830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob Wortschatz mit einer Sprachlernapplikation effektiv erlernt werden kann. Den Ausgangspunkt bildet die Charakteristik der Wortschatzarbeit im traditionellen Fremdsprachenunterricht. Danach wird die Sprachapplikation "duolingo" vorgestellt. Es wird dabei analysiert, wie ihre Autor/innen bei der Vermittlung des Wortschatzes didaktischen Grundsätzen und lernpsychologischen Erkenntnissen folgen. Es werden sowohl Stärken als auch Unzulänglichkeiten gezeigt, die die Qualität des Vokabellernens
beeinflussen.
Von der welt louff vnd gestallt (3b) [Anm. 1] - vom Lauf der Welt und ihrem Zustand - handelt ein Werk, das im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen stehen soll: die Reimchronik zum Schwaben- bzw. Schweizerkrieg des Hans Lenz vom Jahr 1499. In Form eines fiktiven Gesprächs, einer disputatz (62b) zwischen dem Autor und einem Waldbruder, werden die historische Zeitgeschichte und die damalige politisch-gesellschaftliche Situation gesichtet, geordnet, diskutiert, gedeutet und in größere, insbesondere heilsgeschichtliche Zusammenhänge gebracht. Text und Kontext stehen in diesem Beispiel (wie in der Historiographie ganz allgemein) in besonders offensichtlicher Beziehung zueinander - es leuchtet unmittelbar ein, daß ein solcher Text ohne den geschichtlichen Hintergrund nicht angemessen beurteilt werden kann. Dabei darf allerdings nicht allein danach gefragt werden, wie der Historiograph mit den geschichtlichen Fakten (soweit diese überhaupt objektiv rekonstruiert werden können!) umgeht, es muß auch dem Umfeld des Verfassers selbst und seiner Rezipienten sowie dem Zweck und der Funktion seiner Dichtung Rechnung getragen werden, den literarischen und außerliterarischen Einflüssen und Vorbildern, den Denk- und Argumentationsmustern, kurz: die "Lebenswelt" [Anm. 2] des Textes sollte zu seinem Verständnis im gesellschaftlich-kulturellen Kontext soweit als möglich erschlossen werden.
Die Gemeinde Buxheim bei Memmingen im Südwesten Deutschlands wird seit mehr als 600 Jahren von der dort 1402 gegründeten Reichskartause dominiert. Die Geschichte dieses Klosters ist vor allem wegen dessen Bibliothek und deren eventuellen Schicksals bekannt. Die Kartause wurde 1803 säkularisiert und ging 1810 mit all ihren Einrichtungen in den Besitz der Grafen Waldbott von Bassenheim über. Graf Hugo, der zweite Eigentümer aus diesem Hause, verschleuderte die Buxheimer Kulturgüter, sodass er Konkurs anmelden und den größten Teil des beweglichen Besitzes verkaufen musste, einschließlich der Bibliothek, die auf insgesamt etwa 20.000 Bände geschätzt wird. Zusammen mit Hunderten von spätmittelalterlichen Handschriften und Inkunabeln wurde 1883 die Bibliothek in München versteigert.
Hinsichtlich der Politischen Romane erscheint das allgemein schwer zu bestimmende Verhältnis von Gattungstheorie und Gattungsgeschichte als geradezu widersprüchlich: In unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einer Anweisungspoetik entsteht eine ganze Reihe von Texten, die sich ostentativ auf diese Poetik beziehen, aber nur selten deren Anweisungen folgen. Die vorliegende gattungsgeschichtliche Untersuchung „Die Politischen Romane, eine populäre Gattung des 17. Jahrhunderts“ von Andrea Wicke legt deshalb eine rekursive Bestimmung der Gattung zugrunde: Erstmals werden grundsätzlich alle Texte herangezogen, die durch ihre paratextuelle Präsentation einen Gattungszusammenhang evozieren. Ebenfalls zum ersten Mal werden die Paratexte in umfassender Weise für eine dichte Beschreibung des historischen Gattungsdiskurses ausgewertet. Folgende Forschungsergebnisse lassen sich resümieren:
Das Phänomen der Politischen Romane ist besser zu verstehen, wenn man den literarischen Gattungsbegriff konsequent historisiert und die Politischen Romane wie Moden und Bewegungen als Ausdruck eines kulturellen Wandels begreift. Der wie eine epidemische Kurve zunächst langsam, nach 1680 stark ansteigende, nach 1684 wieder abfallende Publikationsverlauf der Politischen Romane indiziert eine besonders geartete Kommunikationssituation, als deren Produkt die populäre literarische Gattung erscheint.
Die allgemeine Frage, wie unbekannte Bücher zu Bestsellern werden, lässt sich hinsichtlich der Politischen Romane wie folgt beantworten: Mit der Adaption der satirischen Romane Christian Weises durch Johannes Riemer erreicht dessen satirische Erzählung "Der Politische Maul-Affe" Anfang des Jahres 1680 eine außergewöhnlich große Öffentlichkeit. Dafür sind außerliterarische Umstände maßgeblich, insofern die im Schüler- und Studentenmilieu angesiedelte Erzählung einen Skandal verursacht. Riemer referiert als Erster im Rahmen gattungsgenerierender imitatio auf zwei Romane Weises. Sein Verfahren, Weises Werke gegen dessen Intentionen als legitimierte Praetexte für eine satirische Schlüsselerzählung mit politischen Implikationen zu nutzen, etabliert sich und Weises Versuch, mit dem "Bericht" das Schreiben lustiger Bücher unter rhetorischen Prämissen als propädeutische Gattung für zukünftige Politici zu normieren, befördert gegen dessen Intentionen die spezifische Dynamik der Politischen Romane: Von 1680 bis 1684 erlangen die Politischen Romane durch ihr dauerndes Changieren zwischen anspielungsreicher, angriffiger Satire, kurzweiligem Schwank und prudentistischem Ratgeber eine große Wirkung. Die erstmalige Synopse aller Politischen Romane lässt erkennen, wie extensiv populäres wie elitäres Material in die Erzählungen integriert wird: Viele Episoden und Geschichten der Politischen Romane leben vom Kontrast zwischen der Vermittlung politischen Wissens mit gesellschaftsethischem Anspruch und grobianischen Sequenzen, anstößigen Motiven und vulgärem Sprachgebrauch. Die satirische Perspektive gilt meist dem traditionalen Verhalten bildungsferner Schichten; die Erzählungen thematisieren insbesondere die spezifische Zukunftserwartung junger Akademiker. Mit größerer zeitlicher Distanz zum Weißenfelser Skandal werden die Texte tendenziell stärker folklorisiert. Es scheint eine Öffentlichkeit für milieuspezifische Unterhaltungsliteratur zu entstehen, in der Autoren und Leser zur gleichen –studentischen – Ingroup gehören. Die außerliterarischen Bezüge der Texte bilden indes auch einen destabilisierenden Faktor des Gattungszusammenhangs: Skandale sind kurzlebig und 1684 hat die Popularität der Gattung ihren Scheitelpunkt erreicht. Christian Weises Stellungnahme in der Vorrede zum "Neu=erleuterten Politischen Redner" wider die Politischen Romane verstärkt den Niedergang der Gattung maßgeblich und Johannes Riemer sieht sich gezwungen, Weise in seiner abweisenden Haltung zu folgen. Mit diesen beiden Widerrufen verlieren das schillernde Epitheton politisch, der satirische Impetus und die versteckten Anspielungen auf eine gelehrte Autorschaft quasi ihren Resonanzboden. Zwar entsteht nun auch der nötige Spielraum, um den gattungsspezifischen Rahmen der Politischen Romane zu verändern und – wie Kuhnau und Ettner es tun – positiv an Weises Vorgaben anzuknüpfen. Doch bleibt es bei einzelnen Versuchen, Alternativen zu der provozierenden Performanz zu entwickeln, die den Erfolg der Gattung zu Beginn der 80er Jahre des 17. Jahrhunderts geprägt hat.
Es ist wohl dem bedauerlichen Abgrund zwischen literaturwissenschaftlicher Textanalyse und theaterwissenschaftlicher Performanztheorie zu verdanken, dass es bisher kaum wissenschaftliche Arbeiten zu Lotz' Texten gibt. Wolfram Lotz hat sich bisher stets um eine zeitnahe Publikation seiner Stücke und Monologe bemüht, so auch im Fall der "Politiker", die noch im Jahr 2019 bei Spector Books in Leipzig erschienen. Das hat Gründe, handelt es sich doch nicht nur um flexibel handhabbare Spielvorlagen, sondern zugleich um streng organisierte Wortkunstwerke. Im Folgenden soll gezeigt werden, mit welchen poetischen Verfahren "Die Politiker" das große Thema der politischen Gegenwart traktiert: das Ressentiment, also die affektive Lage und Ohnmacht jener vielen Konsumenten von Politik, die derselben erst ihre Autorität und Wirksamkeit verleihen. Das Politische der "Politiker" nämlich, das heißt "[d]as wirkliche Soziale [...] in der Literatur ist: ihre Form".
Eine dreifache Bewegung der Emanzipation appelliert im 19. Jahrhundert an eine realistische Darstellung: Die Befreiung und Gleichstellung von Frauen, Jüd:innen und der Arbeiter:innenklasse wird von realistischen Texten teils protegiert, teils bekämpft. Am Beispiel von sowohl vor- als auch nachrevolutionären Romanen und Erzählungen Fanny Lewalds entwickelt der Beitrag ein intersektionales Verständnis von Realismus, das dieser politischen Seite des Begriffs Rechnung trägt. Ausgangspunkt ist dabei die Beobachtung, dass realistische Poetiken mit der Verfahrensweise intersektionaler Textbeobachtungen eine Gemeinsamkeit in der Privilegierung der Referenzebene der 'erzählten Welt' besitzen. Wie aber können sich mehrere strukturell divergente Erfahrungswelten innerhalb derselben erzählten Welt artikulieren, ohne in ihrer konfliktuellen Heterogenität nivelliert zu werden? Während "Jenny" (1843) als Versuch über die Phänomene doppelter, aber auch wechselseitiger Diskriminierung subalterner Akteur:innen gelesen werden kann, wirft der Beitrag am Beispiel der Novellen "Der dritte Stand" (1845) und "Auf Rother Erde" (1850) die Frage auf, welche poetologischen Konsequenzen sich aus jener intersektionalen Problematik ergeben, der sich Lewald auch in diesen beiden Novellen systematisch verschrieben hat. Anknüpfend an Überlegungen Susan Lansers geraten dabei u.a. das Geschlecht der Erzählinstanz und die Poetik des Dialogs in den Blick. Wie damit gezeigt werden soll, gehört der nur intersektional fassbare Streit um die Wirklichkeit zu den entscheidenden Voraussetzungen sowie den formalen Problemstellungen des Realismus.
George Sand (1804-1876) zählt zu den herausragenden Figuren der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts. [...] Auch in Deutschland gehörte Sand, legt man die Präsenz ihrer Romane im Bestand der zeitgenössischen Leihbibliotheken als Maßstab zugrunde, zu den meistgelesenen französischen Autoren. Da heute nicht mehr von einer vergleichbar breiten Kenntnis ihres Werks ausgegangen werden kann, erscheint es sinnvoll, einleitend einen Abriss des literarischen Schaffens der Schriftstellerin voranzustellen, dessen übersetzerische Vermittlung im Vormärz Gegenstand der folgenden Untersuchung ist. [...] Ein Blick auf die beteiligten Übersetzer zeigt ein heterogenes Bild. [...] Eine breite Vermittlung der Texte als Unterhaltungsliteratur wird durch ästhetisch und politisch gebundene Deutungsdiskurse einer intellektuellen Avantgarde ergänzt, die in vielen Fällen direkt an bestimmte Übersetzungen geknüpft sind, in Form von Einleitungen, Vorworten oder erläuternden Artikeln in verlagseigenen Zeitschriften, offenbar mit dem Ziel, die Rezeption in eine bestimmte Richtung zu lenken. Die folgende Studie möchte diesen Steuerungsprozessen im Rahmen der übersetzerischen Rezeption nachgehen und untersuchen, inwiefern sie tatsächlich Ausdruck einer doppelten Vermittlung der Sand-Übersetzungen sind, zum einen ausgerichtet auf das Unterhaltungsbedürfnis eines entstehenden Massenlesepublikums, zum anderen eingepasst in den Ideenkampf bestimmter, tonangebender Milieus.
Stefan George und Alfred Schuler begegnen der sog. Krise des Historismus, die den Glauben an die Einheit von geschichtlichem und kulturellem Fortschritt erschütterte, mit einer neuen Art des Historismus, die mit einer signifikanten Umcodierung der überlieferten Wissensbestände einhergeht. Vor dem Hintergrund der kulturpessimistischen Stimmungslage des Fin de Siècle knüpft die Idealisierung der Antike hier zwar an deren bildungsbürgerlich tradierte normative Setzung durch Johann Joachim Winkelmann an, das klassische Antikenverständnis wird jedoch einer zeitbedingten Transformation unterzogen und zum vitalistischen Gegenpol einer als dekadent verstandenen Gegenwart erklärt. Unter dem Einfluss von Friedrich Nietzsches "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" (1874) wird das Griechische bei George bzw. das Römische bei Schuler als 'verlebendigte Antike' zum gegenwärtigen, heilsgeschichtlich aufgeladenen Kulturfaktor erhoben, der als produktive Kraft in der deutschen Gegenwart wirken soll.
Menander und Glycerion
(1803)
Krates und Hipparchia : ein Seitenstück zu Menander und Glycerion ; zum Neujahrs-Geschenk auf 1805
(1804)
Carl Spitteler est considéré comme un poète élitiste, détourné du monde et dont les oeuvres ne seraient accessibles qu'à un public spécialisé. L'article soumet ce préjugé à une révision critique en montrant comment Spitteler a reçu avec beaucoup d'enthousiasme la culture du divertissement de son temps et a parfois fourni à ses oeuvres des décors populaires. En particulier, le demi-monde des artistes de cirque et des danseurs de variétés semble avoir fait une grande impression sur le poète du "Printemps olympique".
Bernward Vespers Romanessay 'Die Reise' (1977) gilt als eindrückliches Zeitdokument der Generation von 1968 und ist überdies ein formal wie inhaltlich gewagtes Prosa-Experiment. Der Text präsentiert sich als psychedelischer Versuch der Vergangenheitsbewältigung, bestehend aus zwei Erzählebenen: dem biographisch-linearen Einfachen Bericht und den assoziativen Erlebnissen unter Drogeneinfluss. Alternierend zum Einfachen Bericht, der die Kindheitsgeschichte Vespers und dessen zwiespältiges Verhältnis zu seinem Vater, dem nationalistisch gesinnten Schriftsteller Will Vesper, aufarbeitet, sind immer wieder längere Passagen eines Drogenprotokolls dazwischen montiert, die dem Text insgesamt eine komplexere, mehrschichtige Struktur verleihen. Allerdings ist der Montagecharakter von Vespers Reise auch auf den Umstand zurückzuführen, dass es sich bei dem Romanessay um ein Fragment handelt, das postum ediert wurde. Nachdem Vesper alle Höhen und Tiefen seiner Sucht durchgestanden hatte, nahm er sich 1971 in der Psychiatrie das Leben. Wie das von Vesper zum Druck autorisierte Buch letztlich ausgesehen hätte, wissen wir schlichtweg nicht, doch gibt es in den nachgelassenen Materialien Hinweise, die einige Vermutunagen zulassen. In einem der ersten Briefe an den Verleger KD Wolff spricht Vesper von einer "Montagetechnik" als "Erzählweise ", die er derzeit aufgrund mangelnder Konzentration aber nicht durchführen könne, deshalb sei das Manuskript vorerst nur eine "Materialsammlung" mit "zu viel Reflexionen" durchmischt. Zudem bemerkt Vesper: "Wir haben in Deutschland keine Tradition. D.h. jenseits von Realismus, Bekenntnisliteratur und 'fiction' - nichts." (R, 607) Vesper spricht hier vermutlich auf das Fehlen experimenteller Montage- und Cut-up-Literatur an, die zu diesem Zeitpunkt in Deutschland tatsächlich gerade erst im Begriff war, sich zu formieren. "Deshalb ", das heißt aufgrund dieses Desiderates, enthalte sein Manuskript "auch die zahlreichen Reflexionen über das Schreiben, die natürlich größtenteils rausfliegen, Baugerüste!"
Heinrich Theodor Rötscher kondensiert seine staatstheatertheoretischen Überlegungen in seinem in Rotteck und Welckers liberalem Staats-Lexikon 1843 erschienenen Artikel 'Theater und dramatische Poesie'; die Ausrichtung seines Ansatzes auf ein staatliches Gemeinwesen ist hier deutlich. Drama und Theater gehören mit zur Entwicklung eines modernen Staatswesens, sie bedingen seine Herausbildung im dialektischen Prozeß einer organisch operierenden Entwicklung. Dass in dieser Konzeption "der Staat die Idee der Freiheit ist", genügt Rötschers idealistischem Postulat genauso wie es der realen politischen Semantisierung nicht gerecht werden kann (und will). Die uneingeschränkt positive Besprechung der griechischen Demokratie fixiert das Theater als Medium der Darstellung eines "freien Staates". Die Übertragung der antiken demokratischen Verhältnisse auf das Deutschland des Vormärz kommt für Rötscher zunächst nicht in Frage; allein die Kritik am Absolutismus der Monarchie, am Prinzip der "absoluten Monarchie" und ihrem Pendant, dem Hoftheater, findet im Text ihren pejorativen Ausdruck.
[Nachruf] Klaus von See
(2013)
[Der] wohl bekannteste[] Gedankenstrich der Weltliteratur […] findet sich gegen Ende des zweiten Abschnitts der Kleistschen Erzählung „Die Marquise von O….“, genauer: zwischen der adverbialen Bestimmung »hier«, die anzeigt, wo die Marquise, kaum dass sie dem Angriff der russischen Soldateska auf die Zitadelle bei M…. entronnen ist, »bewusstlos nieders[inkt]«, und der Fortsetzung des Satzes, der von der Fürsorge des die Operation leitenden Offiziers und seiner Bitte an die »bald darauf« erscheinenden Frauen des Hauses berichtet, für die Ohnmächtige »einen Arzt zu rufen«; diese werde sich, so die Überzeugung des Grafen F…., in Kürze »erholen«. Ausgestellt wird durch diesen Strich nicht etwa ein Gedanke – was seit der Erfindung des Zeichens im 17. und seiner Hochkonjunktur im 18. Jahrhundert ohnehin die Ausnahme ist –; der Strich entpuppt sich als der Platzhalter eines Kopulations- und Zeugungsaktes, der im Verlauf der Geschichte die natürlichsten Konsequenzen zeitigt. Der Erzähler erzählt, ohne zu erzählen; er zieht einen simplen Strich, der gleichzeitig zu lesen und nicht zu lesen ist, der den Schauplatz ebenso verstellt, wie er ihn entblößt, und der es in dieser Doppelrolle bewirkt, dass Wissen und Nicht-Wissen, Liebe und Gewalt (resp. Vergewaltigung) zu abgründigen, weil ununterscheidbaren Größen werden.
Seit Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts liegt in der Handschriftenabteilung des Freien Deutschen Hochstifts Frankfurt als Dauerleihgabe der Stiftung Volkswagen ein in 29 Tranchen aufgeteiltes, rund 170 Autografen umfassendes Briefkonvolut, das aus dem Nachlass Hugo von Hofmannsthals stammt und über Oxford, dem letzten Wohnsitz der vor den Nazis geflohenen Witwe Hofmannsthals, an den Main gelangt ist. Und da jede dieser Tranchen ein gleichgestaltetes archivalisches Kennzeichen trägt -"Degenfeld, Ottonie, v." - erübrigt es sich fast zu sagen, womit man es zu tun hat: Es sind die Briefe, die Ottonie Gräfin Degenfeld-Schonburg, ursprünglich angeregt durch ein Schreiben Hofmannsthals vom September 1909, zwischen 1910 und Hofmannsthals Todesjahr 1929, überwiegend von Schloss Neubeuern am Inn, dem Anwesen ihrer Schwägerin Julie Freifrau von Wendelstadt bzw. dessen nahegelegenem, testamentarisch an die Gräfin gefallenen Meierhof Hinterhör, dann aber auch von Orten wie Berlin, Dresden, München, Paris, Stuttgart, Weimar, dem elterlichen Gut im thüringischen Sondershausen oder dem schwäbischen Sitz ihrer Schwiegerfamilie Eybach aus an Hofmannsthal adressiert hat.
Die deutsche Sprache hat schon in mittelhochdeutscher Zeit das Polnische beeinflusst. In der mittelhochdeutschen Zeit beginnt die Ostkolonisation der deutschen Siedler in Schlesien, daher dringen viele deutsche Wörter in die polnische Sprache vor. Eine sehr starke Beeinflussung des Polnischen durch das Deutsche beobachtet man im 19. Jahrhundert, in der Zeit der Industrialisierung in Europa und auch in Polen, obwohl Polen als selbstständiger Staat zu dieser Zeit nicht mehr existierte. Der geschlossene polnische Sprachraum wurde in drei Teile aufgeteilt: Der eine Teil gehörte zu Preußen, der andere Teil zu Österreich und der dritte Teil zu Russland. Der Einfluss der deutschen Sprache zeigt sich im 19. Jahrhundert im gleichen Maße in allen drei Teilungsgebieten Polens, weil der lexikalische Einfluss des Deutschen auf die polnische Sprachenvor allem im Bereich der Technik und Industrie zu Tage tritt. [...] Zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit durch Polen beginnt die Phase der Polonisierung der direkten deutschen Entlehnungen durch Lehnübersetzungen; dennoch haben wir es weiterhin mit dem lexikalischen Einfluss des Deutschen zu tun, der sich nun in Form von Lehnübersetzungen und -übertragungen zeigt.
The paper contains an analysis of typologies and designations of diseases in three medical handbooks dating from the turn of the 18th century. These guides for non-experts inform readers how plant remedies help prevent and fight diseases. The classification in the books is based on the parts of the body affected by the disease. Frequently, neither the definitions nor the causes of the diseases correspond to those found in contemporary medical books.
Schon in der „Herzoglichen Liberey“ wurden nach ihrer Gründung im Jahre 1691 Musikalien gesammelt, damals von den weimarischen Herzögen Wilhelm Ernst (1662-1728) und Ernst August (1688-1748). Außer den Notenbeständen der Herzogin Anna Amalia (1739-1807) ist der größte Teil dieser herzoglichen Musikalien am 6. Mai 1775 beim Schloßbrand in der Wilhelmsburg verlorengegangen. Darunter waren Noten von Johann Hermann Schein, Samuel Scheidt und Adam Drese. Die von Richard Münnich in seinem Aufsatz „Aus der Musikaliensammlung der Weimarer Landesbibliothek, besonders dem Nachlaß der Anna Amalia“ nach dem Brand von 1774 als gerettet mitgeteilten Werke, so Kompositionen von Johann Philipp Krieger, Johann Paul von Westhoff sowie die sechs Konzerte des weimarischen Prinzen Johann Ernst, sind zusammen mit den Sammlungen der Herzoginnen Anna Amalia und Maria Pawlowna (1786-1859) beim Bibliotheksbrand am 2. September 2004 zerstört worden.
Bei der verheerenden Brandkatastrophe in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek sind neben vielen Büchern auch etliche handschriftliche Dokumente, die zumeist im Zusammenhang mit den betroffenen Büchern standen, verlorengegangen. […] Diese Verluste an handschriftlichem Bibliotheksgut sind im Gegensatz zu vielen Verlusten an Büchern unersetzbar. So kann man es als schöne Fügung ansehen, daß im Zuge des Ersatzbeschaffungsprojektes der Herzogin Anna Amalia Bibliothek auch einiges an handschriftlichem Gut neu in die Sammlungen gekommen ist, […]. Auch die hier publizierten Briefe von Hans Carossa sind nach dem Brand im Zuge eines großzügigen Büchergeschenks in die Herzogin Anna Amalia Bibliothek gelangt. Sie stammen aus dem Besitz des Freiburger Geographen Dr. Ernst Reiner. Er hat der Weimarer Bibliothek eine Sammlung von über fünfhundert Büchern aus dem Insel-Verlag, darunter auch viele Bändchen der Insel-Bücherei, von der er sich infolge seines Umzuges in ein Seniorenheim trennen mußte, überlassen.
Kunst, Religion und Wissenschaft kommen hier als drei Weisen in Betracht, sich zu dem, was als Gegenstand der eigenen Tätigkeit erscheinen kann, zu verhalten; als je spezifische Formen einer Praxis, deren jede ein ihr eigenes Feld von Erfahrung eröffnet. Die besondere Verfaßtheit oder die Form des Spätwerks Flauberts - von der letzten Fassung der "Tentation" (1872) ab, "Trois Contes" (1875-77) und vor allem "Bouvard et Pecuchet" (1872-1875; 1877-1880) - erlaubt nun, das Verhältnis dieser drei klassischen Erfahrungsbereiche am Ende des 19. Jahrhunderts in ihrer Vereinigung, Dissoziierung und Auflösung als Konstellation dreier Enden oder Vollendungen einzusehen.
In den Literaturwissenschaften ist der Begriff des Digitalen bislang vor allem dort in Erscheinung getreten, wo jüngere literarische Phänomene der letzten ca. 30 Jahre verhandelt werden - Phänomene also, wie sie im Zuge der elektronischen Textverarbeitung am PC und der Nutzung des Internets entstanden sind. Zu denken ist hier etwa an die Diskussionen um neue narrative Strukturen im Kontext von 'hypertext fiction', um die multimediale Zusammenführung von Bild, Ton und Schrift im Rahmen von sogenannter 'net poetry' oder um die Transformation von Leser-Text-Beziehungen durch die (interaktiven) Rezeptionsbedingungen des 'reading on screen'. Auch wo Literatur- und Medienhistoriker eine archäologische Rekonstruktion der Vorläufer bzw. historischen Wurzeln von (heute so bezeichneter) "digitaler Literatur" unternommen haben, galt das Interesse vornehmlich früheren Formen von "Computer-Dichtkunst" oder "Maschinenpoesie", die sich ab den späten 1950er Jahren zu entwickeln begannen.
The article is a scholary review of the Stefan Kühtz's handbook „Wissenschaftlich formulieren. Tipps und Textbausteine für Studium und Schule” (Scientific express. Tip and text block for studies and school). The book contains the information about, how to write a scientific paper and many of examples of right and wrong sentences. Such tips can be useful not only for students of German as a foreign language, but also for native speakers of german language.
In Stephanie Willekes Beitrag ""Nichts mehr stimmt, und alles ist wahr." Tabubrüche in Herta Müllers "Atemschaukel"" steht die literarische Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen im Vordergrund der Betrachtung. Herta Müllers "Atemschaukel" fokussiert das Schicksal in Rumänien lebender Deutscher, die zum Kriegsende in Arbeitslagern interniert werden. Damit wird in gewisser Weise ein Tabu im Sinne des Unausgesprochenen berührt, da das Schicksal der internierten Rumäniendeutschen im Kollektivgedächtnis weitestgehend ausgespart bleibt.
Der Aufsatz präzisiert den Stellenwert der Genieästhetik des Sturm und Drang im Prozeß der Herausbildung einer Ästhetik autonomer Kunst. Die Geniekonzeptionen Herders, Goethes und Lenz´ werden gegenüber der semantischen Tradition differenziert und auf ihre Funktion innerhalb der Ästhetik hin untersucht. Zugleich wird aber auch nach ihrer Problemreferenz außerhalb der Sphäre der Kunst gefragt.
Johann Wolfgang Goethe ist für die Beschäftigung mit Fragen des Archivs nicht nur ein symptomatischer oder beispielhafter, sondern ein beispielgebender Autor. Er besetzt eine wichtige Funktionsstelle in der Koppelung moderner Autorschaft ans Archiv. Genauer gesagt, steht er wie wohl kein anderer Schriftsteller – jedenfalls in der deutschen Literaturgeschichte – für die Selbstinstitutionalisierung von Autorschaft durch eine bestimmte Art der Selbstarchivierung, die man, im Anschluss an den von Steffen Martus geprägten Terminus der Werkpolitik, als Archivpolitik bezeichnen könnte. Vor allem die epochale Erkenntnis des alt gewordenen Goethe, "sich selbst historisch" zu werden, führte zu archivarischen Maßnahmen größeren Stils, die ihrerseits jene Erkenntnis immer weiter beförderten. Das so entstehende Spät- oder Alterswerk ist nicht einfach nur die Summe der relativ spät verfassten Texte dieses Autors, vielmehr liegt seine Spezifik im Altern des Werks selbst. So erklärt sich zum einen die Emphase, mit der Goethe sein Lebenswerk, sein Leben im Werk und sein Leben als Werk, konzipierte, zum anderen die große Aufmerksamkeit, die er auf die Sortierung seiner Schriften, Notizen, Bilder und Objekte, auf die Materialität seiner Produktion insgesamt wendete.
Gegründet 1988, vier Studioalben zwischen 1991 und 1996, zwei Kompilationen und eine Abschiedstournee 1998: so die Eckdaten der Berliner Band Lassie Singers. Gegründet wurde sie von den Sängerinnen Almut Klotz und Christiane Rösinger, die sich zunächst Almut Schummel und C.C. Hügelsheim nannten. Hügelsheim ist der Name des badischen Geburtsortes von Christiane Rösinger. Auch die vor ein paar Jahren früh verstorbene Almut Klotz war Mitte der Achtzigerjahre aus Baden-Württemberg, aus dem tiefen Schwarzwald, nach Berlin gekommen. Die Lassie Singers sind also ein Beispiel für den schwäbisch-badischen Kulturtransfer ins alte West-Berlin und ins Wende-Berlin um 1990.
Stefan Willer analysiert die zahlreichen um 1900 kursierenden Pathologien und Pathographien 'großer Männer', die Goethe oft als privilegiertes Fallbeispiel bemühen. Die diese Schriften kennzeichnende Mixtur aus "biographischem Interesse", "vitalistischer Weltanschauung" und "metaphysischer Überhöhung" betrachtet Willer als typisch für eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts prosperierende 'lebenswissenschaftliche' Goethe-Rezeption, die Goethe allerdings nicht degradiere, sondern die in der Regel sogar zu einer "umso emphatischeren Aufwertung" seiner "künstlerischen Lebensleistung" führe und Goethe auf ihre Art anschlussfähig für das neue Jahrhundert mache. Während insbesondere Schiller vom pathologischen Diskurs als ein "heroischer" (und rein biologisch Kranker) kanonisiert worden sei, schlage dieser Goethe auf die 'nervöse', 'innerliche' und partiell auch 'dekadente' Seite der Modernität. Im Zentrum von Willers Untersuchung steht die Studie "Ueber das Pathologische bei Goethe", die der Psychiater Paul J. Möbius 1898 vorgelegt hat. Neben dem "diagnostisch-lesenden Blick" und der "symptomalen Lektüre", die sowohl Goethe'sche Figuren wie Werther oder Gretchen als auch bedeutende Lebensstationen des Autors pathologisch einordnen, gilt Willers besonderes Interesse der Partizipation dieser Studie an den wichtigsten medizinischen Diskursen ihrer Zeit. Die Untersuchung verrate den Einfluss einer bereits von Cesare Lombroso wissenschaftlich behaupteten Affinität von Genie und Wahnsinn ebenso wie den der Entartungs-Theorie Max Nordaus. Die seit dem späten 19. Jahrhundert gängige Verbindung zwischen Pathologie und Degenerationsdiskurs appliziere Möbius jedoch allenfalls zaghaft auf Goethe. Stattdessen unterlege er die Goethe'sche Pathologie einer Entwicklung, die sich in Sieben-Jahres-Zyklen manifestiert habe. Willer flankiert seine Möbius-Lektüre systematisch mit anderen Goethe-Pathographien jenseits der Psychiatrie bis in den Nationalsozialismus hinein und er konfrontiert Möbius abschließend mit prominenten psychoanalytischen Goethe-Lektüren. All diesen Bemühungen sei gemeinsam, dass sie Goethe als Patienten betrachteten. Gemeinsam sei ihnen aber auch, dass die Ärzte als von Goethe permanent 'Affizierte' ihrerseits "in die Nähe des Patienten-Status" zu geraten drohten.
Politik der Aneignung : die "Erbetheorie" in den "Weimarer Beiträgen" Anfang der siebziger Jahre
(2005)
Die Jahresinhaltsverzeichnisse der 'Weimarer Beiträge' rubrizieren zwischen 1970 und 1981 die literaturgeschichtlichen Aufsätze der Zeitschrift unter dem Doppeltitel "Literaturgeschichte und Erbetheorie". Auch wenn sich diese Gliederung in den einzelnen Heften nicht wiederfindet, macht sie doch das redaktionelle Anliegen deutlich, jegliche literarhistorische Arbeit programmatisch mit einer Theorie zu flankieren, die eine Methodologie der Literaturgeschichtsschreibung liefern und auf diese Weise das Interesse an der literarischen Überlieferung als solches in den Blick nehmen sollte. Mit Hilfe der Jahresinhaltsverzeichnisse läßt sich schon rein quantitativ ermessen, einen wie hohen Stellenwert diese Theoretisierung in den siebziger Jahren für die Weimarer Beiträge und für einen großen Teil der in dieser Zeitschrift maßgeblich repräsentierten Literaturwissenschaft in der DDR hatte - auch jenseits der ausdrücklich so zusammengefaßten Artikel, übergreifend in allgemeine Überlegungen zur Ästhetik und Literaturtheorie, aber auch mit höchst wichtigen Implikationen für die Sicht auf die zeitgenössische DDR-Literatur. Warum war der Bezug auf Tradition für die "Literaturgesellschaft" der DDR von so fundamentaler Bedeutung? Und welche Funktion hatte in diesem Zusammenhang der Begriff des Erbes?
Leben und Werke der Brüder Wilhelm (1767−1835) und Alexander (1769−1859) von Humboldt vollzogen sich in vielfältigen Kultur- und Wissenstransfers. Beide waren, in jeweils unterschiedlichem Ausmaß, Forschungsreisende, wissenschaftliche Publizisten, Wissenschaftspolitiker, Staats- und Hofbedienstete. In der Vielfalt dieser Funktionen waren sie darauf angewiesen, zwischen fachlicher, politischer und öffentlicher Kommunkation vermitteln zu können, sich also selbst zu übersetzen - in einem zunächst einmal weiten Verständnis von Übersetzung, das neben sprachlichen Übertragungen auch die "Notwendigkeit kultureller Übersetzungsprozesse" meint und auf ein "Immer-schon-Übersetztsein" von Kulturen in ihrer Vielheit und Mannigfaltigkeit verweist. Solche kulturellen Transfers erweisen sich aber bei den Humboldts auf spezifische Weise als sprachgebunden. Daher lässt sich der im weiteren Sinne übersetzende Charakter ihres wissenschaftlichen und politischen Wirkens auf die interlingualen Selbstübersetzungen hin engführen, die untrennbar mit der mehrsprachigen Genese ihres jeweiligen Gesamtwerks verbunden sind. [...] Als besonderer Fall von kosmopolitischer Mehrsprachigkeit ist für beide Humboldts die deutsch-französische Beziehungs- und Verflechtungsgeschichte betont worden. Für beide besaß die französische Sprache einen zentralen Stellenwert: als von klein auf gesprochene Zweitsprache und als wissenschaftliche lingua franca der Zeit um 1800. Sie war immer dort mit im Spiel, wo sich Wilhelm und Alexander von Humboldt als Selbstübersetzer betätigten. Dabei ging die Übersetzungsrichtung sowohl aus dem Deutschen ins Französische als auch umgekehrt; übersetzt wurden sowohl komplette eigene Texte als auch Abschnitte aus teils publizierten, teils unpublizierten Arbeiten, die in der jeweils anderen Sprache zum Ausgangsmaterial für neue Schriften werden konnten. Auf diese Weise entstanden zweisprachige Textkorpora verschiedenen Zuschnitts, wie im Folgenden an chronologisch angeordneten Beispielen dargelegt werden soll, und zwar sowohl hinsichtlich der jeweiligen wissenschaftlichen Kontexte als auch im mikrologischen Blick auf die Texte selbst. Zwei der Beispiele stammen von Wilhelm von Humboldt: ein deutsch-französisches Konglomerat zur Ästhetik (II.) und ein französisch-deutsches über altamerikanische Sprachen (IV.); die beiden anderen von Alexander von Humboldt: die parallel auf Französisch und Deutsch veröffentlichte Abhandlung zur Geographie der Pflanzen (III.) und die französische Übersetzung der zuerst auf Deutsch publizierten Einleitung zum mehrbändigen Spätwerk, dem Kosmos (V.). Abschließend soll nochmals die pragmatische und theoretische Reichweite der Humboldt'schen Selbstübersetzungen benannt werden (VI.).
This study analyses five British translations of Bertolt Brecht's 'Mutter Courage und ihre Kinder'. Two of these translations were written by speakers of German, and three by well-known British playwrights with no knowledge of the source text language. Four have been produced in mainstream British theatres in the past twenty-five years. The study applies translation studies methodology to a textual analysis which focuses on the translation of techniques of linguistic "Verfremdung", as well as linguistic expression of the comedy and of the political dimension in the work. It thus closes the gap in current Brecht research in examining the importance of his idiosyncratic use of language to the translation and reception of his work in the UK. The study assesses the ways in which the translator and director are influenced by Brecht's legacy in the UK and in turn, what image of Brecht they mediate through the production on stage. To this end, the study throws light on the formation of Brecht's problematic reputation in the UK, and it also highlights the social and political circumstances in early twentieth century Germany which prompted Brecht to develop his theory of an epic theatre. The focus on a linguistic examination allows the translator's contribution to the production process to be isolated. Together with an investigation of the reception of each performance text, this in turn facilitates a more accurate assessment of the translator and director's respective influence in the process of transforming a foreign-language text onto a local stage. The analysis also sheds light on the different approaches taken by speakers of German, and playwrights creating an English version from a literal translation. It pinpoints losses in translation and adaptation, and suggests how future versions may avoid these.
Paralysiert starrt er ins Nichts. Gestern noch war er stolzer Portier eines Berliner Grandhotels; heute wird er aufgrund seiner Altersschwäche zum Toilettenwärter degradiert. Während der Protagonist aus Friedrich Wilhelm Murnaus 'Der letzte Mann' (1924) sein Schicksal noch gar nicht fassen, sich gefangen im Schock noch gar nicht regen kann, macht sich ein junger Mitarbeiter bereits daran, ihm die Portiersuniform auszuziehen. Dieser eigentlich simple Akt der Entkleidung erfährt durch seine filmische Inszenierung eine enorm starke semantische Aufladung: Zum einen wird die hier zivile Uniform, die den Namenlosen als Teil einer gesellschaftlich angesehenen Berufsgruppe ausweist, zum Symbol für die Arbeit selbst; das heißt, die Uniform ist (entsprechend ihres Bedeutungswandels, der sich zwischen dem 18. und dem frühen 20. Jahrhundert aufgrund der Reorganisierungen der Staats- und Gesellschaftsformen vollzog) weniger Verweis auf etwaige militärische Motive als vielmehr Medium zur Kommunikation all dessen, was sich mit der professionellen Position verbindet, wie Status, Modernität, Männlichkeit. Zum anderen erscheint sie in Anbetracht der langwierigen, schmerzvoll anmutenden Prozedur, die es erfordert, sie abzunehmen, wie eine zweite Haut, die dem Mann abgezogen werden muss. Im übertragenen Sinne veranschaulicht der Film damit genau jenes Problemfeld, das Wolfgang Engler in seiner 2005 erschienenen Schrift 'Bürger, ohne Arbeit' mit folgender Frage umreißt: "Was bleibt vom 'Menschen', wenn man die 'Arbeit' von ihm abzieht?" Es ist eine entscheidende Frage, wenn man bedenkt, dass die moderne Gesellschaft sich, um die prominente These Hannah Arendts aufzugreifen, im Ganzen zu einer Arbeitsgesellschaft entwickelt hat. Längst wird die Arbeit nicht mehr nur im notwendigen Zusammenhang mit der materiellen Basis gesehen, sondern darüber hinaus als bedeutende Variable im Prozess der sozialen Integration sowie Identifikation begriffen.
Das theoretisch-psychologisch sowie kulturwissenschaftlich relevante Thema "Gewalt", ist aus der Literatur nicht wegzudenken, hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass sich gewisse Strömungen oder Epochen als besonders gewaltaffin erwiesen haben. Der Literatur wohnt die Fähigkeit inne, Gewalt zu erzeugen, zu inszenieren sowie zu gestalten. Diese sollte zugleich als ein Medium begriffen werden, in das kulturelle Codes einfließen, die dann entweder kritisch oder affirmativ reflektiert werden. Peter Henischs Roman "Schwarzer Peter" schreibt sich in den Diskurs über Multikulturalität bzw. über die mangelnde Akzeptanz dieser in Österreich der Nachkriegsjahre ein, wobei man dem Plot eine gewisse zeitlose Aktualität nicht absprechen kann. Der Autor geht auf ein eminentes politisches Thema ein, unternimmt jedoch keinen Versuch, die Repressionen, denen die titelgebende Hauptfigur ausgesetzt ist, zu plausibilisieren oder Legitimationsmuster für diese zu entwerfen. Vielmehr ist sein Roman als eine kritische Stimme in der Debatte über Minoritäten bzw. als ein Versuch zu sehen, im Namen dieser, die marginalisiert werden, das Wort zu ergreifen. Dies überrascht nicht angesichts der Tatsache, dass Henisch mehrmals öffentlich seine Besorgnis ausgedrückt hat, dass die österreichische Identität durch die unbewältigte Nazi-Vergangenheit konstituiert wurde und die Notwendigkeit der Aufarbeitung dieser betonte.
"Paris ist für mich", schreibt Rilke 1907, "eine unermeßliche Erziehung, dadurch, daß es meinem Blick und meinem Gefühl, die entlegensten, äußersten, die schon nicht mehr nachweisbaren Thatsachen seelischen Erlebens bis zu beispielloser Sichtbarkeit (ja, Weithinsichtbarkeit) verdichtet, hinhält". Diesem in bzw. an Paris erfahrenen Zusammenhang von Blick und Gefühl, Sichtbarkeit und seelischem Erleben, Sehen-Lernen und Innerlichkeit geht Karin Winkelvoss hier noch einmal nach.
Das Böse – bereits die Nennung dieses Begriffes evoziert ein Faszinosum, das niemals nur auf den Bereich der Moral beschränkt bleibt. Vielmehr schwingt dabei stets ein poetischer Aspekt mit, der eine Spannung zwischen der ethischen und ästhetischen Sphäre schafft. Wenn Novalis darauf hinweist, dass "Gut und Böse [...] absolut poetische Begriffe" seien, honoriert er damit den in der philosophischen und theologischen Begriffsgeschichte häufig vernachlässigten künstlerischen Wert des Bösen. Die dialektische und spannungsvolle Verbindung von Ästhetik und Moral, wie sie bei der Reflexion des Bösen in den Vordergrund tritt, soll in diesem Beitrag in den Mittelpunkt gerückt werden, indem Heinrich von Kleists Text "Der Findling" als paradigmatisches Beispiel für diesen Zusammenhang hermeneutisch analysiert wird.
Zwar hatte Loos seinen Feldzug gegen das Ornament schon um 1900 begonnen, doch entwickelte keiner seiner scharfzüngig formulierten Essays eine größere Sprengkraft als der 1908 erschienene Aufsatz "Ornament und Verbrechen", dessen Hauptthesen er zugleich erfolgreich in wirkungsvollen Vorträgen popularisierte. Er wandte sich darin gegen den historistischen Fassadenstil der Wiener Ringstraßenästhetik und gegen die Formensprache sezessionistischer Strömungen, propagierte eine an Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit orientierte Baukunst und verteufelte die seiner Meinung nach überflüssige Dekorationswut, die aus der Verbindung zwischen Kunst und Kunsthandwerk im Gefolge der Arts-and-Craft-Bewegung hervorgegangen war. Trotz oder wegen der kontroversen zeitgenössischen Aufnahme hatten die kämpferischen Thesen eine vielfältige Wirkungsgeschichte. Sie beeinflussten nicht nur nachhaltig die architektonische Praxis bei der Herausbildung des internationalen Funktionalismus, sondern auch puristische und elementaristische Strömungen in der bildenden Kunst sowie allgemeine ästhetische Theorien und hinterließen bis ins 21. Jahrhundert hinein Reflexe in literarischen Texten.