830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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»Wie ist der Spazirgang durch Europa bekommen?« Mit dieser ungewöhnlichen Frage beschließt Johann Wolfgang Goethe seinen Brief, den er am 8. März 1803 an den Dichterfreund Friedrich Schiller richtet. Ungewöhnlich erscheint die Frage deshalb, weil Schiller bekanntermaßen nicht sonderlich viel reiste und die Grenzen des deutschen Territoriums zeitlebens nicht überschritt. Eine Italienische Reise, auf die sich Goethe Ende der 1780er Jahre begibt, oder ein Spaziergang nach Syrakus, wie ihn Johann Gottfried Seume im Jahr 1802 unternimmt, fehlen in Schillers Biographie. Doch in Goethes Brief ist auch von keiner Reise, sondern schlicht von Friedrich Schlegels neuer Zeitschrift Europa die Rede, deren erstes Heft im Februar 1803 erschienen war. Auskunft darüber, wie ihm dieser »Spazirgang […] bekommen« sei, gibt Schiller zwar nicht, aber es ist zu vermuten, dass er ihm sicher nicht missfallen hat. Denn im Beitrag »Literatur« erwähnt Schlegel unter anderem die »Schillerschen Trauerspiele«, die er zu »eine[r] Reihe von Versuchen poetischer Darstellungen auf dem Theater« rechnet, die »hoffen lassen, daß bald ein hinlängliches Fundament vorhanden seyn werde, um unter einer Direction, die der des Weimarischen ähnlich wäre, ein Theater zu gründen, das durchaus nur im Gebiete der schönen Kunst seine Existenz hätte […].« Dass um 1800 eine Zeitschrift gegründet wird, die programmatisch den Namen ›Europa‹ trägt, spricht für die Popularität des europäischen Gedankens, dessen Bedeutungshorizont kultur-, sozial- und ideengeschichtliche Perspektiven vereint.
Die Propyläen als Toranlage, die zur Akropolis führt, gaben der Kunstzeitschrift Propyläen (1798-1800) den Namen. Goethe gab sie heraus, um durch sie – wie durch ein Tor – die Kunst der Gegenwart zur Orientierung an der Antike zu führen. Das für die Zeitschrift grundlegende Motiv des Tores spielt eine Rolle auch in einem Artikel „Ueber Etrurische Monumente“, den Goethes Freund und Mitarbeiter Johann Heinrich Meyer anonym im ersten Band der Propyläen (S. 66-100) veröffentlichte.
Zu Goethes Stellung in der Literatur um 1800 gab es vor allem bezüglich der Frage Klassik oder Romantik bzw. zwischen Klassik und Romantik schon lange Diskussionen, die alle die ästhetische Anarchie der Zeit nicht berücksichtigten. Sie kalkulierten daher nicht ein, dass der Schriftsteller, wie oben anhand der "Lehrjahre" gezeigt, nach dem Abschluss eines Werks einfach eine andere, verschiedene Poetik aufgreifen konnte und der ständige Wandel ein Grundmuster seiner literarischen Laufbahn ist. Im folgenden geht es vor allem darum, die unterschiedlichen ästhetischen Auffassungen zu zeigen, die er in dem sich allmählich verschiebenden Literaturbereich der Zeit einnahm. Und so wenig typisch oder vielmehr ausgesprochen individual und sogar goethe- und geniegemäß seine Haltung auch sein mag, sagt sie doch einiges über die Formen der Disloziierung gegenüber überlieferten, eher festen Verhaltensmustern - solchen eines Epochenstils -, die nun möglich waren und sich ergreifen bzw. nutzen ließen. Schließlich war Goethe insgesamt ein recht fruchtbarer Dichter, dessen Werk allerdings größten Schwankungen unterlag - die Spannbreite zwischen dem Besten und dem Belanglosesten (höfische Gebrauchsliteratur, Singspieltexte), ist nirgendwo so groß wie bei ihm. (Bei Tieck zeugen auch die schwächsten Werke noch von einem gewissen Naturtalent und später von großer Kennerschaft seines Metiers (Professionalität); einen "Faust" oder etwas, das Goethes schönsten Gedichten gleichkäme, hat er freilich nicht geschrieben. Hingegen versteht es Goethe, auch Texte zu verfassen, die fast amateurhaft wirken - seine Singspieltexte sind mit den Libretti von da Ponte wirklich nicht zu vergleichen; warum, ist eines der Rätsel, die man bei ihm findet.)
Es gilt zunächst den Verlauf der Freundschaft zwischen dem Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751-1829) und Goethe wenigstens grob zu skizzieren (1), dann das Campagna-Gemälde etwas genauer in seinem entstehungsgeschichtlichen Kontext zu betrachten (2) und schließlich die Katze aus dem Sack zu lassen, nämlich das eigentliche Bild des Goetheschen Rom-Erlebnisses, das Gegenbild zum Campagna-Gemälde vorzustellen (3). In einem vierten Schritt müssen die Begründungen für ein solches Vorgehen nachgeliefert werden (4), bis dann am Ende ein kurzer Ausblick in die Zukunft geworfen werden kann (5).
Goethes Naturdenken ist an jener historischen Nahtstelle anzusiedeln, an der sich die europäische Menschheit mit Hilfe von Wissenschaft und Technik aus den drückenden Zwängen der Natur zu befreien und sich ihres Verstandes in freier Wahl zu bedienen vorgenommen hat. Der spezifisch neuzeitliche Akzent, der diesem Vorhaben anhaftet, lautet: Die Entfremdung von der Natur ist die Bedingung der menschlichen Freiheit und ihrer Herrschaft über die Natur, doch versuchen schon die Menschen des späten 18. Jahrhunderts, ästhetisch wiederzugewinnen, was sie in der realen Beziehung zwischen Mensch und Natur verloren haben. Der Aufsatz versucht eine sozialgeschichtliche Einordnung von Goethes Naturdenken auch in die zeitgenössischen Erfahrungen der elementaren Naturgewalten, in Gewitter, Feuersbrunst und Hagelschlag, um die Innovationskraft dieses Denkens und ihres ästhetischen Ausdrucks zu belegen. Goethe hat sich zunächst dem Diskurs über die Theodizee angeschlossen, der nach dem großen Erdbeben von Lissabon lebhafter und heftiger wurde als je zuvor, ist dann aber rasch über diesen Diskurs hinausgeschritten, um den Menschen in seiner Glücksfähigkeit von allen anderen Naturwesen zu unterscheiden.
The house of Tantalus
(2010)
Goethe: Helena
(2010)
Although we are concentrating on the Third Act, Faust's appreciation of legend's most beautiful woman begins much earlier, perhaps as early as the Hexenkueche scene where he is thoroughly enraptured by a woman's image in a magical mirror. It drives him crazy, he says (2456), particularly since he has to stay at a certain distance to keep it in proper focus (2434); can you see Mephisto's mischievous smile at this bit of enforced "disinterested contemplation"? Woman is God's final art work, the true Crown of Creation, we learn from Schiller's Princess Eboli; Mephisto seems to say as much, and Faust like most men needs no convincing. We can't be sure that this is indeed Helen, we (and Faust) have yet to meet her. She remains nameless but, by any name, would be as sweet.
Dass die Zeit zwischen 1750 und 1850 zur ‚Sattelzeit’ der Moderne wurde, wird – bei allen Diskussionen um den Begriff selbst – kaum noch in Frage gestellt. Dabei haben sich besonders die tiefgreifenden Umwälzungen auf dem politischgesellschaftlichen Gebiet ins kollektive Gedächtnis eingeprägt. Aufs Engste damit verbunden sind die geistesgeschichtlichen Veränderungen der Zeit, die die Umbrüche der Lebenswelt oftmals erst ermöglichten. Daher kann ihre herausragende Bedeutung bis in die Moderne nur schwerlich überschätzt werden. Es gilt also dieses Erbe frei nach dem Goethe-Wort mit Treue zu bewahren. Doch aufrichtige Treue und damit die Möglichkeit, auch das Neue freundlich aufgenommen zu wissen, schließt immer auch eine kritische Reflexion des vormals Gewesenen ein. Diesen Anspruch, ein konkretes Phänomen neu zu betrachten, hatte sich der groß angelegte Sonderforschungsbereich (SFB) 482 „Ereignis Weimar – Jena. Kultur um 1800“ vor über 12 Jahren zur Aufgabe gemacht. Am 10. und 11. Juni dieses Jahres informierten die Verantwortlichen in einer Abschlusstagung in Jena nun über ihre Ergebnisse.
In diesem Kapitel werden alle Darstellungen zu diesem Themenkreis aus beiden Romanen gesammelt und interpretiert. Die medizingeschichtlichen Hintergründe sollen als erstes anhand der Figur des "Harfners" erläutert werden. [...] Goethes Beschreibung des Harfners bildet eines der Hauptelemente der Romanhandlung. An mehreren Stellen treten bei dieser Figur seelische Abgründe zutage, deren Ursache erst am Ende der Geschichte sichtbar wird. Einen ersten Hinweis liefert der Harfner, als er seinen Herrn Wilhelm um die Entbindung von seinen Pflichten bittet. Er sagt: "Mein Herr, lassen Sie mir mein schaudervolles Geheimnis, und geben Sie mich los! Die Rache, die mich verfolgt, ist nicht des irdischen Richters; ich gehöre einem unerbittlichen Schicksale."
In der vorliegenden Sammlung sind nicht nur die altbekannten, doch immer wieder neu zu entdeckenden Zitate, nicht nur viele geistgeschliffene Sentenzen, die 'den höchsten Sinn im engsten Raum' zusammenfassen, nicht nur allerlei Lebensweisheiten und -wahrheiten in schlichter, einprägsamer Formulierung enthalten, sondern darüber hinaus alle Äußerungen Goethes über die Frau, die für ihn und auch für seine Epoche bedeutungsvoll und charakteristisch sind. Das Belegmaterial ist den Werken (unter Heranziehung von frühen Fassungen und Entwürfen), den naturwissenschaftlichen Schriften, den amtlichen Schriften, den Tagebüchern, Briefen und Gesprächen entnommen, so daß Goethe hier als Dichter, als Wissenschaftler, als Staatsbeamter und nicht zuletzt als Mensch in seinen vielfältigen, öffentlichen und privaten Lebensbezügen, auch im vertraulichen Umgang zu Wort kommt.
Gibt es irgendeine Berechtigung, die ausgetretenen Pfade der Interpretation erneut zu beschreiten und sich den Liedern aus Goethes Roman Wilhelm Meisters Lehrjahre noch einmal und immer wieder zu nähern? Uferlos erscheint die Liste der Forschungsarbeiten, die sich mit diesen Liedern und/oder der Figur Mignon beschäftigen; gerade Mignon hat in der "Deutungstradition" von Goethes Bildungsroman ihren unbestrittenen Platz. Warum also noch einmal? Ein gewisses Anrecht auf ein wiederholtes und neues Lesen der bekannten Stellen genehmigt Goethes Roman selbst, sind es doch gerade Mignons Lieder, die sich zur mehrfachen und dauerhaften "Wiederholung" bekennen, ja die eine dauernde Wiederholung sogar einfordern. Man hat schon von einem "Wiederholungszwang" gesprochen, der durch diese Lieder vorangetrieben werde. Mignons Lieder arbeiten nicht nur häufig mit der Wiederholungsfigur des Refrains; auch ihr Hörer Wilhelm kann nicht umhin, sich diese Lieder mehrfach "wiederholen" zu lassen (234). Könnte es also sein, dass in dieser Wiederholungsmanie ein Hinweis darauf steckt, wie diese Lieder zu verstehen sind?
Unter den Liebigbildern, den berühmtesten und am weitesten verbreiteten Sammelbildern, erschien 1911 eine Serie von Illustrationen zur Symphoniekantate „Fausts Verdammung“ von Hector Berlioz (1803-1869). Für Berlioz, „eine künstlerische Vielfachbegabung von äußerstem Anspruch und Raffinement“ (Hans Joachim Kreutzer), wurde Goethes Faust zu einem entscheidenden Bildungserlebnis. Sein Frühwerk, „Huit scènes de Faust“ ließ er Goethe zukommen, aber der wandte sich an Zelter, der ein vernichtendes Urteil abgab. Mit „La damnation de Faust“, 1869 uraufgeführt, schuf Berlioz eine eigenständige romantische Deutung des Faust-Mythos. Das Goethezeitportal publiziert diese Bilder mit Hinweisen und Dokumenten zur Entstehung und Aufnahme des Werkes.
Der von Goethe geschätzte Maler und Zeichner Johann Heinrich Ramberg (1763-1840) war der beliebteste Lieferant von „Almanachküpferchen“ für die Taschenbücher seiner Zeit. Sein Talent gilt als „fruchtbar, beweglich, liebenswürdig“ (Max von Boehn), die Almanachkupfer werden als gefällig, launig und schalkhaft gelobt, manchmal mit vorzüglichen Charakterisierungen und bildnerischen Einfällen (wie dem aus dem Pudel sich entwickelnden Mephisto). Von den 16 Faust-Illustrationen für „Minerva. Taschenbuch für das Jahr 1828“ und 1829 werden hier 9 aus einer bibliophilen, einer Handschrift nachgebildeten, in Pergament gebundenen Ausgabe von Goethes Faust publiziert. Mit einer Kurzbiografie und 2 Bildnissen von Ramberg sowie einer Würdigung der Illustrationen durch den Kulturhistoriker Max von Boehn.
Die einer Handschrift nachgebildete bibliophile Faust-Ausgabe im Askanischen Verlag von 1924 enthält eine umfängliche Sammlung von Illustrationen zum Werk. Daraus publiziert das Goethezeitportal 5 wenig bekannte Holzschnitte nach Zeichnungen von Gabriel Max (1840-1915), die 1879 bzw. 1886 erstmals erschienen sind. Darunter eine hinreißende Komposition zum „Hexen-Einmaleins“. Max, der einige Jahre als Professor der Historienmalerei an der Münchner Akademie tätig war, wurde durch seine „mystische Richtung“ bekannt. Die Kritik bescheinigt ihm, dass er „das Sentimentale mit dem Grauenhaften und Nervenerregenden geschickt zu mischen versteht“. Beigefügt sind die Bezugstexte und eine Kurzbiografie von Gabriel Max.
Goethes Werther im gesellschaftlichen Kontext : Rezeptionsdokumente als Interpretationshilfen
(2009)
In seinem Werther-Aufsatz von 1936 hat Lukács ein bis heute häufig wiederholtes Interpretationsmuster skizziert: Werther als »Repräsentant einer >progressiven Bourgeoisie< in der >revolutionären Periode< ihrer frühen ideologischen und ökonomischen Entwicklung«. Das Werk wird von der DDR-Germanistik einem umfassenden Geschichtsprozeß eingeordnet, der Aufklärung, Sturm und Drang und Klassik umfaßt, und bei dem es »um den Aufstieg bürgerlichen Selbstbewußtseins, das Wachstum gesellschaftlicher Einsichten und die Eroberung immer neuer poetischer Provinzen« geht. Reuter betrachtet den Roman in diesem Sinn als »Brennspiegel des gesamten sozialen und politischen Zustandes in Deutschland« des späten 18.Jahrhunderts, wobei Werther im Streben nach allseitiger Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit ein »fortgeschrittenes bürgerliches Selbstbewußtsein« vertritt.
Wertherschriften
(2009)
Das Erscheinen von Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werthers" 1774 wurde zum Medienereignis und Skandalon. Es erschienen Rezensionen, die das Werk überschwenglich lobten oder – vor allem als Verteidigung des Rechtes auf Freitod – skandalisierten, es kamen Nachbildungen, Umbildungen und Parodien auf den Markt, die Geschichte wurde zum Stoff von Gedichten und Dramen, Non-books – wie man heute sagen würde – ergänzten das Angebot: Werther in Bildern als Wandschmuck, auf Porzellan, als Feuerwerk etc. Werther wurde zur Kultfigur: Man kleidete sich wie Werther, wallfahrte zu seinem (bzw. Jerusalems) Grab, manch einer ließ das Büchlein seinen Freund sein und schied gar aus dem Leben mit ihm in der Tasche.
Die neuen Leiden des jungen W. wurden »bewußt auf Auslegbarkeit geschrieben« und irritierten die Kritiker durch »die ungeheure Breite der Assoziationsmöglichkeiten«. Durch die vier »strukturtragenden Schichten« oder Informationsebenen des Textes kommt es zu interferierenden Perspektiven: 1. die voranstehenden Dokumente (Zeitungsnotiz, drei Todesanzeigen), 2. »die szenisch-dialogisch objektivierte Erinnerungsperspektive der Eltern und Arbeitskollegen«, 3. die Kommentare Edgars »von jenseits des Jordans«, 4. »die Brechung und Verfremdung der gesellschaftlichen Beziehungen des Helden im Spiegel des Werther-Zitats und der Werther-Fabel«. Plenzdorf führt »seinen Edgar Wibeau gegen Edgar Wibeau« vor, indem er ihn aus dem Jenseits kritisch und ironisch zu sich Stellung nehmen läßt. Der Leser / Zuschauer wird vom Autor geschickt in »eine Mittelstellung zwischen Identifikation (Verständnis) und Distanz (Kritik)« manövriert, sein »Beurteilungs- und Wertungspotential« wird aktiviert.
Zu dem umrätselten Gespräch, das Napoleon 1808 mit Goethe über den "Werther" geführt hat, kursieren zwei Auflösungen, die beide mit Goethes Äußerungen nicht zur Deckung zu bringen sind. Unbeachtet geblieben ist eine Erklärung aus dem Jahre 1902, die sich aus den Aufzeichnungen K. E. Schubarths ergibt. Sie stimmt nicht nur mit Goethes eigenen Andeutungen überein, sondern macht auch sein Schweigen über dieses Gespräch verständlich.
Es liegt nahe, in dieser ebenso kurz wie prägnant auftretenden literarischen Figur der "Wahlverwandtschaften" ein konkretes historisches Vorbild zu vermuten. Bereits im 1916 veröffentlichten Registerband der Weimarer Ausgabe wurde sie mit dem Engländer Charles Gore identifiziert, eine Annahme, die seitdem mehrfach wiederholt wurde, freilich ohne auf ihren Erkenntnisgehalt hin geprüft worden zu sein. Gore, ein kultivierter Privatier, Schiffskonstrukteur und begabter Amateurzeichner, lebte mit seinen beiden Töchtern Eliza und Emilie von 1791 bis zu seinem Tode 1807 in Weimar und pflegte engen Kontakt zu dessen Gesellschaft. Vorausgegangen war ein fast zwanzigjähriges Reise leben, das 1773 mit einem durch den angeschlagenen Gesundheitszustand der Gattin bedingten mehrmonatigen Aufenthalt in Lissabon begonnen und die Familie seitdem durch weite Teile des europäischen Kontinentes geführt hatte. Die Konvergenz beider Figuren ist in der Tat höchst bemerkenswert. Sie soll im Folgenden näher untersucht werden, wobei vor allem der ästhetische wie pädagogische Nutzen ihres Wirkens herauszuarbeiten sein wird. Ein Verfahren, das den literarischen Text und den historischen Sachverhalt gleichermaßen in den Blick nimmt – wohlgemerkt unter Voraussetzung der jeweiligen Eigengesetzlichkeiten –, erlaubt dabei zweierlei: zum einen Einsicht in die Werkstatt des Dichters, der, vom Eindruck einer zeitgenössischen Persönlichkeit ausgehend, diese literarisch verarbeitet. Zum anderen vermag eine quellengestützte Untersuchung jene faszinierende Wirkung zu rekonstruieren, von der in den "Wahlverwandtschaften" nur eher andeutungsweise die Rede ist, erlaubt mithin eine kommentierende Deutung des Textes. Wie zu zeigen sein wird, vermögen beide Perspektiven das Phänomen ›Gore‹ auf aufschlussreiche Weise zu konturieren.
"Wiederholte Spiegelungen" heißt die neue Ständige Ausstellung im Goethe-Nationalmuseum. Sie wurde durch die politische Wende Anfang der neunziger Jahre nötig und zum Weimarer Kulturstadtjahr 1999 fertig und eröffnet, ist damit nun seit sieben Jahren zu sehen. Der Titel geht - natürlich - auf Goethe selbst zurück, auf ein kurzes Dankesschreiben an einen Bonner Professor, der ihn im Jahre 1822 durch ein kleines Büchlein über Sesenheim an seine eigene Jugendzeit und Jugendliebe dort zurückerinnert hatte. ...
„[...] Goethe [liebte] die Herzogin Anna Amalia [...] und [blieb] ihr ein Leben lang treu“, so lautet die zentrale Hypothese des in Weimar lebenden Juristen und Schriftstellers Ettore Ghibellino, mit der sich angeblich sämtliche „Widersprüche“ in Goethes Leben und Werk erklären ließen. In seinem Buch „J. W. Goethe und Anna Amalia / Eine verbotene Liebe“, zuerst 2003 erschienen, unternimmt der Autor nichts Geringeres als den Versuch, die Goethe-Forschung auf eine ‚neue Grundlage‘ zu stellen. [...] Ghibellionos Ansatz ist historisch so fragwürdig, das zugrunde liegende Kunst- und Literaturverständnis derart einseitig biographistisch, der Umgang mit den Quellen so unreflektiert, ja manipulativ, die Kenntnisnahme und Einbeziehung der aktuellen Forschungsliteratur so selektiv, dass sich eine ernsthafte wissenschaftliche Auseinandersetzung eigentlich verbietet. In der Fachwelt hat Ghibellinos Veröffentlichung daher weder Interesse noch Unterstützung gefunden. Allerdings vermarktet der Autor mit seinem Buch geschickt das große allgemeine Interesse an der Person Goethes, dabei auch voyeuristische Bedürfnisse des Publikums bedienend. Inzwischen sind bereits zwei Nachauflagen (2004 und 2007) und eine englische Übersetzung (2007) erschienen. Aus diesem Grund muss diese neue ‚Weimar Legende‘ in aller Deutlichkeit als das benannt werden, was sie tatsächlich ist, nämlich eine Erfindung des Autors.
Der Ratgeber ist „ein Seitenstück zur Kunst mit Männern glücklich zu seyn“. Das Kapitel „Die Karakteristik des Geschlechts“ fasst die Geschlechterphilosophie der Zeit um 1800 schlagwortartig zusammen. Der Zusatz „nach Göthe“ etc. verweist, wohl in spekulativer Absicht, auf bekannte Autoren, deren Werken die Maximen entnommen sein sollen. Bei dem vorliegenden Exemplar handelt es sich um einen Nachdruck des im Verlag Oehmigke in Berlin 1800 mit fünf Kupfertafeln erschienenen Werkes. Der Nachdruck enthält ein eigenes Titelkupfer. Das Werk liegt in der Originalausgabe als Mikrofiche in der „Bibliothek der deutschen Literatur“ (Mikrofiche-Ausgabe, München: Saur 1990-94) vor. Im Folgenden werden wiedergegeben: Titelkupfer und Titel mit Vignette, Inhaltsverzeichnis, Erklärung des Titelkupfers und der Vignette, Einleitung: Die Karakteristik des Geschlechts.
Die Forderung nach mehr und besserer Bildung zu stellen, hieß im Neuhumanismus um 1800 bekanntlich, auf eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Sinnlichkeit und Vernunft zu drängen. Weniger bekannt ist indessen, mit welchem Nachdruck zur Zeit der Weimarer Klassik Bildungsfragen in Anknüpfung an Schriften Platons als ein im Kern erotisches Problem erörtert wurden. Obgleich meist sorgfältig camoufliert, läßt sich die Thematisierung des Eros als Bildungstrieb von Winckelmanns "Gedancken über die Nachahmung der Griechischen Wercke" über Arbeiten Wilhelm von Humboldts bis hin zu Goethes "Faust"-Tragödie rekonstruieren. In diesem Zusammenhang erweist sich letztere als eine fundamentale Kritik am „klassischen“ Bildungskonzept: Während von Humboldt im Eros eine schöpferische Urkraft und fortschrittstiftende Dynamik sieht, von der schon die Griechen geahnt hätten, daß sie das Chaos zum Kosmos ordne, präsentiert Goethe den Eros als eine Macht, welche zu vermeintlich Großem drängend ins Chaos zurücktreibt. Ebenso wie das sich bildende Individuum bei von Humboldt streben auch Faust und seine Parallelfiguren eine Ganzheit ihrer individuellen Vermögen an, wobei es auch ihnen im Kern darum geht, sich mit autonomen Geburtsakten den Traum der Unsterblichkeit zu erfüllen. Goethe allerdings deckt mit seinem Trauerspiel die Nachtseite solchen Ganzheitsanspruches auf, indem er zeigt, daß die Aneignung der Lebenserzeugung durch den Mann einhergeht mit einer Verleugnung des Lebenserzeugenden in der Frau sowie einem – in der Moderne zunehmend zerstörungsmächtigen – Menschenhaß überhaupt.
1932 befindet sich die Weimarer Republik an ihrem politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tiefpunkt. Was ließe sich angesichts des angeschlagenen Selbstbewußtsein der Nation besser instrumentalisieren als der hundertste Todestag des Olympiers Goethe, als die Epiphanie des Unsterblichen, als ein "Ehrenjahr des deutschen Menschen und der deutschen Kultur". Nicht nur in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Goethes Werk und den gigantischen staatlichen Feierlichkeiten, mehr noch in den populären Medien, in allen Radiosendern, in sämtlichen Zeitungen, in allen politischen Lagern, von Nationalsozialisten und Katholiken, von Juden und Kommunisten wird Goethe auf fatale Weise ideologisch vereinnahmt.
Am 1. Mai 1796 schrieb Carl Friedrich Zelter an Friederike Unger, die Frau des Verlegers Johann Friedrich Unger: "Hiermit, meine verehrungswürdige Freundin, übersende ich Ihnen meine neuesten Lieder <...>. Es sind zwei Exemplare. Eins davon soll für Sie sein und das andere haben Sie die Güte, dem vortrefflichen Verfasser des W. M. zuzuschicken <...>. Ich wünschte daß ihm meine Lieder nicht so fremd sein mögten als ihm mein Name sein muß." - Mit diesen Worten veranlaßte der Berliner Maurermeister, Bauunternehmer - und auch Komponist - die Übersendung von einigen seiner Lied-Kompositionen an Goethe. Die neuesten Lieder waren - nach einzelnen Publikationen in Almanachen - eine erste, bescheidene Ausgabe mit dem Titel "Zwölf Lieder am Klavier zu singen componirt von Carl Friedrich Zelter"; sie enthielt, neben anderen, fünf Vertonungen von Goethe-Texten aus Wilhelm Meisters Lehrjahren. Aus Goethes Antwortbrief vom 13. Juni 1796 an Friederike Unger spricht nicht nur seine Freude über das musikalische Geschenk, sondern auch der Wunsch, den Komponisten kennenzulernen: "Sie haben mir, werteste Frau" - so schrieb er - "durch Ihren Brief und die überschickten Lieder sehr viel Freude gemacht. Die trefflichen Kompositionen des Herrn Zelter haben mich in einer Gesellschaft angetroffen, die mich zuerst mit seinen Arbeiten bekannt machte. Seine Melodie des Liedes: "ich denke dein" hatte einen unglaublichen Reiz für mich, und ich konnte nicht unterlassen selbst das Lied dazu zu dichten, das in dem Schillerschen Musenalmanach steht. <...> und so kann ich von Herrn Zelters Kompositionen meiner Lieder sagen: daß ich der Musik kaum solche herzliche Töne zugetraut hätte. Danken Sie ihm vielmals und sagen Sie ihm daß ich sehr wünschte ihn persönlich zu kennen, um mich mit ihm über manches zu unterhalten".
In einem böhmischen Gasthof empfing der 70-jährige Goethe aus der dortigen Hausbibel die Inspiration zu dem hier betrachteten Gedicht, das er dem West-östlichen Divan einfügte, seinem größten lyrischen Zyklus, in dem er die westliche Welt und den islamischen Orient miteinander zu versöhnen suchte, hier aus christlicher Perspektive.
Mit Interesse habe ich den "Spiegel" Nr. 39/08 gelesen und war besonders angetan vom Beitrag "Goethes allmächtige Fee" über Ghibellino sowie dessen Interview. 2003 war sein inzwischen so gelesenes wie umstrittenes Buch "Goethe und Anna Amalia - Eine verbotene Liebe?" erschienen (3. Aufl., Weimar 2007); die akademische Wissenschaft, besonders die wie immer weltfremden Weimarer jener Institute mit den stets wechselnden Namen, protestierte. Ulrike Krenzlin wertet Ghibellinos Buch in den "Weimarer Beiträgen" 4/2007 als zumindest debattenwürdig und ernstzunehmend. So denke ich auch. Sehr ernst sogar!...
Zu Goethes „Erlkönig“ („Wer reitet so spät durch Nacht und Wind ...“), einer der volkstümlichsten und darum auch am häufigsten parodierten Balladen, finden Sie über 20 Bilder, auf Postkarten, aus Büchern, als Wandgemälde. Darunter von so bekannten Künstlern wie Schwind oder Schnorr von Carolsfeld und Randzeichnungen von Neureuther. Beigeben sind die Texte von Goethe und Herder sowie Weblinks.
Die von einem unbekannten Künstler, der mit E. Schütz signiert, im Jugendstil gestalteten Karten wurden von den Brüdern Kohn in Wien, einem führenden Postkartenverlag, herausgegeben. Illustriert werden Goethes Gedichte "Der Fischer", "Der Gott und die Bajadere", „Die Spinnerin“, „Der Rattenfänger“, „Der Zauberlehrling“ und das „Hochzeitlied“. Die Texte sowie Erläuterungen sind den Illustrationen beigegeben.
Johann Heinrich Ramberg (1763 – 1840), seit Chodowieckis Tod der gesuchteste Illustrator in Deutschland, hat eine „Gallerie zu Göthe’s Werken“ geschaffen, von denen das Goethezeitportal die Bilder zu Goethes Drama „Götz von Berlichingen“ publiziert. Die Folge erschien in „Minerva, Taschenbuch für das Jahr 1824“, einem der zwischen dem späten 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts überaus beliebten kleinformatigen Sammelpublikationen. Ähnlich wie die Musenalmanache dienten auch die literarischen Taschenbücher der literarisch-geselligen Kommunikation. Sie kamen rechtzeitig vor Weihnachten auf den Markt und wurden gerne als Geschenke, vor allem für Frauen verwendet. Da Musenalmanache und Taschenbücher ein breites Publikum erreichten, spiegeln sie in der Auswahl der Texte und Bilder den Geschmack der gebildeten Öffentlichkeit. Die Illustrationen zum „Götz“ geben überdies einen Einblick in die Ausgestaltung dramatischer Szenen auf der damaligen Bühne und in der Fantasie zeitgenössischer Rezipienten.
Als Goethe im Oktober 1807 [...] an seinen Verleger Cotta schrieb, sah er sich genötigt, politische Schadensbegrenzung zu betreiben. Herabwürdigende Kolumnen aus der Feder seines Intimfeindes Karl August Böttiger in Cottas Augsburger "Allgemeiner Zeitung" waren in der für Weimar noch kritischen Situation nach dem gerade zu Ende gegangenen Krieg das letzte, dessen man bedurfte. Cotta möge, so bat Goethe dringend, "alles, was unsre politische Existenz betrifft und nicht von mir kommt", von seinen Blättern abweisen. Goethes Intervention zeigt nicht nur, daß die Rolle des Kulturellen damals weit wichtiger gewesen ist, als man mit den üblichen Vorstellungen über fürstliches Mäzenatentum und Forderung von Literatur, Kunst und Wissenschaften an Weimars "Musenhof" zu verbinden gewohnt ist. In einer Situation, in der die Katastrophe von Jena und Auerstedt 1806 die regulären Politikinstanzen nahezu blockiert hatte, erwiesen sich der Ruf Weimars und das internationale Ansehen seiner Dichter und Literaten als unschätzbares politisches Kapital, und die von ihnen in Jahrzehnten aufgebauten personellen Beziehungs- und Kommunikationsnetze bildeten in den chaotischen Tagen nach dem 14. Oktober 1806 den einzigen noch verfügbaren Handlungsraum, um Weichenstellungen einzuleiten, die den drohenden Untergang des kleinen Herzogtums abzuwenden und ihm einen Platz in Napoleons Rheinbund zu verschaffen vermochten. Verständlich also, daß Goethe diesen Nimbus unbeschädigt erhalten wollte. Mit anderen Worten: Die Kultur ersetzte in dieser besonderen historischen Situation gleichsam die Politik, genauer gesagt das, was man damals unter Staatspolitik verstand, das Handeln der Regenten, Regierungen und Diplomaten. Daß Weimar in der Krisensituation von 1806 in der Lage war, auf ein solches Potential zurückzugreifen, war das Ergebnis einer jahrzehntelangen Entwicklung. In den folgenden Ausführungen soll versucht werden, deren wichtigste Etappen und Aspekte nachzuzeichnen.
Fast keine Publikation über Goethes Leben, seine Familie, seine Frau, sein Kind und seine Enkel ist bisher ohne die Abbildung eines Damenbildnisses ausgekommen, das seit 1885 als das der Christiane Vulpius ausgegeben wird, in Wirklichkeit aber die Weimarer Schauspielerin Friederike Voß darstellt. Dabei war es kein Versehen und keine Verwechslung, auch keine fehlerhafte Auswertung von Quellen, sondern einfach eine bewußte Umdeutung. Sie vollzog sich im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und entsprach dem Willen der Carl-Alexander-Zeit, das Überlieferte, Ererbte in den Dienst einer Idee zu stellen. [...] Das auf diese Weise erfundene Doppelbildnis prägte im 20. Jahrhundert die optische Vorstellung von der Lebensgemeinschaft Goethes und Christianes nachhaltig. Es ist an der Zeit, dem überlieferten Porträt der Friederike Margarete Voß seine Identität zurückzugeben.
Der hier erstmals publizierte Brief aus Rom gehört zur ersten Etappe des Italienaufenthalts Anna Amalias. Am 4. Oktober 1788 kam die Reisegesellschaft der Herzogin, die am 15. August 1788 von Weimar aus aufgebrochen war, in Rom an. Der erste Romaufenthalt dauerte bis zur Abreise nach Neapel am 1. Januar 1789. Am 20. Februar 1789 kehrte die Reisegesellschaft der Herzogin wieder nach Rom zurück, wo man bis zum 19. Mai 1789, dem Tag der erneuten Abreise nach Neapel, blieb. Auf der Rückreise nach Deutschland war Rom nur kurze Zwischenstation; man blieb dort nur noch fünf Tage, vom 15. bis 19. April 1790. Zwei italienische Briefe Anna Amalias an ihren Weimarer Bibliothekar Christian Joseph Jagemann während ihres Italienaufenthalts sind im Jagemann- Nachlaß des Familienarchivs von Heygendorff überliefert. Beide nehmen unter den Briefen, die die Herzogin aus Italien gesandt hat, einen besonderen Platz ein. Das betrifft nicht nur die Verwendung der italienischen Sprache – offensichtlich ein Tribut an Jagemann als ihrem Italienisch-Lehrer, daher auch die Anrede "Signor Maestro!". Auch inhaltlich verraten diese Briefe eine eigenartige Balance zwischen kurzen, sachlichen Informationen an Jagemann als einem in Weimar gebliebenen – durchaus leutselig-freundlich angesprochenen – "Subalternen" auf der einen Seite und zwar teilweise gewichtigen, aber äußerst kurz gehaltenen allgemeinen Bemerkungen auf der anderen Seite. Sie betreffen aber wichtige Aspekte des Italienaufenthalts und der Kommunikation mit Weimar. Die Briefe bezeugen insofern auch den Respekt der Herzogin vor dem Subalternen besonderer Art, nämlich dem bedeutenden Gelehrten und Italienkenner Jagemann.
Das Interessante [...] ist, dass der lyrische Teil des Divans einen kulturhistorisch die Zeit transzendierenden utopischen Schwebezustand zwischen Ost und West inszeniert, welcher in kognitiver Spannung zum Ertrag des im Rahmen des Kolonialismus angehäuften Wissens über den Orient steht. Aus dieser Spannung entsteht die charakteristische Ambivalenz des deutschen Sonderwegs im Zusammenhang mit dem Orientalismus. Damit wird die ambivalente Stellung des deutschen Orientalismus auch am Divan deutlich. Die Spannung im Divan bedeutet, dass das Werk als Modell für Dialog und Verständnis zwischen Orient und Okzident gelesen werden kann, und es kann auch als utopischer Entwurf für den grenzüberwindenden Umgang mit fremden kulturellen Möglichkeiten gedeutet werden. Im Folgenden werden einige Aspekte davon behandelt.
Wie ein roter Faden zieht sich durch die deutsche Geistesgeschichte das fortlaufende Gespräch zwischen dem christlichen Glauben und der Möglichkeit einer autonomen Persönlichkeit im Sinne der Aufklärung. Der Aufklärer und Dichter Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) und der fromme Pfarrer und Dichter Johann Kaspar Lavater (1741–1801) haben darüber einen intensiven Meinungsaustausch geführt. Horst Jesse, Vorstandsmitglied der Goethe-Gesellschaft München, fasst ihn zusammen.
Goethes Medientheorie
(2007)
Medientheoretische Zugänge zu Goethe sind bis heute eher die Ausnahme. Denn Goethe gilt uns als letzter Vertreter der sogenannten "Kunstperiode", die mit seinem Tod ihr Ende gefunden habe – so urteilten schon seine Zeitgenossen Hegel, Heine und Gervinus. Und wenn Goethe heute in ein Verhältnis zu unserer sogenannten "Mediengesellschaft" gebracht wird, so geschieht das vorwiegend in negativer Abgrenzung der Literatur gegen die audiovisuellen Medien. ...
Der Begründer der Neuen Phänomenologie, Hermann Schmitz, rückt anläßlich einer Erläuterung des für ihn zentralen Begriffs der "implantierenden Situation" Goethes Gedicht Über allen Gipfeln ist Ruh ... in die Nähe der Haiku-Lyrik. Das von Schmitz nur beiläufig Konstellierte erweist sich bei näherem Hinsehen als aufschlußreich für das Verständnis der Naturlyrik aus Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt. Denn es ist in der Tat die Haiku-Tradition, an der wir unseren Blick für manche Eigenheiten der lyrischen Sprache Goethes in jener Werkphase schulen können – einer Werkphase, die ich als "vorkritisch" bezeichne, da sie noch nicht unter dem Einfluß der kritischen Philosophie Kants steht und daher noch frei ist vom didaktisierenden Zug transzendentaler Subjektivität. Der japanische Blick auf den "vorkritischen" Goethe ist nicht nur von philologischem Interesse. Er zeigt uns, sehr viel weiter reichend, die Möglichkeit eines Sprechens über Phänomene, bei dem es kein die Erfahrung begleitendes und in seine Gewalt bringendes "Ich denke" zu geben scheint. ...
Zu Goethes idyllischem Epos „Hermann und Dorothea“ publiziert das Goethezeitportal – nach der Bildfolge von Arthur von Ramberg und der Postkartenserie aus dem Verlag Paul Fink – die Illustrationen von Emil Klein (1865-1943). Wie sein Lehrer Liezen-Mayer, der bekannte Faust-Illustrator, befaßte sich auch Klein mit Illustrationen literarischer Werke. Seine historisierenden Bilder zu „Hermann und Dorothea“ orientieren sich stark an Rambergs populärer Folge. Gemüthaftes Erzählen und Liebe zum Detail kennzeichnen seine malerisch gehaltenen Blätter.
„Recht interessante und gestreiche Umrisse zu Faust von Retzsch habe ich in Dresden gesehen. Wenn er sie ebenso auf die Platten bringt, so wird es ein gar erfreuliches Heft geben,“ schreibt Goethe 1810 an Cotta. Auch später hat er sich mehrfach lobend über diese Illustrationen geäußert, obschon er den Faust, als „zu poetisch“, „wenig für die bildende Kunst geeignet“ hielt (Gespräch mit Stieler, 1823). Das Goethezeitportal publiziert die gesamte Folge von 26 Umrissen, ergänzt um die referierten Textauszüge.
Goethes »Faust«, dessen erster Teil unter dem Titel »Faust. Eine Tragödie« zur Ostermesse 1808 erschien, regte bald Illustratoren an. Der junge Peter Cornelius zeichnete ab 1809 Blätter zu diesem Werk und ließ sie durch Sulpiz Boisserée – einem der frühesten Sammler altdeutscher Malerei und Verfechter der Vollendung des Kölner Domes – Goethe zukommen, der die glückliche Verschmelzung von Form und Inhalt lobte, jedoch vor Überschätzung der altdeutschen Kunst warnte. Die 12 Blätter eschienen mit einer Widmung an Goethe 1816 bis 1826 im Verlag von F. Wenner in Frankfurt. Das Goethezeitportal publiziert alle Zeichnungen und fügt Dokumente zur Entstehungsgeschichte wie zur Aufnahme durch Goethe bei. Die Kompositionszyklen von Cornelius, Moritz Retzsch und Eugène Delacroix, die bedeutendsten zu Goethes Lebzeiten, können nun miteinander verglichen werden.
Die Serie von sechs Prägedruckkarten stammt vom Postkartenverlag Paul Fink Berlin. Der Verlag hat vor dem Ersten Weltkrieg weitere Dichter-Serien (z.B. Theodor Körner, Schiller) herausgegeben. Von den Karten, die keinen Künstler ausweisen, sind einige 1902 gelaufen. Die teilweise dilettantisch wirkenden Bilder greifen die traditionell ausgewählten Szenen auf. Reizvoll sind die Farben dieser Chromolithos (Steindrucke in Farben), die an Aquarelle erinnern.
Mit seinem hymnischen Gedicht ‘Harzreise im Winter’, in dem Goethe auf seine im Dezember 1777 unternommenen „Ritt“ durch den Harz und die Besteigung des verschneiten Brocken rekurriert, hat er zwei für die romantischen Versionen winterlicher Reisen konstitutive Diskurse vorgeprägt: Zum einen ist ihnen die Reflexion über ihre poetische Gestaltung eingeschrieben, zum andern vermittelt die Schilderung frostiger und lebloser Landschaften eine (wie auch immer geartete) krisenhafte Situation und melancholisch-weltschmerzliche Stimmung. Diese wird in Goethes Gedicht mit der Frage nach dem einsamen ‚Menschenfeind’ hervorgerufen, der sich in die Öde zurückgezogen hat. Die ihm gewidmeten Strophen V-VII hat Brahms 1869 in seiner Rhapsodie vertont und mit seiner Komposition die Gewissheit einer Erlösung aus unglückseliger „Selbstsucht“ zum Ausdruck gebracht. Hingegen deutet Goethe nur die Möglichkeit einer Heilung der zur Werther-Zeit grassierenden „Empfindsamkeits-Krankheit“ in den vielschichtigen Bildern seiner ‚Harzreise’ an, mit denen er die Symbolik seiner klassischen Dichtung antizipiert
El papel de los instrumentos musicales en la obra de Johann Wolfgang von Goethe todavía no ha sido estudiando en profundidad por la Germanística. El presente Trabajo de Grado se ha centra en la presencia y función del arpa y arpa eólica en la obra literaria de este autor; Anna Teresa Macías García plantea la hipótesis de que actúan como motivos literarios y por ello presentan un significado concreto. Éste podría ser heredado de la tradición literaria anterior o bien personal, es decir, propio del autor: las experiencias de Goethe con estos instrumentos a lo largo de su vida habrían ejercido una influencia determinada en el significado personal de estos instrumentos en su obra literaria.
Stellen Sie sich bitte einmal einen alten Roman vor: irgendwann nach 1850 entstanden und also zweifellos ›realistisch‹- nicht unbedingt von Wilhelm Raabe oder Theodor Fontane geschrieben, aber vielleicht von Felix Dahn oder von Gustav Freytag! Einen so genannten ›historischen‹ Roman also! Dieser Roman erzählt eine Familiengeschichte, die drei Generationen umfasst: Der Großvater ist zu Beginn des 18. Jahrhunderts geboren - der Vater um die Jahrhundert-Mitte und dessen Sohn schließlich kurz vor der Wende zum 19. Jahrhundert. Um 1830 gelangt die Handlung dann zu ihrem tragischen Ende: Die Familie stirbt aus. Im Leben dieser drei Männer steht jeweils eine Italienreise im Mittelpunkt: Großvater, Vater und Sohn sind durch ihre Erfahrungen im Süden auf je besondere Weise tief geprägt - viel entscheidender ist aber die Schicksalhaftigkeit in der Generationenfolge: Für den Großvater bleibt das italienische Reiseerlebnis die große Freude seines Lebens - sein Sohn findet im Süden zu seiner wahren Bestimmung - und zuletzt stirbt der Jüngste ebenso überraschend wie früh genau dort, wo sich sein Vater Jahrzehnte zuvor »wie der Fisch im Wasser« gefühlt hat. - In Rom also erfüllt sich das Schicksal dieser Familie, weil die Ewige Stadt für sie sowohl das Glück als auch den Tod bedeutet.
"Wie ein ungeheures Märchen" : Johann Caspar, Johann Wolfgang und August Goethe im Petersdom in Rom
(2006)
Die Baugeschichte des Petersdoms in Rom, wie er sich dem Blick des neuzeitlichen Betrachters darstellt, ist das Resultat eines großen Abbruchunternehmens ebenso wie eines gewaltigen Neubaus. Von „schöpferischer Zerstörung“ hat Horst Bredekamp mit Blick auf die Baugeschichte von Neu St. Peter in Rom seit 1506 gesprochen. Als Johann Wolfgang Goethe, den Spuren seines Vaters folgend, 1786 auf seiner „Hegire“ das antike Rom und den Petersdom erblickte und sich damit in die südliche Kunstwelt „initiiert“ fühlte, konnte er kaum einschätzen, dass sein Neubau der deutschen Litera-tursprache ein ähnlich gewaltiges und gewaltsames Abbruch- und Aufbauprojekt sein könnte, wie der sich über mehr als ein Jahrhundert erstreckende Neubau der Papstkirche in Rom. Die „römischen Glückstage“, deren Stimmung und Kunstgefühl sich Goethe noch 1829, bei der Edition des „Zweiten römischen Aufenthalts“, in die „kimmerischen“ Nächte des Nordens holte, versuchte sein Sohn August 1830 auch für sich zu reklamieren. Doch endete dessen zu spät unternommene Flucht in einer Tragödie. August von Goethe starb zehn Tage, nachdem er die Kuppel des Petersdoms im Glanz der Morgensonne gesehen hatte, an einem Schlaganfall in Rom. Von dem Schock, der ihn im November 1830 durch die Nachricht vom Tod des Sohnes ereilte, hat sich Johann Wolfgang Goethe nicht mehr erholt.
Die hier vorgeschlagene Rekonstruktion der eher zufälligen Entstehung der Spinoza-Studie und insbesondere die Interpretation des zweiten Teils dieser Schrift als ironische, jedoch entschiedene Distanzierung von den im ersten Teil formulierten Prinzipien vermag nun abschließend auch eine wenigstens plausible Antwort auf die nicht nebensächliche Frage zu geben, warum Goethe Zeit seines Lebens nicht nur nie an eine Veröffentlichung dieses angeblich so wichtigen Zeugnisses seiner Naturauffassung gedacht, sondern diesen Text auch an keiner Stelle je erwähnt hat.