wasserzeichen, zum Gradausschreiben, auf beiden Seiten zu gebrauchen. s.a. http://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/frontdoor/index/index/docId/12306
Rezensionen zu: Michael Stolleis : Der menschenfreundliche Ton. Zwei Dutzend Geschichten von Johann Peter Hebel mit kleinem Kommentar, Insel Verlag, Frankfurt, 2003, ISBN 3-458-17178-9, 105 Seiten, 14,90 Euro. Michael Stolleis : Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher, Verlag C. H. Beck, München, 2004, ISBN 3-406-51679-3, 88 Seiten, 12 Euro.
Die Allgemeine Literatur-Zeitung (A.L.Z.) war insbesondere in ihrer Jenaer Periode zwischen 1785 und 1803 (anschließend erschien sie bis 1849 in Halle) das auflagenstärkste und wohl auch verbreitetste wie einflussreichste Rezensionsorgan im deutschsprachigen Raum. Ihr ambitioniertes Ziel war es, die gesamte aktuelle Literaturproduktion aus allen Wissensgebieten kritisch zu begleiten. Der vorliegende Aufsatz ordnet die Erschließung der A.L.Z in den Kontext der Weimarer bibliographischen Projekte ein und stellt die Erfassungsgrundsätze sowie Einzelheiten der Recherchemöglichkeiten dar. Das Projekt begann als eine Gemeinschaftsarbeit der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar und des Sonderforschungsbereichs 482 „Ereignis Weimar-Jena. Kultur um 1800“.