830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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The following essay illustrates the extraordinary love story between Clemens Rescher and Rodica Neagoie. These key characters are representative figures for the nation they belong to. Clemens is a Transylvanian Saxon and Rodica a Romanian. Despite all contradictions, they fall in love, spend time together, travel to the Black Sea and plan their future. Even though they are bound to each other by strong feelings, this love cannot overcome all the preset cultural, ethnic and social obstacles. Clemens and Rodica become the victims of the world they live in.
The following essay is based on the narrative Die schiefe Fassade der Kindheit. Erfundene Familienkunde written by Eginald Schlattner. The action takes place in Transylvania, a region where several nations live together. The key concepts are identity and alterity, because only by analysing the other one can find and understand one’s own identify. The traits of the communities living together are portraited by Aunt Maly, a strong supporter of the German traditions and by Grisi, the grandmother, who presents the mentality of her people as opposed to the Romanian people. The story also reveals the conflicts between these two ethnical groups. Nevertheless life in Transylvania can be seen as an example of how people belonging to different cultures can peacefully live together.
Auf Wolke Siebenbürgen … : eine Kindheit voller Gefahren. Die „Deportation“ und Rettung der Mutter
(2017)
Transylvania is a region that frequently appears in the texts of the German speaking writers from Romania. Walther Gottfried Seidner‘s story makes no exception. In the center is the narrator, a kindergarten child, who explores the history of Europe experienced from a subjective point of view. His attention is directed especially to the mother, who is in danger of being deported to the Soviet Union. The red thread of the narrative is interrupted by retrospectives, which complete the image of Transylvania at the beginning of the year 1945. This analysis refers to several aspects within the original text: the Cibin River and its significance to the community of Sibiu, the Christian cross and the swastika, the German National Socialism and the Communism, the deportation of the German minority.
The novel “Wasserzeichen” was published at the Pop Publishing House in Ludwigsburg, Germany, in 2018. The destiny of the main character of the aforementioned literary work is undoubtedly linked to the Transylvanian city of Cluj-Napoca. After finishing high school in Brașov, the young Eginald – who is not the same as the author of the novel – arrives in Cluj-Napoca where he first goes to the Faculty of Protestant Theology, from which he is relegated; afterwards, he starts the courses of another faculty, but before finishing his studies he is arrested by the Securitate. The life story of the young Transylvanian Saxon turns out to be a troubled one – full of defining experiences for his existence. Due to the relationships with the people whom he meets there, the romantic entanglements, and the betrayals he experiences, he matures quickly. The 1st person narrator becomes a true man in this predestinate space.
The German minority emigrated massively from Romania after the fall of the communist regime in 1989, so the void left by it had to be filled with representatives of Romanian ethnicity. The main actors for the relations between the Saxons and the Romanians in Transylvania are the children who study in schools with German as a mother tongue. They will carry on the cultural heritage left by the Saxons. But how can we reach out for these children? The answer is given to us by the writer Anne Junesch in her book „Das Amenchen. Mäuseleben”, published in 2019. An attempt is being made to sensitize young readers to Transylvanian culture. With the help of a story centered around a fortified church and a main character from Germany, a world full of secrets and of the unknown is revealed to us. With small steps, an incursion is thus made into the almost lost world of the Transylvanian Saxons.
In Schillers Wallenstein-Trilogie ist nicht der Zeitpunkt der Tat entscheidend, sondern der Zeitpunkt der Information. Auch Gerüchte sind Informationen, wenngleich unsichere. Sie spielen im Machtkampf zwischen Wallenstein und der kaiserlichen Partei sogar eine maßgebliche Rolle, denn dieser dreht sich, genau besehen, darum, Gerüchte als Nachrichten beim Heer glaubhaft zu machen. Wem dies als erstes gelingt, der gewinnt in dem Informationskrieg, der sich in Schillers Stück abspielt. Wallensteins Informationsoffensive verfolgt ganz deutlich dieses Ziel. Er schickt Eilboten nach Prag, die dort vermelden sollen, dass die Pilsener Truppen ihm neu gehuldigt hätten. Durch dieses als Nachricht ausgegebene Gerücht sollen sich die Prager Truppen veranlasst sehen, sich ebenfalls für Wallenstein zu erklären. Die Nachricht von den Prager Truppen soll wiederum die Pilsener Regimenter dazu bewegen, sich hinter Wallenstein zu stellen. Denn wenn Prag sich erst für ihn ausgesprochen habe, so legt Wallenstein sein Gerüchtekalkül seinem Getreuen Illo dar,
"[d]ann können wir die Maske von uns werfen,
Den hiesigen Truppen den gethanen Schritt
Zugleich mit dem Erfolg zu wissen thun.
In solchen Fällen thut das Beyspiel alles.
Der Mensch ist ein nachahmendes Geschöpf,
Und wer der Vorderste ist führt die Heerde.
Die Prager Truppen wissen es nicht anders,
Als daß die Pilsner Völker uns gehuldigt,
Und hier in Pilsen sollen sie uns schwören,
Weil man zu Prag das Beyspiel hat gegeben."
(T, III/4, 1430–1439)
Wallenstein setzt auf die Nachahmung, um eine Massendynamik zu induzieren. Er beschreibt Nachahmung als anthropologisches Charakteristikum, womit Schiller seinem Protagonisten eine Vorstellung der Aufklärung in den Mund legt.
Das in den Literaturwissenschaften zu – nicht zuletzt wissenschaftspolitisch begünstigtem - Ruhm gelangte Konzept der 'cultural studies' hat mittlerweile eine Fülle einschlägiger Publikationen hervorgebracht. Dennoch steht im Zentrum der Debatten nach wie vor die grundsätzliche Frage, ob die Literaturwissenschaft von den Kulturwissenschaften auf sinnvolle Weise ergänzt wird oder ob sie in der Orientierung an dieser ihre eigensten Qualitäten preisgibt. Was kann eine literaturwissenschaftliche Analyse gewinnen bzw. was droht sie zu verspielen, wenn sie kulturwissenschaftlich verfährt? Durchmustert man die Argumente der jeweiligen Parteien, wie sie für den deutschsprachigen Raum beispielhaft in Beiträgen von Walter Haug und Gerhart von Graevenitz aufeinandertreffen, dann lässt sich schnell erkennen, dass beide Positionen trotz aller Differenzen in einem entscheidenden Punkt nicht weit voneinander entfernt sind: Beide Diskutanten gehen nämlich von der Reflexivität ihres Untersuchungsgegenstandes aus, gleichgültig, ob dieser auf den literarischen Kanon beschränkt ist (wie im Fall von Haug) oder ob (wie bei Graevenitz) die Ansicht vertreten wird, die hohe Literatur sei durch die unterschiedlichsten Kulturphänomene zu ergänzen.
Ein Dorfrichter missbraucht seine Amtsautorität, nötigt eine junge Frau sexuell, indem er ihr droht, dafür zu sorgen, dass ihr Verlobter als Soldat in einem Kolonialkrieg verheizt wird, sollte sie ihm nicht zu Willen sein. Bei seiner […] Flucht vom Tatort zerschlägt er einen Krug. Dieser […] bezeichnet die mutmaßlich geraubte Unschuld der jungen Frau. Sex and Crime also – von Kleist indes als Komödie präsentiert. Angesichts der körperlichen Schändung […] erscheint diese Gattungsentscheidung gewagt; zumal Kleists Darstellung auf den ersten Blick keine allzu große Empathie für die geschädigte Seite dokumentiert. Wie so oft bleibt nämlich die Paraderolle dem Bösewicht vorbehalten: dem Dorfrichter Adam. Frau Marthe Rull hingegen, die Mutter des vergewaltigten Mädchens und Eigentümerin des zerbrochnen Krugs, gilt nicht gerade als Sympathieträgerin […]. Ihre insistierende Klage vor Gericht, in der sie den Krug mit aller Einlässlichkeit beschreibt, weist sie in den Augen der amerikanischen Kleistexpertin Ilse Graham als überaus »schlichte Person« aus, ja lässt sie gar zu einem Musterbeispiel »törichter Besessenheit« werden. Man kann solchen Furor gegenüber einer literarischen Figur befremdlich finden, Fakt ist allerdings, dass Frau Marthe auch für den heutigen Theaterzuschauer zunächst einmal eine Nervensäge ist. Ihre langatmige Beschreibung des Krugs bringt den sonst besonnenen Gerichtsrat Walter dazu, sie ein ums andere Mal mit Einwürfen wie »weiter, weiter« zu mehr Stringenz anzutreiben.
Bei der Schlussszene in 'Nathan der Weise', in der auf Lessings Regieanweisung hin "Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen" der Vorhang fällt, wird das Toleranzpostulat der Ringparabel als wirksam besiegelt, obwohl die Erwartung an eine konventionelle Auflösung im Liebesglück enttäuscht wird. Die allseitige Umarmung erscheint manchem_r irritierend oder gar befremdend. Es stellt sich leicht ein Unbehagen ein. Doch unterliegt dem so tolerant gelösten Religionsstreit ein ethnographisches Tableau, auf dessen Basis die Differenz durch Transkulturalität bewältigt wird. Lessing klärt die in der Aufklärung aufkommende ethnografische Konstruktion von Differenz auf, indem er die religiöse und kulturelle Grenzziehung durch die Erzählung zweier Vorgeschichten ihrer essentiellen Grundlage beraubt. Zwar enden diese beide tragisch, denn Nathans Familie wird von antisemitischen Kreuzzugshorden ermordet und die Eltern des Geschwisterpaares sterben im Kreuzzug, doch die Kinder der transkulturellen Familiengründung, Recha/Blanda und der Tempelherr, überleben. Recha, die als Pfand der Tugend von Hand zu Hand geht, wird nicht nur aus den Flammen, sondern auch aus dem Zwiespalt der Loyalitäten gerettet. In Recha wird Transkulturalität zur Gestalt. Nicht nur auf ihrem Körper sondern auch in ihrem Geist oszilliert die Kommunikation und wird die Blockade zwischen den Kulturen überwunden. Dabei bleibt sie jedoch als machtlose weibliche Figur das zirkulierende Objekt der Begierde. Der Tempelherr - wie Recha ein Waise - durchläuft einen Bildungsprozess, in dem er seine Position ständig neu finden muss und Fragen der Transkulturalität ausgehandelt werden. Das happy-end, in dem sich Recha und der Tempelherr als Geschwister und verwaiste Kinder einer Deutschritterin und eines Bruders des Sultans in den Armen Nathans, des Sultans und dessen Schwester wiederfinden, entspricht weder dem romantischem Muster noch der Erwartung eines tragischen Verlusts. Nein, 'Nathan der Weise' ist nicht als Trauerspiel, auch nicht als Lustspiel angelegt. Das dramatische Gedicht in fünf Aufzügen setzt dagegen zwei Erzählungen ins Verhältnis - die über Toleranz und die über Transkulturalität. Während Toleranz als Gebot in der Ringparabel ausgegeben wird, wird Transkulturalität in Lessings multikulturellem Jerusalem des 11. Jahrhunderts, wenn auch unter klaren Machtverhältnissen, gelebt. Glücklich ausgehen kann das Drama nur, weil Lessing so der Transkulturalität durch Blutsbande eine tragfähige Basis schafft. Meine These ist, dass Lessing einen solchen Schluss schreiben musste, wenn er das in der Ringparabel entwickelte Gebot der Toleranz als reale Chance verwirklicht sehen wollte. Aus postkolonialer Sicht stellt sich für die heutige Rezeption die Frage, wie notwendig das Konzept der Kreolisierung für die Entwicklung einer toleranten Gesellschaft ist.
"Der Ewige Jude im Hamsterrad" : zur Literatur und zum Literaturverständnis von Vladimir Vertlib
(2012)
Der von Vladimir Vertlib in seinem letzten Roman "Schimons Schweigen" (2012) wortwörtlich ins Spiel gebrachte Topos des Ewigen Juden ist als eine motivische Konstante seit seinem Debüt greifbar. Vor dem Hintergrund dieser topischen Tradition fokussiert der Beitrag zum einen die Kernproblematik von Vertlibs Prosa – die Suche nach einer tragfähigen Identität der rastlos Umherirrenden, eine Suche, die stets in einer Sackgasse im Nirgendwo endet. Zum anderen dient der Topos als Folie für die Schilderung Vertlibs ästhetischer Selbstverortung, die ebenfalls durch die Suche nach einem sicheren Zufluchtsort gekennzeichnet ist.
Mit seinem hymnischen Gedicht ‘Harzreise im Winter’, in dem Goethe auf seine im Dezember 1777 unternommenen „Ritt“ durch den Harz und die Besteigung des verschneiten Brocken rekurriert, hat er zwei für die romantischen Versionen winterlicher Reisen konstitutive Diskurse vorgeprägt: Zum einen ist ihnen die Reflexion über ihre poetische Gestaltung eingeschrieben, zum andern vermittelt die Schilderung frostiger und lebloser Landschaften eine (wie auch immer geartete) krisenhafte Situation und melancholisch-weltschmerzliche Stimmung. Diese wird in Goethes Gedicht mit der Frage nach dem einsamen ‚Menschenfeind’ hervorgerufen, der sich in die Öde zurückgezogen hat. Die ihm gewidmeten Strophen V-VII hat Brahms 1869 in seiner Rhapsodie vertont und mit seiner Komposition die Gewissheit einer Erlösung aus unglückseliger „Selbstsucht“ zum Ausdruck gebracht. Hingegen deutet Goethe nur die Möglichkeit einer Heilung der zur Werther-Zeit grassierenden „Empfindsamkeits-Krankheit“ in den vielschichtigen Bildern seiner ‚Harzreise’ an, mit denen er die Symbolik seiner klassischen Dichtung antizipiert
Die drei Frauen in Deutschland als Gestalten der Sage, des Märchens und des christlichen Kultes
(1934)
The hereby article deals with situational integration in Franz Hodjak‘s poetry. The lyrical work of the Sibiuborn author never refers to a classical „arrival“, but to a permanent voyage, that does not act exclusively as selfknowledge, but especially as a univocal refusal of identity. Hodjak creates his own topography, looking for an interspace beyond common categories, a place that provides a possibility of non-hindered existence for the human being.
"ein wort / ergibt das andere / wort" : über die Majuskelschrift in den Gedichten von Gerhard Eike
(2017)
Gerhard Eike’s poetry volume, 6 & 60 konelliptische Landschaften, published by the Kriterion Publishing House in Bucharest in 1975, follows the trend of German language literature of Romania of those times, in terms of literary experimentation. Eike’s primary technique consists of capitalizing certain words, sentences or syllables, thus trying to take them out of the context and recontextualize them in new semantic frameworks. The author does not always use the mechanism in a befitting manner, but there are plenty of felicitous cases when language is refreshed and the internal relations of the text are redefined.
In this article, we try to identify characteristics of German Expressionism in contemporary literature and its possible variations. The focus will be on the generation conflict and the text "Suchbild über meinen Vater" by Christoph Meckel (1980).
Der interdisziplinäre Forschungsverbund "Grenze/n in nationalen und transnationalen Erinnerungskulturen zwischen Tschechien und Bayern" der Universitäten Regensburg und Passau, der Karls-Universität Prag, der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem und des Adalbert Stifter Vereins in München widmet sich der/den Grenze/n, die in den nationalen und transnationalen Erinnerungskulturen konstruiert bzw. dekonstruiert werden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die grundsätzliche Frage nach der Wirkmächtigkeit der Grenze/n in den europäischen Erinnerungskulturen, die auf mehreren Ebenen als aktuell und dringlich erscheint.
Was soll man erwarten,wenn GOETHE, das vielleicht letzte Universalgenie, unter dem Aspekt der Bildung untersucht wird? Scheint doch gerade zu sei-nem Bildungsbegriff mehr als genug geschrieben und gesagt worden zu sein. Hinzu kommen die Bildungsfolgen GOETHEs, die in der Tat unübersehbar sind. Vom Konzept des Bildungsromans und dem kaum von GOETHES Werken (zumindest im Bücherschrank) zu trennenden Bildungsbürger bis hin zu der nicht nur Germanistik-Bibliotheken und ihre Benutzer prägenden Epo-chenbezeichnung Goethezeit. Zwar werden Bildungsroman, Bildungsbürger und Goethezeit immer häufiger unter kritischem Vorzeichen gesehen, doch zeugt diese Diskussionswürdigkeit eher von der Vitalität als von der Über-lebtheit des Bildungsguts GOETHE. Hier sollen nun keine weiteren GOETHE-Büsten nach Weimar (bzw. in bildungsbürgerliche Wohnzimmer) getragen werden, noch wird angestrebt, den Jubilar endgültig als hoffnungslosen Dilettanten und universellen Nichts-könner zu entlarven. Es geht vielmehr darum, in einer Mischung aus unum-wundenem Respekt vor der Vielfältigkeit seiner Tätigkeitsfelder einerseits und nahezu ausschließlicher Neugierde bezüglich der Motivation GOETHES für diese Beschäftigungen andererseits ein kaleidoskopartiges Bild zu entwer-fen. Weder Bildungsgang noch -begriff GOETHEs (JANNIDIS 1996) samt ihrer pädagogischen Nutzbarmachung (z.B. BÖHME 1991) stehen damit im Zent-rum des Interesses, sondern seine je konkrete – und, wie sich zeigen wird, alles andere als unstrukturierte – Bildungspraxis.
Das Anlegen von Agenden gehört zu den grundlegenden Elementen der Arbeits- und Lebensorganisation Goethes. [...] Zwar wird diesen Arbeitslisten dort erst ab dem Jahr 1802 eine eigene (Teil)Rubrik zugestanden, doch findet sich bereits unter dem 1. Januar 1782 der Tagebucheintrag: "Früh verschiednes in Ordnung. Agenda durchgesehn und überlegt." [...] Im Januar 1790 nahm sich Goethe unter anderem die Fertigstellung der Bearbeitungen von Torquato Tasso, Lila, Jery und Bätely sowie Faust für die Schriften vor; daneben finden sich auf der Agenda aber auch Einträge, wie "Bergwerck", "Schloß Bau" oder "Erotica". [...] Auf Anfang 1799 schließlich datiert eine Arbeitsliste Goethes, die mit dem Nebeneinander von Orts- und Personennamen, Titeln literarischer und naturwissenschaftlicher Werke, Sachbegriffen usw. bereits ein typisches Merkmal der späteren, bis zum März 1832 reichenden Agenden aufweist: "Agenda in Jena | vom 7. Jan. an. | Hiller. | Merseburg. | Farbenlehre | Propylaeen. 2. B. 1 Stück. | Faust. | Mahomet | Uber Piccolomini. | Sammler. | Bibliotheck | Tyger."
Ziel des Beitrags ist die Darstellung der neuartigen Prototypen MultiGenera und MultiComb, die auf der Grundlage des multilingualen Valenzwörterbuchs zur Nominalphrase PORTLEX syntaktisch-semantische valenzbasierte Auskunft über die Nominalphrase sowie über ihren Satzrahmen anbieten. Nach der Schilderung der Haupteigenschaften der Ressourcen sowie des zugrunde liegenden methodologischen Verfahrens werden Hinweise über ihre möglichen didaktischen Anwendungsbereiche gegeben.
Kultur - Sprache - Gewalt
(2018)
Zum Verständnis der Gewalt dürfte der Versuch beitragen, einen prointuitiven, in der Natur der Sache begründeten Begriff zu konstruieren, dessen Wert in seinem erhöhten Erklärungspotenzial liegt. Im vorliegenden Text wird der Versuch vorgenommen, den Begriff "Gewalt" aus drei fundamentalen menschenkonstitutiven Faktoren abzuleiten, der es ermöglicht, die Gewalt aus der Sicht des Betroffenen systematisch zu beschreiben und erklären. In die Erörterungen werden Kultur und Sprache involviert und innerhalb von drei Subthemen - Interpretation und Gewalt, sprachliche Ordnung und Gewalt, soziale Interaktion und Gewalt - wird ihre Einbeziehung in die "Welt der Gewalt" aus besonderen Perspektiven ins Visier genommen.
Der Froschkönig, der eigentlich eine Prinzessin ist, das Schneewittchen, das sich beinahe in einen niedlichen Feenzwerg verliebt, der narzisstische Hänsel, der Klein-Gretel wegen der betörenden Hexe Hildegard im Wald stehen lässt, der Bishônen-Jüngling Rapunzel, der die sportliche Jungfer Eva schwängert – diese Geschichten und einige andere mehr entstammen dem Universum der japanischen Comics des 21. Jahrhunderts. Die Manga haben mittlerweile begeisterte Leser und Nachahmer selbst im Heimatland der Märchenbrüder gefunden.
Joachim Wittstock presents three outstanding personalities from the Transylvanian Saxon and Romanian past – the theologian and reformer Johannes Honterus, the Saxon count and Royal Judge Johann Zabanius Sachs von Harteneck, and the Walachian prince Constantin Brâncovean – from very new, innovative and surprising points of view by combining fact and fiction in a subtle way. A special feature of Joachim Wittstock’s approach is the matching of form and content, naturally with varying emphasis on language construction or topic composition in the three pieces of prosa. In terms of the content, the author combines a circular perspective with a parallel one, thus creating a distinct up- and- down pattern. Linguistically, Joachim Wittstock uses cultivated everyday speech laced with telling word play, proverbs and idioms, foreign and archaic words, to ev oke the historic atmosphere of the past and making subtle political connotations. The unpretentious but deliberate syntax, with its most noticeable structural parallelism, sustains the author’s intentions. Joachim Wittstock encourages thought, not only about the contents, but especially about how we can improve things nowadays, about the responsibility that we have for our actions.
În epopeea germană medievală Cântecul Nibelungilor se iscă o ceartă între cele două protagoniste, Kriemhilt şi Prünhilt, privind rangul şi statutul social al soţilor. Întrebarea care se pune este: Cine dintre cele două regine este vinovată de ceartă?
În dezbaterea acestei problematici complexe se prezintă concepţiile de conduită morală şi etică de la curţile medievale germane. Kriemhilt proclamă supremaţia lui Sîfrit datorită puterii lui nemăsurate. Prin prisma evenimentelor cunoscute de Prünhilt, acesta este vasal şi implicit supus soţului ei, regele Gunther. Lămurirea statutului social al lui Sîfrit aduce cu sine înjosirea Prünhildei, ce va duce în final la moartea lui Sîfrit.
Răspunsul la întrebarea iniţială, ce este de fapt o întrebare despre dreptate şi nedreptate, este unul echivoc. Dovedindu-se că soţul ei, Sîfrit, este cel mai puternic, Kriemhilt iese aparent învingătoare din această ceartă. Prünhilt este şi ea învinsă, pentru că presupusa ei dominare în patul nupţial de către Sîfrit, şi nu de către soţul său, este deacum de notorietate publică. – Disputa dintre regine are probabil rolul unei figuri de stil pentru a menţine tensiunea narativă.
The following article analys the perception of th famous character Till Eulenspiegel (Howleglas) in Romania, mostly focusing on „Întâmplãrile ºi faptele de pominã ale nãzdrãvanului Til Buhoglindã”, retold by Al. Alexianu. His fame was currently brought by the numerous translations, in 280 languages. The first complete Romanian translation was published in 1840, in Braºov. The book represented a major success towards the Romanian audience, following other editions being published (1848, 1856, 1858, etc.). The 43 tales chosen in the 1970s edition are focused on Till Eulenspiegels-character (translated in Romanian as Til Buhoglindã), revealing his complex personality, as well as his amuzing and educational side.
Die soziokultivierte gewaltfreie Kommunikation bedeutet eine kultivierte Konfrontation der Selbstprojektionen der Kommunikationsteilnehmer. Soziokultivierte Kommunikation wird dadurch gekennzeichnet, dass sie korrekt ist. Das Wesen der Korrektheit jeder Kommunikation bildet die Proportionalität zwischen den Akkommodations- und Assimilationsprozessen. Diese Proportionalität bedeutet, dass alle beteiligten Kommunikationsteilnehmer über eine angemessene Egomobilität verfügen. Diese beruht auf dem Gleichgewicht zwischen Egozentrismus und Allozentrismus (vgl. Dolník 2009:76–78). Die einzelnen Kommunikanten bemühen sich nicht nur um die Durchsetzung der eigenen Selbstinterpretation (der eigenen Werte und Normen, Kommunikationsstile, Einstellungen, Gefühle, Verpflichtungen, Beziehungen, Überzeugungen, Verhaltensweisen, Erwartungen, Bedürfnisse usw.), sondern gleichermaßen um das Verständnis der Selbstinterpretation ihres Kommunikationspartners. Eine effiziente Kommunikation geht Hand in Hand mit der Problemlösungsstrategie der Konfliktbewältigung. Sie geht davon aus, dass jeder Konflikt ein Problem darstellt, das grundsätzlich lösbar ist und dessen gemeinsame Lösung den beiden Konfliktseiten Vorteile bringt.
Insgesamt zeigen die hier untersuchten Daten, dass die Bildung konversiver Idiome nach bestimmten Prinzipien, jedoch nicht nach produktiven Regeln erfolgt. Die meisten Faktoren, die an der konversiven Transformation in der Phraseologie beteiligt sind, sind konzeptueller Natur und führen zurück auf die semantisch-syntaktischen Eigenschaften des betreffenden Idioms. Aus der Sicht der Syntax ist es entscheidend, dass das betreffende Idiom über zwei aktive Valenzen verfügt. Normalerweise werden diese Valenzen semantisch mit dem Agens sowie mit dem Patiens gefüllt, seltener mit dem Agens und dem Adressaten oder Benefiziär. Syntaktisch gesehen hat das "linke" Mitglied des konversiven Idiom-Paares eine Subjekt-Valenz (entsprechend dem Agens) und eine Valenz des Dativobjekts (entsprechend dem Patiens oder dem Adressaten/Benefiziär).
Der Dichter Paul Celan übersetzte aus sieben Sprachen ins Deutsche, weigerte sich aber zeit seines Lebens seine eigenen Gedichte zu übertragen. Zu der Frage, ob seine Lyrik überhaupt übersetzbar sei, hat er sich zudem meistens sehr skeptisch geäußert. Doch für seine Frau, die französische Künstlerin Gisèle Celan-Lestrange, verfasste er Vokabellisten und Interlinearübersetzungen zu einigen seiner Gedichte. Anhand des Briefwechsels, den die Partner fast 20 Jahre lang führten, soll die Bedeutung des Sprachwechsels im Leben und Werk Celans thematisiert werden. Denn der Wechsel zwischen dem Französischen der Briefe und dem Deutschen der Gedichte, zwischen der Sprache des Exils und der Muttersprache spiegelt zweifellos die Frage nach der individuellen und künstlerischen Identität wider. Die im Briefwechsel enthaltenen französischen Fassungen der Gedichte stellen daher einen absoluten Einzelfall dar. Der Dichter verstand diese Texte nicht als Übertragungen im vollen Sinn des Wortes, trotzdem gewähren sie dem Interpreten einen einzigartigen Einblick in die Werkstatt des Dichters. Die vergleichende Analyse der deutschen und französischen Fassung der Einzeltexte zeigt, wie die Tätigkeit des Dichters und die des Übersetzers Paul Celans zueinander beisteuerten.
Die Zeit des Kolonialismus ist schon lange vorbei, aber der Kolonialismus prägt das Denken und Handeln der Menschen heute noch auf vielfältige Weise. Möglich ist, dass auch Lehrer_innen und Kursleiter_innen sich ungewollt von linguizistischen Gedankengut verleiten lassen. Um möglichen habituellen Abwertungen von "Akzenten" beizukommen, wäre es m.E. wichtig, eine selbstreflexive Haltung einzunehmen und das eigene Sprechen zu überprüfen. Auch den Teilnehmenden bzw. Schüler_innen eines Deutschlernsettings gegenüber wäre es wichtig, die Gleichwertigkeit von "Akzenten" zu verdeutlichen.
This contribution examines the cooperation between Ludwigsburg University of Education, the Danube-Swabian Cultural Foundation and to a lesser extent the German Academic Exchange Service with respect to partnerships and projects developed with educational institutions in South-Eastern Europe. This is followed by a critical assessment of the achievements so far with some suggestions for improvements and further developments.
In der vorliegenden Sammlung sind nicht nur die altbekannten, doch immer wieder neu zu entdeckenden Zitate, nicht nur viele geistgeschliffene Sentenzen, die 'den höchsten Sinn im engsten Raum' zusammenfassen, nicht nur allerlei Lebensweisheiten und -wahrheiten in schlichter, einprägsamer Formulierung enthalten, sondern darüber hinaus alle Äußerungen Goethes über die Frau, die für ihn und auch für seine Epoche bedeutungsvoll und charakteristisch sind. Das Belegmaterial ist den Werken (unter Heranziehung von frühen Fassungen und Entwürfen), den naturwissenschaftlichen Schriften, den amtlichen Schriften, den Tagebüchern, Briefen und Gesprächen entnommen, so daß Goethe hier als Dichter, als Wissenschaftler, als Staatsbeamter und nicht zuletzt als Mensch in seinen vielfältigen, öffentlichen und privaten Lebensbezügen, auch im vertraulichen Umgang zu Wort kommt.
Unbekannte Essays von Robert Musil : Versuch einer Zuweisung anonymer Beiträge im "Losen Vogel"
(2001)
Nicht mit einer Signatur oder vergleichbaren "Zeichen" versehene d.h. anonyme Erscheinungen sind in einer Zeit der Namen eine besondere Herausforderung. In den bildenden Künsten hat sie neben Hilfsnamen wie "Meister mit den Bandrollen" oder "Petrarca-Meister" zu einer Fülle von Attributionen geführt; vor allem, weil der Markt, auf dem die Gier einzelner und der Museen nach großen Namen den großen Preis macht, danach lechzt; so dass sich der Betrachter eines Rembrandt, van Gogh usw. nicht zu Unrecht immer wieder einmal fragt, ob das stolz von einer Galerie herausgestellte Bild denn auch tatsächlich echt sei; und weil er überdies weiß, wie auch in jüngster Zeit renommierte Museen und Auktionshäuser mit ausgewiesenen Experten auf Fälschungen hereinfielen und statt durch Forschung durch bloßen Zufall dahinter kamen. Oder weil er weiß, dass die zahllosen Zuschreibungen zahlreiche Abschreibungen nach sich zogen, etwa die Anzahl der erhaltenen eigenhändigen Gemälde Rembrandts sich von 1935 festgestellten über 600 zunächst um ein rundes Drittel und inzwischen nochmals verringert hat. - Ohne jeden Zweifel: Wäre der "Lose Vogel" eine Sammlung 1911 bis 1914 entstandener und erworbener Gemälde, noch das kleinste davon wäre längst attribuiert und die Attribution diskutiert. Im Wissen um die Probleme des Attribuierens auf dem Gebiet der bildenden Künste habe ich die Herausforderung angenommen und bin das Wagnis eingegangen. Ein Teil der hier mitgeteilten Attributionen ist skizzenhaft entstanden im Zusammenhang mit den textkritischen Untersuchungen zu Kafka. Bei der Rolle, die Blei für Kafka spielt, musste dabei auch die Zeitschrift der Anonymen "Der Lose Vogel" genauer angesehen werden; denn viele der jungen Leute, die Blei gefördert hat oder die mit ihm in Kontakt waren - Carl Einstein, Karl Klammer, Robert Musil, René Schickele, Kurt Tucholsky u. a. – wählen wie Blei selbst irgendwann einmal ein Pseudonym, ein Kryptonym oder die Anonymität.
Aus Kafkas Berliner Zeit, die im September 1923 mit so vielen neuen Impulsen und Hoffnungen begonnen hatte und ein halbes Jahr währte, ist nur die Erzählung "Eine kleine Frau" erhalten (deren Reinschrift er noch in Berlin seinem neuen Verlag Die Schmiede überlassen hatte) und was er aus einem unmittelbaren Interesse heraus bei seiner Rückreise nach Prag am 17. März 1924 mitnahm. Weil der auf den 7. März 1924 datierte Vertrag über einen "Novellen"-Band lediglich die schon früher gedruckten "Ein Hungerkünstler" und "Erstes Leid" sowie die vor kurzem entstandene "Eine kleine Frau" nennt, die später in sehr großräumigem Satz nur rund 50 Seiten umfassen und damit noch kaum ein Buch darstellen, ist anzunehmen, dieser Vertrag sei von vornherein so verstanden worden, dass weitere Erzählungen hinzukommen könnten.
Vorbemerkung [Ludwig Dietz]:
Anlässlich meines Versuchs zu Robert Musil im "Losen Vogel" und Reaktionen darauf wurde ich aufmerksam gemacht auf ein bisher nicht bekannt gewordenes Exemplar der Buchform des "Losen Vogels", das handschriftliche Einträge Franz Bleis zu den Verfassern der anonym gedruckten Beiträge enthält. Es befindet sich seit 1978 im Deutschen Literaturarchiv Marbach a.N., als zweites Exemplar relativ versteckt unter den Rara des Archivs. Was es zeigt, welche Hilfen es zur Aufschlüsselung bietet, zu welchen Fragen und möglichen Antworten es führt, soll hier skizziert und an Beispielen begründet werden.
Dieser Beitrag entstand im Rahmen meiner biographie- und interaktionsanalytischen Pilotstudie zur Darstellung narrativer Identitäten und zum biographischen Werdegang von in Deutschland sozialisierten türkischstämmigen Germanistik-StudentInnen in Istanbul, die als Jugendliche bzw. junge Erwachsene meist auf der Basis von Familienentscheidungen in die Türkei migriert sind. Im Fokus der folgenden Analyse des biographischen Interviews mit dem Informanten Ali steht der biographische Entwicklungsprozess und die sukzessive Herstellung seiner Selbstverortung jenseits ethnisch-nationaler Kategorien. Bei der Rekonstruktion des biografischen Werdegangs lassen sich direkte Bezüge zu den Pries'schen Modellen zum Verhältnis von Migration und Integration herstellen: Während sich Alis Eltern an dem Modell des "Gastarbeiters" orientieren, der nach einer begrenzten Zeit im Ausland in sein Heimatland "zurückkehrt", entwickelt Ali für sich das Lebensmodell als "Transmigrant". Bei der narrativen Herstellung von Identitätsaspekten gibt es außerdem deutliche Übereinstimmungen mit den von Sievers et. al. beschriebenen Eigenschaften eines Transmigranten. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass in der Kindheit und Jugend des Gastarbeiterkindes einschneidende Erlebnisse im deutschen Bildungskontext fokussiert werden. Bei der Bewältigung der Probleme gelingt es dem Erzähler jedoch sich als agentivisch starker und durchsetzungsfähiger Akteur zu präsentieren. Nach der familiären "Rückkehr" in die Türkei spielt die Auseinandersetzung mit der türkischen Umwelt die zentrale Rolle, die zur sukzessiven Loslösung aus beiden Lebenswelten und hin zur Herausbildung eines neuen transmigrantischen Selbstbildes führt.
Editorial
(2018)
»Unter dem Pflaster liegt der Strand« oder »Die Phantasie an die Macht« – diese Slogans charakterisieren die ’68er-Bewegung, die kreativ, programmatisch und parolenreich ihre (gesamt)gesellschaftlichen Forderungen in die Öffentlichkeit trug. Nicht nur für die bundesrepublikanische Gesellschaft stellt das Jahr 1968 einen bedeutsamen Umbruch dar; vielmehr hat ’68 ebenso eine ost- wie westeuropäische und darüber hinausführende internationale Dimension. ’68 kann als Chiffre für Protestbewegungen (Kraushaar) verstanden werden, die in sehr unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche ausgestrahlt haben. Die damit einhergehende Politisierung führte zur kritischen Bestandsaufnahme und Infragestellung bestehender staatlicher und institutioneller Ordnungen, revolutionierte die Geschlechter- und Generationsverhältnisse und reichte weit hinein in den Alltag, das Familienleben und die individuellen Lebensstile. Auch Literatur und Medien wurden einer kritischen Revision unterzogen und neue Themen, Schreibweisen und Genres etabliert, Traditionslinien wurden aufgebrochen bzw. unter neuen Vorzeichen weitergeführt.
Diese Entwicklungen bestimmten auch die Kinder- und Jugendliteratur und ihre Medien in entscheidender Weise: inhaltlich beeinflusst durch die antiautoritären Diskurse, wie sie im Bildungs- und Erziehungswesen geführt wurden, und die Forderungen der Emanzipationsbewegung(en), thematisch und ästhetisch orientiert an den politischen und gesellschaftskritischen Fragestellungen, einem neuen Realitätsbezug verpflichtet. Die Kinder- und Jugendliteraturforschung hat diese Reformen als Paradigmenwechsel benannt und erforscht; neuere Untersuchungen beziehen aber erkennbar auch die Entwicklungen der späten 1950er und frühen 1960er Jahre mit ein und weisen darauf hin, dass die Veränderungen literarästhetisch, aber auch inhaltlich bereits sehr viel früher einsetzten.
50 Jahre nach dieser ›paradigmatischen‹ Zäsur nimmt der zweite Jahrgang des Jahrbuchs der Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung 2018 die Chiffre ’68 in den Blick, um historische wie gegenwärtige Dimensionen dieser Schnittstelle zu diskutieren. Die Aufsätze greifen die vielfältigen Implikationen dieses Themenkomplexes sowohl aus theoretischer wie gegenstandsorientierter Perspektive in seinen unterschiedlichen medialen Gestaltungsformen auf, stellen sie, dank der internationalen Beiträge, in europäische Kontexte und reflektieren ihre Bedeutung für die heutige Kinder- und Jugendkultur. Dabei wird erforschtes Terrain weiter ausgeleuchtet, werden neue Fragestellungen entwickelt sowie bekannte Positionen und Texte einer kritischen Re-Lektüre unterzogen.
Entsprechend der Konzeption des Jahrbuchs stehen über das Schwerpunktthema ’68 hinaus grundlegende kinder- und jugendmediale Fragestellungen aus historischer wie theoretischer Perspektive im Fokus. Zwei Beiträge stellen aktuelle Forschungszugänge und -perspektiven vor.
Rezensionen zur Fachliteratur schließen sich den zehn Beiträgen an. Insgesamt konnten, dank der großen Beteiligung der Mitglieder der GKJF, über 30 Titel gesichtet und besprochen werden.
Editorial
(2018)
»Under the pavement lies the beach« or »Power to the imagination« – these slogans characterise the movement of ’68, which publicised its social and political demands in a creative and programmatic fashion. The year 1968 not only marks a significant upheaval in what was then West Germany, it also has strong East and West European as well as international dimensions. ’68 can be understood as a cipher for protest movements which re-evaluated and challenged institutional structures, revolutionised gender and intergenerational relations and radiated into daily life, family life as well as individual lifestyles. Literature and the media, too, were subjected to critical revision, new formats and writing styles established, traditions either abandoned or continued within new paradigms.
Children’s literature and media were significantly shaped by these developments. Their contents were influenced by the anti-authoritarian discourse in education and by the demands of emancipation movements, their themes and aesthetics by politicised concerns and a new orientation towards sociopolitical reality. Children’s literature scholars have studied and identified ’68 as a paradigm shift. Recent studies, however, have also looked at developments in the late 1950s and early 1960s, pointing out that changes on the literary-aesthetic and content levels actually started much earlier.
Fifty years after this ›paradigmatic‹ caesura, the second volume of the Yearbook of the German Children’s Literature Research Society brings the cipher »’68« into focus to discuss historical and contemporary dimensions of this junction. Articles from a variety of European perspectives examine the manifold implications of this topic from theoretical and subject-oriented angles and in its different medial forms, and discuss these in the context of their significance for today’s children’s and young adult culture.
Beyond this focus theme, and in line with the concept of the Yearbook, two fundamental theoretical and historical articles on questions of children’s literature and media present current avenues and perspectives. And the ten articles are followed by book reviews. Thanks to the involvement of the members of the German Children’s Literature Research Society (GKJF), over 30 relevant publications from the past year are discussed in individual and collective book reviews.
Editorial
(2017)
Editorial
(2017)
»Erinnerungen aus der Kindheit kann man doch nur haben, wenn man selbst kein Kind ist« (de Velasco 2013, S. 10) – so kommentiert die 13-jährige homodiegetische Erzählerin Nini im Roman Tigermilch das Auftauchen einer ersten bewussten »richtige[n] Kindheitserinnerung« (ebd.). Angesprochen ist damit der zunächst paradox anmutende Zusammenhang von Kindsein und Erinnern. Sich selbst im umfassenderen Sinn daran zu erinnern, wie es ist, ein Kind zu sein, gehört zu den Fähigkeiten, die Kindern nicht zugesprochen werden. Die Kindheit gilt als das Lebensalter, in dem man ganz bei sich ist, in dem alles gegenwärtig und vieles möglich ist. Pläne und Perspektiven richten sich in die offene Zukunft, im Rückblick über Erinnerungen zu verfügen und sie als Teil der eigenen Biografie zu begreifen, wird selbst zum Zeichen der Differenz: ein Indiz dafür, dass die Kindheit bereits an ihr Ende gekommen ist....
"Henrik Ibsen", notiert Friedrich Nietzsche in einem Fragment der späten achtziger Jahre, ist mir sehr deutlich geworden. Mit all seinem "Willen zur Wahrheit" hat er sich nicht von dem Moral-lllusionismus frei zu machen gewagt, welcher "Freiheit" sagt und nicht sich eingestehen will was Freiheit ist: die zweite Stufe in der Metamorphose des "Willens zur Macht" seitens derer, denen sie fehlt. [ ... ] Auf der dritten sagt man "gleiche Rechte" d.h. man will, so lange man noch nicht das Übergewicht hat, auch die Mitbewerber hindern, in der Macht zu wachsen.
In "Ecce homo" wird der Spott beiläufiger und schärfer: Im Grunde sind die Emancipirten die Anarchisten in der Welt des "Ewig Weiblichen ", die Schlechtweggekommenen, deren unterster Instinkt Rache ist. Eine ganze Gattung des bösartigsten "Idealismus" - der übrigens auch bei Männern vorkommt, zum Beispiel bei Henrik Ibsen, dieser typischen alten Jungfrau - hat das Ziel das gute Gewissen, die Natur in der Geschlechtsliebe zu vergiften ...
Die Rede ist natürlich von "Ein Puppenheim" alias "Nora", dem Drama der Doppelmoral und Geschlechterrollen, der Gleichberechtigung und Emanzipation. Das allerdings gibt hier nur ein Anschauungsbeispiel ab für ein sehr viel grundsätzlicheres Problem der Nietzscheschen Spätphilosophie: des "Willens zur Wahrheit" und zur "Freiheit" als heimlichen Erscheinungsformen des "Willens zur Macht".
In Georg Büchners 'Lenz' wird keine Befreiungstat geschildert, keine Heilung präsentiert, wohl aber der Wahnsinn als Forderung nach einer dringend notwendigen Veränderung der bestehenden Situation. Die Erzählung 'Lenz' gibt bis in die jüngste Forschung hinein Anlaß zu kontroversen Diskussionen um die literarische Darstellung von Depression, Melancholie und Schizophrenie. Grundlage dafür ist die grundsätzliche Übereinstimmung darüber, dass 'Lenz' als kritische Psychopathographie eingeschätzt wird: "In dem Fragment 'Lenz' führt Georg Büchner eben diese psychisch-geistige Krankheit vor, deutet die Syndrome an, entwirft ein vielseitiges Psychogramm dieses Martyriums, von der Deutungsmethode her durchaus objektiv-sachlich, aber eindeutig mit humaner Tendenz und Parteilichkeit."
'Lenz' wird gleichermaßen als "definierbares psychopathographisches Krankheitsbild, als pathologisches Phänomen der Selbst-Entfremdung des Menschen mit den Effekten Angst und Wahnsinn, als eindrucksvolle Psychiatriekritik und als Kritik am "patriarchalische[n] Gefüge von Familie, Religion und Priesteramt" gelesen. Die Vielfalt der Forschungsansätze artikuliert zwei grundsätzliche Annahmen. Einerseits steht das subjektive Empfinden des psychisch Schwerkranken im Zentrum des Interesses, andererseits wird das bewusste Leiden Lenzens an seiner sozialen Umgebung und an der mangelhaften psychiatrischen Sensibilität betont, ein Leiden, das die Titelfigur in den Wahnsinn treibt.
Musils Drama "Die Schwärmer" ist in der Forschung bisher vergleichsweise stiefmütterlich behandelt worden. Diese Tatsache ist erstaunlich, da Musil es selbst als sein "Hauptwerk" bezeichnet hat. Für das Drama wurde ihm außerdem auf Vorschlag von Alfred Döblin der Kleist-Preis zuerkannt und anspruchsvolle Literaturkritiker besprachen es lobend nach seiner Erstaufführung im Berliner "Theater der Stadt". Freilich düpiert das Drama zunächst die Erwartung an die gattungstypische Handlungsorientierung.
Statt dessen finden sich ausgedehnte philosophische Diskussionen über die Bedingungen von Erkenntnis, über Partnerschaften und über Fragen der Lebensführung. Bianca Cetti Marinoni hat gezeigt, wie wichtig die gedanklich-konzeptionelle Arbeit auch für die Entstehung des Stückes war und es deshalb als "essayistisch" bezeichnet. Erschwerend kommt hinzu, daß die Verhandlungen zwischen den Figuren in einer äußerst dichten Sprache gestaltet sind, in die zahlreiche Metaphern und Vergleiche eingeflochten sind.
Wenn das Begehren liest...
(2012)
Das queere Lesen entdeckt anscheinend vor allem solche Bedeutungen und Zusammenhänge, die nicht primär zu sehen sind und unter der Text/Bild-Oberfläche verborgen liegen. Epistemologisch gesehen rechnet es also mit der Kategorie des Verstecks, wie sie von Eve Kosofsky Sedgwick beschrieben ist. Als ob es um das Sehen des Versteckten, des Nicht-Sehbaren gehen würde, also im Prinzip um eine Vorstellung, eine Imagination, das Sehen dessen, was man sehen möchte.
Am Anfang der folgenden Auseinandersetzung mit der Queer-Theorie wäre sicherlich die einschlägige Definition von queer zu erwarten und dennoch könnte hier solche Erwartung enttäuscht werden, da sich um den genannten Begriff teilweise die Aura des Undefinierbaren, Wandelbaren und Uneindeutigen gebildet hat, die ihn zugleich als fließendes Feld von vielen Möglichkeiten erscheinen lässt. Es widerstrebt sogar manchen Theoretikerinnen und Theoretikern, diesen Begriff in eine Zwangsjacke von terminologischer Einengung zu bringen und ihn somit erstarren zu lassen. Auf der einen Seite birgt diese Einstellung Gefahr, dass infolge der Absenz einer exakten Definition die Queer-Theorie nur als intuitive und unzulänglich ausgearbeitete Theorie angesehen wird, und dass sie um so mehr um Akzeptanz ringen muss (vgl. Jagose 2005: 124). Auf der anderen Seite ist es eben die Unbestimmtheit, die den "vielbeschworenen Charme" von queer ausmacht.
Neben dem hervorgehobenen Profil einer Epoche, das nicht zuletzt anhand öffentlicher Gedenkfiguren und regelmäßig gefeierter Geistesheroen entsteht, gibt es so etwas wie einen Negativabdruck: All dasjenige, was ein Zeitalter nicht bereit ist, im Gedächtnis zu behalten, was es an sich selbst vergisst. Als mir vor einiger Zeit der Begriff Krausismus begegnete, in einer Zeitschrift mit kleiner Auflage, hatte ich sofort das Gefühl, eine solche verlorene Spur berührt zu haben. Nicht nur war mir der Begriff ungeläufig, noch mehr überraschte mich meine Ignoranz, nachdem mir durch Nachforschen zunehmend klar wurde, was mir bis zu diesem Tag entgangen war. Ich fragte mich, wie das jemandem passieren konnte, der sich, neben Literatur und Medien, seit Jahrzehnten intensiv mit Philosophen und ihren verschiedenartigen Denkweisen beschäftigte? Was war Krausismus? Eine philosophische Schule wie der Hegelianismus, eine ideologische Richtung ähnlich dem Marxismus, eine politische Bewegung wie der Leninismus? Karl Christian Friedrich Krause, auf ihn ging die Bezeichnung Krausismus zurück, und offenbar war er Teil einer Nicht-Erinnerung geworden, die vermutlich nicht bloß bis zu mir reichte.