830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Kultur - Sprache - Gewalt
(2018)
Zum Verständnis der Gewalt dürfte der Versuch beitragen, einen prointuitiven, in der Natur der Sache begründeten Begriff zu konstruieren, dessen Wert in seinem erhöhten Erklärungspotenzial liegt. Im vorliegenden Text wird der Versuch vorgenommen, den Begriff "Gewalt" aus drei fundamentalen menschenkonstitutiven Faktoren abzuleiten, der es ermöglicht, die Gewalt aus der Sicht des Betroffenen systematisch zu beschreiben und erklären. In die Erörterungen werden Kultur und Sprache involviert und innerhalb von drei Subthemen - Interpretation und Gewalt, sprachliche Ordnung und Gewalt, soziale Interaktion und Gewalt - wird ihre Einbeziehung in die "Welt der Gewalt" aus besonderen Perspektiven ins Visier genommen.
Bei der Durchsicht von literarischen und literarkritischen Werken der 1830er und 40er Jahre wird schnell deutlich, daß jedes einen anderen 'Goethe' hat. Damit ist nicht nur den Tatsachen Rechnung getragen, daß jeder der Autoren seine ganz individuelle Sicht auf Goethe zur Geltung bringen will - um des eignen Profils und der Distinktionsgewinne willen - und daß jede der sich ausdifferenzierenden ideologischen Positionen,
die dem Vormärz sein besonderes Gepräge geben, sich ihre spezielle, pejorative oder verklärende Mystifikation zurechtlegt.
Aus dem nun mehr als sechzig Jahre zurück liegenden Streit zwischen Staiger und Heidegger über das rechte Verständnis einer Verszeile von Eduard Mörike, der im Laufe der Jahre immer neue Stellungnahmen provozierte, läßt sich Aufschluß über die blicklenkenden Kategorien hermeneutischer Interpretation gewinnen, wenn man die Position einer Beobachtung zweiter Ordnung einnimmt. Es zeigt sich dann in großer Klarheit, daß die Interpretation literarischer Polyvalenzen und Ambiguitäten ihre Eindeutigkeit aus der Zuhilfenahme regulativer Ideen gewinnt, die nicht dem literarischen Text, sondern ästhetischen Vorlieben, philosophischen Axiomen oder politisch – moralischen Überzeugungen entstammen. Sie erzielen Sinneffekte, weil sie sich mehr oder weniger erfolgreich als subjektive Setzungen unsichtbar machen und aus der "Sache" heraus zu sprechen vorgeben. Werden diese regulativen Ideen aus der Perspektive einer Beobachtung zweiter Ordnung ins Sichtfeld gerückt, erscheint die Kontingenz jeder Interpretation, die immer auch anders möglich ist. Sie hat sich freilich am Wortlaut des literarischen Werkes zu bewähren, der jedem Konstruktivismus eine unüberschreitbare Grenze setzt. So verstanden ist die berühmte und nicht selten auch bespöttelte Kontroverse zwischen Heidegger und Staiger noch heute eine anregende Hilfestellung für jeden Versuch eines neuen Verständnisses von Mörikes Gedicht und eine grundsätzliche Herausforderung der Reflexion auf die Voraussetzungen literaturwissenschaftlicher Interpretation.
El estudio "Zwei Gedichte von Friedrich Hölderlin" es el primer ensayo crítico de Walter Benjamin. Respecto de dicho ensayo, los intérpretes se han concentrado en sus tesis e influencias más generales, sin reconocer por otro lado ciertos giros heterodoxos presentes en su lectura de Hölderlin. Así, tras el velo de sus postulados crítico-metodológicos, es possible reconocer un abordaje moderno de la poética hölderliniana, donde los motivos filosóficoidealistas aparecen desplazados por una lectura sensual y materialista. Dicho giro obedece a la presencia de intuiciones que más tarde constituirán los ejes fundamentales del pensamiento benjaminiano.
Groß ist die Spannweite der Interpretationen, die die ersten Verse von Hartmanns 'Iwein' erfahren haben. (…) Das reicht vom „Inbegriff der güete..., bei dem caritas, misericordia und summum bonum mitgedacht werden müssen“ (…) bis zum „recht verstandenen Rittertum“ (…), die als „leitstern“ (…) des Gedichts fungieren; kürzlich hat D.G. MOWATT den Prolog sogar ironisch verstehen wollen (…), wobei beweiskräftige sprachliche Signale für uneigentliches Sprechen jedoch kaum auffindbar sein dürften (…) und die Annahme einer nachträglichen Ironisierung des Beginns durch das (einseitig interpretierte) Ende des Roman nur aus der vergleichenden Lektüre des modernen Interpreten, nicht aber aus einer kontinuierlich-linearen zuhörenden Aufnahme durch Hartmanns Publikum abgeleitet werden kann.
Vergänglichkeitsmetapher oder Bild für den Aussatz – um diese Interpretationen der Stelle E 73 (bzw. B 143) "ze hewe wart sîn grüenez gras" im neuaufgefundenen Benediktbeurer Fragment des "Armen Heinrich" ist ein Streit zwischen L. Wolff und Gesa Bonath einerseits und H. Rosenfeld andererseits entbrannt (....). Die strittigen Verse im "Armen Heinrich" aber sind in ihrer, das "ûzen" (Vergehen der Schönheit) ebenso wie das innen (Krankheit als Prüfung) erfassen Mehrschichtigkeit doch eher das Werk eines theologische Anregungen verwertenden Dichter, und damit (...) [nimmt Volker Mertens an], Hartmann selbst.
Das Gedicht 'Boas' erschien erstmals im Mai 1912 in der avantgardistischen Zeitschrift "Der Sturm", die Lasker-Schülers Ehemann Herwarth Walden herausgab. Gemeinsam mit den Gedichten 'Ruth' und 'Pharao und Joseph!' veröffentlichte die Autorin es 1913 erneut in der Zeitschrift Die Freistatt, wobei im vorletzten Vers statt „Ueber seine Korngärten“ die Variante „In seine Korngärten“ zu lesen war. Was auf der Oberfläche ein sentimentales Liebesgedicht (i.e. 'Boas') zu sein scheint, erweist sich bei einer näheren Betrachtung, die die biblische Rut-Novelle einbezieht und den biographischen Konnex sucht, als … mnemosynetisches Gedicht, die poetische Erinnerung an ein gescheitertes Projekt in der Literatur wie im Leben.
Schon seit einiger Zeit ist innerhalb der Germanistik eine Interessenverschiebung von der Literatur- zur Medien- und Kulturwissenschaft zu beobachten, die sich auch institutionell durchsetzt. So interessant ihre Ergebnisse in kulturgeschichtlicher und teils auch theoretischer Hinsicht sind, so scheint es mir doch, daß das eigentliche Zentrum der Germanistik immer noch die Literatur zu sein hätte, daß dieser Gegenstand aber von theoretischen und historischen Konstruktionen zunehmend verdeckt wird. Das Folgende kann daher als kontrapunktische Übung in textnaher Interpretation verstanden werden. Gedichte eignen sich zu solcher Übung in besonderer Weise. Mörikes Um Mitternacht gehört zu den Gedichten, deren Bildzusammenhang sich dem Leser kaum erschließt. In der Sekundärliteratur wird es als nahezu unverständlich bezeichnet, weil es sich nach außen abschließe. Anlaß genug, das Gedicht noch einmal vorzunehmen Es wird hier dem späteren Am Rheinfall kontrastiert, um einer einseitigen Auffassung der Lyrik Mörikes vorzubeugen.
Wolfgang Koeppen: Wahn
(2000)
Dieser Text von Wolfgang Koeppen (1906-1996) wurde zuerst 1960 in der Anthologie "Ich lebe in der Bundesrepublik", herausgegeben von Wolfgang Weyrauch, publiziert. In den "Gesammelten Werken" erscheint er im Kapitel "In eigener Sache". Diese bibliographischen Hinweise dienen dazu, den Text zunächst kurz zu klassifizieren: Es handelt sich um einen autobiographischen Text, das Text-Ich bezieht sich auf den Autor Wolfgang Koeppen. Koeppen schrieb diesen Text im Rahmen der Produktion von Reiseberichten, empfindsamen Berichten, wie er selbst in einem der Bände als Untertitel schreibt.