830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Expansion in die Natur : zum Verhältnis von "ars" und "natura" bei Paracelsus und im Paracelsismus
(2005)
Wenn Paracelsus Naturwissenschaft oder magica als eine Handlung definiert, die "aus ihr", der Natur, ist, diese aber "mer, dan" ihr selbst "zu zu legen ist", steigert und "bessert", dann geschieht dies auf Basis aristotelischer Argumente, die im 13. Jahrhundert auf neuplatonische Weise so kombiniert werden, daß die aristotelischen Vorgaben mit der Vorstellung einer aktiven sympathetischen Teilhabe des Menschen am Kosmos harmonisieren. Diese Überformung wird in der Frühen Neuzeit noch einmal weiterentwickelt. Es sind die protestantische Mystik mit und gegen Luther und die Auslagerung ihrer häretischen Tendenzen in die Naturwissenschaft, die der Theorie von der Steigerung der Natur aus ihrer Mitte die Bedeutung einer wechselseitigen souverinen Teilhabe verleihen.
Es ist mittlerweile als Konsens anzusehen, daß Heine mit dem "Atta Troll" eine neue Ebene der polemischen Auseinandersetzung mit seinen politischen und literarischen Widersachern erreichte, die aber auch Merkmale der Kontinuität zu den polemischen Schriften der dreißiger Jahre erkennen laßt. "Atta Troll" (als Werk) läßt sich als eine Allegorie des Kampfes, den Heine mit seinen literarischen Gegnern geführt hat, verstehen, aber nicht in dem Sinne, daß es möglich wäre, im Atta Troll (als Figur) einzelne Positionen und Personen detailliert wiederzufinden. Zwar lassen sich u.a. Spitzen gegen Börne, Herwegh, Freiligrath, Ruge auf der einen, Pfizer und Uhland auf der anderen Seite sowie ironische Abgrenzungen gegenüber dem Frühkommunismus, Nationalismus und Republikanismus ausmachen, keineswegs aber handelt es sich bei dem Versepos um eine differenzierte Analyse dieser politischen Programme und ihrer Protagonisten. Die Unschärfe ist jedoch nicht verfehltes Mitte], sondern bewußtes Ziel der Kritik.
Wer nicht nur die Tag-, sondern auch die Nachtseite des menschlichen Seelenlebens beschreiben möchte, so könnte die Konsequenz aus dem Vergleich der beiden Texte Hoffmanns lauten, muss sich die, der Zigeunerin zugeschriebene, "schmutzige" Kraft der Natur zu eigen machen. Umgekehrt resultiert daraus, dass sich in dieser schmutzigen Kraft, über welche die Zigeunerin verfügt, Potenzial von allerhöchstem literarischen Adel verbirgt. Zigeunerromantik eben.
Es ist verschiedentlich in der Literaturwissenschaft auf die enge Verbindung zwischen Erzählen und Zählen hingewiesen worden. Diesem Zusammenhang soll im folgenden anhand von Grimmelshausens "Springinsfeld" nachgegangen werden. In einem ersten Schritt werden die (Geld) zählenden, erzählenden und die das Erzählen zahlenden Aktanten des Romans identifiziert, bevor insbesondere Springinsfelds und Simplicius' ökonomische und monetäre Strategien rekonstruiert und ihr Verhältnis zum Erzählen bzw. zum Erzähler untersucht werden.
In diesem Aufsatz wird die These vertreten, dass in Kafkas Türhüter-Legende der Begriff "Gesetz" nicht nur, wie man es häufig in der jüngeren Forschung findet, theologisch, sondern auch juristisch gelesen werden kann. Die Titel-Formulierung "Vor dem Gesetz" wird als Aufruf des im zeitgenössischen österreichischen Verfassungsrecht verankerten Gleichheitsgrundsatzes "Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich" verstanden. Dieser Aufruf erfolgt mit einer Neu- bzw. Wiederbetonung der ursprünglich räumlichen Bedeutung der zu Kafkas Zeit grammatikalisiert verwandten Präposition "vor", die ihren sprachlichen Ursprung im Vortreten des Menschen vor den Richterstuhl hat.
[...] Halten wir [...] als Arbeitshypothese fest, dass Jean Paul in seinem zweiten bürgerlichen Roman nach dem "Siebenkäs" einerseits den Gedanken der psychischen Doppelgängerschaft fortschreibt, ihm aber andererseits über die Zwillingsmetapher eine neue, hereditäre und generative Dimension verleiht.
Auch wenn das auf den ersten Blick kontraintuitiv erscheint, steht diese Veränderung, wie sich herausstellen wird, für eine größere und größer werdende Unähnlichkeit zwischen den beiden Helden. Der gleitende Wechsel der Metaphern markiert also einen sich schon im "Siebenkäs" abzeichnenden, in den "Flegeljahren" jedoch verstärkt fortgesetzten Entfremdungsprozess der für
die bürgerlichen Romane konstitutiven Doppel-Protagonisten.
"Betriegliche Apparentzen" : Techniken der Imaginationssteuerung in Andreas Gryphius' "Leo Armenius"
(2015)
Ausgangspunkt der folgenden Untersuchung ist die Geisterbeschwörung im zweiten Eingang der vierten Abhandlung von Gryphius' "Leo Armenius". Die Analyse wird deutlich machen, dass diese Szene weniger ein teuflischer Ritus denn eine Inszenierung ist, welche auf den Mitteln der zeitgenössischen Optik und Katoptrik beruht. In einem zweiten Schritt soll die Theatertechnik analysiert werden, die es ermöglicht, den Zuschauer glauben zu machen, die teuflische Beschwörung sei bei näherem Hinsehen technisch erzeugt. Zum Schluss erfolgt die Rekonstruktion der theologischen Bedingungen dieser in sich gedoppelten Darstellung. Es wird zu zeigen sein, dass sich bei Gryphius medial evozierte Illusion und göttliche Botschaft keinesfalls ausschließen. Vielmehr gehen sie eine bemerkenswerte Allianz ein, die das Wort Gottes jedoch nicht nur sichtbarer, sondern zugleich auch unkenntlicher werden lässt.
[...] [Hoffmann] ist es im Sandmann [...] darum zu tun, beide Lesarten, die des Übernatürlichen/Wunderbaren auf der einen Seite und des Natürlichen, in diesem Falle: des dezidiert Psychologischen, auf der anderen, in der Schwebe zu halten. [...] er verfolgt [...] eine Strategie der unsinnlichen Ähnlichkeit, dergestalt dass das Wunderbare mittels einer metaphysisch angereicherten Psychologie als allegorisch lesbar wird.
Gegenstand dieses Aufsatzes sind die drei aufeinander aufbauenden Gedankenfiguren, die Descartes in den Meditationes (und teilweise in der Recherche de la vérité) einführt, um seine methodisch zu verstehende Theorie eines globalen Außenweltskeptizismus zu formulieren: Wahnsinn, Traum und Genius malignus. Ich werde argumentieren, dass einige der in der Forschung hervorgehobenen Bezüge, insbesondere die zur schönen Literatur und zur antiken Skepsis, diese Gedankenfiguren und ihre Verbindung untereinander nicht hinreichend historisch kontextualisieren. Vielversprechender scheint mir ein, ebenfalls in der Forschung vertretener, Erklärungsansatz zu sein, der auf die (spät-)mittelalterliche Debatte über die Potentia absoluta Gottes zurückgreift. Mit Bezug auf diese Traditionslinie lässt sich konstatieren, dass Descartes einen Sprung vom allmächtigen (und daher auch grundsätzlich der Täuschung fähigen) Gott des Mittelalters zum bösen Dämon vollzogen hat. In meinem Beitrag sollen nun dieser Sprung und vor allem der böse Dämon selbst ins Zentrum der Betrachtung gestellt werden. Dafür gilt es, auf die in der Frühen Neuzeit im Zusammenhang der Hexenverfolgung (bei Gegnern wie Verteidigern) diskutierte Dämonologie zurückzugreifen, genauer gesagt: auf einen universalen Topos über die Fähigkeit von Teufeln und Dämonen, mittels Eingriff in Fantasie und Sinne Sachverhalte vorzutäuschen. Berücksichtigt man, dass von diesen dämonischen Betrügereien gesagt wird, sie ähnelten einem Traum und funktionierten bei Schwachsinnigen am besten, so zeigt sich eine bemerkenswerte Parallele zu Descartes' Argumentation.
Doppeltgänger — man fasst diesen Begriff bei Jean Paul gerne im heutigen Sinne auf, also als Beschreibung zweier Menschen, die sich äußerlich gleichen und daher von dritten miteinander verwechselt werden. Das 18. und frühe 19. Jahrhundert hat jedoch vor allem die Dimension des "geistige[n] Doppeltgänger[s]" im Blick, also die psychische, ja psychopathologische Innenansicht einer solchen Verwechslung. Es handelt sich bei einem oder mehreren Doppeltgängern dementsprechend um "Leute, die sich selber sehen" oder genauer:'um "eine Person, von verbrannter Embildungskraft, welche wahnt, daß sie doppelt zu sehen sei, oder zu einer und derselben Zeit an zwei verschiedenen Orten zugleich sei".'
Das Thema des Monologs ist das Schreiben und Sprechen als
"närrische Sache". Ich beginne meine Lektüre, indem ich den Begriff wörtlich nehme: Ein Narr ist, in der Psychologie der Zeit, jemand, der an Melancholie leidet, dessen Verstand bzw. Vernunft jedoch nicht vollständig, sondern nur teilweise angegriffen ist. [...] Die Diagnose der Narrheit gilt auch [...] für denjenigen, der sich in Novalis' Augen der Sprache zuwendet. Auch er wird zum Narren oder Partialwahnsinnigen, der sowohl vernünftig als auch ganz und gar unvernünftig sprechen kann. Die Krankheit liegt aber, und das stellt eine Differenz gegenüber der Psychologie der Zeit dar, nicht im Sprechenden, zumindest nicht in ihm allein, sondern in der Sprache. Sie selbst ist es, welche die "närrische Sache" ausmacht.
Multiple Magie : zur Verwandlung psychiatrischen Wissens in
Hofmannsthals "Andreas"-Fragmenten
(2005)
In diesem Aufsatz soll Hugo von Hofmannsthals "Andreas"-Projekt als Überlagerung eines psychiatrischen Diskurses durch einen magischen gelesen werden. Ich verfolge in den Fragmenten die Gedankenfigur der Persönlichkeitsspaltung, wie sie in der französischen und amerikanischen Psychiatrie des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts erarbeitet wurde, und versuche, deren Überschreibung durch Theoreme aus der natürlichen Magie bzw. deren Reformulierungen durch die Rosenkreuzer-Bewegung des 20. Jahrhunderts zu rekonstruieren. Diese Überlagerung, so meine These, ist als eine starke Aneignung der beiden Wissens-Formationen auf dem Boden der Klassischen Moderne zu verstehen: Beschrieben wird eine Transformation, der sowohl die Position eines eximierten Magiers/Psychotherapeuten wie auch die eines in sich geschlossenen metaphysischen bzw. therapeutischen Systems zum Opfer fallen.
Gegenstand des Aufsatzes ist Hugo von Hofmannsthals Komödie "Der Unbestechliche", 1923 in Wien aufgeführt, aber (vom ersten Akt einmal abgesehen) erst 1956 nach der Spielfassung publiziert; ein Stück, das ein (z. B. im "Märchen der 672. Nacht"; ED 1895) bisher lediglich latent mitgeführtes Thema zum ersten Mal manifest macht und in den Vordergrund stellt: die Inversion des Herr/Diener-Verhältnisses. Der eigentliche Herr im Unbestechlichen ist nicht Baron Jaromir, sondern sein (bzw. seiner Mutter) Diener Theodor. Diese Umkehrung der Machtpositionen wird nicht zuletzt deutlich an der Verwendung der im Stück häufig thematisierten neueren Medien wie Telegrafie, Telefon und vor allem - das wird im Zentrum dieses Aufsatzes stehen - Fotografie.
Die Tragödie des Geistes
(1895)
Roland Berbig stellt zum ersten Mal ein nahezu vergessenes Journal mit dem sprechenden Namen "Deutsche Reichs-Bremse" vor, Beiblatt von Ernst Keils "Leuchtturm". Wort und Bild dienen Keil als Mittel scharfer oppositioneller Kritik an den politischen Verhältnissen vor allem in Preußen und Österreich. Die radikaldemokratischen Prämissen seiner politischen Propaganda, etwa die Empörung über Robert Blums Schicksal, aber auch seine Kritik an Marx' kommunistischer Tätigkeit außerhalb Deutschlands, sind charakteristisch für den Leuchtturm. Die "Deutsche Reichs-Bremse" von 1849 war - entsprechend der politischen Lage - im Gegensatz zu den Genrebildern und Skizzen der frühen 40er Jahre nur mühsam scherzhaft oder gar heiter, dagegen voller Bitterkeiten, Zorn und sogar Haß. Die "Reichs-Bremse" war eine "Geißel des Humors und der Satyre", was sich auch bei der politischen Trauerarbeit und den Rückzugsgefechten in Doppelbildern nach dem Modell 'vorhernachher' ausdrückt. Sowohl die eigentliche Karikatur als auch die Sprache negieren in klarer und verständlicher Inhaltskomik, also weniger konzentriert auf einen innovativen ästhetischen Blick, mit großer Bildkraft das feindliche politische Prinzip.
Hier soll es um zwei inhaltsgleiche Erfurter Handschriften aus den 1420er Jahren gehen, deren Edition unmittelbar vor dem Abschluss steht. Die eine, im Folgenden als H bezeichnet, war lange Zeit im Besitz des Erfurter Petersklosters und dort in den Bereich der Lektüre der Geistlichen und der Novizenausbildung eingeordnet, die andere wurde im Hause des Erfurter Patriziers Conrad Ziegeler und sicher für Erbauungszwecke der Patrizierfamilie 1428 geschrieben. Damit sind diese beiden Handschriften repräsentativ für die spätmittelalterliche deutsche Historienbibel, die Franz Simmler den wissensvermittelnden Textsorten zuordnet, und die vor allem für Adlige, Weltgeistliche und Angehörige einer städtischen Oberschicht hergestellt wurden.
Die folgenden Ausführungen thematisieren die Voraussetzungen und Besonderheiten, die es bei der Anwendung dieses methodischen Ansatzes auf die deutsche Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit zu beobachten gilt. Dabei kommt die Literatur dieses Zeitraums schon deshalb ein besonderer Stellenwert zu, da hier vielfach die ersten (deutschsprachigen) Belege für die fiktionale Festschreibung der traditionellen Geschlechterrollen zu finden sind.
Das Paradoxon weiblichen Sprechens im Minnesang : Überlegungen zur Funktion der sog. Frauenstrophen
(1991)
Nur in der Apotheose eines weiblichen Ich, das unerreichbar für sein männliches Gegenüber bleibt und in größtmöglicher Distanz zur sozialen Lebenswirklichkeit von Frauen gedacht wird, kann Stärke und Macht glaubhaft symbolisieren. (…) In der Prägung und im Gebrauch des Begriffs ‚Frauenstrophe’ kulminiert ein Phänomen, das – oberflächlich betrachtet – zuerst einmal die ältere deutsche Literatur und ihre Philologie wenig zu tangieren scheint: die kontroverse Diskussion um die Existenz, historische Nachweisbarkeit und Beschaffenheit einer ‚weiblichen’ Ästhetik, Literatur und Sprache.
(…) [Ü]ber die Erschließung und editorische Aufbereitung der handschriftlichen Quellen haben die Germanisten des 19. Jahrhunderts die inhaltlich-ideologische Diskussion ebenso wie die wissenschaftsmethodischen Debatten bis hinein in die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts, in manchen Fällen durchaus bis zum heutigen Tag, bestimmt. Dabei war es nicht nur die Art der Aufbereitung, sondern vor allem auch die Auswahl der Quellen – und nicht zu vergessen: der Ausschluss vieler Quellen (…), die die wissenschaftliche Annäherung und Produktion wissenschaftlicher Imagination über das Mittelalter und seine Literatur steuerten.
Die Entwicklung der Familie schein (...) [in der Zeit vom Mittelalter bis hin zur frühen Neuzeit] bei aller regionalen Variabilität eine Vielzahl von Veränderungen vollzogen zu haben, die Auswirkungen bis hinein in das 19. und 20. Jahrhundert zeitigten. Hier sollen zunächst die wichtigsten dieser Veränderungen skizziert werden, um anschließend der Frage nachzugehen, inwieweit die deutschsprachige Literatur dieses Zeitraums diesen Prozeß mitvollzogen (...) hat und in welcher Form die frühen literarischen Repräsentationen von „Familienbanden“ ein Wiedererkennen ermöglichen oder aber durch die Fremdartigkeit ihrer Inszenierung historische Distanz vermitteln, die wiederum den Blick für die Wahrnehmung der eigenen kulturellen Bedingtheiten schärfen könnte.
Für die mediävistische Germanistik gilt in noch stärkerem Ausmaß, was bereits für die Diskussion feministischer Fragestellungen im Bereich der neueren deutschen Literatur festzustellen war: Die Rezeption einschlägiger Forschungsansätze erfolgte zögerlich und mit großer Verspätung, vor allem im Vergleich zum anglo-amerikanischen Sprachraum. (...)
In Elias Canettis jüngst posthum herausgegebenen Erinnerungen an die Londoner Jahre, Party im Blitz, gibt es den schönen Ausdruck der "Nichtberührungsfeste ", der die Besonderheit "englischer Parties" charakterisieren soll. Canetti hat seine autobiographischen Bücher gleichsam als Gegenentwurf dazu geschrieben: als Feste der Berührung, der menschlichen Kontakte. In der 'Geretteten Zunge' zumal geben die Figuren einander im buchstäblichen Sinne die Klinke in die Hand, wenn man die vielen wechselnden Länder, Pensionen, Institutionen bedenkt, in die sich der Knabe immer wieder aufs Neue einleben muß. "Die Kunst besteht darin", so Canetti über die gesellschaftlichen Spielregeln seiner Wahlheimat, "einander so nahe zu sein und doch nichts Wichtiges von sich zu verraten. […] Wer etwas Besonderes ist, hat es sorgfältig zu verbergen."
Diese Umstände mögen erklären, warum die englische Literatur nur wenige Autobiographien von weltliterarischem Rang hervorgebracht hat. Die explosionsartige Zunahme britischer Autobiographien seit der Mitte des 20. Jahrhunderts geht denn auch mit dem Niedergang des Gentlemanideals einher. Canettis Schreiben über sich selbst ist eine Reaktion auf seine Exilsituation in England, wo er immerhin seit 1938 ansässig war. Wissentlich begeht er den ultimativen Fauxpas, nämlich hemmungslos über die eigene Person zu sprechen. Er kompensiert damit all die abgebrochenen Gespräche, er entbirgt sich in einer Weise, die seinem britischen Umgangskreis ein Grauen gewesen sein wird.
Musik einer Erinnerungspoetik : Fallstudie über deutschsprachige und hebräische Literatur nach 1945
(2004)
Nach 1945 trägt die Literatur eine neue Last. Die Frage der Repräsentation ist nun mit einer Katastrophe verbunden. Es ist eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit den Gegenständen der Erinnerung und des Vergessens, in der sich die Fragen der Sprache selbst - die Fragen nach dem Sinn des Schreibens, der Darstellung und der Dokumentation - neu erschließen lassen. Das Ziel dieses Aufsatzes ist es, die Poetik einer Erinnerungsarbeit in der deutschen, österreichischen und hebräischen Literatur nach 1945 zu rekonstruieren, indem die Verwendungsweise musikalischer Diskurse als Grundlage einer Erzählkunst exemplarischer Texte geprüft wird. Der Aufsatz widmet sich den folgenden Romanen: Die 'Blechtrommel' (1959) von Günter Grass, 'Malina' (1971) von Ingeborg Bachmann, 'Beton' (1982) und 'Auslöschung' (1986) von Thomas Bernhard, 'Rosendorf Quartett' (1987) und 'Der Schatten von Rosendorf' (2001) von Nathan Shacham, 'Vom Wasser' (1998) von John von Düffel und 'Die Katze und der Schmetterling' (2001) von Yoel Hoffmann.
Es sind Texte von Autoren, die den Versuch unternommen haben, sowohl die semiotischen Elemente der musikalischen Sprache als auch einen spezifischen Diskurs über Musik in die literarischen Arbeiten zu übertragen, um eine Art von poetischem Gedächtnis zu rekonstruieren. Es sind poetische Räume der Wiederholungen, in denen verdrängte und verlorene Geschichten aufgedeckt und reflektiert werden. Es ist letztlich jedoch eine infragestellende Poetik der Spuren und Anspielungen, eine Literatur der Dissonanzen, die die Katastrophe der Vergangenheit zu Wort zu bringen versucht.
Am Ende der 1990er Jahre konnte man durch die Analyse der Metaphern der Alltagssprache schon sehen, "in welche Richtung" man rannte: Und heute leben wir in einer (globalen) Gesellschaft, in der jede Handlung und jeder Lebensbereich unseres Lebens als verwirtschaftet und auf Wettbewerb ausgerichtet ist. Aber all das war schon "geschrieben" und enthalten in den Bildern und der Sprache der Zeit: Es musste nur "gelesen" werden. Wenn wir auf die etymologischen Wurzeln des Wortes Kompetition achten (vom Lateinischen cum petere: cum = mit, zusammen, petere = zusteuern auf; das Wort bedeutet also zusammen gehen, übereinstimmen, sich treffen, zusammen Fragen stellen), müssen wir uns eingestehen, dass das Konzept des Wettbewerbs, der in Europa sehr stark gefördert wurde, im Gegensatz zur Begünstigung der Kooperation im Erlangen von Verständnis und individueller Fähigkeit zum Zwecke der Verbesserung der Lebensqualität, des Teilens von Gewinnen und des kulturellen Wachstums, eher die Angriffslust, die Notwendigkeit des Erfolgs, der Verwirklichung und des Besitzes bevorteilt hat. Schlussendlich hat sich der Umgang mit der Gegensätzlichkeit, die der Wettbewerb aufzeigt, zugespitzt mit einer Verschärfung der Dynamik zur Erlangung der Vormachtstellung.
El presente artículo se propone analizar la interpretación benjaminiana de Kafka tomando como eje central el problema de la tradición y su resignificación política en el contexto de producción tardío. Son relevantes en este sentido, los conceptos de hagadá y halajá con los que Benjamin estructura sus análisis. El objetivo es entonces rastrear los elementos que en la elaboración de una teoría política permiten recuperar al narrador checo para la revisión de un concepto de lo humano.
Georg Büchners Übertragungen hatten keine dokumentierten Wirkungen, was vor allem daran lag, dass Hugos Theaterstücke nach 1835 in Deutschland zunehmend auf Ablehnung stießen. Vorher waren sie in etlichen Einzelübersetzungen erschienen, nachher interessierte sich kaum noch jemand dafür. Büchners Übersetzungen kamen also zu spät. Immerhin sind sie seit der Ausgabe von Fritz Bergemann (1922) wiederholt in Büchner-Gesamtausgaben abgedruckt worden, nämlich in der von Werner R. Lehmann (Bd. 1, 1967), als Faksimile in der von Thomas Michael Mayer (Bd. 5, 1987), sodann in der von Henri Poschmann (Bd. 1, 1992) und zuletzt in Band 4 der historisch-kritischen "Marburger Ausgabe", der im Frühjahr 2007 erschien. [...] Der Kommentar der "Marburger Ausgabe" kontextualisiert Büchners Übersetzung konsequent, und zwar sowohl mit den konkurrierenden Übersetzungen seiner Zeit, als auch mit den seinerzeitigen Möglichkeiten des literarischen Ausdrucks. Beides kann Rückwirkungen auf die Textkonstitution haben.
Une lecture détaillée des récits de Carl Spitteler, "Xaver Z'Gilgen", "Die Mädchenfeinde" et "Der Salutist", tout en ayant "Conrad der Leutnant" et "Das Bombardement von Åbo" à l'esprit, révèle la manière dont Spitteler écrit autour des années 1890. Un style narratif objectif (appelé "Darstellung" par l'auteur) remplace l'esprit partisan pour les victimes de la domination. Le narrateur auctorial est abandonné et un récit scénique se développe à sa place. En essayant de suivre la recommandation de l'école d'écriture moderniste "show, don't tell!", Spitteler laisse ses lecteurs sans surveillance. Ils doivent se faire leur propre opinion, ce qui donne à ses récits une pérennité durable.
Heinrich von Kleist veröffentlichte in den von ihm 1810/11 herausgegebenen Berliner Abendblättern eine Reihe von Anekdoten. Zu ihnen zählt auch [...] "Der Griffel Gottes" [...]. Die Geschichte von der polnischen Gräfin, die Kleist, Karl August Varnhagen zufolge, dem Fürsten Anton Heinrich von Radziwill verdankt, wurde von ihm in einigen Punkten abgeändert. Aus einer Dame mit lockerem Lebenswandel wurde eine, "die ein sehr bösartiges Leben führte". Aus einem von ihr selbst gestifteten Grabstein wurde ein von jenem Kloster errichteter, dem sie nach der Absolution ihr Vermögen vermachte. Und statt dem polnischen Wort "potępiona" ("verdammt") findet sich die deutsche Formulierung "sie ist gerichtet". Der Text [...] lässt im Rahmen der Theodizeediskussion seit Rousseau und Voltaire auf ein sogenanntes 'Gottesurteil', also auf die in der Aufklärung beliebte physikotheologische Argumentation schließen. Diesem 'Urteil' kommt aber auch, als sekundäre Bearbeitung eines von Menschen verantworteten 'Originals', die Funktion einer ent-stellenden réécriture zu.
Unlike cultural studies and their tendency to read literary texts as epistemological discourses, the target of this study is to develop the potential of difference between fictional and non-fictional texts, in view of Heinrich von Kleist's novella "Die Verlobung in St. Domingo". In this perspective, not only does Kleist's text use colonialist, racist, historiographic discourses, but also explicitly deals with them from the very beginning. Colonialist dualism and individual encounter, racist stereotypes and narrative contingency, historiographic discourse and unexpected event are connected in a paradoxical manner. Although the discourse effects seem to prevail, the literary text asserts itself in the process of narration by undermining and challenging the power of the discourses.
Das Kanon-Motiv "Der Wanderer" im Denkraum Sarmatien, ausgehend von Johannes Bobrowskis Gedicht
(2015)
Nach Bobrowskis Statement ist auch der Kanon eine "Vorstellung", die "zuende" geht, dennoch liegt in diesem klaren Eingeständnis gleichzeitig für ihn die Verpflichtung zu einer "Überschau", zur Darstellung von "Bindungen" in einem 'tiefen Verständnis', zu einer Allgemein-'Gültigkeit' trotz vergangener und zukünftiger Verlusterfahrungen. Wenn Kanon, dann in diesem neuen Sinne, im Bewusstsein einer Herkunft und eines Weiterziehens in eine andere, fremde Zukunft, in der offenen Beweglichkeit von Lebensräumen im Plural, in einer Bereitschaft zum Gehen im Spannungsfeld der Beobachtung von 'Vergehendem' und 'Noch-nicht-ganz-Vergangen-Sein'. [...] der Kanon [erweist sich] in Form des Motivs "Wanderer" als gattungsübergreifendes – hier Lyrik und Prosa – Narrativ in klarer chronologisch-topographisch-logischer Struktur. Das Wandern als Bewegung in Zeit und Raum ist Modell für eine Wandlungsbereitschaft, die erst Orientierung für das Leben in der Zukunft bietet.
Es gehört wohl zu den wichtigsten Leistungen der jüngeren Romantikforschung, die starre Grenze zwischen Aufklärung und Romantik geschleift zu haben. Wo sich früher zwei monolithische Einheiten gegenüberstanden, zeigen sich inzwischen, ohne daß dadurch der Epochencharakter beider prinzipiell verabschiedet würde, gemeinsame Problemlagen, Kontinuitäten, Übergänge und Transformationen. Dieser Befund bewahrheitet sich, wenn man den herkömmlichen Fragenkreis der Literaturwissenschaft in Richtung einer sozialhistorisch fundierten Geschichte des Subjekts, des Ichs, der Seele erweitert. Die Romantik, hat Hartmut Böhme geschrieben, formuliere "das Unbewußte der Aufklärung. Sie ist nicht deren Opposition, sondern die Komplettierung der bürgerlichen Subjektproduktion [...]". Tatsächlich spielt die Literatur seit der Frühromantik eine durchaus avantgardistische Rolle bei der "Entdeckung des Unbewußten", die in den letzten Jahren anhand vorwiegend theoretischer Texte rekonstruiert worden ist. [...] Ludwig Tiecks Märchenerzählung "Der getreue Eckart und der Tannenhäuser" von 1799 [...], die die Germanistik zumeist in einer Mischung aus Hilflosigkeit und Geringschätzung links liegen gelassen hat, schreitet in einem mythisierenden Szenarium von hoher Raffinesse die Sehnsüchte und inneren Zwänge aus, die sich am Ende der bürgerlichen Aufklärung ausgebildet haben. Er macht auf diese Weise nicht weniger als eine neue psychische Struktur, das Resultat lang- wie kurzfristiger sozialer Prozesse, sichtbar, und zwar in einem doppelten Sinn: Denn diese ist nicht nur auf Inhaltsebene Gegenstand der Erzählung, sondern schreibt sich strukturbildend dem Text selbst ein. In psychogenetischer Perspektive wird erkennbar, daß sich die Romantik, selbst wo sie es will, nicht von dem befreien kann, was ihr die Aufklärung hinterlassen hat.
Goethes Römische Elegien und Venezianische Epigramme entfalten eine "Poiesis des Körpers" in einem doppelten Sinn. In ihren selbstreflexiven poetologischen Passagen zeigen sie Liebe und Sexualität als die Affektbasis der Hervorbringung von Kunst, die sich selbst erotisch auflädt. Sie entwerfen damit eine Anthropologie des künstlerischen Prozesses in nuce. Damit verzahnt ist die Arbeit an einem neuen Blick auf den weiblichen Körper und an der Konstitution eines spezifischen Geschlechtskörpers des Künstlers selbst. Dieser Vorgang beinhaltet zugleich eine Verschiebung und Umformierung der Sexualität. Diese Aspekte werden in Zusammenhang gebracht 1. mit epochenspezifischen kulturhistorischen Phänomenen (Attitude und Tableau vivant; Blick auf die antiken Statuen; Konjunktur des Pygmalionmythos) 2. mit Goethes ästhetischen Reflexionen. Im Zusammenhang mit der Bestimmung des ambivalenten Verhältnisses von Kunst und Natur entwerfen diese eine Ästhetik des lebendigen Kunstwerks: Kunst wird in Natur verankert und in Analogie zum natürlichen Leben - so die Leitmetaphorik - "gezeugt" und "geboren". Diese Gesichtspunkte umreißen eine Art Biologie der Kunst, in die sich die erotische Dichtung nahtlos einfügt, indem sie Kunstschöpfung auf Sexualität bezieht.
Förderung von fremdsprachlichen Kompetenzen im tertiären Bildungsbereich in der digitalen Zeit
(2019)
Die Tatsache, dass heutzutage alle Lerner im tertiären Bildungsbereich ihre internetfähigen Smartphones oder Tablets immer griffbereit haben, bringt eine neue Dimension in die gesamte Gestaltung des fremdsprachlichen Lernkonzeptes an Hochschulen und Universitäten ein. Der vorliegende Beitrag setzt sich zum Ziel, in theoretischer und methodischer Hinsicht zu analysieren, wie M-Learning-gestützte Lehr- und Lernmethoden im fachbezogenen Fremdsprachenunterricht pädagogisch sinnvoll genutzt werden können, und zwar sowohl im Präsenzunterricht als auch in den Selbstlernphasen außerhalb des Kursraumes. Im Folgenden wird dargestellt, wie mit M-Learning die einzelnen fremdsprachlichen Kompetenzen gefördert und damit Defizite der einseitigen textbasierten Kompetenzorientierung behoben werden können.
Nach strukturalistischen Theorien sind Detektiverzählungen allererst durch die Rekonstruktion des vor Beginn des 'discours' angesiedelten 'Vor-Falls' motiviert. Damit wird die Detektiverzählung nicht nur zu einer Meta-Erzählung über Erzählungen - "its classical structure a laying-bare of the structure of all narrative in that it dramatizes the role of 'sjužet' and 'fabula' and the nature of their relation" -, sie ist strukturell auch an ein spezifisches Zeichenverständnis gekoppelt, das für Detektiverzählungen konstitutiv ist und von Carlo Ginzburg als "Indizienparadigma" betitelt worden ist. Im Kern dieses Paradigmas steht die Annahme der Existenz "eines tiefen Zusammenhangs, der die Phänomene der Oberfläche erklärt", wobei dieser Zusammenhang "undurchsichtig" sei und nicht direkt erkannt werden könne. Mit dem Indizienparadigma, dessen Siegeszug zum Ende des 19. Jahrhunderts Ginzburg im synchronen Querschnitt anhand der Kunstgeschichte, Freuds Psychoanalyse und dem Detektivroman nachzeichnet, kommt nun ausgerechnet dem Wertlosen und Nebensächlichen ein gesteigertes Erkenntnispotential zu: Erst diese "unendlich feine[n] Spuren" erlauben es, die "tiefere, sonst nicht erreichbare Realität einzufangen." Dabei betont auch Ginzburg, dass dieses epistemologische Modell auf der paradigmatischen Selektion und der syntagmatischen Kombination basiert, die er mit Metapher und Metonymie identifiziert. In dieser weiten Konzeption, der hier gefolgt wird, werden die beiden ursprünglich rhetorischen Figuren zu Denkfiguren, die für das Funktionieren von Detektivromanen grundlegend sind. Und genau darum soll es in diesem Aufsatz gehen: Gegenübergestellt werden zwei Detektivromane, die die Metapher (Thomas Pynchons "The Crying of Lot 49") und Metonymie (Wolf Haas' "Komm, süßer Tod") in komplementärer Weise zum zentralen Strukturelement ihrer Geschichte erheben. Im Ergebnis entfaltet in beiden Romanen ein pathologisches Schreib- und Erkenntnismodell seine Kraft, das das Zeichenverständnis im klassischen Detektivroman fundamental in Frage stellt.
Geschichts- und Literaturwissenschaft, verstanden als Spezialdiskurse, stehen, so die an dieser Stelle vertretene These, in einem wechselseitig-kommunikativen Verhältnis, das sich sowohl im außerwissenschaftlichen Interdiskurs Literatur als auch im Interdiskurs Geschichtserzählung niederschlägt. Die interdiskursive Konstruiertheit beider Erzähltextformen zeigt sich nicht nur inhaltlich an referentiellen Bezügen, sondern oftmals auch an (gemeinsamen) Erzählformen oder an paratextuellen Elementen. In den nachfolgenden Überlegungen werden die Interferenzen von Geschichtserzählungen und historischen Romanen in den Blick genommen, um an geeigneten Beispielen die konkrete Überführung von Spezialwissen in einen Interdiskurs aufzuzeigen und zu diskutieren. Zugleich soll ein Vergleichsrahmen eröffnet werden, der die Interdiskursivität beziehungsweise interdiskursive Konstruiertheit von Historiografie und Literatur einander gegenübergestellt. Dabei müssen diskursanalytische und narratologische Ansätze miteinander verbunden werden, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht werden zu können. Die zu berücksichtigende Textauswahl beschränkt sich auf die zwei Romane "Imperium" und "Der Komet" und den geschichtswissenschaftlichen Text "The Boy", die in unterschiedlicher Weise interdiskursiv konstruiert sind. Beide Romane, und das ist neben einem allgemein historischen Sujet eines der wenigen inhaltlich verbindenden Elemente, verweisen in der fiktionalen Erzählung an verschiedenen Stellen auf Adolf Hitler und den Nationalsozialismus, und auch die faktuale Erzählung "The Boy" – erkennbar bereits am Untertitel "A Holocaust Story" – setzt sich mit dem Nationalsozialismus auseinander.
This article deals with the representation of motherdaughter relationships in novels by Herta Müller, Aglaja Veteranyi, Carmen Francesca Banciu and Gabriela Adamesteanu, all of them born in Romania. Herta Müller and Aglaja Veterani constantly wrote in German, while Carmen Francesca Banciu changed her language after emigrating to Germany and Gabriela Adameºteanu’s language has always been Romanian. Mother-daughter relationships are analysed in regard of female genealogy, but also considering their complexity and ambiguity. It is shown that representations of mother-daughter-relationships are depending rather on individual and psychological criteria than the author’s cultural or ethnic affiliation. Maybe a larger study, which could not be made in this article, could reveal more detailed results.
This essay deals with the intertextuality of the 21st century novel Zaira by the Swiss-Romanian writer Cătălin Dorian Florescu and the 21th century tragedy Zaire by Voltaire. It is analysed whether the name of the female protagonist Zaira is used by Florescu by accident or whether he refers to Voltaire. Furthermore, the differences between East and West brought up in the novel and the tragedy are examined. There are some similarities to be found as to the topoi of the selling respectively buying of women or fate deciding about the life of the protagonists. However, in the author’s opinion they don`t justify the assumption that Florescu knows the text by Voltaire or even uses it in his own novel.
Der Titel von Volker Wehdekings 1971 publizierter Studie zur deutschsprachigen Nachkriegsliteratur verdichtet eine bedenkenswerte Herkunftsfiktion: "Der Nullpunkt. Über die Konstituierung der deutschen Nachkriegsliteratur (1945–1948) in den amerikanischen Kriegsgefangenenlagern". Zusammengesetzt aus einer der Metaphern historischer Rede nach 1945 und einem den Gegenstand bestimmenden Untertitel gibt er der Monografie die Abbreviatur einer komplexen literarhistorischen Narration als Leitthese vor. Die so entworfene Gründungserzählung einer Selbst(er)findung und Selbstgründung in den Lagern der Kriegsgefangenschaft verbindet sich in der Nachkriegskultur mit einer Erhebung des Lagers zu "einem allgemeinen Paradigma der Moderne". Die Gleichsetzung unvergleichlicher Lagererfahrungen aus prononciert deutscher Perspektive läuft so auf eine existentialistisch getönte Rede vom Lager als allgemeinem Symbol der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts zu, in der die Erfahrung des einen Lagers die Erfahrung aller anderen vertreten kann. Diese Traditionslinie literarischen Erinnerns, die der rezenten Vergangenheit des Weltkrieges und der Shoah mit den Denkfiguren der Überblendung, Wiederholung und Verschiebung begegnet, diskutiert der folgende Aufsatz. Im Mittelpunkt stehen die erzählten Lager in Hans Werner Richters Romanen "Die Geschlagenen" und "Sie fielen aus Gottes Hand".
The aim of this study is to trace back the translator of "Reinhold Lubenau Seyahatnamesi [Osmanlı Ülkesinde, 1587-1589]" and focus on her translation approach through paratexts. The traveller portrays the Muslim 'other' whom he met in the Ottoman Empire where he spent his time between the years 1587-1589, when the Ottoman Empire had the power and Islam was being perceived as a threat to them versus his own culture which he belonged to as a Prussian Protestant. The translation of this itinerary is available to Turkish readers after approximately 400 years in 2012. What makes this translation interesting is the translation of a source text, in which the target culture was being portrayed from the perspective of the 'other', into a target language. How was this 'foreign' perspective constructed by the traveler translated and reflected in the paratext? What was the approach of the translator against the challenges he encountered during the translation process? Answers to these questions among many others were being searched through an examination of paratexts. In addition, it was also discussed whether the author moved to the reader or the reader moved to the author. Paratexts encourage reading and direct the reception (Genette 2016). In this study, book covers, names, titles, genre, graphics illustration and footnotes were examined. Translator footnotes, which were provided by the translator in order to make the text clear, were classified in order to underline the functions of these footnotes. Translator footnotes are the tools, which make translators visible and help them to raise their voices in the texts. In peritexts, translator can provide extra information to the readers, explain and justify his/her translation decisions.
Bu makalenin amacı, Osmanlı Devleti'ne gerçekleştirilen gezilere ilişkin seyahatnamelerin Almancadan Türkçeye yapılmış olan çevirilerini Genette (2016)'in yanmetin kavramı bağlamında irdelemektir. Bu seyahatname çevirileri 1960–2017 yılları arasında yayınlanmıştır. Temel alınan bütünce 16 farklı seyahatnameye ait 34 çeviri sürümü içermektedir. Seyahatname, yanmetin ve çeviri ilişkisine değinildikten sonra sözü edilen seyahatname sürümlerinin yıllara göre dağılımı gösterilmiştir. Seyahatname çevirileri erek kültür dizgesinin bir parçası olduğundan, bu çeviri kitaplardaki iç metinler, erek okurların çeviri metni nasıl okumaları gerektiği ve kendilerini nelerin beklediği konusunda aracılık etmektedir. Böylelikle bu iç metinler, okurların olası ihtiyaçlarını karşılamak üzere ve erek kültürün koşullarına göre üretilmektedir. Örneklerle bu iç metinler aracılığıyla erek okurla nasıl bağ kurulduğu gösterilmiştir. Bu çalışmada ayrıca, belli başlı iç metin türlerinin niceliksel ve niteliksel incelemesiyle çeviri olgusu, çevirinin amacı, çevirmenin görünürlüğü/görünmezliği, yayınevlerinin çeviri politikası, çeviriyi etkileyen etmenler vb. konularda bilgiler sunmak amaçlanmıştır. Toplanan veriler, iç metinlerin bir yandan erek okurların olası ihtiyaçlarına göre şekillenebildiğini gösterirken diğer yandan erek kültür dizgesinin bazı ideolojik dinamiklerine hizmet edebildiğine işaret etmektedir.
Este artigo é baseado em duas publicações anteriores (BAßLER 2013a; 2013b) e analisa o realismo como procedimento narrativo do nosso presente; para esse fim, são tratadas obras da literatura de expressão alemã e da televisão. O autor constata, tanto na chamada alta literatura quanto em gêneros como fantasia e séries televisivas um realismo que invoca e confirma, mediante frames convencionalizados, a imagem corrente da realidade e os códigos de significado vigentes do presente, indiferente da apresentação do conteúdo como realista ou fantástico. Este tipo de literatura é bem-sucedida porque possibilita uma leitura fácil e, ao mesmo tempo, reclama legitimidade através de uma autenticidade de alta literatura. Como alternativa a este estilo internacional de realismo trivial se oferecem, por um lado, obras pós-modernas e da cultura pop que expõem abertamente ser construídas por citações e, por outro, procedimentos como short cuts que dissecam a narrativa linear metonímica e a reconfiguram numa nova totalidade complexa e significativa.
Das breite Interesse an spiritistischen Phänomenen ist eine vergessene Seite der Naturwissenschaften des späten 19.Jahrhunderts. Ein Zusammenhang dieses scheinbar entlegenen Diskurses mit der emphatischen Moderne wird nahegelegt durch eine wenig beachtete Fußnote in Wassily Kandinskys Schrift "Über das Geistige in der Kunst" (1911). Kandinsky präsentiert dort einen Katalog wenig bekannter Namen: "Zöllner, Wagner, Butleroff - Petersburg, Crookes - London usw. Später Ch. Richet, C. Flammarion [...). Endlich C. Lombroso [...]." Ein heutiges Lexikon weist diese Leute als renommierte Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts aus: z.B. Friedrich Zöllner (1834-1882) als Astronomen und Begründer der Astrophotometrie, Aleksandr Butlerow (1828-1886) und William Crookes (1832-1919) als Chemiker, letzterer der Entdecker u.a. des Thallium, des Uran X und der Kathodenstrahlen, Charles Richet (1850-1935) als bedeutenden Physiologen und Immunologen (Nobelpreis für Medizin 1913) und Cesare Lombroso als den Begründer der Kriminologie. Kandinsky dagegen belegt mit ihren Namen die Tatsache, dass namhafte "Gelehrte, unter welchen sich reinste Materialisten befanden, [.. .] ihre Kräfte der wissenschaftlichen Untersuchung" okkulter Phänomene widmeten. Diese und nur diese Seite ihrer Studien erwies sich offenbar als nicht anschlussfähig für die modernen Naturwissenschaften und ihr Weltbild, das noch für die Selektion jener Fakten verantwortlich ist, die Brockhaus oder Fischer-Lexikon uns heute für vermittelnswert halten. Überraschenderweise scheint aber genau diese Seite für die moderne Kunst interessant gewesen zu sein. Kandinskys "Über das Geistige in der Kunst" markiert ja den kritischen Punkt unmittelbar vor den ersten abstrakten Bildern, die den Moderneschub in der Kunst vielleicht am radikalsten veranschaulichen. Künste und Wissenschaften knüpfen in ihren Paradigmenwechseln bei den gleichen Wissenschaftlern des 19. Jahrhunderts an und induzieren im Prozess dieser Anknüpfung eine strenge Dichotomie in deren Werk, die für diese selbst so nicht bestanden hatte.
Scharlatane waren für die Gelehrtendiskurse der Frühen Neuzeit von kaum zu überschätzender Bedeutung, da sich anhand ihres Negativbeispiels Verhaltensideale formulieren ließen, die für die Wissenschaft maßgeblich waren. Das Interesse an dieser Figur reichte auch in die Literatur hinein, wo sie in vielfältiger Weise aufgegriffen wurde und um 1800 verstärkt in Erscheinung trat. Christoph Martin Wieland war einer der Autoren, die sich besonders intensiv mit ihr befassten. In seinem Roman Geschichte der Abderiten (1773-1779) inszeniert er den geistigen Gegensatz, der zwischen dem Protagonisten Demokrit, einem beispielhaften Gelehrten, und seinen Mitbürgern, den törichten Abderiten, besteht. Die These des vorliegenden Beitrags lautet, dass Wieland damit auf eine poetische Reflexion von Wissen abzielt, wobei er mit Hilfe des Scharlatanmotivs die wissenschaftlichen Ausschlussmechanismen seiner Zeit ironisiert. Mithin sind es die Bedingungen der Produktion von Wissen, die im Text aufs Korn genommen werden. Dabei spielt Wieland die komischen Konflikte durch, die auftreten können, wenn das der Aufklärung nahestehende Wissenschaftsethos eines Demokrit auf den Eigendünkel einer unaufgeklärten Gesellschaft trifft.
Rolf Schneider gehörte zu jenen DDR-Schriftstellern, deren Romane um 1970 überwiegend in der Bundesrepublik herauskamen. Auch war er Teil der Gruppe von Autoren, die von 1978 bis 1981 langfristige Visa erhielten und zwischen Ost- und Westdeutschland hin- und herpendelten. Es ist anzunehmen, dass der Umstand, gleichsam zwischen den Stühlen zu sitzen, Schneiders Autorschaft in hohem Maß bedingte. Damit ist zugleich die Frage aufgeworfen, in welcher Weise dies der Fall war. Im Beitrag soll dem anhand der 1965 erschienenen Erzählung Metamorphosen nachgegangen werden. Sie bietet sich hier deshalb als Textgrundlage an, da sie eine intertextuelle Relation zu Die Verwandlung von Franz Kafka aufweist, dessen Werk von den Kulturfunktionären der DDR bis in die 70er Jahre hinein abgelehnt und aus dem offiziellen "Erbe"-Kanon ausgeschlossen wurde. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Metamorphosen enthaltenen Anspielungen auf den Kafka-Text Schneider zur Inszenierung seiner regimekritischen Autorschaft dienten. Wie dies im Einzelnen aussah, ist Gegenstand der Untersuchung, die sich den intertextuellen Bezügen von verschiedenen Seiten annähern wird, um so die Aspekte zu beleuchten, die für die literarische Selbstdarstellung Schneiders maßgeblich sind.
Es wird bei dieser Arbeit bezweckt, zu erforschen, wie und was für eine Sprachkunst Herta Müller in ihrem Nachkriegsroman "Atemschaukel" angewendet hatte. Herta Müller, Rumäniendeutsche, Nobelpreisträgerin für Literatur des Jahres 2009 hat im Roman "Atemschaukel" vom Leben eines siebzehnjährigen Jungen erzählt, der wie alle deutschstämmigen Männer und Frauen in Banat-Rumänien zwischen 17 und 54 Jahren ins russische Gulag-Arbeitslager gesteckt wurde und nach fünf Jahren als Betroffener heimgekehrt ist. In dem aus einer Aneinanderreihung von 64 Kapiteln bestehenden Roman werden Totalitarismus, Verhaftung, Deportation, Lagerleben, Heimkehr und Überlebende, durch den fiktiven Siebenbürger Sachsen Leopold in der Ich-Form erzählt. Die Erzählkunst wird in diesem Roman mit literarischen Bildern für das Auβersprachliche, für das Unsagbare mit Vor- und Rückblenden, Wortbildungen, mit den nächsten auto-biographischen Zügen und besonders mit sprachlichen Verwandlungen, Metaphern beseelt und bereichert. Dadurch veranlasst es, dass die subversive Kraft der poetischen Sprache in der Nachkriegszeit zu einem überragenden Denkmal wird.
Akif Pirinçci ist einer der meist diskutierten Autoren der neueren deutschen Literatur. Dies liegt nicht nur an seiner Arbeit als Schriftsteller, sondern auch an seinen provokativen Aussagen. Immer wieder taucht sein Name in Presseberichten auf, die im Zusammenhang mit Frauenfeindlichkeit oder sogar Rassismus stehen. Diese Schlagwörter ziehen sich auch durch seine Romane. Das wiederum wirft die Frage auf, ob Akif Pirinçci geschlechtsspezifische, negative Ideologien in seinen Werken versucht zu suggerieren. Der Roman "Yin" stellt eine neue Weltordnung dar, in der es keine Männer mehr gibt und die Frauen auf sich selbst gestellt sind. Die Art und Weise in der das Thema von Pirinçci behandelt wird, ist teilweise so grotesk, dass die Intention des Autors irritierend auf den Leser wirken kann. Diese Arbeit analysiert werkimmanent den Roman "Yin" von Akif Pirinçci hinsichtlich der Fragestellung, ob der Autor mit dem Roman versucht einen Beitrag zur Geschlechterforschung zu liefern, oder ob es sich um eine reine Dystopie handelt.