830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Zwei sehr unterschiedliche Romane haben Ende des 20. Jahrhunderts frischen Wind in die Segel der träge gewordenen Erzählliteratur geblasen: Michel Houellebecqs "Ausweitung der Kampfzone" und "Die wilden Detektive" von Roberto Bolaño. Beide gehen in ihrer formalen Machart ein hohes Risiko ein, beide meistern es – und beide sind autobiographisch grundiert. Allerdings nicht so, dass das Gelebte und das Geschriebene in irgendeiner Weise parallel verlaufen würden, vielmehr setzt die Gestaltung unweigerlich einen Prozess der Umgestaltung in Gang, so dass sich Dichtung und Wahrheit, um das einst von Goethe aufgetane Gegensatzpaar zu bemühen, tief ineinander verstricken. Der Anteil der Fiktion ist in beiden Büchern ebenso hoch oder höher als die schmerzhafte und lustvolle Erfahrung, die den Autor zur Verarbeitung drängte. Wobei der Schmerz beim Franzosen überwiegt, beim Chilenen alles in allem die Lust. Bolaños Roman zeichnet aus vielen verschiedenen Perspektiven die Wege und Etappen Arturo Belanos nach; schon der Name des Protagonisten verweist darauf, dass es sich um ein Alter-Ego des Autors handelt.
Begegnung mit orientalischer Kultur und orientalischen Denkmustern in den Romanen von Rafik Schami
(2018)
Rafik Schami gehört zu den Autoren mit Migrationserfahrung, und als solcher stellt er in seinem literarischen Schaffen den Blick des Deutschen (Okzidentalen) und den Blick des Orientalen auf die jeweils andere Kultur dar. Ziel der Untersuchung ist es, herauszufinden, wie Rafik Schami den Orient in seinen Romanen verarbeitet. Ferner wird versucht Antworten auf folgende Fragen zu finden: Welche kulturellen Aspekte werden in den für die Untersuchung ausgewählten Romanen reflektiert? Welche Erfahrungen werden in Bezug auf die kulturelle Fremdheit gemacht? In unserem Fall geht es um eine kontrastive Betrachtung der orientalischen Kultur und der westlichen Kulturen. Die Leser Schamis werden mit zwei Wertesystemen konfrontiert, was unwillkürlich zu einer Auseinandersetzung mit kulturellen Unterschieden führt. Dem Autor gelingt damit ein gesteigertes Interesse beim Leser zu erzielen sowie Verständnis und Sensibilität gegenüber beiden Kulturen zu wecken. Die für die Untersuchung herangezogenen Romane von Rafik Schami wurden nach dem hermeneutischen Ansatz und der werkimmanenten Methode im Rahmen literatur- und kulturwissenschaftlicher Theorien analysiert.
Wie andere bedeutende Romanprojekte des frühen 20. Jahrhunderts ist Hofmannsthals "Andreas" Fragment geblieben. Die ältere Forschung hat das vielfach als Symptom eines Scheiterns gewertet und noch der Herausgeber der "Kritischen Ausgabe" ist ihr darin gefolgt. Dagegen wurde in neuerer Zeit geltend gemacht, dass "Andreas" nicht nur im äußerlichen Sinn unabgeschlossen, sondern "seiner inneren Struktur" nach "fragmentarisch" sei und dass diese "innere Fragmentarik" durch seine "ästhetisch-poetische Eigenart" motiviert werde. Die Dynamiken der Dissoziation und Spaltung, der Entzweiung, Halbierung und Verdoppelung, von denen der Text handelt, kennzeichnen demnach auch seine Entstehung und Form. Diese Neubewertungen weisen insofern über "Andreas" hinaus, als sie den Blick für die Prozesshaftigkeit und den Suchcharakter von Hofmannsthals gesamtem Œuvre schärfen. Es stellt sich heute, nach der Erschließung des Nachlasses, weniger als ein Werk denn als eine Werkstatt dar und zeugt von offenen Schreibprojekten, die über Textgrenzen hinaus fortgesetzt werden und sich in beständiger Auseinandersetzung mit den eigenen Voraussetzungen, Optionen und Zielen befinden.
Der Indianer ist eine Figur, die mit James Fenimore Cooper (1789-1851) Eingang in deutsche Wohnzimmer erhalten hat und nicht erst mit Karl May (1842-1912) ein fester Bestandteil des deutschen kulturellen Gedächtnisses geworden ist. Den Phänomenen Cooper und May ist bereits weitreichende Aufmerksamkeit in unterschiedlichen Disziplinen zuteil geworden, allerdings werden dabei zum einen verschiedene Schriften anderer Autoren zur Thematik ausgeblendet und zum anderen wird die Frage nach der Funktion der Konstruktion des deutschen Indianers nur an der Oberfläche behandelt. Zumeist beschränken sich die Betrachtungen auf den Verweis auf Exotismus, Abenteuer und Sehnsucht nach dem Fremden, vereinzelt wird auf eine mögliche Zivilisationskritik eingegangen. Dabei geht die Funktionalisierung des deutschen Indianers darüber hinaus. Tatsächlich ist der Indianer auch ein Mittel zur Schaffung und Etablierung einer deutschen Identität in den lang währenden Umbruchzeiten des 19. Jahrhunderts. Bisher ist es versäumt worden, einen umfassenden Nachweis der These anhand zeitgenössischer Quellen zu leisten. Mit Hilfe der Historischen Stereotypenforschung lässt sich über die Analyse der Auto- und Heterostereotype dem genannten Desiderat entsprechen.