830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Vom 1. bis zum 3. Juli 2021 fand an der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań die Jahrestagung der Austrian Studies Association statt, die von Prof. Dr. habil. Sławomir Piontek vom Lehrstuhl für österreichische Literatur und Kultur im Institut für germanische Philologie der AMU organisiert wurde. [...] Das Thema der diesjährigen Tagung waren "Nationale und postnationale Perspektiven in/aus/auf Österreich".
Internationalen Schulleistungsuntersuchungen wie PISA und PIRLS zufolge lesen österreichische Schüler/innen weder gern noch besonders oft oder gut. Nachdem die Einführung der Zentralmatura im Schuljahr 2014/15 Ängste schürte, dass die Literatur gänzlich aus dem Unterricht verschwinden könnte, gab Wiens (damalige) Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl eine allgemein verbindliche Leseliste für Schüler/innen in Auftrag. Mit dem rund 200 Werke umfassenden Ergebnis beschäftigt sich dieser Beitrag. Nach einer Erörterung jener Gründe, die zur Initiierung der Liste geführt haben, wird durch eine intersektionale Analyse mit Fokus auf die Geschlechterverteilung und Herkunft der Autor/innen und literarischen Protagonist/innen die stereotypenreproduzierende Gefahr eines Literaturkanons aufgezeigt, dessen Durchschnittspublikationsjahr im frühen 19. Jahrhundert liegt und dessen Werke hauptsächlich von weißen Männern stammen.
Literaturkanon und Identitätspolitik. Notizen zu den Wiener Schillerfeiern im 19. Jahrhundert
(2020)
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Inszenierung Friedrich Schillers als Leitfigur einer deutschen Kulturnation bei der Wiener Dichterfeier 1859. Gemessen an der politischen Krisensituation der Habsburgermonarchie spiegelt die Zentenarfeier die kollektiven Sehnsüchte und Illusionen des deutschösterreichischen Bürgertums deutlich wider. Die einzelnen Veranstaltungen können hierbei als Medienereignisse und "Cultural Performances" aufgefasst werden, bei denen die politisch intendierten Festinhalte vermittelt und sinnlich erfahrbar gemacht wurden. Die Indienstnahme und Popularisierung Schillers trieb nicht zuletzt auch dessen Kanonisierung weiter voran – literatur- und theaterhistorisch betrachtet nicht immer zum Vorteil der "österreichischen Literatur" des 18. und 19. Jahrhunderts.
[...] der folgende Beitrag [geht] von der These aus, dass der in der Stunde Null zusammengebrochene deutsche Weltmachttraum in der welthistorischen Marginalisierung seinen früheren Träumern die Chance einräumt, sich als Anwalt und geistiger Erlöser anderer ebenfalls marginalisierter Völker von sich und vom Scheitern zu erlösen und sich als Provinz zu universalisieren. Man kann darin eine doppelte Verblendung sehen, die nur für Vulgärmathematiker noch eine Chance auf Realitätshaltigkeit besitzt – oder eben einen Auftrag, die Geschichte der deutschen und österreichischen Nachkriegskultur (von Beuys über die Gebrüder Jünger bis zu Konrad Bayer) um ein gleichsam postkoloniales Kapitel zu ergänzen, wobei darüber zu streiten wäre, ob das Epitheton nun in Gänsefüßchen gesetzt werden muss oder nicht. Schließlich: Wer in der Erzählung jeweils die Funktion des Schamanen ausfüllt, bleibt den Umständen überlassen. Sie freilich interessieren am meisten.
Migrationsgesellschaften zeichnen sich durch kulturelle und sprachliche Diversität aus. Für das Bildungswesen bedeutet Mehrsprachigkeit einerseits eine potentielle Quelle für Kreativität, aber auch eine Herausforderung auf der anderen Seite. Da Migrationsströme zunehmen, ist es wichtig, dass Schulsysteme auf den Umgang mit Mehrsprachigkeit optimal vorbereitet sind. Speziell im Fall von Österreich bekommt man teilweise den Eindruck, als würde von Mehrsprachigkeit eine Gefahr für die deutsche Sprache ausgehen. Vor allem hitzige Diskussion rund um eine Deutschpflicht in den Schulpausen und das Programm der neuen Bundesregierung, laut dem SchülerInnen mit wenig Deutschkenntnissen vor dem regulären Schulunterricht
eigene Deutschklassen besuchen sollen, lassen darauf schließen, dass Österreich mit Mehrsprachigkeit und dem damit zusammenhängenden Potential nicht nachhaltig umgeht. Auch die Einführung der Deutschförderklassen im Schuljahr 2018/19 wird vom Österreichischen Verband für Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache als "tendenziell segregierend" eingestuft und ohne nachhaltige Effekte auf eine höhere Bildungsgerechtigkeit.
[...] ich [möchte] zeigen, wie Barbara Frischmuths Text "Die Entschlüsselung" die Unlesbarkeit von Texten vorführt, indem er zahlreiche unterschiedliche (Wissenschafts-)Diskurse (Genderstudies, Theologie, Kultur-, Literatur- und Geschichtswissenschaft) zu Wort kommen lässt. Frischmuths Text exekutiert, wenn man so will, de Mans Konzept der Unlesbarkeit, ja er erweitert dieses noch, indem er die, in allen Texten angelegte Unlesbarkeit "taktisch verstärkt". Damit wird "Die Entschlüsselung" – wie im Übrigen die meisten von Frischmuths Texten – als ein avantgardistisches Werk lesbar.
Das theoretisch-psychologisch sowie kulturwissenschaftlich relevante Thema "Gewalt", ist aus der Literatur nicht wegzudenken, hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass sich gewisse Strömungen oder Epochen als besonders gewaltaffin erwiesen haben. Der Literatur wohnt die Fähigkeit inne, Gewalt zu erzeugen, zu inszenieren sowie zu gestalten. Diese sollte zugleich als ein Medium begriffen werden, in das kulturelle Codes einfließen, die dann entweder kritisch oder affirmativ reflektiert werden. Peter Henischs Roman "Schwarzer Peter" schreibt sich in den Diskurs über Multikulturalität bzw. über die mangelnde Akzeptanz dieser in Österreich der Nachkriegsjahre ein, wobei man dem Plot eine gewisse zeitlose Aktualität nicht absprechen kann. Der Autor geht auf ein eminentes politisches Thema ein, unternimmt jedoch keinen Versuch, die Repressionen, denen die titelgebende Hauptfigur ausgesetzt ist, zu plausibilisieren oder Legitimationsmuster für diese zu entwerfen. Vielmehr ist sein Roman als eine kritische Stimme in der Debatte über Minoritäten bzw. als ein Versuch zu sehen, im Namen dieser, die marginalisiert werden, das Wort zu ergreifen. Dies überrascht nicht angesichts der Tatsache, dass Henisch mehrmals öffentlich seine Besorgnis ausgedrückt hat, dass die österreichische Identität durch die unbewältigte Nazi-Vergangenheit konstituiert wurde und die Notwendigkeit der Aufarbeitung dieser betonte.
In der österreichischen Literatur entwickelte sich zu Beginn des 19. Jahrhundertskeine literarische Bewegung, die mit der deutschen Romantik vergleichbar wäre. Der Aufenthalt und ausgedehnte Tätigkeiten vieler deutscher Romantiker in Wien jedoch hatten Auswirkungen auf das geistig-kulturelle und literarische Leben in Österreich und führten zu heftigen Debatten und wortgewaltigen Polemiken in der literarischen und journalistischen Szene. Die Aufklärungspostulate hatten in Wien Prämissen gesetzt, die das kulturelle Leben der österreichischen Länder bis weit in das 19. Jahrhundert hinein stark beeinflussten.