830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
Refine
Document Type
- Article (7)
- Part of a Book (1)
Has Fulltext
- yes (8)
Keywords
- Goethe, Johann Wolfgang von (4)
- Gefühl (2)
- Rezeption (2)
- Die Leiden des jungen Werthers (1)
- Fiktion (1)
- Gestalttheorie (1)
- Identifikation (1)
- Leidenschaft (1)
- Metrik (1)
- Neue deutsche Welle (1)
Institute
- Extern (1)
In recent introductions to German literary studies one reads that the publication of Goethe's "The Sorrows of Young Werther" was followed by a veritable wave of suicides among its readers. However, according to two studies that have collected and reexamined the few hints we have about such alleged cases the story of the suicide wave seems to be a myth rather than an accurate historical account. Why, then, do we still spread this myth? First, I outline a number of cognitive predispositions that might be responsible for the intuitive plausibility of the suicide story. Second, I try to explain why even in academic writing we often succumb to these cognitive tendencies. I propose that our discipline suffers by generally undervaluing empiricism and that this calls for revision.
Der Beitrag diskutiert einige Möglichkeiten, die Annahmen der gestalttheoretischen Wahrnehmungspsychologie für die literaturwissenschaftliche Metrikanalyse fruchtbar zu machen. Die Analyse metrisch gebundenen Sprachmaterials wird zunächst mit einem Wort Max Wertheimers als "Realteilung" beschrieben, in der hypothetische Einheiten (Versfüße, Takte, Verszeilen) rekonstruiert werden, von denen man zunächst "nicht mit Sicherheit weiß, ob sie auch ebenso als Teile in dem Ganzen waren". […] Im Anschluss an bereits vorliegende Applikationen der Gestalttheorie auf Fragen der Metrik […] werden zunächst einige Probleme erörtert, die mit der dort vorherrschenden Analyse quasivisueller Bauprinzipien verbunden sind. Das erste Problem besteht in der häufig anzutreffenden Gleichwertigkeit zwei- und dreisilbiger Füße (bzw. ein- und zweisilbiger Auftakte), die eine Analyse nach 'Versfüßen' häufig unplausibel erscheinen lassen. […] Ein zweites Problem stellt sich angesichts der anachronistischen Reanalyse ursprünglich syllabischer Versmaße nach Versfüßen oder Takten. […] Drittens wird diskutiert, ob es tatsächlich die Ähnlichkeit von Untereinheiten ist, durch die Einfachheit oder Optimalität hergestellt wird, oder nicht eher bestimmte Verlaufsschemata. […] [A]bschließend [wird] die Verwertbarkeit der hier vorgestellten Prinzipien für die Textanalyse [überprüft] […]. Als Beispiel dient das Gedicht "Sachliche Romanze" von Erich Kästner.
Der Beitrag untersucht die parasoziale Funktion literarischer Werke, die der fiktive Herausgeber von Werthers Briefen voraussetzt, wenn er seinen Lesern das Buch als einen "Freund" anempfiehlt. Textanalysen zeigen, daß Goethes "Werther" sich eines besonderen "emotiven Sprechmusters" bedient, um Individualität zu artikulieren und zu kommunizieren. Im zweiten Teil des Beitrags wird das emotive Sprechmuster als ein spezifisches Interaktionsmuster, wie es als Figurenrede in Goethes Jugendwerk in Erscheinung tritt, untersucht. Dabei ist eine Verschiebung von einer supplikativen zu einer konsolatorischen Verwendung des emotiven Sprechmusters zu beobachten. Der konsolatorische Effekt, in der Selbstaussprache eines anderen sich selbst wiederzufinden und dadurch seine Individualität bestätigt zu sehen, wird im dritten Teil des Beitrags als Erklärung für das Phänomen des "Werther-Fiebers" nutzbar gemacht. Der Beitrag unternimmt eine ausführliche Kritik des Forschungstopos, die enthusiastischen jugendlichen Leser hätten den "Werther" mißverstanden oder an Realitätsverlust gelitten, und stellt eine Verbindung zu Kult-Phänomenen der modernen Pop- und Jugendkultur her.
Eine Debatte um die Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Quote für deutsche Popmusik im Rundfunk, wie sie 2004 stattfand, wäre gegenstandslos, wenn es keine - zu anglophonen Produktionen konkurrenzfähige - deutschsprachige Popmusik gäbe. Breit rezipierte Popmusik in deutscher Sprache ist allerdings ein relativ junges Phänomen. Zwar gab es bereits in den siebziger Jahren deutsche "Liedermacher" und deutsche Rockmusik, außerdem natürlich den deutschen "Schlager" (zu dem z.B. auch die Übersetzungen englischer Beat-Titel aus den Sechzigern zu zählen sind), eine originäre und zugleich unter Jugendlichen kommerziell erfolgreiche deutsche Popmusik aber tritt erst um 1980 mit der sogenannten "Neuen Deutschen Welle", kurz "NDW", auf den Plan. Die so gewonnene neue Würde des Deutschen als Musiksprache verdankte sich jedoch keinem Prestigezuwachs der deutschen Sprache als solcher, sondern der breiten Anschlussfahigkeit einer neuen poetischen Rollenrede und Verfremdungstechnik in den deutschen Punk- und NDW-Lyrics. Der folgende Artikel untersucht diese Verfremdungsverfahren in ihrem wissens- und mediengeschichtlichen Kontext am Beispiel des Heldenmotivs.
Als Goethe 1832 in einem Brief an Humboldt seinen "Faust II" als "diese sehr ernsten Scherze" apostrophierte, bezog er sich auf die sehr spezifischen Traditionen einer "ernsten" und einer "scherzhaften" Dichtung, wie sie beide im Laufe des 18. Jahrhunderts entstanden waren. Der Beitrag versucht demgemäß, erstens die Referenz des Ausdrucks "ernste Scherze" historisch zu bestimmen und zweitens das Nachleben der betreffenden Dichtungstraditionen in Goethes Lebenswerk zu skizzieren. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Dramenschlüsse von "Stella" (Erstfassung 1776) und "Faust II". Es wird gezeigt, wie Goethe in beiden Fällen versucht, in der Gattung des Dramas die Struktur einer Pointe – wie sie aus der "Formkultur des Witzes" der Frühaufklärung bzw. des bürgerlichen Rokoko bekannt ist – nachzubauen.
Die Gefühlsemphase in den Dichtungen des Sturm und Drang wurde häufig als Versuch einer Aufwertung der Leidenschaften interpretiert. Dagegen wird hier die Ansicht vertreten, dass die immer wieder bezeugte Erfahrung des sentio ergo sum sich auf einen anderen Emotionsbereich bezieht als der ältere Leidenschaftsdiskurs. Der heroische Kraftkult ("Genie-Kult") und die Melancholie in der Sturm-und-Drang-Literatur werden unter emotionspsychologischen Prämissen neu analysiert und als spezifische Verarbeitung von Furcht- und Strafreizen gedeutet. Die emotionalen Selbstvergewisserungen des Sturm-und-Drang-Individuums stellen sich somit dar als historisch-empirische Stressreaktionen und psychische Coping-Prozesse in einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels.
Our response to fictional cues is often as emotional as to occurrences in real life. Such emotional responses do not mean that each time we mistake fiction for reality; rather they are affected by our innate social behaviors and by complex neural structures. Some responses, as for instance fright or pity, take place spontaneously, comparably to a reflex act. Furthermore, emotions can be evoked by means of thoughts: some specific sorts of texts rouse the reader´s ability to share in the emotional experiences of a fictional character. Other emotions can refer to a work of art as a whole or to some implicit components of meaning or allusions to facts of the case external to the text. Further ways of emotional engagement are pleasure and suspense, the affective basic processes of each reception of art or any media.
Güte - Liebe - Gottheit : ein Beitrag zur Präzisierung des "utopischen" Gehalts von Goethes "Stella"
(2001)
Der Beitrag nimmt kritisch Stellung zu der These, bei dem Ausgang von Goethes Drama "Stella" handle es sich um eine literarische Utopie, und differenziert zwischen der idealistischen Annahme eines Heilszustandes, der sich nur poetisch formulieren lässt, und einer Eschatologie, die mit rationalen Mitteln auf einen ethischen Problemlösungsbedarf antwortet. Die poetische Utopie lässt sich in der Figur der Stella, die im Stück als Personifikation von Güte, Liebe und Gottheit vorgestellt wird, verorten. Was zunächst nur eine subjektive Utopie Fernandos darstellt, wird im Verlauf des Dramas über verschiedene soziale Interaktionen einem sozialen und temporalen Generalisierungsversuch unterworfen. Das zentrale Interaktionsmuster ist die Sympathie Cezilies mit Stella, die auf einer gemeinsamen Empfindungserkenntnis (Consensus) aufbaut; hier kann die Analyse zur Erforschung der Freundschafts- und Liebeskonzeptionen im 18. Jahrhundert beitragen. Ebenfalls unter dem Aspekt der Objektivitätsproblematik lässt sich schließlich Goethes Umarbeitung zum Trauerspiel plausibilisieren.