830 Literaturen germanischer Sprachen; Deutsche Literatur
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Das vorletzte Kapitel des Fünften Buches des "Fließenden Lichts der Gottheit" Mechthilds von Magdeburg (13. Jahrhundert) handelt von fünf Boten, die Gott zur Ermahnung der Menschen in die Welt gesandt hat. Gleich als erste wird Elisabeth von Thüringen († 1231) genannt. Von ihr heißt es in einer Gottesrede, ihre Sendung gelte für jene unseligen, unkeuschen, hochmütigen und eitlen Frauen, die auf den Burgen sitzen. Viele von diesen edlen Frauen seien dem Vorbild von Elisabeth gefolgt, allerdings nur soweit ihr Wille und ihre Kraft eben reichten. [...] Zwar lässt die Zahl der von kirchlicher Seite als glaubwürdig befundenen Wunderheilungen erahnen, welch hoher Beliebtheit und Bekanntheit sich Elisabeth schon kurz nach ihrem frühen Tod erfreute, doch wissen wir nicht, ob es die im "Fließenden Licht" referierte hohe Zahl von edlen Damen in Thüringen bzw. Sachsen gegeben hat, die vom Vorbild der ungarischen Königstochter und Landgräfin von Thüringen angeregt, sich für ein Leben in freiwilliger Armut und im Dienst der Kranken entschieden haben. Eine Ausnahme scheint es allerdings doch zu geben: Jutta von Sangerhausen. In den nicht allzu zahlreichen Forschungsbeiträgen zu Jutta wird sie als „die einzige direkt vom Vorbild Elisabeths inspirierte Vertreterin der religiösen Frauenbewegung Thüringens“ charakterisiert [...]. Anlass für die Annahme, Jutta sei dem Vorbild Elisabeths gefolgt, bieten vor allem zwei Stellen in ihrer Vita, wo der Lebenswandel Juttas mit dem von Elisabeth expressis verbis verglichen wird.
Bobrowskis Roman 'Levins Mühle' spielt im westpreußischen Grenzland, "immer im Polnischen, aber zwischen Deutschland und Rußland". Es treten darin "katholische Polen und polnische Juden und jüdische Zigeuner [...] und zigeunerische Italiener" sowie einige "ganz ausnehmend" Deutsche auf. Die vor allem vonseiten Letzterer betriebene Zurichtung dieses 'unheilbar pluralen Raums' gemäß einer Homogenität betonenden und auf Abgrenzung abzielenden nationalstaatlichen Erzählung wird in Bobrowskis Text als ideologisch aufgeladene Verschiebung sozialer Konflikte vor Augen geführt. Während die ironisch-kritische Darstellung der nationalen Diskurse in Ostmitteleuropa in 'Levins Mühle' sehr deutlich angelegt ist, zeigt eine Lektüre unter Bezug auf Homi K. Bhabhas 'Verortung der Kultur' darüber hinaus gehende Momente von Hybridisierung und ambivalenter Mehrfachkodierungen. Vor dem Hintergrund postkolonialer Theorie verlieren die Besonderheiten der Figuren - wie der Erzählersprache, der Namengebung und der Lokalisierung jeden lokalanekdotischen Charakter und zeigen ein Widerstandspotenzial gegenüber den Homogenisierungs-und Abgrenzungsbewegungen nationaler Diskurse.
"Sprachgitter" ist eines der Gedichte Paul Celans, das in der Philologie der letzten fünfzig Jahre am extensivsten diskutiert, kommentiert und interpretiert wurde. Dabei wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass das Wort 'Sprachgitter' (wie auch das Gedicht dieses Titels) für Celan eine wesentliche poetologische Dimension habe […]. Celan räumt […] ein, dass der Titel "zweifellos ambi-; ja polyvalent" sei und außerdem "etwas verdammt 'Poetisches'" habe […]. "Ich sage mir aber gleichzeitig, daß mir in 'Sprachgitter' auch das Existenzielle, die Schwierigkeit alles (Zueinander-)Sprechens und zugleich dessen Struktur mitspricht (vgl. 'Raumgitter'), damit ist das zunächst amphibisch anmutende wieder zurück gedrängt". Die Doppelbödigkeit dieses Satzes betont die Radikalisierung des Begriffs von Sprache, der mit dem Wort 'Sprachgitter' verbunden ist; so lässt sich der Satz zum einen in drei konsekutiven Elementen konstruieren, zum anderen aber kann "die Schwierigkeit alles (Zueinander-) Sprechens" als Umschreibung für "das Existenzielle" schlechthin gedeutet werden, womit dieses 'Existenzielle' nicht allein als sprachlich verfasstes charakterisiert, sondern zugleich wesentlich mit dem Problem der Begegnung, der Trennung und der Grenze zusammengedacht wäre. An dieser poetologischen Bemerkung wird zudem deutlich, dass sie nicht allein nach einer 'literarischen Form' – dem 'Gedicht' – fragt noch lediglich nach dem 'Einzelfall' eines Gedichts mit dem Titel "Sprachgitter", sondern sich – ausgehend vom Gedicht – auch der Frage nach der Sprache überhaupt zuwendet.
Das Gedicht 'Boas' erschien erstmals im Mai 1912 in der avantgardistischen Zeitschrift "Der Sturm", die Lasker-Schülers Ehemann Herwarth Walden herausgab. Gemeinsam mit den Gedichten 'Ruth' und 'Pharao und Joseph!' veröffentlichte die Autorin es 1913 erneut in der Zeitschrift Die Freistatt, wobei im vorletzten Vers statt „Ueber seine Korngärten“ die Variante „In seine Korngärten“ zu lesen war. Was auf der Oberfläche ein sentimentales Liebesgedicht (i.e. 'Boas') zu sein scheint, erweist sich bei einer näheren Betrachtung, die die biblische Rut-Novelle einbezieht und den biographischen Konnex sucht, als … mnemosynetisches Gedicht, die poetische Erinnerung an ein gescheitertes Projekt in der Literatur wie im Leben.
Zu dem umrätselten Gespräch, das Napoleon 1808 mit Goethe über den "Werther" geführt hat, kursieren zwei Auflösungen, die beide mit Goethes Äußerungen nicht zur Deckung zu bringen sind. Unbeachtet geblieben ist eine Erklärung aus dem Jahre 1902, die sich aus den Aufzeichnungen K. E. Schubarths ergibt. Sie stimmt nicht nur mit Goethes eigenen Andeutungen überein, sondern macht auch sein Schweigen über dieses Gespräch verständlich.