830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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In seinen Schriften, insbesondere seinen späten des letzten Lebensjahrzehnts, prägte Stéphane Mosès die Begriffe der normativen und der kritischen Moderne innerhalb der jüdischen Tradition. Er erklärt, wie diese beiden Tendenzen im jüdischen Denken des 20. Jahrhunderts fast zeitgleich entstehen, nämlich in und nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, und wie zwei parallele Stränge nebeneinander bestehen. [...] Der Dialog von Benjamin und Scholem über Kafka gehört zu den bedeutenden Briefwechseln der Literaturgeschichte, vergleichbar demjenigen von Lessing und Mendelssohn über das Trauerspiel, der erst im 20. Jahrhundert, lange nach seinem Entstehen, wirklich bekannt und rezipiert wurde. Es ist ein großes Verdienst von Stéphane Mosès, diesen Briefwechsel von Benjamin und Scholem kommentiert und uns die Positionen der beiden Denker lebendig vor Augen geführt zu haben. Ich habe meinerseits versucht, im Sog dieses Briefwechsels das Wesentliche hervorzuheben, um Benjamin in die jüdische Moderne einzubetten. Dabei scheinen mir die Gedanken des "Zerfallsprodukts der Weisheit" und des "Gerüchts von den wahren Dingen" sowie auch der einer "theologischen Flüsterzeitung, in der es um Verrufenes und Obsoletes geht" die Diagnose vom Traditionszerfall in der jüdischen und nicht jüdischen Moderne äußerst prägnant zu begleiten.
"Berührungsfurcht" : soziale Imaginationen der Unterklassigen in der Kanon-Literatur der Moderne
(2020)
Die gutbürgerliche Literatur verwahrt sich mit allem, was ihr eigen ist - Sprache, Aisthesis, Kreativität, Imagination, Wissen und Bildung - gegen den Übergriff des Anderen und Fremden in Gestalt des sozial Niederen und Subalternen im eigenen Erfahrungsbereich, durchsetzt mit Empathie und Aggression. Aus der Sicht der noblen Literatur fällt der Blick auf die schäbigen Volkssänger, von denen sich Gustav Aschenbach, Thomas Manns Identifikationsfigur im "Tod in Venedig", auf der Hotelempore des Lido bedrängt fühlt, auf die elenden "Schalen von Menschen" in den Straßen und Krankenanstalten von Paris in Rilkes "Malte Laurids Brigge", auf die im Gerede sprachlosen Scheusale von Haushälterin und Hausbesorger in Canettis "Blendung", auf die im 'Jargon' agierende chassidische Schauspieler-Bagage, die Kafka so vehement gegen den Prager Kulturzionismus verteidigt. Die kulturelle Hybris gegenüber den Subalternen und Deklassierten folgt der Spur eines elitären Gestus, auch im politischen Handeln: Verachtung, Abscheu, Angst und Erschrecken angesichts der 'Deplorables', des bedauernswerten Elends der sozial Deklassierten und minder Kultivierten. [...] Das entsprechende Bildrepertoire an einsinnigen Klischees begegnet, ästhetisch nuanciert, in der literarischen Zeitgenossenschaft um 1900 bei Autoren unterschiedlichster Weltanschauung und Schreibweise. Und seitdem, was im Folgenden aufzuzeigen ist, in fast jedem uns vertrauten Text moderner, als bürgerlich verbürgter deutscher Literatur, der sich dem sozial Anderen außerhalb des eigenen Lebens- und Erfahrungsbereichs zuwendet, mehr oder weniger emphatisch oder verdrossen. Bei diesem kleinen Streifzug durch einige Kanon-Texte der Moderne kann es nicht um ihre sozialpsychologische und sozialhistorische Erklärbarkeit gehen. Vielmehr interessieren, als kleiner Nachtrag zur Lektüre der uns wohl bekannten Werke, gewisse Wege und Abwege der sozialen Imagination: der moralisch und ästhetisch oft verquere Umgang mit einem Fremden, das nicht nur in anderen Ländern und Kulturen zu suchen, sondern daheim, hier und jetzt, zu entdecken ist. In der Ferne so nah, voller "Berührungsfurcht", wenn nicht panischem Erschrecken vor dem Anderen.
Wie immer man Vischers Argumentation einordnet, deutlich machen sollte man sich zunächst, dass sie nicht allein kunstphilosophisch orientiert ist, sondern den Austausch mit sich seit den 1830er Jahren zusehends pluralisierenden und von der Zeitordnung, die Hegels Geschichtsphilosophie vorgibt, emanzipierenden literatur- und kunsthistoriografischen Diskursen sucht, womöglich sogar das Ergebnis literatur- und kunstgeschichtlicher Revisionen dieses Zeitraums ist. Dies würde bedeuten, dass es nicht allein (und vielleicht nicht einmal primär) das Gebiet der philosophischen Ästhetik (Kunstphilosophie) ist, innerhalb dessen Vischers Moderne ihre Konturen gewinnt. Im Mittelpunkt stehen würde demgegenüber die empirisch orientierte, d. h. an Einzelwerk und -künstler interessierte Kunst- und Literaturforschung. Wenn wir im Weiteren diese These verfolgen, so nicht so sehr aus dem Interesse heraus, den Anteil kunstphilosophischer Konzeption im Denken Vischers tatsächlich marginalisieren zu wollen. Interessant ist vielmehr die Möglichkeit, in heuristischer Absicht die Elemente der kunst- und literaturgeschichtlichen Rede als eigenständige Diskursformationen in der Betrachtung scharfstellen zu können. Mit diesem Ziel soll es zunächst darum gehen, das Verhältnis von Romantik und Moderne im Haushalt der hegelianischen Literatur- und Kunstgeschichtsschreibung um 1840 zu bestimmen. Gefragt werden soll zudem: Wie lässt sich Vischers im Plan zu einer neuen Gliederung der Ästhetik entworfenes Moderne-Ideal in diesen Rahmen integrieren (Kap. I)? In einem zweiten Schritt wird schließlich ganz konkret jenen Spuren nachgegangen, die Vischers Argumentation im Einflussgebiet kunst- und literaturgeschichtlicher Diskursmuster seiner Zeit zu verorten erlauben (Kap. II). Abschließend wollen wir die Ergebnisse in eine Konturierung des Moderne-Begriffes einbringen (Kap. III).
[...] Die dialektische Begriffsentfaltung schöner Kunst in ihren Momenten des Häßlichen, Komischen, Erhabenen ist nicht, wie das Vorurteil will, sophistische Begriffsspielerei; sie ist der angestrengte Versuch, die Möglichkeit bzw. Ermöglichung schöner Kunst unter den ihr "ungünstigen", "prosaischen" Lebensverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft zu entwickeln. Alle ästhetischen Theorien des Häßlichen greifen ein in die Debatte über den Vergangenheitscharakter schöner Kunst; sie melden sich zu Wort als Theorie gegenwärtiger Kunst; sie übernehmen präventiv die Gewährleistung schöner Kunst im Status ihrer drohenden Verabschiedung: sie behandeln sie als suspendiert. [...]
Der Schwierige von Hugo von Hofmannsthal reflektiert die Lage, die dem Niedergang der Habsburger Monarchie parallel verläuft. Gleichzeitig ironisiert das Lustspiel eine Gesellschaft, die von den Krisen der Moderne geprägt ist und infolge dieser deren bisher bestehende Form sich auflöst. In der vorliegenden Untersuchung wird das Argument stark gemacht, dass Der Schwierige in einer krisenhaften Phase auf alte gesellschaftliche Normen und Werte zu verweisen sucht und dass dieser Verweis eine nostalgische Haltung repräsentiert. "Der Schwierige" stellt im Sinne einer kulturellen Restaurierung eine Beschönigung althergebrachter Lebensformen dar, die der Ungewissheit des Jetzt gegenübergestellt wird.
Heinrich Heines Lyrik folgt einem doppelten Impuls: sie setzt erstens in destruktiver Absicht Parodie, Travestie und Satire ein, um in einer Art Härtetest Tonqualität und ästhetische Wahrheit bisheriger Lyrikbestände zu filtern und auszukühlen; zum zweiten aber sucht sie poetisches Neuland zu gewinnen, indem sie eine extreme Erweiterung lyrischer Sagbarkeiten und Tonlagenhöhen und zwar nach unten und nach oben anstrebt, - nach unten zur größten Farce und hässlich-komischen Burleske, und nach oben zur sublimsten Poesie.
Dada a posição excêntrica de Hermann Hesse dentro da literatura de língua alemã no século XX, quase como um "outsider" retrógrado, o objetivo do presente artigo é tentar situar "O lobo da estepe" (1927) nas discussões sobre a "modernidade literária". Para esse fim, serão realizadas considerações que demonstram como o livro representa um sujeito no contexto do mundo moderno dos anos 1920 e como o romance adota uma estrutura multiperspectiva que reflete os novos modos de representação que começaram a ser explorados na forma literária moderna. Essa estrutura será analisada com base nas categorias narratológicas propostas por Genette (1995), apontando as três diferentes perspectivas sobre o protagonista Harry Haller presentes no livro: a do "Prefácio do editor", "As Anotações de Harry Haller" e o "Tratado do lobo da estepe". A partir da análise, discutir-se-á a possibilidade de entender os acontecimentos narrados nas "Anotações”"como frutos da imaginação ou como depoimento autobiográfico do protagonista. No primeiro caso, o livro se encaixaria na categoria do realismo, no segundo, na literatura fantástica. Por fim, serão comparadas as diversas edições do livro - que apresentam diferenças significativas - de modo a evidenciar como a estrutura narrativa pode favorecer a classificação do romance como fantástico.
Abordando o conjunto das chamadas "peças de fala" ("Sprechstücke"), as primeiras quatro obras escritas para o teatro ainda nos anos 60 por Peter Handke, Prêmio Nobel de Literatura de 2019, o ensaio busca localizar nelas mais do que o jogo autorreferencial alienado censurado por muitos num suposto pós-modernismo. Relacionando o projeto do autor com uma tradição modernista propriamente austríaca e com as preocupações de uma possível filosofia política da linguagem, investigamos essa dramaturgia como uma operação crítica em relação a um funcionamento coercitivo da linguagem, para ao fim relacionar esse interesse com sua posição na história do teatro, propondo seu papel chave para compreender a cena contemporânea.